Länderprofil Tunesien - Ghorfa
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<strong>Länderprofil</strong> <strong>Tunesien</strong><br />
Tunesische Republik<br />
(Al-Jumhuriya at-Tunisiya)<br />
Wirtschaftliche und politische Entwicklung<br />
Nachdem es Ende 2010 und Anfang 2011 in <strong>Tunesien</strong> wochenlang zu Massenprotesten kam<br />
und der seit 1987 amtierende Staatspräsidenten Ben Ali am 14. Januar 2011 das Land<br />
verließ, befindet sich <strong>Tunesien</strong> in einer neuen politischen Phase. Der Übergangspräsident<br />
Fouad Mebazaa, der am 17.01.2011 gebildeten Übergangsregierung, kündigte einen<br />
vollständigen Bruch mit der Vergangenheit an. Im Dezember 2011 wurde Moncef Marzouki<br />
von einer verfassungsgebenden Versammlung zum Präsidenten ernannt.<br />
Am 23. Oktober 2011 fanden in <strong>Tunesien</strong> die ersten freien Wahlen zur Verfassungsgebenden<br />
Versammlung in <strong>Tunesien</strong> statt. Dabei siegte die unter Ben Ali verbotene gemäßigtislamistische<br />
Ennahda-Partei. Laut amtlichem Endergebnis erhielt sie 90 der 217 Sitze und<br />
verfehlte damit die absolute Mehrheit. Zweitstärkste Kraft wurde mit 30 Sitzen der Kongress<br />
für die Republik (CPR), gefolgt von der Ettakatol-Partei mit 21 Sitzen. Mehr als sieben<br />
Millionen Stimmberechtigte waren zur Wahl aufgerufen. Die 217 Abgeordneten der<br />
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<strong>Länderprofil</strong> <strong>Tunesien</strong><br />
verfassunggebenden Versammlung sollen eine neue Verfassung erarbeiten und einen<br />
Präsidenten bestimmen, welcher dann den Chef einer Übergangsregierung ernennen soll.<br />
Internationale Beobachter bescheinigten einen fairen und transparenten Verlauf der Wahl.<br />
<strong>Tunesien</strong> verfügt über eine breite Mittelschicht und ist eines der weltweit<br />
wettbewerbsfähigsten Länder. Die Wirtschaft ist diversifiziert und der Industrialisierungsgrad<br />
im regionalen Vergleich hoch. Die Produktionsbedingungen sind nach wie vor recht günstig.<br />
<strong>Tunesien</strong>s Wirtschaft ist laut dem Internationalen Währungsfond (IWF) in den letzten Jahren<br />
stetig gewachsen, um 6,3% in 2007, 4,5% in 2008 und 3,1% in 2009, trotz der<br />
Wirtschaftskrise. 2010 lag das Wachstum bei 3,1%. Die Wahlen vom Oktober 2011 fanden vor<br />
dem Hintergrund einer sich nur langsam erholenden tunesischen Wirtschaft statt. Im<br />
gesamten Jahr 2011 lag die wirtschaftliche Entwicklung bei -1,8%. Der IWF rechnet allerdings<br />
für 2012 wieder mit einem positiven Wachstum, das bei ca. 2,2% liegen wird.<br />
<strong>Tunesien</strong> verfügt über relativ wenige Rohstoffe. Die Erdölproduktion aus eigenen Vorkommen<br />
lag 2011 bei 83.720 Barrel pro Tag. Die Erdgasproduktion lag 2009 bei 3,6 Mrd. Kubikmeter.<br />
<strong>Tunesien</strong> ist weltweit der viertgrößte Produzent von Phosphaten und der zweitgrößte<br />
Exporteur von Phosphatdünger. Daneben ist <strong>Tunesien</strong> weltweit der drittgrößte Exporteur von<br />
Olivenöl. Weitere wichtige Exportgüter neben Erdölprodukten, Phospaten/ Phosphatprodukten<br />
und Olivenöl sind Textilien, elektromechanische Güter, Datteln und Zitrusfrüchte.<br />
Mit Unterstützung des IWF und der Weltbank wurde 1986 ein Strukturanpassungsprogramm<br />
eingeleitet, das die Förderung der Privatwirtschaft und die Integration in die Weltwirtschaft<br />
zum Ziel hat. Bereits mit seinen bisherigen stabilen Wachstumsraten von rund 5% in den<br />
