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Interview Ivo Strecker - Interviews with German Anthropologists

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<strong>Interview</strong> <strong>Ivo</strong> <strong>Strecker</strong>, 08.11.2008<br />

Herr <strong>Strecker</strong>, können Sie etwas zu Ihrem familiären Hintergrund sagen?<br />

Geboren wurde ich im Mai 1940 in Magdeburg, wo mein<br />

Großvater, Richard Winckel, als Kunstprofessor tätig war. In<br />

Magdeburg wurden wir ausgebombt, und nach dem Krieg<br />

verschlug es unsere Familie gen Westen, nach Niedersachsen.<br />

Zuerst fanden wir im Pfarrhaus meines Großonkels in Oldendorf<br />

bei Melle vorübergehend eine Bleibe, und dann konnte mein Vater<br />

auf dem Land zwischen dem Wiehengebirge und dem Teutoburger<br />

Wald eine neue Existenz aufbauen. Wie so viele andere Menschen<br />

hatte es also auch uns in eine neue Region verschlagen – aber nicht<br />

unbedingt in die absolute Leere, denn in Niedersachsen hatten die<br />

<strong>Strecker</strong>s ja bereits seit langem als Pastoren gelebt. So waren wir<br />

sowohl Flüchtlinge als auch Einheimische. Als ich später in<br />

Göttingen studierte, traf ich beispielsweise eine neunzigjährige<br />

Frau, die mir erzählte, wie sie als Kind im Pfarrhaus meines<br />

Urgroßvaters Indianer gespielt hatte.<br />

Hier, wo wir gerade zusammen sitzen (in Halle am Teutoburger<br />

Wald), ist der richtige Ort um zu verstehen, wie ich zur Ethnologie<br />

kam: Dieser Schafstall, den meine Eltern mit uns Kindern nach<br />

dem Krieg zu einem neuen Heim umbauten, war Atelier für meinen<br />

Vater, Webraum für meine Mutter und Unterkunft für uns Kinder.<br />

Damals malte sich mein Vater in die neue Zeit hinein, wobei er<br />

nicht so sehr dem Abstrakten der US-amerikanischen Strömung<br />

nacheiferte, sondern eher die alte europäische Maltradition nach Cezanne weiterzuführen versuchte. Hier schenkte er<br />

mir auch Ruth Benedicts »Urformen der Kultur« 1 . Ein Freund, der als Professor für Ökonomie in Göttingen lehrte, hatte<br />

es ihm empfohlen. Zudem reiste unsere Familie viel durch Europa und wir gingen dabei in diverse große Museen, etwa<br />

in Paris oder Florenz.<br />

Ich selbst ging nach Hamburg und wollte zunächst gar nicht studieren, denn es war nicht meine Absicht, Akademiker zu<br />

werden. Ich gehöre eher in die Welt der Kunst, der Literatur und vor allem des Abenteuers. Daher wollte ich Seemann<br />

werden und arbeitete zeitweise auch als Matrose, nachdem ich gerade achtzehn geworden war. Damals fuhr ich auf<br />

Fischdampfer auf den Nordatlantik raus, das war noch ganz archaisch. Ich kaufte mir auch - unterstützt von meiner<br />

Familie - einen Kutter und wollte damit die Welt bereisen. Doch bevor wir, mein Zwillingsbruder Bernhard und ich,<br />

wirklich losfuhren, baten uns die Eltern, vorher noch zu studieren. Wir taten ihnen den Gefallen.<br />

Ich habe auch noch einen älteren Bruder, der immer der Beste in der Schule war und mit seiner Intelligenz viel eher<br />

zum Akademiker taugte. Er studierte Jura, nach einem kurzen Abstecher in die Linguistik. Auch mein Zwillingsbruder<br />

studierte etwas anderes - Architektur - und so haben wir uns in recht unterschiedliche Richtungen entwickelt.<br />

1961 absolvierte ich mein Abitur und 1962 schrieb ich mich in Hamburg für Philosophie ein. Bei den Vorlesungen, die<br />

mich ein wenig an die Schule erinnerten, kam man immer wieder auf das gesellschaftlich bedingte Denken zurück und<br />

verwies auf die Wissenssoziologie. Also schaute ich bei den Soziologen rein. Das war interessant und wirklich neu für<br />

mich. Von dort rutschte ich gleich weiter in die Ethnologie, da in der Soziologie oft die Ethnologie erwähnt wurde. Das<br />

bereits erwähnte Buch von Ruth Benedict hatte ich ja auch noch im Gepäck, allerdings ungelesen. Ebenfalls<br />

entscheidend war, dass Erhard Schlesier sich zu diesem Zeitpunkt noch im Feld befand. Als ich ins ethnologische<br />

Institut kam, wurde immer über seine Forschung vor Ort gesprochen – sehr spannend! Dort sei gerade eine Frau<br />

gestorben und Schlesier würde erst zurückkehren, nachdem er an allen Ritualen teilgenommen und diese dokumentiert<br />

1 Ruth Benedict, Urformen der Kultur, Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, 1955.<br />

<strong>Interview</strong> vom 08.11.2008, durchgeführt bei <strong>Ivo</strong> <strong>Strecker</strong> in Halle/Westfalen (Freigabe durch I. <strong>Strecker</strong> am 05.08.2011)<br />

Transkription: Claire Spilker, Edierung: Vincenz Kokot<br />

Ansprechpartner: Dieter Haller (dieter.haller@rub.de) Internet: www.germananthropology.de<br />

1


hätte. Da hat es bei mir geklickt und ich dachte: »Es kann doch nicht etwa sein, dass es so etwas noch gibt auf der<br />

Welt!« Von diesem Moment an wollte ich wirklich zur Ethnologie. Dann kam Schlesier nach Hamburg, hielt brillante<br />

Vorlesungen als frisch berufener Professor und Museumsleiter und wirkte sehr „cool“. In seinen Seminaren trug ich<br />

selbst gewählte Themen vor, zu denen ich intensiv gearbeitet hatte.<br />

Wie muss man sich den damaligen Schlesier und seine Art des Unterrichts vorstellen?<br />

Er war jetzt der internationale, in der Ethnologie bewanderte Schlesier. Allerdings hatte er sehr bald einen Herzinfarkt,<br />

der alles in Frage stellte und ihm zeigte, dass er gar nicht all das erfüllen konnte, was an ihn herangetragen wurde. Er<br />

sollte gleichzeitig Ordinarius und Direktor des Museums sein und beutete sich permanent aus – bis zur völligen<br />

Überarbeitung. Vor seiner Attacke und seinem Weggang nach Göttingen strahlte er so einen Mut und so ein Wissen<br />

aus. Als ich unter Schlesier begann, mich näher mit der Ethnologie zu befassen, sah ich, dass es ein Fach war, das auf<br />

dem Englischen basiert. Mit dem Deutschen kam man da nicht sehr weit, zumal während der Zeit meines Studiums<br />

auch der britische Funktionalismus noch ganz frisch war, besonders an der London School of Economics, wo die<br />

Schüler von Malinowski als Professoren und Dozenten tätig waren.<br />

Wurde Ihnen diese Richtung von Schlesier vermittelt?<br />

Für mich und auch in meinem Freundeskreis war damals klar, dass London genau das Richtige wäre. Ich sprach<br />

