als PDF - Deutscher Fluglärmdienst eV
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02/2012<br />
www.gdf.de<br />
Der Kampf ums Recht<br />
Die FRAPORT Connection<br />
Hintergründe zum Streik<br />
FSDB<br />
Fachbereichskonferenz<br />
in Maastrich<br />
IFATCA<br />
51. Jahreskonferenz<br />
in Katmandu<br />
Historie<br />
Ein neuer Beruf entsteht<br />
Der Flugsicherungs-<br />
Kontrolldienst<br />
Willkommen in der<br />
GDF – DLH Dispatch<br />
Die neuen Mitglieder<br />
stellen sich vor
EINLADUNG<br />
NICHT<br />
VERGESSEN!<br />
zur 9. ordentlichen Bundesdelegiertenkonferenz<br />
der GdF e. V. am 21. und 22. September 2012<br />
Ort: Abion Spreebogen Hotel Berlin<br />
Tagesordnung<br />
P.1: Eröffnung der Versammlung und Begrüßung der Mitglieder<br />
und anwesenden Gäste durch den Bundesvorsitzenden<br />
P.2: Wahl und Einsatz der Tagungsleitung<br />
P.3: Genehmigung/Ergänzung der vorgelegten Tagesordnung<br />
P.4: Berufung der Mandatsprüfungskommission und des Wahlausschusses<br />
P.5: Berichte<br />
P.5.1: Bericht des Bundesvorstands<br />
P.5.2: Bericht Bilanz 2011<br />
P.5.3: Bericht des Kontroll- und Beschwerdeausschusses<br />
P.5.4: Bericht Vermögensverwaltung<br />
P.5.5: Bericht Revisionskommission<br />
P.6: Feststellung der Beschlussfähigkeit<br />
P.7: Diskussion und Entlastung des Bundesvorstands<br />
P.8: Bundesvorstandswahlen<br />
P.8.1: Bundesvorsitzende/r<br />
P.8.2: Bundesgeschäftsführer/-in<br />
P.9: Diskussion und Beschluss der Vorlagen<br />
P.10: Tarifpolitik<br />
P.10.1: Bericht aus der Tarifkommission<br />
P.11: Interne Organisation<br />
P.11.1: Budget 2013<br />
P.11.2: Organisation GdF/Geschäftsstelle<br />
P.11.3: Zusammenarbeit mit Verbänden/Gewerkschaften<br />
P.11.4: Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />
P.11.5: Gewerkschaftszeitschrift „der flugleiter“<br />
P.11.6: Interne Kommunikation<br />
P.11.7: Homepage<br />
P.11.8: Bundesdelegiertenkonferenz 2013<br />
P.12: Verschiedenes<br />
P.13: Verabschiedung und Ende der Bundesdelegiertenkonferenz 2012<br />
Anträge sollten der Antragskommission bis spätestens 22. Juni 2012 schriftlich vorliegen.<br />
Für Fragen steht die Geschäftsstelle gerne zur Verfügung.
der flugleiter 2012/02<br />
Inhalt<br />
04 | Editorial<br />
Aus der Geschäftsstelle<br />
06 | GdF – Termine<br />
28<br />
Austro Control auf der Verkaufsliste<br />
Recht<br />
07 | Die Fraport-Connection<br />
12 | Der Kampf ums Recht<br />
16 | Recht auf Streik<br />
17 | Überstunden sind keine Mehrarbeit!<br />
18 | Der neue DLH-Politikbrief über Kleingewerkschaften<br />
GDF Intern<br />
19 | Vorstellung Oliver Wessollek und Jonathan Bötig<br />
23 | Fachbereichskonferenz Betrieb 2012 in Maastricht<br />
25 | Maastricht Außerordentliche Bundesdelegiertenkonferenz<br />
25 | Lippe Radar in Maastricht<br />
Presse & PR<br />
20 | Neues von Presse und Kommunikation<br />
22 | Experten<br />
DFS<br />
26 | Vorsichtig giftig! Von Spaltpilzen und anderen Gefahren<br />
27 | „H eading2012“ The ship is sinking oder Gute Gründe<br />
(spätestens jetzt) GDF-Mitglied zu werden ...<br />
34<br />
Apron Control am modernsten<br />
Flughafen Europas<br />
ATC<br />
28 | Austro Control auf der Verkaufsliste<br />
57 | Was lange währt – GBAS <strong>als</strong> primäres Anflugverfahren<br />
zugelassen<br />
Joe’s Corner<br />
29 | Wanted – Gesucht wird<br />
Alltag<br />
30 | Der leitdende Angestelle in der DFS<br />
Technik<br />
32 | Eine Lotsin auf der Suche nach dem hessischen „hinter“<br />
Apron<br />
34 | Apron Control am modernsten Flughafen Europas<br />
Dispatch<br />
36 | Herzlich Willkommen in der GdF e. V.<br />
37 | Global Network Control Lufthansa Passage Airline<br />
38 | Lufthansa Cargo Flight Operations Control & Dispatch<br />
40 | Ein ganz normaler Vormittag bei Lufthansa Global Dispatch<br />
44 | Global Dispatch Lufthansa Passage<br />
48<br />
IFATCA 51. Jahreskonferenz<br />
Grassroute Cuttings<br />
45 | Schadensersatzforderungen und der Kampf gegen lästige Gewerkschaften<br />
IFATCA<br />
48 | 51. Jahreskonferenz “One Voice, one compability, one sky“<br />
50 | Protokoll Committee A:<br />
Luftwaffe<br />
52 | Wenn Piloten vom Boden aus fliegen<br />
28 | Privatisierungsvorschlag für die US Flugsicherung<br />
ATC International<br />
58 | Schwimmende Kontrollzone<br />
60 | FIREMAN steps in to bring plane carrying 70 passengers safely down ...<br />
Ehemalige<br />
62 | Ein neuer Beruf entsteht! Der Flugsicherungs-Kontrolldienst /<br />
Ein Rückblick in die ersten Jahre<br />
66 | Last Call<br />
58<br />
Schwimmende Kontrollzone 3
der flugleiter 2012/02<br />
Editorial<br />
Communique<br />
Amsterdam Schiphol Airport, 6th March 2012<br />
FABEC Social Dialogue – identified<br />
After a long period of discussion and negotiation, MARC welcomes<br />
the adoption of the Terms of Reference for the FABEC<br />
Social Dialogue Committee during a meeting between Social<br />
Partners, which took place 2nd of March 2012 in Maastricht.<br />
FABEC Management finally informed the staff representati-<br />
FABEC states structure:<br />
the beginning or the end?<br />
ves about the progress of initiatives in the FABEC Standing<br />
Committees and FABEC Working Groups. Amongst others<br />
MARC expects, beyond information, a formal procedure regarding<br />
consultation in the future. Staff representatives<br />
need to be involved before management decisions are taken.<br />
Structures, like FABEC Provisional Council or FABEC States<br />
Bureau, have been created to support the proposed FABEC<br />
State Treaty. But so far, after 4 years, not a single Institutional,<br />
legal or regulatory issue has been resolved or addressed<br />
properly. In this respect, the MARC group consistently fears<br />
that this states structure will constitute yet an additional layer<br />
of fragmentation to the decision making process of FABEC.<br />
MARC represent the vast majority of operational staff employed<br />
by the seven providers of the six FABEC states. Its membership<br />
comprises operational staff controllers, technicians<br />
and engineers.<br />
4
Editorial<br />
der flugleiter 2012/02<br />
von Michael Schäfer,<br />
Bundesvorsitzender<br />
von Michael Schäfer,<br />
Bundesvorsitzender<br />
Liebe Mitglieder,<br />
liebe Kolleginnen<br />
und Kollegen<br />
geneigte Leser!<br />
Ereignisreiche und außerordentlich schwierige Wochen liegen<br />
hinter uns. Nach der Tarifeskalation mit FRAPORT, welche<br />
auch auf einer außerordentlichen Bundesdelegiertenkonferenz<br />
thematisiert wurde – wobei der Bundesvorstand<br />
eine deutliche Unterstützung für sein Vorgehen erhielt –<br />
konnte letztlich ein Ergebnis erzielt werden. Ein Ergebnis,<br />
zufriedenstellend und mit Zukunftsperspektiven für die betroffenen<br />
Mitarbeiter/-innen, welches sicherlich auch auf<br />
dem Verhandlungsweg hätte erreicht werden können. Bei<br />
objektiver Betrachtung stellt sich natürlich die Frage, warum<br />
eine Verständigung nicht auf normalem Weg erreicht werden<br />
konnte.<br />
Man bewegt sich sicherlich nicht nur im Bereich „wilder Spekulationen“,<br />
wenn man davon ausgeht, dass diese Tarifauseinandersetzung<br />
bewusst angeheizt und auf Grund übergeordneter<br />
politischer Interessen der Arbeitgeberverbände<br />
massiv forciert wurde.<br />
Ziel dieses Vorgehens ist nichts Geringeres <strong>als</strong> die Zerschlagung<br />
der GdF. Vor knapp zwei Jahren hatte das Bundesarbeitsgericht<br />
Sparten- und Kleingewerkschaften wie dem<br />
Marburger Bund, der Vereinigung Cockpit, der Gewerkschaft<br />
der Lokführer oder der Gewerkschaft der Flugsicherung die<br />
Existenzberechtigung zugesichert und auch einen größeren<br />
Aktionsradius eingeräumt.<br />
Die GdF geht davon aus, dass den politisch Verantwortlichen<br />
im Grunde bewusst ist, dass diesbezüglich keinerlei Anlass<br />
zu gesetzgeberischem Aktionismus besteht. Die Anzahl der<br />
Streiktage hat sich trotz Sparten- und Kleingewerkschaften<br />
nicht erhöht und der Wirtschaftsstandort Deutschland ist sicherlich<br />
dadurch auch nicht gefährdet. Im Gegenteil, die Arbeitsplatz-<br />
und Wirtschaftsentwicklung Deutschlands stellt<br />
sich im europäischen Vergleich außerordentlich positiv dar<br />