vergangenen 15 Jahren nahm <strong>Tunesien</strong> in Nordafrika eine Spitzenposition ein.<br />
Seit dem 01.01.2008 sind Zölle auf Industrieprodukte im Handel mit der EU abgeschafft.<br />
<strong>Tunesien</strong> schloss als erstes arabisches Land 1995 ein Assoziationsabkommen mit der EU.<br />
<strong>Tunesien</strong> ist auch Mitglied der am 13. Juli 2008 in Paris gegründeten Mittelmeerunion und<br />
gehörte zu den ersten Ländern, die dieses Projekt schon im Sommer 2007 befürworteten.<br />
<strong>Tunesien</strong> erwartet von der Mittelmeerunion, die den Barcelona-Prozess fortsetzt,<br />
weitreichende Fortschritte für seine wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und einen<br />
verstärkten Antrieb für seine Projekte in der Privatwirtschaft. Ziel der Union ist es, die<br />
Partnerschaft in der Mittelmeerregion zu verstärken und in zunächst sechs konkreten<br />
Bereichen enger zusammenzuarbeiten: Umweltschutz, Straßenbau und Ausbau der Seewege,<br />
Katastrophenschutz, Solarenergie, Gründung einer Euro-Mediterranen Universität sowie einer<br />
Mediterranen Business Development Initiative zur Förderung kleiner und mittlerer<br />
Unternehmen.<br />
Zentrale Aufgabe der Regierungspolitik ist die Reduktion der hohen Arbeitslosigkeit besonders<br />
unter Akademikern und den unter 25-Jährigen. Bei den Bemühungen um höhere<br />
Wachstumsraten und zur Ankurbelung der Beschäftigung konzentriert sich die Regierung auf<br />
den Ausbau der Produktion, die Schaffung neuer, auf hochwertigem Wissen basierender<br />
Industrien, Modernisierung der Landwirtschaft, Verbesserung der Kommunikationsstrukturen<br />
und Modernisierung des Finanzsektors. <strong>Tunesien</strong> greift dabei auf entsprechend ausgebildete<br />
Fachkräfte aus dem Ausland zurück und unterstützt Investitionen aus dem Ausland.<br />
Projekte und Investitionsschwerpunkte<br />
<strong>Tunesien</strong> verfügt über ein gutes Investitionsklima, das durch das Investitionsförderungsgesetz,<br />
wodurch Industrieunternehmen, die im Export tätig sind u. a. von steuerlichen Vorteilen<br />
profitieren, begünstigt wird. So sind beispielsweise die Gewinne von Exportunternehmen zehn<br />
Jahre steuerfrei. Zwar bietet <strong>Tunesien</strong> auf Grund seiner Größe keinen bedeutenden<br />
Binnenmarkt, ist dafür aber als Produktionsstandort umso reizvoller. Geringe Lohnkosten, eine<br />
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<strong>Länderprofil</strong> <strong>Tunesien</strong><br />
gut ausgebildete Bevölkerung und die Nähe zum europäischen Markt sind klare<br />
Standortvorteile. Entsprechend kürte das Weltwirtschaftsforum Davos <strong>Tunesien</strong> im Global<br />
Competitiveness Report 2009/2010 zum wettbewerbsfähigsten Land Afrikas. Insbesondere<br />
wird auf gute Investitionsmöglichkeiten in den Bereichen Privatisierung, Konzessionierung,<br />
internationale technologische Partnerschaften sowie in verschiedenen Sektoren, wie Elektrik,<br />
Elektronik, Kfz-Zulieferindustrie, Textil, Leder, Agrarwirtschaft, Pharma, Verpackung,<br />
Informationstechnologie und Tourismus hingewiesen.<br />
Eine zentrale Aufgabe sieht die tunesische Regierung im Aufbau einer leistungsfähigen<br />
Energieversorgung, die auf auf regenerativen Energien basieren soll. Im Oktober 2009<br />
wurde der „Plan Solaire Tunisien“ vorgestellt. Für den Zeitraum von 2010 bis 2016 sieht der<br />
Plan eine Vielzahl von Projekten mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von 2 Mrd. Euro vor.<br />