Schlesier darauf an und er meinte, wenn er noch so jung wäre wie ich, würde er auch sofort nach London gehen. Die<br />

Beatles waren übrigens damals in Hamburg, und wir erlebten sie live, bevor sie plötzlich nach London verschwanden.<br />

So reisten nicht nur die Beatles ab, sondern auch ich und einige Freunde. Wir kamen in diese Londoner Welt, die fast zu<br />

viel für mich war, so dass ich zunächst noch gar nicht richtig klar kam. Ich hatte ja auch noch meinen Kutter, auf dem<br />

ich in diesem Sommer mit einigen Freunden zur Ile Napoléon bei Basel schipperte, und schließlich die Flüsse runter bis<br />

nach Sète – von dort stammte der von uns verehrte Chansonier Georges Brassens. Während wir durch Frankreich<br />

reisten, saßen wir auf dem Deck, lasen Adorno und diskutierten. Auch mit dem Kulturrelativismus beschäftigten wir<br />

uns. Manche meiner damaligen Gefährten gingen später an die Universität – etwa Jürgen Friedrichs, der später in<br />

Deutschland wichtige Beiträge zu soziologischen Methodologie lieferte.<br />

Obwohl Sie zu Beginn Ihres Studiums also gar nicht die Ethnologie wählten, kamen Sie doch recht schnell zu<br />

dem Fach?<br />

Ja, innerhalb von zwei Semestern ging es von der Philosophie zur Soziologie, die ich ebenfalls für ein oder zwei<br />

Semester belegte. Sie blieb dann auch mein Nebenfach, genau wie Psychologie. Eine Suche im eigentlichen Sinne war<br />

das zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht, vielmehr wurde ich - wie es Michael Oppitz einmal ausdrückte - auf einer<br />

Strömung getragen oder „getrieben“. Aus meiner Familie war ich der Erste, der nach England ging. Und so wie sich<br />

meine Großeltern in Rom kennen gelernt hatten, traf ich meine Frau in London.<br />

Bei der gerade beschriebenen Schiffsreise war ich eine Art Kapitän, der allerdings nicht für irgendwelche Auftraggeber<br />

unterwegs war, sondern sein eigenes Schiff navigierte. So ist es später dann auch immer gewesen. Ich fühle mich wohl<br />

in der Gemeinschaft von Freunden, die philosophische, soziologische und anthropologische Themen diskutieren. Ich<br />

bin auch jemand, der die Räume schaffen kann, in denen so etwas stattfindet. In gewisser Weise kann man den Bogen<br />

bis zum South Omo Research Center in Südäthiopien schlagen; auch da ging es mir darum, verschiedene Leute an Bord<br />

zu holen, um gemeinsam zu denken und zu diskutieren. Das International Rhetoric Culture Project geht ebenfalls in<br />

diese Richtung. Dort bin ich sogar noch ein bisschen mehr der Kapitän, denn ich gebe an, wie wir segeln und welche<br />

Turns wir machen. In Mainz beispielsweise, wo ich ja über viele Jahre gelehrt habe, hatten wir einen schönen großen<br />

Ausstellungsraum, wo wir die international ausgerichtete und von der VW-Stiftung geförderte »Rhetoric Culture«-<br />

Konferenzen abhalten konnten. Aus allen Gebieten der Welt kamen interessierte Anthropologen und Rhetoriker<br />

zusammen. Angefangen hat jedoch alles auf dem Boot.<br />

Was geschah nach Ihrer Ankunft in London?<br />

Ich stellte schließlich fest, dass ich nicht gleichzeitig den Kutter besitzen und studieren konnte. Also verkaufte ich ihn<br />

und widmete mich in London intensiv dem Studium. Ich las damals sehr viel in der Bibliothek der London School of<br />

Economics, wo die Routine des Lesens schon ihre Spuren hinterlassen hatte. So nahm ich beispielsweise eine Ausgabe<br />

des »American Anthropologist« heraus, und in dem dicken Band fielen sofort die Stellen auf, die schon von unzähligen<br />

Studenten gelesen worden waren – beispielsweise die Aufsätze von Alfred Kroeber, Radcliffe-Brown oder dem frühen<br />

Malinowski. Die waren Teil des Syllabus. So etwas haben wir in Deutschland nicht. Damals wäre ich in Deutschland<br />

<strong>Interview</strong> vom 08.11.2008, durchgeführt bei <strong>Ivo</strong> <strong>Strecker</strong> in Halle/Westfalen (Freigabe durch I. <strong>Strecker</strong> am 05.08.2011)<br />

Transkription: Claire Spilker, Edierung: Vincenz Kokot<br />

Ansprechpartner: Dieter Haller (dieter.haller@rub.de) Internet: www.germananthropology.de<br />

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verloren gewesen, denn es mangelte an Richtung. Ich will damit nicht sagen, dass ich alles komplett studiert habe, denn<br />

recht bald hatte ich schon mein Dissertationsprojekt im Kopf: die britische Sozialanthropologie.<br />

Können Sie ein wenig erläutern, wie ihr Studienverlauf in London damals aussah?<br />

Ich war als General Course Student eingeschrieben, was bedeutete, dass ich mich sehr frei in den Veranstaltungen<br />

bewegen konnte. Man hatte einen Tutor und konnte teilnehmen, wo man wollte. So wählte ich mir meinen eigenen<br />

Weg, wobei ich keinen MA anstrebte, sondern eine Promotion. Ich wollte Social Anthropology studieren. Die<br />

Teilnahme an den Vorlesungen und Seminaren, und die Betreuung durch die Tutoren ermöglichte intensives Lesen und<br />

eine Vertiefung meines Wissens. Eigentlich betrieb ich in England teilnehmende Beobachtung, und als ich 1964 zum<br />

ersten Mal nach Deutschland zurückkehrte, wollten alle wissen, wie es denn dort gewesen sei und was in welcher Form<br />

gelehrt wurde. Ich war ja der erste deutsche Student im Department of Social Anthropology der LSE nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg – das muss man sich mal vorstellen! Somit gingen die Fragen schon über eine reine Neugier hinaus: Wie geht<br />

es da eigentlich zu? Was ist denn das alles mit dem Funktionalismus und der britischen Schule? Was macht sie denn<br />

aus? So fing ich das an, was man im Nachhinein als „postmodern“ bezeichnen könnte: ein Studium der Textstrategien<br />

der einzelnen empirischen Arbeiten der britischen Social Anthropology.<br />

Wer waren in London denn Ihre Kommilitonen und Lehrer?<br />

Bei den Kommilitonen fallen mir zum Beispiel die Comaroffs ein, oder David Turton und Alan Macfarlane. Außerdem<br />

erinnere ich mich an Gilbert Lewis, und an Christine und Stephen Hugh-Jones. Es gab noch eine ganze Reihe andere<br />

Personen, etwa Stephan Feuchtwang.<br />

Bei den Lehrenden war für mich Raymond Firth von Bedeutung. Er war mein erster großer Professor in London. Auch<br />

wären Lucy Mair, Maurice Freedman und Shapera zu nennen. Später wurde auch James Woodburn wichtig, er war der<br />

