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Montag, 13. August 2012 Olympia 2012<br />
Nummer 187 -Seite 25<br />
AM ZIEL: Die deutschen Hockey-Männer bejubeln nach dem 2:1-Erfolg gegen die Niederlande<br />
und der Siegerehrung den Gewinn der Gold-Medaille.<br />
(Foto: dpa)<br />
Hockey<br />
DHB-Team entzaubert Holland<br />
2:1 im Finale –Rabente erzielt beide Treffer –Party-Marathon endet auf Traumschiff<br />
(dpa) Als Kapitän Max Müller zum Start in<br />
die lange Party-Nacht das Deutsche Haus<br />
mit einer mächtigen Sektdusche flutete, umklammerte<br />
Matchwinner Jan-Philipp Rabente<br />
sein Gold. »Ich halte die Medaille jetzt immer<br />
ganz fest, damit ich weiß, dass das wirklich<br />
wahr ist. Die lege ich jetzt eine Woche<br />
Schon nach dem erlösenden<br />
Schlusspfiff hatten Müller<br />
und Co. nur noch einen<br />
Wunsch: Party! »Ich muss<br />
jetzt ganz schnell<br />
betäubende Mittel<br />
in mich reinschütten«,<br />
kündigte Philipp<br />
Zeller an. »Mal<br />
sehen, ob die Tower<br />
Bridge noch steht«,<br />
unkte Christopher<br />
Zeller. Sowüst kam<br />
es dann zwar nicht, aber als<br />
das Team mit riesigem Anhang<br />
Punkt Mitternacht das<br />
Deutsche Haus enterte, wollte<br />
Kapitän Müller nur noch<br />
eines. »Was uns wirklich<br />
fehlt, ist ’ne Runde Bier für<br />
alle!«<br />
Dies kam prompt – und<br />
nun erwiesen sich die Goldjungs<br />
wieder als Feierkönige.<br />
Fast alle waren indie plötzlich<br />
gar nicht so zahme deutsche<br />
Feiermeile gekommen,<br />
um dem Team die Ehre zuerweisen.<br />
Die Beachboys Julius<br />
Brink und Jonas Reckermann<br />
ebenso wie Turner Fabian<br />
Hambüchen. Selbst<br />
Bob-Legende André Lange<br />
gratulierte dem Team, das<br />
seine Sause später –gesitteter<br />
– auf der MS Deutschland<br />
fortsetzte.<br />
Begehrtestes Zielobjekt für<br />
alkoholische Duschen aller<br />
Art war natürlich Doppel-<br />
Torschütze Rabente. Triefnass<br />
musste er immer wieder<br />
seine beiden Tore schildern:<br />
»Eigentlich ist Toreschießen<br />
gar nicht meine Hauptaufgabe.<br />
Dafür sind andere da. Ich<br />
stand einfach zum richtigen<br />
Zeitpunkt am richtigen Ort.«<br />
Bis zuletzt hatte der »Nobody«<br />
als Streichkandidat gegolten.<br />
Aber nicht für Bun-<br />
nicht aus der Hand«, sagte der Doppel-Torschütze<br />
nach dem Olympiasieg der deutschen<br />
Hockey-Herren am Samstag in London noch<br />
immer staunend. Mit 2:1 (1:0) hatte das<br />
DHB-Team zuvor die Niederlande entzaubert<br />
–und sich die perfekte Vorlage für die<br />
Feier bis zum Morgengrauen gegeben.<br />
destrainer Markus<br />
Weise. »Diesen Fehler<br />
habe ich nicht gemacht«,<br />
sagte er grinsend.<br />
Dem defensiven<br />
Mittelfeldmann gelang<br />
im Olympia-Finale<br />
sein erster Doppelpack<br />
im Nationaldress.<br />
»Beim ersten habe ich mich<br />
absichtlich fallen lassen, damit<br />
ich den Ball besser ins<br />
Tor chippen kann«, sagte er.<br />
Beim zweiten lief er –eigentlich<br />
nicht ganz konform mit<br />
den Hockey-Regeln –hinten<br />
ums Torherum und traf kurz<br />
vor Schluss zum Sieg. War<br />
das Zufall oder gewollt?<br />
»Das war Bestimmung!«<br />
Rabente, Torwart Max<br />
Weinhold und der überragenden<br />