und ganz nebenbei: Bei den Streiktagen rangiert Deutschland<br />
weit hinter fast allen europäischen Ländern. Es besteht<br />
<strong>als</strong>o absolut kein Anlass, über eine Veränderung der Tarifpluralität<br />
oder des Rechts zum Arbeitskampf auch nur nachzudenken.<br />
Vielmehr verbieten sich Überlegungen zu gesetzlichen Einschränkungen<br />
der individuellen oder kollektiven Koalitionsfreiheit<br />
schon auf Grund der Neutralitätspflicht der Politik<br />
gegenüber den Gewerkschaften.<br />
Grundrechte, in deren Genuss nur Mehrheiten kommen, wie<br />
von DGB und Arbeitgeberverband gefordert, sind keine<br />
Grund rechte mehr, sondern monopolartige Privilegien der<br />
Macht und nichts anderes.<br />
Es besteht keine Veranlassung, das stabile und bewährte<br />
Tarifsystem zu verändern.<br />
Seitdem suchen die DGB-Gewerkschaften gemeinsam mit<br />
den Arbeitgeberverbänden nach einer Gelegenheit, diese<br />
Entscheidung zu revidieren, um den Alleinvertreteranspruch<br />
der DBG-Gewerkschaften und damit deren Kontrollen über<br />
die Arbeitnehmer zu festigen.<br />
Anstelle von langjährigen juristischen Verfahren, deren Ergebnis<br />
unsicher ist, sollen die Sparten- und Kleingewerkschaften<br />
kurzerhand zerschlagen werden. Ins Bild passt,<br />
dass vor wenigen Wochen eine Professorengruppe, angeführt<br />
von Herrn Prof. Thüsing und – dem Vernehmen nach –<br />
gesponsert durch Arbeitgeber, einen Gesetzesentwurf zur<br />
Veränderung des Tarifvertragssystems veröffentlichte, welches<br />
die Koalitionsfreiheit aus Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz<br />
aushebelt.<br />
Michael Schäfer<br />
Bundesvorsitzender<br />
EDITORIAL<br />
5
der flugleiter 2012/02<br />
Aus der Geschäftsstelle<br />
GdF – Termine<br />
April 2012<br />
04.04. Gemeinsame Vorstandssitzung Frankfurt<br />
11./12.04. Tarifkommission Karlsruhe<br />
11./12.04. FSTD – EASA ATM.001 Köln<br />
16.04. Treffen FSBD/Leiter GB TWR<br />
18.04. Sitzung des Bundesvorstandes Frankfurt<br />
18.04. Informal Meeting IFATSEA IFATCA Darmstadt<br />
19.-21.04. IFATSEA Executive Board Meeting Darmstadt<br />
23./24.04. FSBD – Vorstandssitzung Frankfurt<br />
24.04. FSTD – Vorstandssitzung Frankfurt<br />
Mai 2012<br />
03./05.05. IFATSEA European Regional Meeting Kiew<br />
07./08.05. AG Belastungsausgleich FDB Erding<br />
08./09.05. MARC Meeting Maastricht<br />
11.05. Expert Group of Social Dimensions of SES Brüssel<br />
22.05. FSTD – Vorstandssitzung Frankfurt<br />
29.05. Sitzung des Bundesvorstandes Frankfurt<br />
30.05. Gemeinsame Vorstandssitzung Frankfurt<br />
31.05. FSBD – Vorstandssitzung Frankfurt<br />
Juni 2012<br />
04./05.06. AG Belastungsausgleich FDB Bremen<br />
05.-07.06. IFATSEA ICAO Conference Frankfurt<br />
12./13.06. FSTD – Eurocontrol – Agency Advisory Board Brüssel<br />
25.06. Sitzung des Bundesvorstandes Frankfurt<br />
Juli 2012<br />
02./03.07. FSTD – Vorstandsklausur Berlin<br />
04.07. Außerordentliche FSTD – Konferenz Berlin<br />
10./11.07. Marc Meeting Frankfurt<br />
24.07. FSTD – Vorstandssitzung Langen<br />
30.07. Sitzung des Bundesvorstandes Frankfurt<br />
31.07. Gemeinsame Vorstandssitzung Frankfurt<br />
Kein Anspruch auf Vollständigkeit!<br />
6
Recht<br />
der flugleiter 2012/02<br />
Photos: Internet<br />
DIE FRAPORT-CONNECTION (ein Lehrstück)<br />
oder: Die GdF gegen FRAPORT, Lufthansa und die Politik<br />
Die Geschichte ist noch nicht ganz vorbei, aber es lohnt sich schon jetzt, über die vergangenen<br />
Monate – eigentlich Jahre – zu berichten.<br />
von<br />
Markus<br />
Siebers<br />
und<br />
Dirk<br />
Vogelsang<br />
DIE VORGESCHICHTE<br />
Alles begann ursprünglich mit einem Nachtdienst an einem<br />
großen deutschen Airport irgendwann im Jahre 2005. Wie<br />
schon häufiger hatte sich ein Kollege der Vorfeldkontrolle zu<br />
einem kleinen Besuch im Tower angemeldet. Gastgeschenke<br />
in Form von Köstlichkeiten eines bekannten Edelschotten<br />
waren natürlich auch im Spiel. Es entwickelte sich ein reges<br />
Gespräch über die kleine neue Gewerkschaft, die im Jahr zuvor<br />
ihre ersten Tarifverträge mit der DFS abgeschlossen hatte,<br />
und so wurde schon nach einigen Monaten eine ganze<br />
Schar neuer Mitglieder in der GdF begrüßt. Die Vorfeldkontrolle,<br />
dam<strong>als</strong> noch <strong>als</strong> Einheit mit der Verkehrszentrale des<br />
Frankfurter Flughafens, begann ihre eigenen tariflichen<br />
Wünsche zusammenzutragen und den TvAC zu erarbeiten. In<br />
der Zwischenzeit gesellten sich auch die Kolleginnen und<br />
Kollegen eines weiter im Süden gelegenen Flughafens dazu,<br />
und die Arbeit wurde gemeinsam vollendet. Der TvAC wurde<br />
aus der Taufe gehoben. Sein Inhalt orientierte sich an den<br />
Regelungen, die wir in der DFS für den Bereich FDB/PK etabliert<br />
hatten und die neuer Standard werden sollten.<br />
Die Verhandlungen mit beiden Airports begannen, nach der<br />
mittlerweile fast schon obligatorischen Runde zum Arbeitsgericht<br />
und einer daraus resultierenden Satzungsänderung,<br />
nahezu zeitgleich an beiden Airports.<br />
In München wählten wir einen Weg, welcher alle Themen<br />
nacheinander behandelte. In Abhängigkeit von den verschiedenen<br />
Laufzeiten der Verträge wurde in den letzten Jahren<br />
immer wieder verhandelt, um das Gesamtpaket runder zu<br />
machen und dem eigenen, in sich abgeschlossenen Tarifvertrag<br />
(TvAC), näher zu kommen. Beendet haben wir diese Reise<br />
in München im letzten Jahr mit der Unterschrift unter eben<br />
diesen eigenen Tarifvertrag. Dazu bedurfte es einer Schlichtung,<br />
aber am Ende fanden beide Parteien einen gangbaren<br />
Kompromiss.<br />
7
der flugleiter 2012/02<br />
Recht<br />
Am Flughafen Frankfurt wählten wir in Absprache mit der<br />
Fraport AG eine etwas andere Variante. Hier wurden mit unserem<br />
ersten Abschluss fast alle Inhalte behandelt und in<br />
einen Tarifvertrag geschrieben, der in seiner Grundstruktur<br />
auf dem Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes aufsetzte. Es<br />
wurden substantielle Verbesserungen erreicht und eine<br />
Laufzeit bis zum 31.12.2011 festgeschrieben, wenige Teile sogar<br />
bis zum Jahr 2017. Diese sollten dann auch noch eine<br />
größere Bedeutung erlangen, dazu jedoch mehr an anderer<br />
Stelle aus berufenerem Munde. Klar war auch, dass wir nach<br />
Ablauf der Friedenspflicht den eigenen, vollständig abgelösten<br />
Tarifvertrag etablieren wollten. Auch dam<strong>als</strong> war die<br />
Grundansage der Fraport AG, niem<strong>als</strong> Verträge mit der GdF<br />
abzuschließen, schon allgegenwärtig. Der Abschluss des<br />
ersten Vertrages kostete dann auch einige der handelnden<br />
Personen auf der Seite der Fraport AG die Position im Unternehmen.<br />
So musste auch der damalige Verhandlungsführer<br />
der Fraport AG seinen Stuhl räumen und die Zelte <strong>als</strong> Chef<br />
der Bodenverkehrsdienste wieder aufschlagen. Auch diese<br />
Tatsache hat uns in den letzten Monaten eingeholt.<br />
DIE TARIFAUSEINANDERSETZUNG<br />
Eigentlich sollte die Tarifrunde Fraport schon wesentlich früher<br />
beginnen, um die Wirren um die Eröffnung der neuen<br />
Bahn in Frankfurt zu umgehen und den Tariffrieden erst gar<br />
nicht zu gefährden. Die Fraport AG hatte dann aber aus internen<br />
Gründen doch erst sehr spät im Jahr 2011 Zeit, Verhandlungen<br />
zu führen. Mittlerweile waren die Kollegen der Vorfeldaufsicht<br />
zu uns gestoßen und sollten mit in die Tarifrunde<br />
eingebettet werden. Dies war erst ab 2012 möglich, da die<br />
GdF im Jahr 2007 eine Zusage gegeben hatte, sich bis zu diesem<br />
Zeitpunkt keiner anderen Mitarbeitergruppe bei der<br />
Fraport AG zuzuwenden.<br />
Die Verhandlungen begannen in guter Atmosphäre, waren<br />
aber schnell an einem Punkt angekommen, an dem sich die<br />
Fraport AG – aus für uns nicht nachvollziehbaren Gründen –<br />
gezwungen sah, in eine Schlichtung zu gehen. Da wir mit<br />
Schlichtungen in der Vergangenheit eher gute Erfahrungen<br />
gemacht hatten, waren wir – trotz fehlender Schiedsvereinbarung<br />
– bereit, auf den Wunsch der Fraport AG einzugehen.<br />
Wir legten die Auswahl des Schlichters in die Hände der Fraport<br />
AG und begnügten uns damit, den Druck auf einen<br />