Tutor meiner Frau. Mein liebster Tutor war ein Rotschopf namens Robin Fox. Mit ihm war ich eng befreundet. Zu<br />

dieser Zeit arbeitete er an seinem Buch »Kinship and Marriage« 2 , aus dem er gelegentlich vortrug. Ansonsten lehrten<br />

natürlich auch noch Popper und Gellner. Bei letzterem war es sehr interessant zu erleben, wie er ganz besessen von dem<br />

war, was er da entwickelte.<br />

Nach Hamburg ging ich auch wegen der Nebenfächer zurück. Ich studierte weiter bei Schlesier und schließlich<br />

sprachen wir ab, dass ich meine Doktorarbeit zur britischen Sozialanthropologie schreiben würde. Dafür wollte ich die<br />

verschiedenen Texte durcharbeiten und genau analysieren, was deren Charakter und Aufbau ausmacht – also das, was<br />

später in der Writing Culture-Debatte thematisiert wurde.<br />

Wie kamen Sie auf die - damals doch recht ungewöhnliche - Idee für diese Arbeit?<br />

Vielleicht war es gar nicht so ungewöhnlich, denn wir sprechen ja über eine Zeit, in der alle in Deutschland nach außen<br />

schauten. Historisch gesehen hing ja noch jener Mief, der mit den Nazis oder auch dem Kaiser zu tun hatte, in den<br />

Bibliotheken und Museen. Das frühere Museum für Völkerkunde in Göttingen beispielsweise, das war ein schrecklich<br />

anmutendes Nazibauwerk. Es ist also auch eine Art Flucht gewesen, vor einer Ethnologie, die noch mit halbem Bein in<br />

ihrer kolonialen und nationalsozialistischen Vergangenheit stand.<br />

Stellte Schlesier mit seinen Ideen für Sie in diesem Zusammenhang eine Ausnahme dar?<br />

Es waren weniger die Ideen als vielmehr Schlesiers Habitus und sein Interesse an empirischer Ethnologie, die mich<br />

beeinflusst haben. Sicherlich gab es neben Hamburg noch andere Orte, wo ein „frischer Wind“ wehte. Heidelberg war<br />

allerdings ein Graus, dort war ja die Hochburg Mühlmanns. Seine Nazigetränktheit war mir wirklich zuwider. Auf der<br />

anderen Seite standen Gehlen, Habermas und Adorno; sie waren damals ganz wichtig. Mein erstes größeres Referat in<br />

Soziologie war über Adorno und ich formulierte damals schon eine Perspektive, die seinen irreführenden Sprach-Denk-<br />

Stil kritisierte. Das scheint mir wohl in die Wiege gelegt und endet ja bei der Rhetorik.<br />

Seit zehn Jahren versuche ich in meinem Hauptprojekt, Ethnologie und Rhetorik im internationalen Kontext näher<br />

aneinander zu bringen. Das geschieht gemeinsam mit Stephen Tyler und einigen jüngeren Leuten, wie etwa Anna-Maria<br />

Brandstetter, Christian Meyer und Felix Girke aus Mainz. Wir alle interessieren uns für die neue Möglichkeit,<br />

Anthropologie und Rhetorik zusammen zu denken. So lese ich beispielsweise auch Marx: Ich schlage ihn auf und sehe<br />

2 Robin Fox, Kinship And Marriage, Penguin Books, 1967.<br />

<strong>Interview</strong> vom 08.11.2008, durchgeführt bei <strong>Ivo</strong> <strong>Strecker</strong> in Halle/Westfalen (Freigabe durch I. <strong>Strecker</strong> am 05.08.2011)<br />

Transkription: Claire Spilker, Edierung: Vincenz Kokot<br />

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sofort, wie er mit Chiasmen und Hyperbolen spielt. Also gehe ich in den Text rein und lese, was dahinter ist. Genau das<br />

tat ich im Zuge meiner Doktorarbeit auch für die britische Sozialanthropologie, bei ganz unterschiedlichen Werken. So<br />

verglich ich anhand verschiedener Gesichtspunkte zum Beispiel die Einleitungen oder die methodischen Exkurse, aber<br />

auch die theoretischen Reflexionen. Ich schaute, wie die sozialanthropologischen Texte aufgebaut sind und welche<br />

Rolle die einzelnen Teile in den Monographien spielten. Und während ich das machte, wuchs dieses textkritische<br />

Projekt immer mehr. Irgendwann wollte ich mich jedoch nicht noch weiter mit den Texten befassen – sie dienten mir<br />

eher als Grundlage für die Vorbereitung der eigenen Feldforschung. Ich konnte von der britischen Sozialanthropologie<br />

lernen, aber ich studierte Ethnologie, weil ich das Abenteuer des Vor-Ort-Seins haben wollte. Darauf lebte ich zu. Oder<br />

mit Lichtenberg gesprochen: »Lieber Gott, lass mich nie ein Buch über Bücher schreiben.« Dieser Satz blieb irgendwie<br />

hängen und zählt für mich bis heute.<br />

Einen Großteil der Bücher, die ich analysiert hatte, konnte ich für meine Dissertation vernachlässigen. Entscheidender<br />

waren jene Werke der Social Anthropology, die die klassische Methode dieser Fachrichtung anwandten. Man findet sie<br />

in den Monographien von Evans-Pritchard, Raymond Firth, Meyer Fortes und so weiter. Ihre Sichtweise steht im<br />

Kontrast zu der sich damals gerade formierenden Manchester Schule – in Deutschland gab es zu diesem Zeitpunkt noch<br />

keinerlei Literatur über den großen Victor Turner. So konnte ich in meiner Dissertation einen neuen<br />

Entwicklungsschritt in der britischen Social Anthropology darstellen, von der Methode der appropriate illustration zur<br />

Methode der extended case analysis. Mit diesem Ziel im Auge setzte ich mich also hin und schrieb die Doktorarbeit. Ich<br />

hatte damals das Glück, von meiner Frau Jean Lydall in allen Dingen des Alltags unterstützt zu werden. So konnte ich<br />

mich aufs Schreiben konzentrieren, die Arbeit innerhalb von vier oder fünf Monaten verfassen, und im Anschluss daran<br />

gleich zusammen mit Jean zur Feldforschung aufbrechen.<br />

Haben Sie die Arbeit in Hamburg beendet?<br />

Nein. Schlesier war inzwischen nach Göttingen gegangen und daher habe ich auch in Göttingen promoviert. Das war<br />

1969.<br />

War Ihre Frau mit Ihnen aus London nach Deutschland gegangen?<br />

Nun, sie hatte den großen Teil ihrer Jugend in Oxford verbracht, wo ihr Vater an der Uni tätig war, jedoch noch nicht<br />

als Professor. Schließlich bekam er einen Ruf nach Melbourne, Australien, und die Familie zog um. Für ihr eigenes<br />

Studium kam Jean wieder nach England, wo sie sowohl in Oxford als auch in Cambridge und London einen<br />

Studienplatz angeboten bekam. Sie entschied sich für die London School of Economics. Dort war ich auch und hatte,<br />

finanziert durch ein Stipendium der Volkswagen-Stiftung, meine Dissertation begonnen. Ich las zu diesem Zeitpunkt<br />

noch viel für meine Arbeit und traf Jean, als sie gerade - nach zwei intensiven Studienjahren - ihr Post Graduate<br />

Diploma begann. Sobald wir fertig waren, konnten wir mit Feldforschung bei den Hamar in Südäthiopien beginnen.<br />

Sie hatten ja durch Ihre verschiedenen Erfahrungen die Möglichkeit des Vergleichs zwischen Deutschland und<br />