Defensive war es zu<br />
verdanken, dass der Deutsche<br />
Hockey-Bund (DHB) die<br />
hehre Zielvereinbarung von<br />
zwei Medaillen, eine in Gold,<br />
fast noch einhalten konnte –<br />
trotz des enttäuschenden<br />
siebten Ranges der DHB-Damen.<br />
Zum Glück war wieder<br />
Verlass auf das Flaggschiff:<br />
Zehn (4 Gold/3 Silber/<br />
3Bronze) der 13 olympischen<br />
Hockey-Medaillen lieferte<br />
das »starke Geschlecht« ab.<br />
Noch imposanter ist Weises<br />
Bilanz: Drei Starts, drei<br />
Olympiasiege: Auf Gold<br />
2004 mit den Damen und<br />
2008 mit den Herren folgte<br />
die dritte Plakette –ein Rekord<br />
für die Ewigkeit. »Er<br />
hat vor der entscheidenden<br />
Turnierphase die Zügel angezogen<br />
und uns so erneut zum<br />
Olympiasieg geführt«, lobte<br />
Kapitän Müller den Erfolgscoach,<br />
der sein Team auch in<br />
London auf den Punkt topfit<br />
hinbekam. »Er ist ein absoluter<br />
Chef, er hat die absoluten<br />
Strippen in der Hand«, sagte<br />
Nationalspieler Benjamin<br />
Weßvoller Anerkennung.<br />
Anders als bei den vor einem<br />
Umbruch stehenden<br />
Damen sieht die Zukunft bei<br />
den Herren rosig aus. Während<br />
sich das Gerücht hält,<br />
dass auf Damen-Coach Michael<br />
Behrmann dessen Assistent<br />
Kais Al Saadi folgen<br />
könnte, sind sich DHB und<br />
Weise einig, bis Rio 2016 zusammen<br />
weiterzumachen.<br />
»Er ist für uns der ideale<br />
Mann auf der Bank«, lobte<br />
Sportdirektor Heino Knuf.<br />
Auch das Gros der Spieler<br />
macht weiter. Nur bei Weinhold,<br />
Matthias Witthaus und<br />
Philipp Zeller sei klar, dass<br />
sie im DHB-Team aufhören,<br />
sagte Weise. Er hat ein großes<br />
Reservoir an Talenten, denn<br />
er musste den London-Kader<br />
von 36auf 18 Mann halbieren.<br />
Und hat dabei die richtige<br />
Wahl getroffen. Weise baut<br />
auf robuste Typen wie Rabente,<br />
die sich auch von einem<br />
schwachen Spiel nicht<br />
gleich aus der Bahn werfen<br />
lassen. »Mit Trauerspielern,<br />
die schlechte Gedanken nicht<br />
loswerden, gewinnt man kein<br />
dickes Turnier wie bei Olympia.«<br />
Die Olympia-Kolumne<br />
Mind<br />
the<br />
(mac)<br />
Schluss. Aus. Olymia ist vorbei. Meine Koffer<br />
sind gepackt. Während Sie die letzte Kolumne<br />
aus London lesen, putze ich wahrscheinlich<br />
gerade die Wohnung von Austen,<br />
meinem Vermieter, oder bringe die Zeitungen<br />
runter. Wir Printjournalisten, zumindest ich<br />
Printjournalist, habe die blöde Angewohnheit,<br />
alle Zeitungen, die ich in die Hände bekomme,<br />
zu sammeln. Es könnte ja was drin stehen,<br />
was ich noch mal gebrauchen kann. Obwohl<br />
ich es längst besser weiß und dann,<br />
wenn ich mal was suche, was ich irgendwann<br />
mal irgendwo gelesen habe, es auch nie finde,<br />
kann ich daran nichts ändern. Es ist eine<br />
Sucht. Zu Hause gibt es deswegen schon ab<br />
und zu mal Ärger. Das können Sie sich vielleicht<br />
vorstellen.<br />
Da ich nicht will, dass Austen auch sauer<br />
auf mich ist, löse ich das Zeitungsarchiv auf<br />
seinem Wohnzimmertisch lieber auf. Sie würden<br />
nicht glauben, was da zusammengekommen<br />
ist. Kein Wunder, bei den vielen Zeitungen,<br />
die hier in der Tube verteilt werden. Ich<br />
