3.12 MB - Nordrhein-Westfalen direkt
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Wirtschaftspolitik für die Industrie<br />
53<br />
6. Wirtschaftspolitik<br />
für die Industrie<br />
„Die Industrie in <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong> ist erfolgreich“<br />
– das ist das Kernergebnis der bisherigen<br />
Analyse. Müssen die Befunde aber vor dem<br />
Hintergrund der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise<br />
grundsätzlich überdacht werden?<br />
Zumindest 2009 wird für die Wirtschaft in<br />
<strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong> ein schwieriges Jahr:<br />
❚❚ Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung<br />
erwartet für 2009 einen<br />
Rückgang des Bruttoinlandsproduktes von<br />
zwei Prozent. Für die Industrie wird sogar ein<br />
Produktionsrückgang von über fünf Prozent<br />
prognostiziert (siehe Beitrag V, Seite 83 ff.).<br />
❚❚ Auch die im IW-Zukunftspanel befragten<br />
Industrieunternehmen erwarten einen deutlichen<br />
Rückgang ihres Geschäftes. Knapp die<br />
Hälfte rechnet bei einer aktuellen Befragung<br />
aus dem Dezember 2008 mit weniger Umsatz<br />
als im Vorjahr. Bei fast einem Drittel der<br />
Befragten sollen auch die Beschäftigung und<br />
Investitionen zurückgehen. Im Vorjahr lag<br />
der Anteil der Unternehmen mit rückläufigen<br />
Erwartungen hinsichtlich Umsatz, Beschäftigung<br />
und Investitionen noch weit unter zehn<br />
Prozent. Die Industrieunternehmen sind von<br />
der Krise deutlich stärker betroffen als die<br />
Dienstleister. So rechnet nur gut ein Drittel<br />
der Serviceunternehmen mit fallenden<br />
Umsätzen.<br />
❚❚ Knapp die Hälfte der Industrieunternehmen<br />
erwarten durch die Finanzkrise im Jahr<br />
2009 ungünstigere wirtschaftliche Rahmenbedingungen.<br />
Die Gründe sind eine starke<br />
Kaufzurückhaltung, schlechtere Kunden-<br />
Lieferanten-Beziehungen und Investitionszurückhaltung.<br />
Knapp 40 Prozent der Unternehmen<br />
rechnen mit Problemen bei der<br />
Kreditvergabe und ein Drittel mit höheren<br />
Kreditkosten.<br />
❚❚ Offenbar bewerten die Unternehmen die derzeitige<br />
Konjunkturkrise noch überwiegend<br />
als eine vorübergehende Schwächephase.<br />
Knapp die Hälfte der Industrieunternehmen<br />
glaubt mittelfristig wachsen zu können – vor<br />
einem Jahr waren es noch deutlich mehr.<br />
Fazit: Insgesamt wird die Industrie von der derzeitigen<br />
Finanz- und Konjunkturkrise besonders<br />
hart getroffen. Trotzdem bleibt sie auch in Zukunft<br />
ein wichtiger Pfeiler einer wettbewerbsfähigen<br />
Wirtschaft in <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong>.<br />
Die Wirtschaftspolitik muss deshalb heute die<br />
Weichen so stellen, dass das Land vom nächsten<br />
Aufschwung profitieren kann. Eine moderne<br />
Wirtschaftspolitik sollte alle Unternehmen<br />
dabei unterstützen, die in dieser Studie identifizierten<br />
Erfolgskriterien besser zu erfüllen.<br />
Daher muss eine moderne Industriepolitik sehr<br />
breit angelegt sein:<br />
Die Wirtschaftspolitik muss für gute Rahmenbedingungen<br />
sorgen, die dem Wettbewerb Freiräume<br />
lassen und die Unternehmen nicht mit<br />
Steuern und Abgaben überfordern. Kritisch sind<br />
aus dieser Sicht etwa die geplanten Emissionszertifikate<br />
zu beurteilen, die nach dem heutigen<br />
Stand die Wettbewerbsfähigkeit insbesondere<br />
der energieintensiven Industrie gefährden.<br />
Ohne Innovationen kein Erfolg – aber Innovationen<br />
werden nicht nur in den Forschungslabors<br />
entwickelt, sondern sie entstehen auch<br />
durch eine umfassend verstandene Kreativität.<br />
Eine Wirtschaftspolitik für die Industrie und das<br />
neue wirtschaftspolitische Leitbild der „Kreativen<br />
Ökonomie“ sind deshalb keine Gegensätze<br />
– sie ergänzen sich.<br />
Ohne Forschung und Entwicklung sowie hervorragende<br />
Bildungseinrichtungen kommt keine<br />
moderne Industrie aus. Dass ein Industrieland<br />
wie <strong>Nordrhein</strong>-<strong>Westfalen</strong> verstärkt und dauerhaft<br />
in „seine Köpfe“ investieren muss, ist deshalb<br />
selbstverständlich. Die Innovations- und<br />
Bildungspolitik ist der Schlüssel für den Erfolg<br />
von morgen.<br />
Die Analyse hat zudem verdeutlicht, dass<br />
Grund werte wie Verlässlichkeit, Vertrauen,<br />
Gründlichkeit, Flexibilität oder Schnelligkeit<br />
auch heute noch sehr wichtig sind. Neben der<br />
Bildungspolitik spielt daher die Erziehung eine<br />
herausragende Rolle. Sie muss diese Grundwerte<br />
gerade jungen Menschen vermitteln.<br />
Industriepolitik geht weit über die Förderung<br />
einzelner Branchen, Unternehmenstypen oder<br />
Technologien hinaus – sie ist letztendlich<br />
Gesellschaftspolitik. Das bedeutet auch, für eine<br />
breitere Akzeptanz der Industrie zu werben.