Großbritannien. Wie erlebten Sie die damaligen intellektuellen Atmosphären?<br />

Für mich war interessant, dass in den sechziger Jahren das Denken von Lévi-Strauss äußerst produktiv war, und dass<br />

die Engländer ihn sehr genau wahrnahmen. Lévi-Strauss war damals immens wichtig für uns. »Tristes Tropiques« habe<br />

ich nahezu verschlungen und später immer wieder gelesen, auch vor dem Hintergrund meiner Feldforschungen. Wie<br />

haben sich der französische Strukturalismus und der englische Funktionalismus gegenseitig beeinflusst? Das war eine<br />

wichtige Frage damals, und so haben wir viel darüber gesprochen, wenngleich manchmal zu vereinfachend.<br />

Wie ging es nach Ihrer Doktorarbeit weiter?<br />

Bereits während unserer Studentenzeit hatten Jean und ich uns entschieden, in Äthiopien Feldforschung zu machen.<br />

Jean kam ja überhaupt erst zur Ethnologie, weil sie als junger Mensch in Neuguinea gewesen und davon begeistert<br />

zurückgekehrt war. Ich selbst wollte zunächst in West-Neuguinea oder in den Molukken forschen, was zum Teil noch<br />

von Schlesier und meinem Interesse an Museen inspiriert war. Ich hatte 1963 ein Praktikum am Koninklijk Instituut<br />

voor de Tropen in Amsterdam gemacht und war fasziniert von dieser Inselwelt. Auch mein Faible für das Segeln trug<br />

zu dieser Wahl bei. Nun wollte es der Zufall, dass ich nicht unweit der London School of Economics in einer<br />

Seitenstraße das International African Institute fand, in dessen Bibliothek mir der Band »Altvölker Südäthiopiens« 3 des<br />

3 Adolf E. Jensen (Hrsg.), Völker Süd-Äthiopiens. Ergebnisse der Frobenius-Expeditionen 1950 - 52 u. 1954 - 56, W. Kohlhammer<br />

Verlag, Stuttgart, 1959.<br />

<strong>Interview</strong> vom 08.11.2008, durchgeführt bei <strong>Ivo</strong> <strong>Strecker</strong> in Halle/Westfalen (Freigabe durch I. <strong>Strecker</strong> am 05.08.2011)<br />

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Ansprechpartner: Dieter Haller (dieter.haller@rub.de) Internet: www.germananthropology.de<br />

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Frobenius-Instituts in die Hände fiel. Er war Ende der fünfziger Jahre erschienen. Der Schreibstil und die Fotos muteten<br />

zwar sehr altertümlich und obskur an, doch gleichzeitig war es faszinierend. Für mich lag auf der Hand: Wenn man dort<br />

wieder inhaltlich zu forschen begänne und beim Schreiben über die Forschung nicht in einen Kaiser-Wilhelm-Stil<br />

verfällt, dann ist das eine verheißungsvolle Angelegenheit. Es war klar, man würde über etwas Interessantes forschen.<br />

Ab Mitte und Ende der sechziger Jahre wurde Äthiopien verstärkt zum Forschungsgebiet, beispielsweise auch für<br />

unseren Kommilitonen David Turton, der zu den Mursi im Süden des Landes ging. Auch Jean und ich fanden das<br />

spannend, vor allem weil die Äthiopier keine lange Kolonialherrschaft erdulden mussten und relativ frei von solchen<br />

Einflüssen waren. Wir hatten also die Chance, einen anderen und freieren Raum zu betreten. Schon vor Ende des<br />

Studiums hatten wir begonnen, die entsprechende Literatur zu lesen und uns Vorträge anzuhören – in London war ja<br />

beispielsweise Ioan Lewis ein wichtiger Fachmann.<br />

Ich beantragte beim DAAD ein erstes Reisestipendium. Dabei legte ich dar, dass ich mich auf die Suche nach einer<br />

geeigneten Gruppe machen wollte, dass die Auswahl des Forschungsgebietes sehr entscheidend sei, und dass man daher<br />

in die Suche vor Ort investieren müsse. Heutzutage würde man für so etwas wahrscheinlich kein Geld mehr bekommen,<br />

doch damals wurde mein Antrag bewilligt, und gleich nach meiner Promotion konnten wir ausreisen. Das war im<br />

Sommer 1969, die Doktorarbeit war noch nicht einmal gedruckt.<br />

Wie muss man sich Ihre erste Reise nach Äthiopien vorstellen?<br />

Ich kaufte mir einen alten VW-Bus, packte ihn mit Büchern und Hausrat und allerlei notwendigen Sachen voll und<br />

brach auf. Meine Frau und unser frisch geborener Sohn Theo blieben zunächst in Genf, bei meinen Schwiegereltern.<br />

Mit mir kam Heiner Stück, ein junger Freund und Soziologe aus Berlin. Wir fuhren gen Süden, in den Balkan und<br />

weiter in die Türkei. Dort blieb Heiner zurück und ich fuhr alleine weiter, Richtung Teheran und schließlich bis nach<br />

Choramshar – nur kurz darauf begann der Krieg zwischen dem Irak und dem Iran. Das Auto wurde schließlich auf<br />

einen Dampfer gehoben und ich fuhr auf dem Meer um Arabien herum. Das war wunderschön. Schließlich landeten wir<br />

in Assab, das damals noch zu Äthiopien gehörte; inzwischen liegt die Stadt in Eritrea. Von dort aus fuhr ich durch die<br />

Danakil-Wüste nach Addis Abeba.<br />

Es war wirklich eine unvergessliche Reise. Zwei Monate lang bin ich durch den arabisch-islamischen Raum unterwegs<br />

gewesen und während dieser Zeit traten die Frauen immer mehr in den Hintergrund. Als ich dann in Äthiopien ankam<br />

und die weiß gekleideten Äthiopierinnen sah, die ich bisher nur aus irgendwelchen romantischen Filmen kannte, da<br />

wusste ich, dass ich in einer neuen und verheißungsvollen Welt angekommen war. Jean kam dann mit dem Flugzeug<br />

nach und wir mieteten uns ein kleines Haus in der Hauptstadt. Von dort aus begannen wir mit der Suche nach einem<br />

geeigneten Ort für unsere Forschung. Damals lernten wir auch Dan Sperber kennen, der über die Jahrzehnte ein guter<br />

Freund geworden ist. Dan arbeitete bereits im südlichen Äthiopien, und mit ihm bereiste ich die dortigen Hochländer.<br />

Wie ging es nach Ihrer Ankunft weiter?<br />

Auf einer Ethnologen-Party in Addis Abeba trafen wir Asen Balikci, der unter den Filmemachern durch seine Arbeit zu<br />

den Netsilik Eskimo bekannt ist. Er hatte von Robert Gardner den Auftrag erhalten, zu den Hamar im Süden des Landes<br />

zu fahren, um Informationen zu sammeln, die Gardner zur Verwirklichung seiner Filmpläne dienen sollten. Asen<br />

schaffte es dann aber nicht, nach Hamar zu fahren, gab uns das dafür vorgesehen Budget, und wir übernahmen den<br />

Auftrag. Alles war also reiner Zufall!<br />

Ich flog mit einer alten Propellermaschine in die Nähe von Hamar, nach Jinka. Gemeinsam mit einem jungen Studenten<br />

aus Addis Abeba ging ich zu Fuß weiter, tiefer in den Süden. Ich traute meinen Augen kaum und fühlte mich in das 19.<br />