habe Austen außerdem frische Blumen hingestellt,<br />
das Bett abgezogen, die Post sortiert<br />
und den Apfel, den ich ihm aus dem Kühlschrank<br />
geklaut hatte, ersetzt. Er soll sich<br />
wohlfühlen, wenn er am Mittwoch aus Korsika<br />
zurückkommt. So wie ich, als ich vor 19 Tagen<br />
bei ihm eingezogen bin.<br />
Am Samstag war ich noch einmal Essen.<br />
Zum Abschied. In Shoreditch. Das ist ein<br />
Stadtteil im Osten. In einem Restaurant, das<br />
Sie auch mal besuchen sollten, wenn Sie in<br />
London sind. »Tramshed« heißt es, und es<br />
sieht auch aus wie ein Lokschuppen. Momentan<br />
ein »Place, to be«. Es gibt dort Steaks<br />
oder Hühnchen. Sonst nichts. Das Hühnchen<br />
kommt im Ganzen. Mit Füßen. Aufgespießt.<br />
Es schmeckt köstlich. Der eigentliche Grund<br />
für den Erfolg ist aber ein Kunstwerk von Damian<br />
Hirst. Das ist der, der mal einen Tigerhai<br />
in Formaldehyd eingelegt hat. Das hat er jetzt<br />
für das »Tramshed« wieder getan. Alacarte<br />
sozusagen. In einer großen Box mitten im<br />
Restaurant, vier Meter über den Tischen, badet<br />
eine Kuh in der chemischen Verbindung.<br />
Auf ihr balanciert ein Huhn. Ich finde das<br />
hübsch anzusehen, aber ich bin auch kein Veganer.<br />
Ich werde London vermissen. Ich habe<br />
mich ein bisschen in die Stadt verliebt. Sie<br />
war so gut zu mir. Freundlich, hilfsbereit, kein<br />
böses Wort. An jeder Ecke trug sie ein anderes<br />
hübsches Kleid und hielt eine Überraschung<br />
bereit. London war sexy, heiß und aufregend.<br />
Ich werde auch die Londoner vermissen.<br />
Die coolen Banker aus der City, die morgens<br />
in der Tube keine Miene verziehen. Die<br />
Kreativen aus dem Osten und ihre verrückten<br />
Klamotten, die Imbissbudenverkäufer und<br />
Restaurantbesitzer und ihr unfassbar variantenreiches<br />
Angebot, die Rennradfahrer, die<br />
Zeitungsverteiler, die »Pretties«, die Schlangesteher,<br />
die Rolltreppenläufer, die Busfahrer<br />
und den Sitzplatz ganz vorne, ganz oben, den<br />
die Londoner für die Touristen freilassen. Mir<br />
werden auch die Menschen fehlen, die in<br />
London aus irgendeinem Grund den ganzen<br />
Tag lang irgendetwas bewachen. Nicht nur<br />
die Kornjuwelen. Die Eingänge zu den Supermärkten<br />
zum Beispiel, die Bahnsteige, die<br />
Kreuzungen, die Briefkästen und vermutlich<br />
sogar die Kaffeeautomaten.<br />
Ich werde auch Olympia vermissen. Die<br />
Stimmung in den Sportstätten. Die geschminkten<br />
und jubelnden Briten. Die vielen<br />
Menschen im Park. Die gute Laune. Die bunten<br />
Fahnen und Trikots. Die tollen Sportler. Ihre<br />
tollen Leistungen. Das Public Viewing im<br />
Pub. Kommt da der Name her? Meinen<br />
Schreibtisch im Deutschen Haus. Und noch<br />
viel mehr. Die hilfsbereiten freiwilligen Helfer<br />
natürlich auch, die mich gerne an der Hand<br />
zu meinen Zielen geführt und mich wahrscheinlich<br />
am liebsten dort bewacht hätten.<br />
Das machen sie halt gerne die Briten. Ich<br />
mag sie trotzdem.<br />
See you later, spätestens in Rio! (mac)<br />
***<br />
Das ist die letzte Kolumne von unserem<br />
Sportredakteur Marc Schäfer von den Olympischen<br />
Spielen aus London. (mac) verabschiedet<br />