Es werden insgesamt 590 Mio. Euro an öffentlichen Zuschüssen bereitgestellt und Private-<br />
Public-Partnerships zur Realisierung angestrebt. Mit den Projekten werden verschiedene Ziele<br />
verfolgt. Es gibt sowohl dezentrale kleinteilige Projekte zur Elektrifizierung ländlicher Gebiete<br />
als auch an Betriebe gekoppelte Projekte um diese zu Selbstversorgern zu machen und<br />
schließlich Großprojekte, die mittelfristig zum Energieexport in die EU in der Lage sein sollen.<br />
Im Januar 2012 wurde beispielsweise der Plan für den Bau eines Photovoltaikkraftwerks<br />
vorgestellt. Zudem beabsichtigen erste Großbetriebe Photovoltaik-Anlagen und<br />
Windkraftwerke zur Energieversorgungen zu bauen.<br />
Der Stromverbrauch in <strong>Tunesien</strong> wächst jährlich um 4 bis 6%. Für die Verbreiterung der<br />
Energiebasis soll zu den bislang gasbefeuerten Kraftwerken im Rahmen der Energiepolitik der<br />
tunesischen Regierung erneuerbare Energien, aber auch Atomkraft gehören. Der staatliche<br />
Gas- und Stromversorger <strong>Tunesien</strong>s STEG (Société Tunisienne de l'Electricité et du Gaz)<br />
erweitert seine Stromkapazitäten, um mit dem wachsenden Bedarf Schritt halten zu können.<br />
Das Land wird pro Jahr rund 400 Megawatt (MW) zusätzlich benötigen. Zurzeit produzieren 25<br />
Kraftwerke mit einer Kapazität von 3.465 MW Strom. Strom wird in <strong>Tunesien</strong> hauptsächlich<br />
auf der Basis fossiler Brennstoffe produziert. Bei den erneuerbaren Energien, deren<br />
Produktionskapazität 2012 bei 244 MW lag, überwiegt die Windkraft. Mittlerweile gibt es<br />
insgesamt drei Windparks in Birzirte, Jendouba und in Beja mit einer Gesamtkapazität von<br />
120 MW. Laut tunesischem Wirtschaftsplan 2010 bis 2014 sind weitere Kapazitäten im Métline<br />
und Kechabta von 120 MW geplant. Daneben hat sich die tunesische Regierung das Ziel<br />
gesetzt, bis 2016 rund 1.000 MW Solarkraft zu stellen. Hierbei sollen vor allem Gaskraftwerke<br />
mit Solarthermie kombiniert werden. Bis Dezember 2013 ist die Fertigstellung eines<br />
Kleinkraftwerkes in El Borma geplant. Die elektrische Gesamtleistung liegt bei 40 MW. Ein<br />
Anteil von 5 MW wird auf der Basis von Solarthermie gestellt.<br />
Für die kommenden Jahre sind ausländische Investitionen in den Bereichen Infrastruktur,<br />
Kraftwerke und Umwelt gut möglich. Bei einigen Großvorhaben sind bereits Fortschritte<br />
erzielt worden. Die Golfstaaten werden erhebliche Investitionen im Immobilien- und<br />
Tourismussektor tätigen. Für mehrere Großprojekte im Städtebau sind bereits die Konditionen<br />
ausgehandelt und Rahmenverträge unterzeichnet worden. Investitionen aus dem Ausland<br />
fanden vor allem im Energiesektor statt. So haben beispielweise katarische Investoren mit<br />
dem Bau eines ersten privat-geführten Kraftwerks begonnen. Das Kraftwerkt wird zunächst<br />
eine Kapazität von 120.000 Barrel am Tag haben und soll dann auf 250.000 gesteigert<br />
werden. Rund 12.000 Tunesier sollen durch das Kraftwerk angestellt werden, wie die<br />
Konsumforschungsfirma Euromonitor International berichtet. Daraus resultierend konnten sich<br />
85 Firmen mit ausländischer Beteiligung etablieren und 112 Betriebe expandieren. Somit<br />
konnten laut FIPA 6.128 neue Arbeitsplätze im Industriesektor geschaffen werden. Die<br />
andauernde Investitionstätigkeit ausländischer Firmen, aber auch die geplanten finanziellen<br />
Einlagen von außerhalb, sind wichtige Indikatoren für die zukünftige Wirtschaftsentwicklung.<br />