schnellen Beginn und auf einen fest definierten Endpunkt zu<br />
legen. Als Schlichter wurde – nach einem kleinen Umweg<br />
über Herrn Rüttgers – der ehemalige erste Bürgermeister der<br />
Freien und Hansestadt Hamburg, Herr Ole von Beust, bestimmt.<br />
In der darauffolgenden Schlichtung, die sehr intensiv geführt<br />
wurde, kam es leider zu keiner Einigung. Woran das lag<br />
ist nicht mehr zu ergründen, aber wir vermuten heute, dass<br />
schon in diesem Stadium klar war, dass die Schlichtung kein<br />
Ergebnis produzieren sollte, geschweige denn ein solches<br />
gewünscht war.<br />
Die GdF versuchte das Ergebnis für beide Seiten erträglich<br />
zu gestalten und bot bei sehr langen Laufzeiten eine gestaffelte<br />
Anpassung der Gehälter an, unter Berücksichtigung der<br />
Wünsche der Fraport AG in allen drei Bereichen unterschiedlich.<br />
Nachdem sich aber zum geplanten Ende der Schlichtung<br />
der oben schon erwähnte „ehemalige Verhandlungsführer“<br />
in die Verhandlungen einbrachte, wurden bereits<br />
gefundene Kompromisse plötzlich einseitig zurückgenommen,<br />
eine Einigung war somit in weite Ferne gerückt. Ein<br />
letzter Versuch schlug in der Nacht auf den 02.02.2012 fehl.<br />
Herr von Beust entschied sich dennoch dafür, eine Empfehlung<br />
abzugeben und übermittelte diese dann am 03.02.12 an<br />
beide Parteien mit einer Erklärungsfrist zum 06.02.12, 24:00<br />
Uhr, dem damit gleichzeitigen Ende der Friedenspflicht.<br />
Nach einer kurzen Phase des Abwägens von Für und Wider<br />
dieser Empfehlung war die GdF bereit zu Annahme und Unterschrift.<br />
Überraschend wurde der Vorschlag aber jetzt vom<br />
Vorstand der Fraport AG abgelehnt, obwohl er vom eigenen<br />
Schlichter stammte und dieser sich in seinem Vorschlag<br />
nochm<strong>als</strong> auf die Fraport AG zubewegt hatte.<br />
Mit der noch vorhandenen vagen Hoffnung einer möglichen<br />
Einigung verlängerte die GdF einseitig die Friedenspflicht gegenüber<br />
der Fraport AG bis zum 15.02.12, 12:00 Uhr, um,<br />
doch noch ein Einlenken zu erreichen. Leider blieb es bei diesem<br />
frommen Wunsch, es kam zu keinerlei Reaktionen seitens<br />
der Fraport AG. Inzwischen hatte die Tarifkommission-<br />
Apron der GdF beim Bundesvorstand den Antrag auf<br />
Arbeitskampfmaßnahmen gestellt und dieser hatte dem Antrag<br />
stattgegeben. Die Folgen der Verweigerung waren <strong>als</strong>o<br />
unvermeidlich und Streiks standen bevor. Was im Anschluss<br />
weiterhin geschah, berichten wir nach einer kurzen Übersicht<br />
über die einzelnen Daten:<br />
15.02.12:<br />
Streikaufruf für den 16.02.12 in der Zeit<br />
von 15:00 bis 22:00 Uhr.<br />
16.02.12: <br />
Streikaufruf für den 17.02.12 in der Zeit<br />
von 08:00 bis 22:00 Uhr.<br />
19.02.12:<br />
Streikaufruf für die Zeit vom 20.02.12 ab 05:00 Uhr<br />
bis Freitag den 24.02.12, 05:00 Uhr.<br />
22.02.12:<br />
In seiner Pressekonferenz fordert der Vorstandsvorsitzende<br />
der Fraport AG, Herr Dr. Schulte, die GdF auf, an den Verhandlungstisch<br />
zurückzukehren, Verhandlungsbasis sollte<br />
8
Recht<br />
der flugleiter 2012/02<br />
ein Angebot der Fraport AG, welches diese vor dem Scheitern<br />
der Schlichtung <strong>als</strong> „letztes Angebot“ auf den Verhandlungstisch<br />
gelegt hatte, sein. Das Verhandlungsangebot<br />
wurde von der GdF angenommen und der Arbeitskampf für<br />
den gleichen Tag mit Beginn der Nachtschicht ausgesetzt.<br />
23./24.02.12:<br />
Leider kam an diesen beiden Verhandlungstagen dieses für<br />
uns verhandelbare Angebot nicht auf den Tisch, sondern nur<br />
ein weitaus schlechteres, in dem die Berufsgruppe Vorfeldaufsicht<br />
(ca. 85 Personen) überhaupt keine Berücksichtigung<br />
fand. Dies war umso verwunderlicher, <strong>als</strong> in sämtlichen<br />
Tarifverhandlungen, einschließlich der Schlichtung und der<br />
daraus resultierenden Schlichterempfehlung, immer über<br />
einen Tarifvertrag für alle drei Berufsgruppen verhandelt<br />
worden war. Der Bundesvorsitzende Michael Schäfer wurde<br />
zu den Verhandlungen hinzugezogen. Auch die 4-Augen Gespräche<br />
mit dem Arbeitsdirektor der Fraport AG, Herrn Mai<br />
brachten kein Ergebnis. So scheiterten die Verhandlungen<br />
erneut am Freitag 24.02.12 gegen 21:00 Uhr.<br />
25.02.12:<br />
Streikaufruf für die Zeit vom 26.02.12 ab 21:00 Uhr bis zum<br />
01.03.12, 05:00 Uhr. Darüber hinaus wurde der Fraport AG<br />
mitgeteilt, dass die GdF die Ankündigungsfrist für Arbeitskampfmaßnahmen<br />
von 24 Stunden mit sofortiger Wirkung<br />
zurückzieht.<br />
28.02.12:<br />
Die DFS wird gegen 04:30 Uhr informiert, dass die Fluglotsen<br />
am Tower Frankfurt zu einem Unterstützungsstreik am<br />
29.02.12, in der Zeit von 05:00 Uhr bis 11:00 Uhr aufgefordert<br />
werden.<br />
Daraufhin gingen beim Arbeitsgericht Frankfurt zwei Anträge<br />
auf Einstweilige Verfügung ein.<br />
Überraschenderweise zuerst seitens Fraport AG und Lufthansa<br />
gegen den Hauptarbeitskampf bei der Fraport AG. Verhandlungstermin:<br />
29.02.12, 09:00 Uhr<br />
Kurze Zeit später dann von DFS, Fraport AG, und Lufthansa<br />
gegen den Unterstützungsstreik am Tower Frankfurt. Verhandlungstermin:<br />
28.02.12, 18:00 Uhr.<br />
Eine rechtliche Einschätzung erfolgt an anderer Stelle in<br />
diesem Heft (Siehe Beitrag von David Schäfer S. 12), aber<br />
das Timing der Verfahren und die gemeinsame Aktion von<br />
mehreren Unternehmen wirft einige Fragen auf, die noch behandelt<br />
werden müssen.<br />
DIE WOHLORGANISIERTE HETZE<br />
Was seit Ankündigung der Streiks sowohl medial <strong>als</strong> auch<br />
Fraport-intern los war, lässt sich mit Worten kaum beschreiben.<br />
Es begann eine Hetzjagd auf Spezialistengewerkschaften<br />
und deren durch die Verfassung garantierte Rechte. Der<br />
Untergang Deutschlands wurde heraufbeschworen, Politiker<br />
sahen sich mal wieder genötigt, die Erpresser der Nation einzufangen<br />
und neue Gesetze auf den Weg zu bringen. Nicht<br />
zuletzt waren auch die bezahlten Lobbyisten der Airlines und<br />
der Arbeitgeberverbände auf dem Kriegspfad. Eilfertige mediale<br />
Werkzeuge der ad hoc geschmiedeten Wirtschaftsallianz<br />
waren bemüht, weinende Kinder und wutentbrannte<br />
Bürger am Frankfurter Flughafen zu zeigen und diese nach<br />
ihrer Meinung zu den unverschämten Forderungen von 70%<br />
und mehr, die gebetsmühlenartig auf die Nation herabregneten,<br />
zu befragen. Die Schlichterempfehlung von Herrn von<br />
Beust und deren Ablehnung durch die Fraport AG interessierte<br />
zu diesem Zeitpunkt thematisch niemanden mehr.<br />
Den unrühmlichsten Beitrag in dieser Phase lieferten aber<br />
unsere vermeintlichen Brüder im Geiste von ver.di und der<br />
von ihr dominierte Betriebsrat der Fraport AG. In einem einmaligen<br />
Vorgang solidarisierten sich Arbeitnehmervertreter<br />
mit dem Unternehmen gegen eine Gruppe von Arbeitnehmern<br />
und deren Gewerkschaft. Anstatt sich selbst um die<br />
Belange der Mitglieder zu kümmern, hetzten sie gemeinsam<br />
gegen die Kolleginnen und Kollegen, insbesondere der Vorfeldaufsicht.<br />
Drohungen von Konsequenzen, bis hin zur Kündigung<br />
bei weiterer Wahrnehmung von Verfassungsrechten<br />
waren an der Tagesordnung. ver.di warnte sogar in einem<br />
Statement vor höheren Löhnen am Flughafen Frankfurt.<br />
Einen starken Einfluss auf den Arbeitskampf hatte natürlich<br />
auch die massive Unterstützung seitens der Lufthansa, die<br />
nicht nur mit Personal „ausgeholfen“, sondern auch mit stoischer<br />
Ruhe Umsatzeinbußen im Umfang zweistelliger Millionenbeträge<br />
ertragen hat. Ob und inwieweit hier schon vorher<br />
eine Art „Streiktopf“ gebildet wurde und wer sich daran<br />
beteiligte, wird wohl erst nach und nach zu ergründen sein.<br />
DAS (VORLÄUFIGE) ERGEBNIS<br />
Trotz dieser eher verfahrenen Situation gelang es den Tarifparteien<br />
im Rahmen von Sondierungsgesprächen, den Weg<br />
für einen Kompromiss zu ebnen. Am Ende steht ein Tarifergebnis,<br />
das beide Parteien an die Grenzen bringt, aber den<br />
von der GdF gewünschten Tarifvertrag für alle Gruppen etabliert.<br />
Ein langer Weg, der 2005 begann, findet nun seinen<br />
konsequenten Abschluss.<br />
Inhaltlich lässt der Vertrag gerade in der Vorfeldaufsicht<br />