sich und möchte Danke sagen an<br />
Leser und Kollegen für die vielen netten Mails<br />
und Nachrichten, die ihn in London erreicht<br />
haben.<br />
Geflügel, Steaks und Kunst gibt es im Restaurant »Tramshed«, in dem eine Kuh in einem<br />
Formaldehyd-Bad ausgestellt ist. Auf ihr balanciert ein Huhn.<br />
(Foto: mac)<br />
Volleyball<br />
Unglaubliche Aufholjagd<br />
Russen wehren zwei Matchbälleabund schlagen Weltmeister Brasilien 3:2<br />
DER PASST: Jan Philipp Rabente (am Boden) erzielt für das deutsche Team die 1:0-Führung.<br />
Später lässt er auch den zweiten Treffer folgen.<br />
(Foto: dpa)<br />
(dpa) Erstmals seit den<br />
Heimspielen 1980 haben sich<br />
Russlands Volleyball-Männer<br />
wieder Olympia-Gold gesichert.<br />
Dank einer unglaublichen<br />
Aufholjagd rang die<br />
Auswahl von Trainer Wladimir<br />
Alekno am Sonntag in<br />
einem hochklassigen Finale<br />
Weltmeister Brasilien noch<br />
mit 3:2 (19:25, 20:25, 29:27,<br />
25:22, 15:9) nieder. Dabei<br />
konnten die Brasilianer im<br />
dritten Satz zwei Matchbälle<br />
nicht zum Sieg nutzen. Danach<br />
fanden die Südamerikaner<br />
nicht mehr ihren<br />
Rhythmus, während den<br />
Russen, die zu Beginn noch<br />
chancenlos gewesen waren,<br />
danach alles gelang.<br />
Mit dem Gold-Coup verhinderte<br />
Russland auch einen<br />
Doppelerfolg der<br />
Schmetterkünstler vom Zuckerhut:<br />
Am Samstag hatte<br />
Peking-Olympiasieger Brasilien<br />
bei den Frauen gegen die<br />
USA erneut Gold geholt. Das<br />
deutsche Männer-Team, das<br />
gegen beide Finalgegner in<br />
der Vorrunde klare Niederlagen<br />
einstecken musste, beendete<br />
das Turnier auf Platz<br />
fünf. Dies war das beste Abschneiden<br />
bei Olympia seit<br />
Silber für die DDR 1972.<br />
Bronze ging bei den Männern<br />
an das Team aus Italien,<br />
das Bulgarien mit 3:1 (25:19,<br />
23:25, 25:22, 25:21) besiegte.<br />
Damit müssen die Bulgaren,<br />
die im Viertelfinale das Team<br />
des Deutschen Volleyball-<br />
Verbandes ausgeschaltet hatten,<br />
weiter auf ihre erste<br />
Olympia-Medaille seit Silber<br />
1980 warten.<br />
Bereits am Samstag hatten<br />
sich Brasiliens Volleyball-<br />
Frauen wie schon vor vier<br />
Jahren Olympia-Gold gesichert.<br />
Nach schwachem ersten<br />
Satz drehten die Südamerikanerinnen<br />
auf und<br />
ließen den USA beim 3:1<br />
(11:25, 25:17, 25:20, 25:17)<br />
am Ende keine Chance. Starspielerin<br />
Sheilla Castro durfte<br />
wie schon in Peking ganz<br />
oben auf dem Podest tanzen.<br />
»Diese Medaille ist für meine<br />
Oma Teresinha«, sagte Castro,<br />
vergaß aber auch ihren<br />
Freund nicht: »In jedem<br />
schwierigen Moment, den ich<br />
hatte, hat er mich motiviert.<br />
Er hat mir so sehr geholfen.«<br />
Für die US-Frauen blieb wie<br />
2008 nur Silber.<br />
Bronze ging bei den Frauen<br />
an Japan. Garant des Sieges<br />
beim 3:0 (25:22, 26:24, 25:21)<br />
gegen Südkorea war Saori<br />
Sakoda, die 23 Punkte erzielte.<br />
»Sie war absolut die Beste«,<br />
lobte Japans Nationalcoach<br />
Masayoshi Manabe.<br />
Für die Japanerinnen war es<br />
die erste Medaille seit Bronze<br />
1984 in Los Angeles. Die<br />
deutschen Frauen hatten sich<br />
nicht für Olympia qualifizieren<br />
können.