Jahrhundert zurückversetzt: Die Savannen mit all dem Wild und diesen einsamen Gestalten, die mit Federn im Haar und<br />

langläufigen Karabinern über die Ebene gingen. Wenn man sie traf, nickten sie nur kurz zum Gruß und nachts hörte<br />

man all das Rufen und Summen und Singen. Es war unglaublich – eine Welt, von der ich dachte, dass es sie gar nicht<br />

mehr gäbe.<br />

Ich kehrte sofort nach Addis Abeba zurück und sagte meiner Frau, dass wir unbedingt zu den Hamar müssten. Es<br />

ähnelte so sehr dem, was wir gesucht hatten. Wir flogen also nach Jinka, wo wir drei Wochen warten mussten, bis es<br />

eine Fahrgelegenheit Richtung Süden gab. Zwei Italiener nahmen mich schließlich in ihrem alten Lastwagen mit. Sie<br />

fuhren zwei Mal im Jahr dort runter, um Kaffee zu holen. Nachdem sie mich abgesetzt hatten, sandte ich eine Nachricht<br />

an Jean und beschrieb, dass ich gar keine Gehöfte oder Spuren menschlichen Zusammenlebens entdecken könne. Das<br />

stimmte so natürlich nicht, meine Augen eines Mitteleuropäers waren einfach noch nicht dafür ausgebildet, die Zeichen<br />

<strong>Interview</strong> vom 08.11.2008, durchgeführt bei <strong>Ivo</strong> <strong>Strecker</strong> in Halle/Westfalen (Freigabe durch I. <strong>Strecker</strong> am 05.08.2011)<br />

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zu lesen. Die ganze Landschaft erschien mir so wenig strukturiert, ich sah keine Felder und nahm nur den Busch und<br />

die Savanne wahr. Dort begannen wir also unsere Feldforschung, bei der wir auch unseren Sohn dabei hatten. Und diese<br />

Forschung hat eigentlich bis heute kein Ende genommen.<br />

Was stellten Sie sich für diese Feldforschung vor?<br />

Wir wollten eine umfassende Studie machen, im Sinne der Malinowski-Schule. Dazu gehörte unter anderem eine<br />

messende Arbeitsform: Man ermittelt, wer wo wohnt und was wo passiert usw. Das ist eine statistische Grundarbeit.<br />

Hinzu kommt, dass man die Sprache des Forschungsortes lernt und einen corpus inscriptionis anfertigt. Als drittes ist<br />

auch bei Malinowksi das unvorhersehbare Ereignis als Forschungsgegenstand angelegt, so wie es im Konzept des<br />

'Sozialen Dramas' bei Victor Turner später von Bedeutung wird. Ich wollte diese Dramen miterleben und erfassen.<br />

Von Bedeutung war, dass wir nicht unter Zeitdruck standen. Dadurch fielen wir aus dem typischen angelsächsischen<br />

Muster raus, bei dem man ein Stipendium für zwölf bis achtzehn Monate im Feld hat und anschließend einen Ph.D.<br />

schreiben muss. Wir hingegen holten langsam die Gelder ein: vom DAAD, von der Wenner-Gren-Foundation, von Carl<br />

Friedrich von Weizsäcker, und von der DFG. Damit konnten wir unseren Feldaufenthalt über mehrere Jahre<br />

finanzieren.<br />

Nachdem wir etwa ein Jahr für Robert Gardner geforscht hatten, stieß er 1971 zu uns, um mit seinem Filmprojekt zu<br />

»Rivers of Sand« beginnen. Ich war die ganze Zeit dabei und erlebte, wie interessant dokumentarisches Arbeiten ist.<br />

Neben der Kamera gab es auch noch das Tonbandgerät, das wir nicht nur für Songs und Sprichwörter benutzten,<br />

sondern auch für den Mitschnitt von Gesprächen. Im Verlauf der Zeit wurde mir immer bewusster, dass ich wirklich<br />

gute Mikrofone haben möchte. Ich habe dann ein Uher Bandgerät des Dahlemer Museums umgebaut und konnte so<br />

exzellente Tonaufnahmen machen. Nach und nach wurden immer bessere Geräte entwickelt, mit denen ich verstärkt bei<br />

den Hamar arbeiten konnte, vor allem zu den sozialen Dramen. Bis Ende der sechziger Jahre waren ja nur kurze<br />

Mitschnitte bei Bild und Ton möglich.<br />

Weltweit kam nun die Zeit, wo diese technischen Mittel immer raffinierter, und auch ihr Einsatz immer subtiler wurden.<br />

Das so gewonnene Material ist weniger von persönlichen Wahrnehmungen durchtränkt und hält der Analyse stand. Die<br />

Arbeiten von Jean Lydall und mir wurden später oft als „postmodern“ bezeichnet, weil wir die autoritative Rolle des<br />

Ethnographen nicht mehr wichtig nahmen und die Stimmen der Anderen mit Hilfe von Tonband und Film zu Wort<br />

kommen lassen wollten, bevor wir begannen, etwas über sie zu sagen. In unserem Fall baten wir den nahen Freund<br />

Baldambe darum, uns das Leben in Hamar als Ganzes darzustellen – damit wir verstehen, wie er das alles sieht.<br />

Dieser Text, der später als »The Hamar of Southern Ethiopia, Band II: Baldambe Explains« 4 (Lydall und <strong>Strecker</strong><br />

1979b) publiziert wurde, hat eine Tiefenstruktur, anhand derer man sehen kann, dass bei den Hamar der Tod eine<br />

zentrale Rolle spielt. Ein solcher Blick ist bestimmten Existentialphilosophien nicht unähnlich – man versteht das Leben<br />

angesichts des Todes.<br />

Neben dem Textdokument »Baldambe Explains« versuchte ich im Feld aber immer auch mit dem Tonband soziale<br />

Dramen zu dokumentieren, und über Tage hinweg mitzuverfolgen, was die erforschte Gruppe bewegt. Diese<br />

Aufnahmen haben wir dann vor Ort transkribiert, übersetzt und annotiert, wie man an meinem Buch »The Hamar of<br />

Southern Ethiopia, Band III: Conversations in Dambaiti« 5 (<strong>Strecker</strong> 1979) sehen kann.<br />

Zudem war es mir wichtig, ein Arbeitsjournal zu schreiben. Dieser Ansatz kommt aus der Wissenssoziologie oder der<br />

Methodentheorie und dient dazu, das Verhalten von Beobachter und Beobachtetem festzuhalten, auch um zu sehen, wo<br />

es Gemeinsamkeiten und Unterschiede gibt. Damit hatte ich mich zum Teil schon in der Doktorarbeit<br />

auseinandergesetzt. Ich hatte hier eine Art wissenssoziologische Theorie der Feldforschung versucht, die sagt, dass man<br />

in einer hierarchisch strukturierten Gesellschaft andere Forschungsbedingungen hat als in einer egalitären, und dass man<br />

durch ein Arbeitsjournal während der Feldforschung besser verfolgen kann, in welchen Bereichen man vorankommt<br />

und wo es Abwehr oder Verweigerung gibt. So erkennt man, was für die jeweilige Gesellschaft charakteristisch ist. Wir<br />