noch einiges an Spielraum für die Zukunft. Wir haben hier<br />
keine nennenswerten Vergütungsanpassungen erreicht, dafür<br />
aber einen eigenständigen Vertrag mit einer Struktur, die<br />
es den jüngeren Kolleginnen und Kollegen ermöglicht,<br />
schneller im Vergütungssystem aufzusteigen. Die Vergütungsanpassung<br />
selbst richtet sich nach dem Tarifabschluss<br />
für den Öffentlichen Dienst. Für den Bereich der Verkehrszentrale<br />
liegen die Steigerungen bei der Vergütung deutlich<br />
über dem Inflationsniveau, wichtiger ist hier aber die Alters-<br />
9
der flugleiter 2012/02<br />
Recht<br />
teilzeitregelung. Sie ermöglicht allen ein Blockmodell von<br />
bis zu sechs Jahren mit einer Aufstockung auf 85% des Nettoeinkommens.<br />
In der Vorfeldkontrolle gilt diese Regelung ebenfalls mit einer<br />
zusätzlichen Komponente des Langzeitkontos. Hier werden<br />
zusätzliche Beiträge des Arbeitgebers und, wenn gewünscht,<br />
eigene Beiträge der Mitarbeiter eingezahlt, um den<br />
Teil der Arbeitsphase in der Altersteilzeit zu kompensieren.<br />
Was die Vergütung und andere Bereiche des Vertrages angeht,<br />
haben wir das geforderte Niveau in mehreren Stufen<br />
bis Ende 2014 erreicht. Für die Kolleginnen und Kollegen bedeutet<br />
dies substantielle Verbesserungen in den nächsten<br />
Jahren und die gewünschte Vergleichbarkeit der Bedingungen<br />
in München, Frankfurt und Berlin.<br />
Bei Redaktionsschluss dieser Flugleiter-Ausgabe sind finale<br />
Redaktion und die Unterschrift unter die Tarifverträge noch<br />
offen. Ein endgültiger Abschluss scheint umso mehr ein<br />
schwieriges Unterfangen, da die Fraport AG ihre Führungskräfte<br />
nicht im Griff hat – oder aber haben will. Es finden weiterhin<br />
Einschüchterungen und Bedrohungen von Mitarbeitern<br />
statt, die das ganze Verfahren erschweren und doch<br />
noch zum Platzen bringen könnten, denn für alle Abteilungen<br />
gilt die Vereinbarung, diese in zwei unabhängige GmbHs<br />
zu überführen und den notwendigen Betriebsübergang gemeinsam<br />
zu gestalten. Die Vorfeldkontrolle und die Verkehrszentrale<br />
in der einen und die Vorfeldaufsicht in einer<br />
zweiten, aber beide <strong>als</strong> 100%ige Töchter der Fraport AG. Wir<br />
hoffen, dass schnellstmöglich bei allen Beteiligten Professionalität<br />
und Vernunft wieder Einzug halten. Betriebsübergänge<br />
laufen nicht automatisch, sie brauchen eine gute Portion<br />
Mitarbeit der Betroffenen, um den Übergang zügig und<br />
vorteilhaft für alle umzusetzen.<br />
EIN ERSTES FAZIT<br />
Die letzten Wochen haben bei allen Beteiligten deutliche Spuren<br />
und Erschöpfung hinterlassen, dennoch – und gerade<br />
deswegen – müssen wir uns die Frage stellen: Was ist da eigentlich<br />
geschehen? Welche Relevanz hat das für die Zukunft?<br />
Wenn wir die oben zusammengetragenen Fakten bemühen,<br />
deutete sich nach jahrelanger Zusammenarbeit und einem<br />
guten Auskommen mit der Fraport AG diese Eskalation im<br />
Vorfeld nicht an. Auch die Aufnahme der Kolleginnen und<br />
Kollegen der Vorfeldaufsicht kann allein nicht zu einer derartigen<br />
Verhärtung der Fronten beigetragen haben. Offensichtlich<br />
haben die Airlines – allen voran die Lufthansa –, die Arbeitgeberverbände<br />
und nicht zuletzt die im Luftverkehr<br />
kaum noch existente ver.di einen erheblichen Druck entfaltet.<br />
Dieser Druck sollte endlich dazu führen, den Spezialgewerkschaften<br />
Einhalt zu gebieten und deren Kreise massiv<br />
zu stören, wenn möglich bis hin zur Existenzbedrohung. Dieser<br />
Kampf wurde von Arbeitgeberseite mit allen Mitteln geführt,<br />
unserer Meinung nach auch über die rechtlich erlaubten<br />
Mittel hinaus. Die Fraport AG hat Leute europaweit<br />
eingekauft und mit Schnellschulungen ins Feuer geworfen,<br />
Mitarbeiter wurden gezwungen, unter der Androhung von<br />
Kündigungen in fremden Abteilungen Streikbruch zu begehen,<br />
Lufthansa hat eigenes Personal zum Streikbruch an die<br />
Fraport AG ausgeliehen. Die Liste ließe sich noch erheblich<br />
erweitern. Es handelte sich <strong>als</strong>o um einen Kampf, der ganz<br />
und gar nicht auf Augenhöhe geführt werden konnte, denn<br />
gleichzeitig wurde der GdF durch das Arbeitsgericht untersagt,<br />
ihrerseits andere/weitere Mitglieder zu solidarischem<br />
Handeln aufzurufen.<br />
In den Medien wurde das Bild des raffgierigen Spezialisten<br />
gezeichnet, der sich um nichts anderes <strong>als</strong> seinen eigenen<br />
Vorteil kümmert, mit allen Mitteln die Nation erpresst und<br />
den Rest der Fraport AG verhungern lässt. Über den jahrelangen<br />
Klüngel der Betriebsräte und der Vorstände bei der Fraport<br />
AG, die gewerkschaftlich tolerierten Absenkungs- und<br />
Ausgliederungstarifverträge und den Mitgliederschwund<br />
der Großgewerkschaft, der eine ganz eigene Geschichte erzählt,<br />
wurde dagegen bezeichnenderweise nicht berichtet.<br />
Selbst <strong>als</strong> sich der Öffentliche Dienst der gleichen Mittel bediente<br />
wie die GdF, um seine Forderungen nach mehr Lohn<br />
durchzusetzen, blieben die Medien stumm. Keine weinenden<br />
Kinder, keine wütenden Geschäftsleute und kein Untergang<br />
des Landes; nur ganz viel Verständnis für die Belange<br />
der Beschäftigten. Das wirft Fragen auf. So ließe sich beispielsweise<br />
fragen, warum sich ver.di nicht schon früher an<br />
diesem Kampf beteiligte, um für alle Beschäftigten einen guten<br />
Abschluss zu erzielen. Hat es möglicherweise Absprachen<br />
zwischen den Funktionären und den Vorständen gegeben?<br />
Wie sonst wäre die Sonderbehandlung der Flughäfen<br />
(bis zu 600,- d Sonderzahlung) beim Tarifabschluss für den<br />
öffentlichen Dienst zu bewerten? Die soziale Komponente<br />
war im Abschluss des Öffentlichen Dienstes nicht durchzusetzen,<br />
die Sonderzahlung für Streikbrecher an Flughäfen<br />
schon – ein interessantes Detail. Nicht umsonst brauchte<br />
Herr Bsirske zwei Anläufe, um den Kompromiss durch die Tarifkommission<br />
zu boxen. Die einfachen Mitglieder der ver.di<br />
hatten den DEAL wohl durchschaut.<br />
Die Beweggründe der Lufthansa, sich derart in diesem Konflikt<br />
zu engagieren, dürften auf der Hand liegen. Die kleine<br />
GdF versucht seit einigen Wochen, in Verhandlungen für die<br />
bei der Lufthansa und der Lufthansa Cargo beschäftigten<br />
Mitglieder einzutreten. Auch hier droht der Untergang des<br />
Abendlandes, obwohl gerade die Lufthansa mit Tarifpluralität<br />
umgehen können sollte. Tarifverträge mit ver.di, der Vereinigung<br />
Cockpit und der UFO sind seit Jahren Normalität.<br />
Aber da gilt wohl die Vorwärtsverteidigung <strong>als</strong> das geeignete<br />
Mittel, Motto: wir bekämpfen die GdF bei der Fraport AG,<br />
damit sie im eigenen Haus gar nicht erst ankommt. Bei den<br />
Arbeitgeberverbänden und in so manchem Kopf der Politik<br />
10
Recht<br />
der flugleiter 2012/02<br />
ist das Ganze die willkommene Auferstehung des Themas<br />
Tarifeinheit mit dem einigermaßen durchsichtigen Versuch,<br />
das Arbeitskampfrecht für bestimmte Gruppen massiv einzuschränken.<br />
Nicht zufällig wurde am 19. März 2012 der Gesetzentwurf<br />
einer Professorengruppe um Herrn Prof. Thüsing<br />
vorgelegt, der genau das umsetzen soll, was die Protagonisten<br />
der Gegenseite während unserer tariflichen Auseinandersetzungen<br />
gefordert hatten. Ein wenig Tarifeinheit und<br />
ganz viel Streikverbot in der Daseinsvorsorge.<br />
Alle Beteiligten werden eine Zeitlang benötigen, um das Geschehene<br />
aufzuarbeiten und daraus die richtigen Lehren zu<br />
ziehen. Die hinter den oberflächlichen Abläufen liegenden<br />
tieferen Ursachen, die eng mit dem Umbruch in der Gewerkschaftslandschaft<br />
und den daraus für die Arbeitgeberseite<br />
resultierenden Problemen zu tun haben, sollten mit der gebotenen<br />
Sorgfalt und Ruhe analysiert werden. Die Spezialgewerkschaften,<br />
nicht nur im Luftfahrtbereich, sind hierzu<br />
ohnehin schon in einem längeren Diskussionsprozess und<br />
werden diesen sicherlich noch intensivieren. Eine zahlenmäßig<br />
kleine Gewerkschaft wie die GdF muss sich angesichts<br />
dessen, was möglicherweise auf dem Spiel steht –<br />