Im Herbst 2010 hatte die African Development Bank (AFDB) einen 312 Mio. US-Dollar Kredit<br />
an <strong>Tunesien</strong> zur Verbesserung des nationalen Straßennetzes vergeben. Mit dem Kredit<br />
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<strong>Länderprofil</strong> <strong>Tunesien</strong><br />
sollen 862,8 km saniert, 691,3 km ausgebaut und 52,6 modernisiert werden.. Die Straßen<br />
befinden sich hauptsächlich in den Städten Beja, Jendouba, Kef, Siliana und Zaghouan im<br />
Nordwesten; Kasserine, Kairouan und Sidi Bouzid im mittleren Westen sowie in Gafsa, Kebili,<br />
Tozeur und Mednine im Süden des Landes. Dies ist der größte Kredit, den die AFDB je für ein<br />
Einzelprojekt an <strong>Tunesien</strong> vergeben hat. Die tunesische Regierung erhofft sich vom Ausbau<br />
der Infrastruktur Verbesserungen für die Landwirtschaft, den Fischerei-Sektor sowie das<br />
Forstwesen in der Region. Für das Jahr 2011 veranschlagte die tunesische<br />
Übergangsregierung Ausgaben in Höhe von 500 Mio. Euro für die Instandsetzung und den<br />
Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, vor allem im Süden und Westen des Landes. Die<br />
Bauausgaben im Nachtragshaushalt 2012 betrugen im Bereich der Straßenbauprojekte und<br />
im sozialen Wohnungsbau 969 Mio. Tunesische Dinar, wie die GTAI berichtet. Insgesamt<br />
sollen 150 000 neue Sozialwohnungen in den nächsten Jahren entstehen.<br />
Einige wichtige Großprojekte der Baubranche sind Tunis Financial Harbour (3 Mrd. US-<br />
Dollar), Cité Sportive de Tunis (5 Mrd. US-Dollar) und der neue Tiefseehafen Enfidha (660<br />
Mio. US-Dollar). Neben dem Aufbau erneuerbarer Energien, werden drei mittlere neue<br />
Gaskraftwerke (insg. 280-380 Mio. US-Dollar) und ein Gasgroßkraftwerk (1200 MW) mit<br />
Verbindung nach Italien (1,5 Mrd. US$) gebaut. Zwei Kläranlagen (je 100 Mio. US-Dollar) und<br />
ein Phosphorsäure-Werk (150 Mio. US-Dollar) sind ebenfalls geplant.<br />
Die tunesische Kfz-Zulieferindustrie ist seit den 90iger Jahren rasant gewachsen. Die Zahl<br />
der Unternehmen hat sich in den Jahren 1987 bis 2009 von 40 auf 220 erhöht. Dabei handelt<br />
es sich überwiegend um Kfz-Zulieferer für den europäischen Markt. Abnehmer sind<br />
Automobilhersteller, wie Daimler, Audi, VW, Renault, Peugeot und Fiat. <strong>Tunesien</strong> ist ein<br />
wichtiger Standort für die Produktion von Kfz-Teilen. International aktive Unternehmen fertigen<br />
Kabelbäume, Elektronikteile, mechanische Komponenten oder Kunststoffteile - vor allem für<br />
den europäischen Markt. Das nordafrikanische Land profitiert als wettbewerbsfähiger Standort<br />
vom globalen Kostendruck in der Branche. Im Jahr 2011 gingen die Neuinvestitionen deutlich<br />
zurück, ab 2012 dürfte sich dies aber wieder ändern.<br />
<strong>Tunesien</strong> hat als das kleinste nordafrikanische Land den regional am weitesten entwickelten<br />
Markt für Medizintechnik und Gesundheitsdienstleistungen entwickelt. Der<br />
Gesundheitssektor nimmt einen zentralen Stellenwert in den Regierungsplänen ein. Zudem<br />
lockt <strong>Tunesien</strong> Medizintouristen, insbesondere aus den Nachbarländern Libyen und Algerien<br />
und in zunehmendem Maße aus Ostafrika. Der Medizintourismus generiert etwa 5% des<br />
gesamten Dienstleistungsexports. Ausländische Patienten bringen rund 25% des Umsatzes<br />
tunesischer Krankenhäuser.<br />
Ein weiterer wichtiger Sektor des Landes ist der Tourismus, in dem rund 3,5% der<br />
Bevölkerung beschäftigt ist und rund 5% des BIPs ausmacht. Im Jahr 2011 kam es hier zu<br />