4 Jean Lydell and <strong>Ivo</strong> <strong>Strecker</strong>, The Hamar of Southern Ethiopia. Volume 2: Baldambe explains, Klaus Renner Verlag,<br />

Hohenschäftlarn, 1979b.<br />

5 <strong>Ivo</strong> <strong>Strecker</strong>, The Hamar of Southern Ethiopia. Volume 3: Conversations in Dambaiti, Klaus Renner Verlag, Hohenschäftlarn,<br />

1979.<br />

<strong>Interview</strong> vom 08.11.2008, durchgeführt bei <strong>Ivo</strong> <strong>Strecker</strong> in Halle/Westfalen (Freigabe durch I. <strong>Strecker</strong> am 05.08.2011)<br />

Transkription: Claire Spilker, Edierung: Vincenz Kokot<br />

Ansprechpartner: Dieter Haller (dieter.haller@rub.de) Internet: www.germananthropology.de<br />

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haben das in »The Hamar of Southern Ethiopia, Band I: Work Journal« 6 (Lydall und <strong>Strecker</strong> 1979a) dokumentiert.<br />

Mit diesen Fragestellungen und Arbeitsweisen sind Sie vielen Zeitgenossen der siebziger Jahre eigentlich weit<br />

voraus.<br />

Ja, das ist komisch, nicht wahr? Die Writing-Culture-Debatte kam ja - verglichen mit dem, was ich da machte - recht<br />

spät. Man kann anhand meiner Forschungen sehen, wie ich von der technischen Innovation und den verschiedenen<br />

Ansätzen profitiere und so zunehmend neue Möglichkeiten entdecke. Bis heute nutzen wir einen Großteil der<br />

Aufnahmen wieder und wieder, um mit ihnen zu arbeiten. Wir verwendeten über Jahrzehnte das Medium des Films,<br />

auch um die anderen Formen des Dokumentierens zu ergänzen. Zuerst machte ich das allein, schließlich half mir meine<br />

Frau. Ich war für die Kamera zuständig, sie für den Ton. Dann begann auch sie zu filmen, erst mit der BBC und später<br />

mit unserer Tochter. Diese Filme zeigen deutlich, wie ausdrucksstark die Hamar und ihre Kultur sind. Der ganze<br />

Bereich der kommunikativen Kompetenz - also dem, was wir später als Rhetorik entdecken - wird gut sichtbar. Die<br />

kulturell Anderen können durch den Film aufgewertet werden, sowohl geistig-intellektuell als auch emotional. So kam<br />

meine Frau auch schnell an den Punkt, Portraits machen zu wollen, vor allem von Frauen, mit denen sie lange<br />

<strong>Interview</strong>s führte.<br />

Im Nachhinein lässt sich auch erkennen, dass wir uns in der Arbeit ergänzten: Jean bekam - im Gegensatz zu mir -<br />

Einblicke in die Bereiche der Frauen und Kinder; sie konnte verstehen lernen und hatte die Möglichkeit, darüber zu<br />

reflektieren und zu schreiben. Ich wiederum war bei den Männern unter Meinesgleichen, auf eine Art und Weise, wie<br />

sie für Frauen vielleicht nicht im selben Maße möglich ist. Die Genderfrage durchtränkt also unsere Arbeit und<br />

gemeinsam konnten wir eine Bricolage herstellen, die sowohl die weibliche als auch die männliche Seite zu zeigen<br />

vermag. Im Aufsatz »Men and Women in front and behind the Camera« 7 (Lydall und <strong>Strecker</strong> 2006) haben wir das zu<br />

erläutern versucht. Es gibt Frauen und Männer vor der Kamera, es gibt Frauen und Männer hinter der Kamera, und es<br />

ist interessant zu betrachten, wie sie miteinander kommunizieren. Das ist in diesen Filmen sichtbar.<br />

In den Tonbandaufnahmen wird ebenfalls die Kompetenz der Leute deutlich: Lebenskompetenz, geistige Kompetenz,<br />

kommunikative Kompetenz. Bernhard Streck sagt, dass ein großer Teil der deutschen Ethnologie der Rehabilitation von<br />

so genannten Wilden und Primitiven gewidmet ist. In dieser Richtung arbeiten wir auch. Unsere ganze Begeisterung an<br />

der Ethnologie ist es ja, menschliche Lebenswelten zu entdecken, für die niemand sonst einen Zugang und ein Auge hat<br />

– und häufig auch kein Erkenntnisinteresse.<br />

Für mich persönlich war in diesem Zusammenhang dann auch interessant, in den vergangenen Jahren, als ich in Mainz<br />

unterrichtete, Humboldt, die frühe Romantik und die deutsche Klassik zu entdecken. Da wird ja gesagt, dass der Genius<br />

des Menschen sich nie erschöpfen kann und sich nur dann voll entwickelt, wenn es eine Vielzahl von Kulturen gibt. Bei<br />

einer Kultur entwickelt sich die Idee der Götter in der Erde, bei einer anderen Kultur die Idee der Götter im Himmel;<br />

hier gibt es die Idee der Patrilinearität in der verwandtschaftlichen Organisation, dort entsteht die Matrilinearität. Durch<br />

den Kulturvergleich kann die Ethnologie uns die Augen öffnen, und wir werden angehalten, über uns selbst und unser<br />

Menschsein nachzudenken. Das ist der wichtigste Punkt, auch in unserer Forschung.<br />

Würden Sie das als den Kernbestand ethnologischen Arbeitens ansehen?<br />

Ja, genau. Man muss diesen Prozess zudem historisch verstehen: Es beginnt mit einer Ur-Kultur, da gibt es noch keine<br />

Ethnologie. Dann erweitert sich das Spektrum der kulturellen Vielfalt und es entsteht ein transkultureller Diskurs. Nicht<br />

unbedingt als Wissenschaft, aber beispielsweise auf den Marktplätzen zu Zeiten Herodots, als man sich erzählte, wie die<br />

verschiedenen Gegenden der Welt aussehen. Schließlich haben wir eine schmaler werdende kulturelle Vielfalt, die<br />

irgendwann auf eine erstarrte Endkultur zuläuft, die nicht mehr lebendig ist. Gegenwärtig sind wir in einer Periode, in<br />

der nicht nur die biologischen Arten weniger werden, sondern auch die Kulturen und Sprachen. Man kann nicht<br />

vorhersagen, wie sehr sich dadurch auch die geistigen Freiräume verengen.<br />

Eine Gegenposition dazu wäre ja die These, dass sich die Vielfalt zwar verändert, aber nicht automatisch<br />

angleicht. Die verschiedenen Einflüsse werden vielmehr in lokale Zusammenhänge integriert.<br />

6 Jean Lydell and <strong>Ivo</strong> <strong>Strecker</strong>, The Hamar of Southern Ethiopia. Volume 1: Work journal, Klaus Renner Verlag, Hohenschäftlarn,<br />

1979a.<br />

7 Jean Lydall & <strong>Ivo</strong> <strong>Strecker</strong>: Men and women on both sides of the camera. In: Reflecting Visual Anthropology. Eds. Postma, Metje<br />

and Peter Crawford. Aarhus: Intervention Press; Leiden: CNWS Press Pp 138-56., 2006.<br />