man denke nur an die bisherigen Schadenersatzklagen der<br />
Arbeitgeber –, natürlich auch fragen, ob die Entwicklung<br />
f<strong>als</strong>ch eingeschätzt oder Warnzeichen übersehen wurden.<br />
In einem vorläufigen Fazit (mehr kann dies nicht sein) springen<br />
vor allem zwei Punkte ins Auge, die eine gewisse Schnittmenge<br />
bzw. Interdependenz aufweisen:<br />
- Wenn wir überhaupt einer Fehleinschätzung erlegen sind,<br />
dann am ehesten der, die Auswirkungen der erfolgreichen<br />
Tarifpolitik von Spezialgewerkschaften, namentlich auch<br />
der GdF, auf andere, teilweise sehr viel größere Bereiche<br />
noch unterschätzt zu haben. Dabei ist die von uns vertretene<br />
Grundthese, dass es den Arbeitgebern nicht so sehr um<br />
die „zu teuren“ Tarifverträge der GdF-Mitglieder oder der<br />
Mitglieder anderer Berufsgewerkschaften geht, sondern<br />
vor allem um die positive Signalwirkung für andere Arbeitnehmer,<br />
nachdrücklich bestätigt worden.<br />
- Zugegebenermaßen unterschätzt haben wir das Ausmaß<br />
bzw. den Grad, in welchem ver.di-Funktionäre bereit sind,<br />
zum Erhalt ihres stets schwindenden Resteinflusses mit der<br />
Arbeitgeberseite zu paktieren. Dass die Vertreter einer so<br />
genannten „Großgewerkschaft“ sich offen auf die Arbeitgeberseite<br />
stellen und streikenden Kollegen in den Rücken<br />
fallen, ist ein einmaliger und unerhörter Vorgang. Ein solches<br />
Verhalten setzt den eigenen Willen zum permanenten<br />
Verzicht und Nachgeben bereits <strong>als</strong> Prämisse voraus, denn<br />
nur bei einer solchen Betrachtung kann der (f<strong>als</strong>che) Eindruck<br />
entstehen, der Tariferfolg einer kämpfenden Minderheit<br />
müsse nicht von den Aktionären der Arbeitgeber, sondern<br />
von anderen Arbeitnehmern bezahlt werden. Dies<br />
zeigt, dass die Befürchtungen der ver.di-Funktionäre vor<br />
weiterem Legitimationsverlust durch Erfolge von Berufsgewerkschaften<br />
noch viel größer sein müssen, <strong>als</strong> wir uns bislang<br />
vorstellen konnten. Und das wirft wiederum sehr<br />
grundsätzliche Fragen auf, deren Beantwortung nur in der<br />
Zukunft und erst nach und nach möglich sein wird.<br />
AUSBLICK<br />
Wie oben angedeutet, wird die Entwicklung bis zum Zeitpunkt<br />
der Auslieferung dieses Flugleiters schon weitergegangen sein.<br />
Wir hoffen, dass in der Zwischenzeit die Verträge unterschrieben,<br />
die Gerichtsverfahren zu unseren Gunsten ausgegangen<br />
sind, und die Lage sich insgesamt wieder ein wenig beruhigt<br />
hat. Eine Tarifauseinandersetzung, und damit auch ein Streik,<br />
sind nur die Vorstufe zu einem wiederhergestellten Tariffrieden.<br />
Eines sollte allen Beteiligten an dieser Stelle jedoch klar geworden<br />
sein: Unser Anspruch alle Mitglieder zu vertreten, auch<br />
solche die bei den Airlines und Flughäfen beschäftigt sind, wird<br />
sich nicht verändern. In der GdF wird es keine Mitglieder zweiter<br />
Klasse geben, nicht jetzt und nicht in Zukunft.<br />
11
der flugleiter 2012/02<br />
Recht<br />
Der Kampf ums Recht<br />
FAQ zur rechtlichen Auseinandersetzung um den<br />
Arbeitskampf bei der Fraport AG<br />
In den Gerichtsverfahren wegen des Arbeitskampfes der GdF bei der Fraport AG und den Unterstützungsarbeitskampf<br />
bei der DFS am Tower Frankfurt ging es um sehr spezielle arbeits- und<br />
prozessrechtlichen Fragen. Die Geschwindigkeit der Abläufe rund um und die beiden Eilverfahren<br />
war ebenfalls naturgemäß hoch und machte es Außenstehenden – von der Presse bis<br />
zum interessierten Laien schwer, immer zu folgen. Hier soll daher die Gelegenheit genutzt<br />
werden, die aus unserer Sicht am häufigsten aufgeworfenen Frage rund um die Prozesse zu<br />
beantworten:<br />
von<br />
RA David<br />
Schäfer<br />
Das Arbeitsgericht hat zunächst am Abend<br />
des 28.02.2012 über die Zulässigkeit des beabsichtigten<br />
Unterstützungsarbeitskampfes<br />
entschieden, sodann am 29.02.2012 über<br />
den Hauptarbeitskampf gegenüber der Fraport<br />
AG. Warum wurden diese beiden Verfahren<br />
getrennt? Wäre eine andere Reihenfolge<br />
bzw. eine Verhandlung am gleichen Tag nicht<br />
sinnvoller gewesen?<br />
Eine gemeinsame Verhandlung beider Fragen kam deswegen<br />
nicht in Frage, weil beide Verfahren auf getrennte Anträge,<br />
einmal der DFS, der Fraport AG und der Deutsche Lufthansa<br />
AG, einmal lediglich der Fraport AG und der Deutsche<br />
Lufthansa AG, zurückzuführen waren. Das Gericht hat die<br />
Angelegenheiten in der Reihenfolge des Eingangs der Anträge<br />
terminiert. Da allerdings die Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit<br />
des Unterstützungsarbeitskampfes auch die<br />
Rechtmäßigkeit des Hauptarbeitskampfes ist, hätte es möglicherweise<br />
nahe gelegen, den Termin bezogen auf den Antrag<br />
zum Hauptarbeitskampf ebenfalls auf den Abend des<br />
28.02.2012 zu legen. Dann wäre es nicht zu einer „gestaffelten“,<br />
stückweisen Entscheidung über den Arbeitskampf gekommen.<br />
Darüber entscheidet jedoch alleine das Gericht.<br />
War es nicht absehbar, dass das Gericht einen Unterstützungsarbeitskampf<br />
im Umfang von 6 Stunden am Tower<br />
Frankfurt mit entsprechend weitgehenden Folgen gegenüber<br />
dem Hauptarbeitskampf und seinem oberflächlich deutlich<br />
geringeren Auswirkungen <strong>als</strong> eine unzulässige Verlagerung<br />
des Arbeitskampfgewichtes ansehen würde?<br />
Es ist zutreffend, dass die Rechtsprechung verlangt, dass der<br />
Schwerpunkt des Arbeitskampfes sich nicht vom Haupt- auf<br />
den Unterstützungsarbeitskampf verlagert. Nach Auffassung<br />
des Bundesarbeitsgerichts gilt dies gemessen an Dauer<br />
und Umfang des Arbeitskampfes. Es kommt <strong>als</strong>o maßgeblich<br />
auf die auf Seiten der Gewerkschaft eingesetzten Mittel<br />
an. Diese waren mit Blick auf die Dauer des Arbeitskampfes<br />
und den am Arbeitskampf beteiligten Arbeitnehmern beim<br />
Hauptarbeitskampf deutlich gewichtiger <strong>als</strong> beim Unterstützungsarbeitskampf<br />
und die Auswirkungen eines Arbeitskampfes<br />
im Luftverkehr messen sich nicht ausschließlich an<br />
der Zahl der ausgefallenen Flüge, sondern auch daran, welchen<br />
Aufwand der Arbeitgeber betreiben muss, um die Zahl<br />
der abgewickelten Flüge möglichst hoch zu halten. Dieser<br />
Aufwand war bei der Fraport AG erheblich. Im Übrigen hat<br />
das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg im Jahr 2009<br />
einen Unterstützungsarbeitskampf der Towermitarbeiter am<br />
Flughafen Stuttgart zur Unterstützung eines Hauptarbeitskampfes<br />
der Vorfeldmitarbeiter am selbigen Flughafen für<br />
zulässig erklärt, obwohl der Unterstützungsarbeitskampf<br />
von seiner Dauer her im gleichen Umfang geplant war. Der<br />
Hauptarbeitskampf am Flughafen Stuttgart hatte übrigens<br />
zu diesem Zeitpunkt zu keinem einzigen Flugausfall geführt.<br />
Es gab <strong>als</strong>o ausreichenden Anlass dafür, anzunehmen, dass<br />
ein Unterstützungsarbeitskampf in der gleichen Größenordnung<br />
am Flughafen Frankfurt ebenfalls <strong>als</strong> rechtmäßig angesehen<br />
werden würde.<br />
Wenn es für die Rechtmäßigkeit des Unterstützungsarbeitskampfes<br />
darauf ankommt, dass auch der Hauptarbeitskampf<br />
rechtmäßig ist und das Arbeitsgericht am Folgetag zu dem<br />
Ergebnis gekommen ist, dass der Hauptarbeitskampf nach<br />
seiner Auffassung rechtswidrig sei: Warum hat das Arbeitsgericht<br />
nicht bereits in dem ersten Rechtsstreit zum Unterstützungsarbeitskampf<br />
auf diesen Aspekt abgestellt?<br />
Die Gerichte sind in ihrem Urteil nicht gehalten, sämtliche<br />
Aspekte anzusprechen, die aus ihrer Sicht ihre Entscheidung<br />
untermauern. Das heißt: wenn das Arbeitsgericht im Rahmen<br />
der Beurteilung des Unterstützungsarbeitskampfes der<br />
Meinung ist, dass dieser nach Dauer und Umfang zu einer<br />
Verlagerung des Gewichts vom Hauptarbeitskampf zum Unterstützungsarbeitskampf<br />
führt, dann muss es sich mit der<br />
Rechtmäßigkeit des Hauptarbeitskampfes im Rahmen seiner<br />
Beurteilungsbegründung nicht mehr befassen.<br />
Wie kann es sein, dass der Arbeitskampf zunächst zwei Wochen<br />
läuft, bevor die Arbeitgeberseite mit dem Antrag an das<br />
12
Recht<br />