erheblichen Umsatzeinbußen, die sich jedoch Richtung Jahresende bereits abmilderten.<br />
Generell bestand bereits vor der Revolution Modernisierungsbedarf in der Hotelinfrastruktur<br />
sowie beim Service. Wie die Konsumforschungsfirma Euromonitor International (EI) berichtet,<br />
ist bis 2016 ein Großprojekt namens „Gate of the Mediterranean“ im Umfang von 14 Mrd. US-<br />
Dollar geplant. Vorgesehen sind luxuriöse Hotelanlagen und Attraktionen für Touristen. Die<br />
Regierung geht zudem davon aus, dass die Touristenzahlen bis 2015 auf 10 Millionen<br />
Besucher gesteigert werden können, im Vergleich zu den 7 Millionen Touristen, die 2010 das<br />
Land besuchten.<br />
Nachdem die tunesische Wirtschaft unter den politischen Unruhen zu Beginn des Jahres<br />
schwer gelitten hat, verkündete die Afrikanische Entwicklungsbank im Frühjahr 2011,<br />
<strong>Tunesien</strong> mit einem 1,2 Milliarden US Dollar Kredit zur Erholung der Wirtschaft zu<br />
unterstützen. Das Geld soll zur Schaffung von mehr Beschäftigung, für Jugendprogramme,<br />
zum Ausgleich regionaler Ungleichgewichte und zur Institutionenstärkung verwendet werden.<br />
Die Weltbank gewährt <strong>Tunesien</strong> einen weiteren Kredit in Höhe von 500 Mio. Dollar. Diese<br />
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<strong>Länderprofil</strong> <strong>Tunesien</strong><br />
Finanzhilfe soll v.a. für Reformen im Bereich der Vereinigungsfreiheit, der Verbesserung des<br />
Zugangs an Informationen, sowie der Transparenz bei der öffentlichen Auftragsvergabe<br />
eingesetzt werden. Darüber hinaus soll der Kredit u.a. zum Ausgleichen der regionalen<br />
wirtschaftlichen Ungleichheiten beitragen und Pilot-Beschäftigungsprogramme kreieren. EU-<br />
Kommissionspräsident José Manuel Barroso sagte zudem zu, dass <strong>Tunesien</strong> zusätzliche 140<br />
Mrd. Euro zur Verfügung gestellt werden. Das bereits bewilligte Budget für 2011-2013 liegt bei<br />
257 Mio. Euro. Außerdem würden die EU-Kommission ihre Hilfsprogramme in Höhe von 4<br />
Mrd. Euro für die südlichen Nachbarstaaten neu ausrichten.<br />
Während eines zweitägigen <strong>Tunesien</strong>-Besuchs Anfang März 2011 hat der Vizepräsident der<br />
European Investment Bank (EIB) Philippe de Fontaine Vive die Vergabe eines Kredits in Höhe<br />
von 1,87 Mrd. Euro an <strong>Tunesien</strong> bekanntgegeben. Mit 1 Mrd. Euro geht der Löwenanteil des<br />
Kredits an öffentliche Projekte in den Sektoren Energie, Infrastruktur und Reinigung. Weitere<br />
160 Mio. Euro fließen in die Finanzierung der Straßenmodernisierung. Darüber hinaus beteiligt<br />
sich die EIB mit 140 Mio. Euro an dem Bau einer Chemiefabrik. Zur Stärkung kleinerer und<br />
mittlerer Unternehmen (KMU) stellt die EIB Banken und Baugenossenschaften 260 Mio. Euro<br />
zur Verfügung. Weitere 310 Mio. Euro fließen in Projekte für KMU in benachteiligten<br />
Gegenden, den Gas-Sektor, und lokale Regierungsbehörden und Mikrokredite.<br />
Im September 2012 stellt der Arab Monetary Fund <strong>Tunesien</strong> einen Kredit über 176 Millionen<br />
USD (276 Millionen Dinar) zur Verfügung. Während der größte Teil des Geldes (rund 115<br />
Millionen Dinar) die nationale Zahlungsbilanz abfedern soll, sind 92 Millionen Dinar für<br />
Erhöhung der ausländischen Geldreserven bestimmt. Weitere 69 Millionen Dinar sollen in die<br />
Reform des Finanz- und Bankensektors gesteckt werden. Darüber hinaus wurde im November<br />