<strong>Interview</strong> vom 08.11.2008, durchgeführt bei <strong>Ivo</strong> <strong>Strecker</strong> in Halle/Westfalen (Freigabe durch I. <strong>Strecker</strong> am 05.08.2011)<br />

Transkription: Claire Spilker, Edierung: Vincenz Kokot<br />

Ansprechpartner: Dieter Haller (dieter.haller@rub.de) Internet: www.germananthropology.de<br />

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Ja, das ist eine Gegenposition, die man sich immer wünschte. So erfinden die Leute wieder Dinge, die aber gar nicht<br />

wahr sind. Es sind ja diese gespenstischen kulturellen Identitäten, die überall aufgebaut werden, mit dem immer<br />

gleichen Plastik und den immer gleichen Videos. Auf artifizielle Weise wird versucht, das Lokale zu retten oder neu zu<br />

erfinden, so weit wie es eben geht.<br />

Erleben Sie diese Veränderungen auch bei den Hamar?<br />

Ja, der größte Ansturm geschieht gerade jetzt. Es werden riesige Straßen in den Süden gebaut, wo der größte Staudamm<br />

Afrikas entsteht. Auch Ölfelder sollen erschlossen werden und Biodiesel wird angebaut. Das globale Kapital ist gerade<br />

so richtig dabei, auf die letzten Winkel der Erde zuzugreifen. Das ist beängstigend, das ist trist und traurig. Die<br />

einfachen Formen des Lebens verschwinden, die Welt wird zubetoniert, die Arten verschwinden. Dazu kommt die<br />

Bevölkerungsexplosion. Das sieht man überall, auch in Äthiopien.<br />

Sind Ethnisierung und Kulturalisierung für Sie also Reaktionen auf das tatsächliche Verschwinden kultureller<br />

Vielfalt?<br />

Ja. Das Folkloristische dient dazu, den Tourismus anzukurbeln und Waren zu verkaufen. Das ist ein ganz weites Thema,<br />

aber ich mache mir da nichts vor: Ethnologen sind Zeitzeugen einer Welt, die sich radikal verändert. Wir wissen zum<br />

Beispiel, dass sich in bestimmten Nischen der Erde Eltern mit ihren Kindern finden lassen, die sich dorthin<br />

zurückgezogen haben, zum Schutz vor solch angeblich lieb gemeinten Angriffen wie: »Ihr sollt jetzt alle in die Schule<br />

gehen, ihr sollt jetzt alle sesshaft werden.«<br />

Trotz kultureller Differenz kann man übrigens auf einer Wellenlänge mit den Anderen sein und gemeinsam über das<br />

diskutieren, was in der Welt vor sich geht. Sowohl Baldambe als auch mein etwa gleichaltriger Freund Choke besuchten<br />

mich zum Beispiel in Mainz, nachdem ich dort 1984 meine Professur erhalten hatte. Ihre Heimat war in Äthiopien, aber<br />

sie konnten auch die Welt bei uns sehen. Wir sprachen immer wieder über alles. Ich kann nicht zustimmen, wenn<br />

jemand behauptet, es gäbe eine primitive Mentalität, die bewirkt, dass bestimmte Menschen anders denken als die Leute<br />

hier. Das ist es nicht. Es sind die Inhalte, mit denen gedacht wird. Wir können sehr wohl über die Probleme der<br />

menschlichen Situation - sowohl in Europa als auch in Hamar - miteinander sprechen. Der Punkt ist, dass wir Kulturen<br />

gemeinsam vergleichen sollten: So sieht die Situation der Hamar aus, so sieht die Situation der Europäer aus – und dies<br />

oder das wünschen wir uns für die Zukunft.<br />

Haben Sie den Eindruck, dass die heutige Ethnologie - etwa in Deutschland oder Großbritannien - diese<br />

Aufgaben zu erfüllen vermag?<br />

Ich habe diesbezüglich immer wieder große Widerstände seitens meiner Kollegen gespürt. Gleichzeitig haben die<br />

Medien und die technologische Innovation ja eigentlich eine bestimmte Richtung verlangt. Wer wach war, hat sich dem<br />

geöffnet. Es gibt ja nicht nur neue Formen von Dokumentation, sondern auch Möglichkeiten für die methodische<br />

Reflektion. Eine ganze Reihe von Publikationen zu unserem Umgang mit dem Tonband und den Filmen lässt die<br />

Ausdrucksstärke der kulturell Anderen deutlich werden. Die Rehabilitation, von der ich vorhin sprach, ist für die<br />

südlichen Gebiete Äthiopiens noch notwendiger, als es von hier aus scheinen mag. Denn die Leute dort wurden von der<br />

äthiopischen Armee ja mehr oder weniger überrannt, ausgeraubt und unterjocht. Sie versuchten, sich dem zu entziehen<br />

und erfahren erst langsam wieder eine Aufwertung. Momentan kommt es immer mehr dazu, dass sie ihre Autonomie<br />

einfordern und Gleiche unter Gleichen im äthiopischen Staat sein wollen.<br />

Ich habe ein Buch in Vorbereitung, das voraussichtlich den Titel »Berimba's Resistance« tragen wird. Darin kommt<br />

Baldambe wieder zu Wort und erzählt die Geschichte seines Landes über die Geschichte seines Vaters. Auf diese Weise<br />

wird die brisante Beziehung zwischen den Hamar und den Hochlandäthiopiern thematisiert. Auch in meinem Essay<br />

namens »Filming Dreams« 8 (<strong>Strecker</strong> 1992) schreibe ich, dass ich filmisch zeigen möchte, was die Menschen sich<br />

erträumen und erhoffen, wie sie leben wollen und was den Sinn ihres Lebens ausmacht. Ich wollte nicht das<br />

Schreckliche, den gewaltsamen Tode oder die Entgleisung filmen. Diese Aspekte finden sich eher in »Conversations in<br />

Dambaiti« (<strong>Strecker</strong> 1979).<br />

8 <strong>Ivo</strong> <strong>Strecker</strong>, Filming Dreams, In: Sociology and Ethnology Bulletin, 1, 2, S. 94-97., 1992.<br />

<strong>Interview</strong> vom 08.11.2008, durchgeführt bei <strong>Ivo</strong> <strong>Strecker</strong> in Halle/Westfalen (Freigabe durch I. <strong>Strecker</strong> am 05.08.2011)<br />

Transkription: Claire Spilker, Edierung: Vincenz Kokot<br />

Ansprechpartner: Dieter Haller (dieter.haller@rub.de) Internet: www.germananthropology.de<br />

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Andere meiner Filme - etwa »Father of the Goats« 9 - bringen eher die Identität der Hamar zum Ausdruck, und unsere<br />

Freunde in Hamar sagen, dass sie damit innerhalb Äthiopiens aufgewertet und rehabilitiert werden. In Europa erfolgt,<br />

wie gesagt, durch Film und Tonband ebenfalls eine Aufwertung der schriftlosen Kulturen, und wir bekommen die<br />

Chance, Menschen kennen zu lernen, die nicht ständig ans geschriebene Wort denken. Wir treffen auf Gesellschaften,<br />

die nicht über Jahrtausende hinweg von hierarchischen Strukturen geprägt worden sind.<br />