der flugleiter 2012/02<br />
Gericht herantritt, den Arbeitskampf wegen vermeintlicher<br />
Rechtswidrigkeit zu untersagen?<br />
Arbeitsgerichte sind dafür bekannt, im Verhältnis zu anderen<br />
Gerichten relativ schnell zu entscheiden. Dennoch ist es natürlich<br />
nicht selbstverständlich, dass man eine Entscheidung<br />
von einem Tag auf den anderen bekommt. Dies ist nur dann<br />
möglich, wenn man eine besondere Eilbedürftigkeit begründet.<br />
Es liegt nahe, dass diese im Rahmen eines akut drohenden<br />
oder bereits laufenden Arbeitskampfes gegeben ist.<br />
Dennoch ist zu prüfen, ob sich ein Antragsteller im Eilverfahren<br />
hinsichtlich seines Vortrags zur Eilbedürftigkeit nicht dadurch<br />
selbst widerlegt, dass er zunächst ohne nachvollziehbaren<br />
Grund zuwartet, bevor er seinen Antrag stellt. Es liegt<br />
tatsächlich nahe, einem Arbeitgeber zu unterstellen, dass es<br />
so eilbedürftig mit dem Antrag nicht sein könne, wenn er<br />
sich zunächst zwei Wochen widerstandslos bestreiken lässt,<br />
bevor er einen Unterlassungsantrag geltend macht. Das Arbeitsgericht<br />
hat sich in seiner Entscheidung mit dieser Frage<br />
nicht auseinandergesetzt.<br />
Zwischen der GdF und der Fraport AG haben umfangreiche<br />
Tarifverhandlungen stattgefunden, am Ende sogar eine<br />
Schlichtung, die mit einer Schlichterempfehlung endete.<br />
Erst im Arbeitskampf – und auch dort erst im gerichtlichen<br />
Verfahren – weist der Arbeitgeber darauf hin, dass nach seinem<br />
Dafürhalten einzelne Forderungen der Gewerkschaft<br />
gegen die Friedenspflicht verstoßen sollen. Ist das nicht widersprüchlich?<br />
In der Tat gab es weder im Rahmen der Verhandlungen noch<br />
im Rahmen der Schlichtung einen Hinweis des Arbeitgebers<br />
darauf, dass er einzelne der Forderungen der GdF für rechtswidrig<br />
hält. Die fraglichen Punkte standen zwischen den Tarifvertragsparteien<br />
auch nicht ernsthaft im Streit, d. h. sie<br />
waren alles andere <strong>als</strong> maßgeblich für die Willensbildung<br />
beider Parteien im Hinblick auf die Frage, ob es zu einem Tarifabschluss<br />
kommt oder nicht. Sie betreffen vielmehr absolute<br />
Randpunkte. Es ist aus unserer Sicht daher auch treuwidrig,<br />
wenn der Arbeitgeber dann unter Berufung auf<br />
derartig nebensächliche und auch aus seiner Sicht unproblematische<br />
Punkte die Rechtswidrigkeit des Arbeitskampfes<br />
begründen will.<br />
Das Arbeitsgericht hat den Hauptarbeitskampf mit der Begründung<br />
für rechtswidrig erklärt, einzelne der von der GdF<br />
verfolgten Forderungen verstießen gegen die Friedenspflicht:<br />
Was bedeutet das?<br />
Mit dem Abschluss eines Tarifvertrages geht immer die sogenannte<br />
Friedenspflicht einher, d. h. die Verpflichtung beider<br />
Parteien, während der Laufzeit dieses Tarifvertrages keine<br />
Arbeitskampfmaßnahmen zu ergreifen, um die in dem Tarifvertrag<br />
inhaltlich geregelten Punkte neu zu regeln. Auslegungsbedürftig<br />
ist dabei regelmäßig die Frage, wie weit diese<br />
Friedenspflicht geht, d. h. welche Punkte durch den<br />
Tarifvertrag tatsächlich abschließend geregelt wurden und<br />
damit während der Laufzeit des Tarifvertrages nicht einem<br />
Streik zugänglich sind. Einfach ist die Frage dann zu beant-<br />
13
der flugleiter 2012/02<br />
Recht<br />
worten, wenn sämtliche Tarifverträge mit einem Arbeitgeber<br />
gekündigt wurden und die Kündigungsfrist abgelaufen ist:<br />
Dann kann man jedes inhaltliche Thema neu verhandeln. Im<br />
vorliegenden Fall war die Situation jedoch etwas anders:<br />
Einzelne Regelungen aus dem bereits mit der Fraport AG bestehenden<br />
Tarifvertrag waren noch nicht kündbar. Dies betrifft<br />
insbesondere Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung.<br />
Im Hinblick auf diese Regelungen besteht mithin<br />
Friedenspflicht, d. h. Forderungen zu diesen Punkten können<br />
nicht bestreikt werden.<br />
War es nicht absehbar, dass einzelne der Forderungen der<br />
GdF in der aktuellen Tarifauseinandersetzung mit der Fraport<br />
AG gegen fortgeltende Tarifverträge verstoßen könnten?<br />
Wie bereits oben dargestellt, ist die Frage, wie weit die Friedenspflicht<br />
aus einer fortlaufenden Regelung geht, eine<br />
Frage der Auslegung dieser Regelung. Auslegung ist nichts<br />
anderes <strong>als</strong> Interpretation. Und wo immer Interpretation<br />
statt findet, ist es nicht auszuschließen, dass mehrere Interpreten<br />
zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Nachdem<br />
die Fraport AG einen etwaigen Verstoß gegen die Friedenspflicht<br />
weder während der Verhandlungen noch in der<br />
Schlichtung problematisiert hat, ist davon auszugehen, dass<br />
sie die Tarifverträge grundsätzlich eben so interpretiert hat<br />
wie die GdF, nämlich dass ein Verstoß gegen die Friedenspflicht<br />
gerade nicht vorliege.<br />
Worin soll der Verstoß gegen die Friedenspflicht genau bestehen?<br />
Aus Sicht des Gerichts solle eine bestehende tarifliche Kurregelung<br />
während der Dauer ihrer tariflichen Laufzeit einer<br />
Regelung zum Wechsel aus dem Wechselschichtdienst in<br />
den Schichtdienst für ältere Mitarbeiter entgegenstehen.<br />
Beide Regelungen hätten die Reduzierung von Belastungen<br />
zum Ziel und dienten damit dem Gesundheitsschutz. Des<br />
Weiteren soll eine differenzierte Besitzstandsregelung für<br />
den Fall der teilweisen Berufsunfähigkeit einer Regelung<br />
entgegen stehen, die die vergütungsmäßigen Folgen eines<br />
Arbeitsunfalls regelt. Es bedarf aus unserer Sicht schon einer<br />
erheblichen Fantasie, um hier zu dem Ergebnis zu kommen,<br />
dass diese Regelungen sich inhaltlich in einem Maße<br />
überschneiden, dass den angestrebten tariflichen Regelungen<br />
die Friedenspflicht aus den bereits vorhandenen Regelungen<br />
entgegenstehe.<br />
Dennoch: Gibt es keine Möglichkeiten, das Risiko zu minimieren,<br />
dass das Gericht zu einer anderen Auslegung kommt<br />
<strong>als</strong> die Tarifpartner?<br />
Gerichte schreiben keine Gutachten, d. h. eine vorhergehende<br />
Überprüfung durch die Gerichte vor dem Arbeitskampf ist<br />
nicht möglich. Erschwert wird die Angelegenheit auch dadurch,<br />
dass von der Gewerkschaft regelmäßig verlangt wird,<br />
dass sie ihre Tarifforderung so präzise gegenüber dem Arbeitgeber<br />
benennt, dass dieser theoretisch nur noch „ja“<br />
antworten müsste, um den Abschluss eines wirksamen Tarifvertrages<br />
herbeizuführen. Er muss <strong>als</strong>o so genau wie möglich<br />
wissen, was die Gewerkschaft von ihm will. Dies bedeutet,<br />
dass die Gewerkschaft ihren Forderungskatalog so<br />
genau wie möglich vorstellen muss. Im Fall der Fraport AG<br />
reden wir von insgesamt über 50 Paragraphen. Da dürfte es<br />
zu keiner Zeit auszuschließen sein, dass ein an den Verhandlungen<br />
unbeteiligter Dritter alleine anhand des Wortlauts<br />
der Regelungen zu einer Interpretation gelangt, mit der zuvor<br />
niemand der beteiligten Tarifpartner gerechnet hatte.<br />
Es hätte doch grundsätzlich die Möglichkeit bestanden, gegen<br />
die Urteile Berufung einzulegen und damit das Blatt für<br />
die GdF noch zu wenden, oder?<br />
Es ist richtig, dass auch im Eilverfahren die Möglichkeit besteht,<br />
gegen eine Entscheidung Rechtsmittel einzulegen.<br />
Das ändert jedoch zunächst nichts daran, dass dem erstinstanzlichen<br />
Urteil Folge geleistet werden muss, d. h. dass der<br />
Arbeitskampf in diesem Fall zunächst abgebrochen werden<br />
musste. Sowohl das Arbeitsgericht Frankfurt am Main <strong>als</strong><br />
auch das Hessische Landesarbeitsgericht sind dafür bekannt,<br />
in derartig eiligen Fällen durch eine hohe Beschleunigung<br />
des Verfahrens den Rechtsschutz beider Parteien so<br />
gut wie möglich zu gewährleisten, dennoch sind auch in derartigen<br />
Eilfällen die notwendigsten Formalitäten einzuhalten,<br />
d. h. es wird eine Urteilsbegründung benötigt, ebenso<br />
Berufung und Berufungsbegründung und auch die Gegenseite<br />
muss die Möglichkeit haben, hierauf noch einmal zu<br />
erwidern. Einmal abgesehen davon, dass nach dem ersten<br />
Termin eine Berufung erst nach 22 Uhr hätte eingelegt werden<br />
können, wäre es äußerst schwierig gewesen, noch eine<br />