2012 bekannt, dass die Weltbank <strong>Tunesien</strong> einen Kredit über 500 Mio. US-Dollar gewährt. Mit<br />
dem Geld sollen die politischen und wirtschaftlichen Reformen vorangebracht werden. Unter<br />
anderem soll dadurch eine Steuer- und Zollerleichterung von 10 Prozent umgesetzt werden.<br />
Darüber hinaus ist die Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes geplant. Bereits im<br />
Juni 2011 hatte das Land einen Kredit der Weltbank erhalten, mit dessen Hilfe der Zugang zu<br />
Informationen erleichtert werden sollte. Seither veröffentlicht das Finanzministerium seine<br />
Haushaltspläne monatlich.<br />
Deutsch-tunesische Wirtschaftsbeziehungen<br />
Deutschland ist nach Frankreich und Italien der drittgrößte Handelspartner <strong>Tunesien</strong>s. Die<br />
aktuelle Zahl deutsche Unternehmen in <strong>Tunesien</strong> beträgt 274, die insbesondere im Export-<br />
Sektor der Textil-, Elektro- und Automobilindustrie Handel betreiben. Wie das statistische<br />
Bundesamt mitteilte wurden in den ersten neun Monaten 2012 Waren im Wert von 1.105,8<br />
Mio. Euro von <strong>Tunesien</strong> nach Deutschland importiert, während im gesamten Jahr 2011 Güter<br />
im Wert von 1516,2 Mio. importiert wurden, was einer Steigerung von 9,73 im Vergleich zu<br />
2010 entspricht. Deutschland exportiere von Januar bis September 2012 Waren im Wert von<br />
1.048,2 Mio. Euro. 2011 waren es Waren im Werkt von insgesamt 1.546,4 Mio. Euro (-3,67%).<br />
Im Jahr 2010 exportierte Deutschland Waren im Wert von 1.605,3 Mio. Euro (+42,5%) nach<br />
<strong>Tunesien</strong>. <strong>Tunesien</strong> exportierte seinerseits 2010 Waren im Wert von 1381,7 Mio. (+13,3%)<br />
Euro nach Deutschland.<br />
Deutschland importiert aus <strong>Tunesien</strong> vor allem Textilien (Enderzeugnisse), elektrotechnische<br />
Erzeugnisse, Lederwaren, Rohöl, Nahrungsmittel, Kraftstoffe, Schmierstoffe sowie Teppiche.<br />
Von tunesischer Seite werden in erster Linie Textilien (Vorerzeugnisse), elektronische<br />
Erzeugnisse, Maschinen, Kraftfahrzeuge, chemische Produkte sowie Eisen und Eisenwaren<br />
aus Deutschland importiert.<br />
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<strong>Länderprofil</strong> <strong>Tunesien</strong><br />
Im Januar 2012 wurde eine Deutsch-Tunesische Energiepartnerschaft auf den Weg gebracht,<br />
die das Ziel verfolgt, enger im Bereich Erneuerbare Energien zusammenzuarbeiten und in<br />
diesem Bereich effizienter zu werden. Zudem werden die Reduktion des Energieverbrauchs<br />
und eine Verminderung der Treibhausgasemission angestrebt.<br />
Die traditionell enge bilaterale Zusammenarbeit im Umweltsektor wird um die Kooperation bei<br />
Klimaschutzprojekten unter dem Clean Development Mechanism (CDM) des Kyoto-Protokolls<br />
erweitert. Dies beschlossen die Umweltminister beider Länder auf einem Energieworkshop im<br />
Frühjahr 2007. Die Deutsche Energie-Agentur dena und die tunesische Energieagentur ANME<br />
(Agence Nationale pour la Maîtrise de l’Énergie) vereinbarten außerdem, eine Arbeitsgruppe<br />
zur Identifizierung von CDM-Vorhaben einzurichten.<br />
Gemeinsam mit Frankreich und Italien ist Deutschland einer der wichtigsten Partner im<br />
Bereich der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit. Schwerpunkte der Kooperation sind<br />
der Umweltschutz (Abwasseraufbereitung, Müllbeseitigung/ Recycling,<br />
Wasserbewirtschaftung, Erneuerbare Energien) sowie die Modernisierung der tunesischen<br />
Wirtschaft.<br />
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