Natürlich stimmt es, dass wir sprachliche Strukturen haben, die auch unsere Denkweisen stark beeinflussen. Aber<br />

jenseits davon gibt es Freiheiten, so dass eine Person, die in den Kategorien und der Sprache der Hamar denkt, trotzdem<br />

mit einem Europäer, der sich wiederum in seinen eigenen Strukturen bewegt, kommunizieren kann. So kann<br />

beispielsweise ich, der hierarchisch geprägt wurde, dennoch erkennen, dass die Gesellschaft der Hamar egalitäre Züge<br />

aufweist. Dort gibt es keinen Gott in einem europäischen Sinne, es gibt keinen Teufel und keine Sünde. Das wiederum<br />

ist etwas, was über uns auf die Hamar zukommt und von ihnen erfasst wird, obwohl in ihrem gesamten Vokabular keine<br />

Entsprechung dafür existiert. Eigentlich müssten wir uns ja von der Bibel emanzipieren, was aber nicht passiert. Im<br />

Augenblick ist es eher umgekehrt, weltweit blühen die verschiedenen christlichen und muslimischen Strömungen. Von<br />

den Hamar kann man durch den Austausch jedoch lernen, dass Menschen auf eine Weise frei von hierarchischem<br />

Denken sein können, wie wir es nicht kennen.<br />

Was die Zukunft unserer ethnographischen Arbeit angeht, kann man sagen, dass wir jetzt gefordert sind, unsere<br />

ethnographischen Dokumente theoretisch zu durchdringen und zu reflektieren. Es geht also darum, die empirischen,<br />

kulturspezifischen Rätsel zu lösen, die in unserer Hamar-Trilogie und den anderen Filmen und Tondokumenten<br />

enthalten sind. So steht die klassische, die autoritative Ethnographie quasi am Ende und nicht am Anfang unserer<br />

Arbeit. Vielleicht wird sie auch gar nicht mehr von uns erbracht, sondern von der nachrückenden Generation.<br />

Das bereits vorliegende Material ist sehr ausdrucksstark, auch für die wiederholte Analyse, und die Entwicklung der<br />

Computertechnologien ermöglicht es uns, mit der Fülle an Daten umzugehen. Das war früher unvorstellbar. Wir<br />

produzieren jetzt sozusagen das kulturelle Erbe Südäthiopiens und stellen einen Fundus für die Nachwelt her. Denn<br />

hinter allem steht ja immer die Frage des Menschen, wo er herkommt und was es vor ihm alles gegeben hat. Ethnologie<br />

bedeutet für mich, an einen anderen Ort zu gehen, um etwas zu lernen und um den Erfahrungshorizont zu erweitern.<br />

Das möchte ich dann auch mitteilen. Es geht mir weniger darum, anhand dieser oder jener Fakten irgendwelche<br />

Theorien zu bestätigen.<br />

Könnte man also sagen, dass es Ihnen um die Öffnung der Potenzialitäten des menschlichen Daseins geht?<br />

Ja genau, so ließe es sich gut ausdrücken. Das steht ja auch in der Tradition von Humboldt oder Herder. Der Fokus liegt<br />

nicht darauf, Anderen zu sagen, wie sie leben sollen oder welche Hilfe sie annehmen müssten. Es hat höchstens so<br />

einen aufklärerischen Aspekt, der aber weit davon entfernt bleibt, einer Theorie zu dienen, die angeblich die Welt<br />

kontrollieren kann. Um das nicht falsch zu verstehen: Wir versuchen, einzelne und scheinbar schwer zu verstehenden<br />

Phänomene - bei den Hamar zum Beispiel der Sprung über die Rinder - zu interpretieren. Dafür nutzen wir Theorien. In<br />

meinem Fall war es die Symboltheorie: Ich las mich ein und stellte fest, dass die bis dato vorhandenen Ansätze für die<br />

Hamar nicht taugten. Um rituelles Handeln zu verstehen, so fand ich, braucht man die Rhetorik, weil die Rhetorik<br />

sowohl das Kognitive als auch an das Affektive einbezieht und so auch alles Vernünftige und Unvernünftige erzeugen<br />

kann.<br />

Die eigene Theoriebildung beginnt also anhand bestimmter Dinge, auf die man gestoßen ist und besser verstehen will.<br />

Ich reiste also nicht nach Hamar, um mir dort irgendeine These bestätigen zu lassen. Vielmehr kam ich nach Hamar und<br />

stellte dann fest, dass es dort die Theorie und Praxis einer kontinuierlichen Schöpfung durch das menschliche Sprechen<br />

gibt: Über das Wort gestaltet der Mensch die Welt. Die gesamte Kultur der Hamar ist von dem Wissen durchtränkt, dass<br />

der Mensch ein rhetorisches Wesen ist. Die Leute dort exerzieren das die ganze Zeit. Sie sind große Sprecher. Und ich<br />

als Forscher gelangte über diese Erfahrung zu einer rhetorischen Kulturtheorie.<br />

An diesem Punkt traf ich dann auf Stephen Tyler's »The Said and the Unsaid« 10 . Dessen These ist, dass nicht das<br />

geschriebene Wort entscheidend ist, sondern das gesprochene. Dies eröffnet neue Wege für die Sprachtheorie. Wieder<br />

spielt hier das Tonbandgerät eine Rolle. Wir können nun anhand von Tonbandaufnahmen kommunikative Situationen<br />

feiner analysieren und erhalten so die Möglichkeit zur weiteren Erforschung der Rhetorizität gesellschaftlichen Lebens.<br />

9 <strong>Ivo</strong> Srecker, Father of the goats. Sacrifice and Divination in Hamar. Film. Göttingen: Institut für den Wissenschaftlichen Film,<br />

1984.<br />

10 Stephen A. Tyler, The Said and the Unsaid: Mind, Meaning and Culture, Academic Press, New York, 1978.<br />

<strong>Interview</strong> vom 08.11.2008, durchgeführt bei <strong>Ivo</strong> <strong>Strecker</strong> in Halle/Westfalen (Freigabe durch I. <strong>Strecker</strong> am 05.08.2011)<br />

Transkription: Claire Spilker, Edierung: Vincenz Kokot<br />

Ansprechpartner: Dieter Haller (dieter.haller@rub.de) Internet: www.germananthropology.de<br />

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Herr <strong>Strecker</strong>, möchten Sie abschließend noch etwas zur Entwicklung des Faches sagen?<br />

Was sich in der Ethnologie als Fach langsam herausgebildet hat, ist eine stärkere Beschäftigung mit Tropik und<br />

Metaphorik – also dem Figurativen im Leben. Das hat Lévi-Strauss bereits gesehen, denn obwohl er sich als Ethno-<br />

„Logiker“ bezeichnete, beschäftigte er sich doch vorzugsweise mit den Analogien, die das „Wilde Denken“<br />

hervorbringt. Es ist immer wieder aufregend, sich anzuschauen, wie diese oder jene Kultur bestimmte Dinge über<br />

verschiedene Denkfiguren ausdrückt. Wir können ja gar nicht anders, als figurativ das nach außen zu tragen, was wir<br />

innerlich fühlen.<br />

<strong>Interview</strong> vom 08.11.2008, durchgeführt bei <strong>Ivo</strong> <strong>Strecker</strong> in Halle/Westfalen (Freigabe durch I. <strong>Strecker</strong> am 05.08.2011)<br />

Transkription: Claire Spilker, Edierung: Vincenz Kokot<br />

Ansprechpartner: Dieter Haller (dieter.haller@rub.de) Internet: www.germananthropology.de<br />

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