rechtzeitige Berufungsverhandlung herbeizuführen, wobei<br />
eben auch zu berücksichtigen ist, dass die Gegenseite ebenfalls<br />
erheblichen Einfluss darauf hat, ob und wenn ja, in welcher<br />
Frist die Berufungsverhandlung überhaupt noch stattfinden<br />
kann. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die zur<br />
Entscheidung vorgelegten Arbeitskampfmaßnahmen jeweils<br />
zeitlich befristet waren. Sobald das Ende der Frist erreicht<br />
war, ist in beiden Angelegenheiten Erledigung eingetreten,<br />
d. h. eine Entscheidung in der Sache war nach diesem Zeitpunkt<br />
nicht mehr möglich. Das Gericht hätte lediglich noch<br />
darüber entschieden, ob oder ob nicht Erledigung eingetreten<br />
ist. Wie gesagt: Die Gerichte erstellen keine Gutachten.<br />
Aber die GdF hat doch Berufung eingelegt, oder?<br />
Ja, in dem Verfahren betreffend die Rechtmäßigkeit des Unterstützungsarbeitskampfes<br />
hat die GdF dennoch Berufung<br />
eingelegt. Der Grund dafür ist, dass das Gericht – obwohl<br />
inzwischen Erledigung eingetreten ist, da der Zeitpunkt für<br />
den Unterstützungsarbeitskampf inzwischen abgelaufen ist<br />
– dann noch darüber entscheiden muss, welche Partei die<br />
14
Recht<br />
der flugleiter 2012/02<br />
Kosten der Berufung zu tragen hat. Dies richtet sich danach,<br />
welche Partei nach dem Stand der Dinge voraussichtlich in<br />
dem Rechtsstreit unterlegen wäre, wenn nicht inzwischen<br />
Erledigung eingetreten wäre. Das heißt das Landesarbeitsgericht<br />
kommt doch nicht ganz darum herum, sich mit der Sache<br />
zu befassen und eine ungefähre Einschätzung der Erfolgsaussichten<br />
abzugeben. Um auf diese Weise die Meinung des<br />
Landesarbeitsgerichts in Erfahrung zu bringen, hat die GdF<br />
insoweit Berufung eingelegt. Da die Rechtmäßigkeit des<br />
Unter stützungsarbeitskampfes die Rechtmäßigkeit des Hauptarbeitskampfes<br />
voraussetzt, erhofft sich die GdF aus dieser<br />
Berufung Rückschlüsse nicht nur auf die Rechtmäßigkeit des<br />
Unterstützungs-, sondern auch des Hauptarbeitskampfes.<br />
Hat das Landesarbeitsgericht über diese Frage inzwischen<br />
entschieden?<br />
Das Landesarbeitsgericht hätte grundsätzlich hierüber bereits<br />
entschieden. Da jedoch inzwischen ein Tarifvertragsabschluss<br />
erzielt wurde, es für den vorliegenden Arbeitskampf<br />
somit nicht mehr zwingend auf das Votum des Landesarbeitsgerichts<br />
ankommt, hat es offensichtlich vor, die Angelegenheit<br />
in der angemessenen Gründlichkeit und ohne zeitlichen<br />
Druck zu entscheiden. Das Landesarbeitsgericht hat in<br />
diesem Zusammenhang sogar noch eine mündliche Verhandlung<br />
anberaumt. Das ist keineswegs üblich und hat<br />
wohl auch mit der Komplexität der Sachfragen zu tun.<br />
Die Arbeitgeber behalten sich die Geltendmachung von<br />
Schadenersatzansprüchen vor und haben in der Vergangenheit<br />
die GdF ja bereits wegen Schadenersatzansprüchen verklagt.<br />
Ist es in diesem Zusammenhang nicht äußerst schädlich<br />
für die GdF, die negativen erstinstanzlichen Ent scheidungen<br />
des Arbeitsgerichts gegen sich stehen zu haben?<br />
„Nun, meine Herren, wohin würde es führen, wenn, sei es,<br />
weil die Staatseinrichtungen diesen Kampf erschweren, sei<br />
es aus anderen Gründen, ein bedeutender Bruchtheil eines<br />
Volkes nicht mehr den Muth hat, sein Privatrecht zu verwirklichen?<br />
Es würde dahin führen, dass dem Einzelnen, der den<br />
Muth hat, seine Aufgaben zu erfüllen, dieselbe unendlich<br />
erschwert wird. In demselben Maße, wie die Übrigen zurückgehen,<br />
fällt auf den Einzelnen eine ungleich schwerere Last.<br />
Ich möchte es vergleichen mit der Flucht in der Schlacht;<br />
wenn Alle im Kampfe zusammenstehen, haben sie die Stütze<br />
an sich; sowie Einer sich zurückzieht, so wird die Aufgabe<br />
der Zurückbleibenden immer bedenklicher. Es liegt in der<br />
Aufgabe des Einzelnen, sein Recht zu verwirklichen, und erfüllt<br />
er diese Aufgabe nicht, so gibt er nicht bloß sein eigenes<br />
Interesse auf, sondern das Interesse der Gemeinschaft.“<br />
Quelle: Wikipedia<br />
Weißmantel & Vogelsang<br />
Rechtsanwälte · Fachanwälte<br />
Ihre Ansprechpartner in allen rechtlichen Fragen<br />
Beim Eilverfahren handelt es sich um ein sogenanntes „summarisches<br />
Verfahren“, das bedeutet, dass das Gericht nur auf<br />
der Basis der zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Informationen<br />
und nicht in der gleichen Gründlichkeit entscheiden kann,<br />
wie es dies im sogenannten Hauptsacheverfahren, d. h. ohne<br />
zeitlichen Druck, tun kann. Aus diesem Grund haben Entscheidungen<br />
im Eilverfahren auch keine Bindungswirkung für<br />
anschließende Hauptsache- oder sonstige Folgeverfahren. Im<br />
Falle einer etwaigen Schadenersatzklage wird sich das Gericht<br />
somit eine eigene Überzeugung bilden müssen. So hat<br />
es im Übrigen auch das Arbeitsgericht Frankfurt am Main in<br />
dem oben bereits angesprochenen Schadenersatzprozess<br />
betreffend den Streik in Stuttgart 2009 gehalten und hat<br />
selbst eine Beurteilung angestellt, ob es den Unterstützungsarbeitskampf<br />
dort für rechtmäßig hält. Das Gericht hat sich<br />
dabei der Einschätzung der Gerichte im einstweiligen Verfügungsverfahren<br />
angeschlossen und diese Frage bejaht, aber<br />
es musste und hat sich hierzu eine eigene Meinung gebildet.<br />
Liesel Weißmantel<br />
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Hans-Gerd Dannen<br />
Fachanwalt für Arbeitsrecht<br />
Dr. Klaus Vosteen<br />
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Antje Harsdorff<br />
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Langenstraße 68<br />
28195 Bremen<br />
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Stephan Brozeit<br />
Fachanwalt für Arbeitsrecht<br />
David Schäfer<br />
Fachanwalt für Arbeitsrecht<br />
Birgitta Schneider<br />
Fachanwältin für Familienrecht<br />
Kanzlei Frankfurt<br />
Am Hauptbahnhof 8<br />
60329 Frankfurt/Main<br />
Tel. 069/24 00 66 66<br />
Fax 069/23 80 76 53<br />
Der Titel dieses Textes stammt von einem Vortrag des Rechtsgelehrten<br />
Rudolf von Jhering 11.03.1872, in dem er zum Thema<br />
„Kampf ums Recht“ unter anderem folgendes ausführte:<br />
E-Mail: wv@kanzlei-wv.de · Internet: www.kanzlei-wv.de<br />
15
der flugleiter 2012/02<br />
Recht<br />
Recht auf Streik<br />
von<br />
Hans Joachim<br />
Krüger<br />
Die Empörung war riesengroß, das Verständnis<br />
für die Streikenden am Flughafen Frankfurt<br />
sank auf ein Minimum. Verbale Wut<br />
wurde vielerorts kundgetan, die GdF ange -<br />
prangert. Wie kann eine „Splittergewerkschaft“<br />
für knapp 200 Leute den Flugbetrieb<br />
am größten deutschen Flughafen lahm legen?<br />
Viele dieser oder ähnlich geartete Fragen<br />
wurden teils öffentlich, teils intern diskutiert.<br />
„Wir brauchen neue Spielregeln für die Tarifpolitik“ erklärte<br />
BDL-Präsident Klaus-Peter Siegloch nicht nur einmal vor laufenden<br />
Kameras und stieß damit ins gleiche Horn wie der<br />
Arbeitgeberpräsident.<br />
Dabei hat die GdF nur ihr legitimes Recht wahrgenommen,<br />
nachdem der Verhandlungsweg mit und von FRAPORT sehr<br />
einseitig aufgekündigt war. Man muss es sich mal vorstellen:<br />
Innerhalb einer Tarifverhandlungsrunde wird keine Einigung<br />
erzielt und auf Wunsch der Arbeitgeber wird ein Schlichter<br />
vorgeschlagen. Die Gewerkschaft – hier GdF – geht auf diese<br />
Forderung ein und möchte auch den Schlichterspruch annehmen<br />
– doch der große Arbeitgeber sagt plötzlich NEIN<br />
und bekommt plötzlich Druck von Seiten einer anderen Gewerkschaft,<br />
die bis dahin das Alleinvertretungsrecht aller<br />
Mitarbeiter hatte. Hätte FRAPORT kleinlaut den frühen<br />
Schlichterspruch akzeptiert, wäre es niem<strong>als</strong> zum Äußersten<br />
– <strong>als</strong>o Streik – gekommen, und der ganze Tarifstreit wäre<br />
ziemlich schnell vergessen gewesen.<br />
Stimmungsmache und das verbale eindreschen auf kleinere<br />
Gewerkschaften, ist schon fast Standard geworden, sei es<br />
nun die Vereinigung Cockpit, die Ärzte oder die Lokführergewerkschaften<br />
– allesamt haben mit den gleichen Vorurteilen<br />
zu kämpfen, wenn für eine besondere Gruppe von Arbeitnehmern<br />
Arbeitskampfmaßnahmen <strong>als</strong> letzte Möglichkeit in die<br />
Tariflandschaft gestreut werden. Besonders auffällig ist dies<br />
gerade in jüngster Vergangenheit im Tarifstreit zwischen der<br />
Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und dem öffentlichen Arbeitgebern<br />
zu sehen. Großartige Nachfragen wer, wann und<br />
wo streikt gibt es nicht – man nimmt Streikaktionen der<br />
Großgewerkschaften fast in aller Stille zur Kenntnis. Kritische<br />
Wortmeldungen, z.B. von K-P. Siegloch, sind bisher in<br />
keinem Medium zu hören bzw. zu sehen gewesen.<br />
Arbeitgeber haben den verständlichen Wunsch nach Tarifeinheit.<br />
Aber genau diese Tarifeinheit und das Scheren über einen<br />
Kamm hat viele spezialisierte Arbeitsgruppen von den<br />
Großgewerkschaften abrücken lassen. Hier ist ohne Zweifel<br />
eine gehörige Portion Schuld auch bei diesen zu suchen. Sie<br />
haben es schlicht versäumt, auf die Bedürfnisse spezieller<br />
Arbeitnehmergruppen einzugehen. Viel zu behäbig und eingefahren<br />
sind diese alten Gewerkschaften, die sich eher mit<br />
verschiedenen (angestrebten) Aufsichtsratsjobs befassen<br />
<strong>als</strong> um die Belange ihrer Mitglieder kümmern. Daher wird<br />
der Trend weg von den Großgewerkschaften auch zukünftig<br />
zu beobachten sein.<br />
Man sollte nicht vergessen, dass auch die GdF – dam<strong>als</strong><br />
noch VDF – jahrelang mit der DAG und danach mit ver.di kooperiert<br />
hat, bis schließlich quasi das Tarifdiktat aus der Ver.<br />
di-Zentrale nicht mehr mit den Zielen des damaligen Berufsverbandes<br />
unter einen Hut passten. Die VDF-Mitglieder hatten<br />
plötzlich keine passenden Ansprechstationen mehr,<br />
Missklänge im „Zusammenleben Berufsverband und Großgewerkschaft<br />
wurden schließlich so laut, dass man beschloss,<br />
eine eigenständige Gewerkschaft zu gründen. Nach<br />
einer Vielzahl von rechtlichen und gerichtlichen Überprüfungen<br />
darf sich die Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) seit<br />
dem Jahr 2003 <strong>als</strong> Gewerkschaft bezeichnen und hat somit<br />
auch den Rechtsstatus gegebenenfalls zu Arbeitskampfmaßnahmen<br />
aufzurufen.<br />
Seit vor neun Jahren die ersten Mitglieder in die Gewerkschaft<br />
GdF eingetreten sind, wurden mittlerweile eine Unzahl<br />
von Tarifverträgen abgeschlossen, die nicht nur allein<br />
auf die Deutsche Flugsicherung GmbH zugeschnitten waren.<br />
Es ist für eine junge Gewerkschaft ein großes Stück Arbeit,<br />
Arbeitgeberseitig dafür zu sorgen, dass Tarifverhandlungen<br />
auch für einen Teil der Beschäftigten aufgenommen werden<br />
sollen. Für den Bereich der GdF und deren Verhandlungspartner<br />
waren diese Gespräche nicht immer von direktem<br />
Erfolg gekennzeichnet. Erst zum Teil nach längeren Diskussionen<br />
kamen Einigungen und danach auch eigenständige Tarifverträge<br />
zu Stande.<br />
In jüngster Vergangenheit haben größere Unternehmen die<br />
GdF auf Schadensersatz für durch Streikmaßnahmen ausgefallene<br />
Flüge verklagt. In einem ersten Urteil wurde das<br />
Streikrecht der Gewerkschaften und damit auch der GdF eindrucksvoll<br />
bestätigt. Schadensersatz für Streikmaßnahmen<br />
wurde den klagenden Gesellschaften nicht zugebilligt. Ob<br />
und inwieweit dieses Urteil auch in weiteren Instanzen bestehen<br />
bleibt, wird sich zeigen. Allerdings darf man hoffen,<br />
dass das Recht einer Gewerkschaft – und damit auch das<br />
Streikrecht – <strong>als</strong> ein sehr hohes Gut anzusehen ist und dies<br />
hoffentlich von allen Gerichten auch ähnlich gesehen wird.<br />
Ein Streik sollte immer nur <strong>als</strong> „Ultimo Ratio“ angesehen<br />
werden, wenn auf dem Verhandlungswege keine Einigung<br />
mehr erzielt werden kann oder Gespräche festgefahren sind.<br />
16
Recht<br />
der flugleiter 2012/02<br />
Überstunden sind<br />
keine Mehrarbeit!<br />
von<br />
Dr. Klaus<br />
Vosteen<br />
Eine rechtskräftige Entscheidung des Arbeitsgerichts<br />
Hamburg vom 21.12.2011 gibt Anlass,<br />
darauf hinzuweisen, dass Überstunden,<br />
die im Rahmen der tarifvertraglichen Vorschriften<br />
der DFS Deutsche Flugsicherung<br />
erbracht werden, etwas anderes sind <strong>als</strong><br />
„Mehrarbeitsstunden“, die insofern auch von<br />
der DFS anders gehandhabt werden dürfen.<br />
Dem Rechtsstreit lag die Tatsache zugrunde, dass ein Kollege<br />
auf dem Tower in Hamburg in der Zeit von Januar bis April<br />
2010 mehrfach Überstunden i. S. d. § 12 des Manteltarifvertrags<br />
geleistet hat. Teilweise konnten diese Überstunden in<br />
Freizeit ausgeglichen werden. Der restliche Teil diese Überstunden<br />
wurde zwar mit dem Überstundenzuschlag in Höhe<br />
von 25 % zusätzlich vergütet, sie wurden aber nicht wie in<br />
§ 12 Abs. 6 MTV vorgesehen im Monat nach ihrer Entstehung<br />
ausgezahlt, sondern kurzerhand auf dem Arbeitszeitkonto<br />
des Kollegen gutgeschrieben.<br />
Als es nun zum Jahresende 2010 zur Abgeltung der vorhandenen<br />
Mehrarbeitsstunden gem. §§ 39 SR FS-Dienste 2010<br />
mit dem anderthalbfachen Stundensatz kommen sollte, fiel<br />
der DFS ihr „Versehen“ auf. Sie berief sich auf die Ausschlussfrist<br />
des § 45 MTV und meinte, sie habe „vergessen“,<br />
die Überstunden zeitnah abzugelten und zahlte nun die entsprechenden<br />
Stunden mit dem einfachen Stundensatz aus.<br />
Hiergegen wandte sich der Kollege mit seiner Klage und<br />
machte geltend, die Überstunden hätten sich, nachdem sie<br />
nicht gem. § 12 Abs. 6 MTV im Monat nach ihrer Entstehung<br />
ausbezahlt worden seien, in Mehrarbeitsstunden umgewandelt,<br />
die nun mit dem anderthalbfachen Satz gem. § 39 Abs.<br />
2c SR FS-Dienste 2010 auszuzahlen wären.<br />
Mit seiner Entscheidung vom 21.12.2011 wies das Arbeitsgericht<br />
Hamburg die Klage des Kollegen ab. Das Gericht ist der<br />
Auffassung, dass die Abgeltung von Überstunden und Mehrarbeit<br />
in unterschiedlichen tarifvertraglichen Regelungen<br />
aufgenommen und daher auch unterschiedlich zu behandeln<br />
sei. Dabei spiele es nach Auffassung des Gerichts keine<br />
Rolle, ob die DFS die Überstunden auf einem bestehenden<br />
Mehrarbeitskonto (vorübergehend) gutgeschrieben habe.<br />
Auch durch die Erfassung auf einem Mehrarbeitskonto werden<br />
aus tariflichen Überstunden im Sinne des § 12 MTV keine<br />
Mehrarbeitsstunden im Sinne von §§ 14 MTV und 39 SR-<br />
FS-Dienste 2010.<br />
Da der Streitwert 600,00 d nicht erreicht hat und das Gericht<br />
die Berufung nicht gesondert zugelassen hat, ist diese Entscheidung<br />
des Arbeitsgerichts Hamburg rechtskräftig.<br />
Im Ergebnis sollten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der<br />
DFS darauf achten, dass die gem. § 12 MTV geleisteten Überstunden<br />
zeitnah in Freizeit ausgeglichen oder gem. § 12 Abs.<br />
6 MTV abgegolten werden. Mit einer zusätzlichen Vergütung<br />
im Rahmen der Bereinigung von Mehrarbeitskonten ist nach<br />
der Entscheidung des Arbeitsgerichts Hamburg nicht zu<br />
rechnen.<br />
Rechtsanwalt Dr. Klaus Vosteen<br />
RAe Weißmantel & Vogelsang, Bremen, Frankfurt<br />
Mathias Wiegand<br />
Fluglotse<br />
17
der flugleiter 2012/02<br />
Recht<br />
Perfekt passend zu unserem Artikel „Die FRAPORT-CONNECTION“ in dieser Ausgabe entnehmen<br />
wir dem LH-Politikbrief vom April den nachstehenden Text. Unschwer zu erkennen, dass<br />
der Kampf gegen die Kleingewerkschaften noch lange nicht vorbei ist. (die Red.)<br />
Arbeitskonflikte: Tarifautonomie<br />
durch neue Ergänzungsregeln sichern<br />
Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen ihre Tarifkonflikte effizient und mit möglichst wenig<br />
Schäden für unbeteiligte Dritte lösen. Der jüngste Streik am Frankfurter Flughafen entsprach<br />
diesem Gebot nicht. Klare Spielregeln sind unabdingbar, um die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie<br />
zu sichern – gerade für Unternehmen in der Daseinsvorsorge.<br />
Zunehmende Zersplitterung<br />
Immer mehr Mini-Spartengewerkschaften haben in den<br />
vergangenen Jahren eigene Tarifabschlüsse erstritten. Dies<br />
gilt insbesondere für Organisationen bzw. Berufsverbände,<br />
deren Mitglieder in den Betrieben Schlüsselstellungen einnehmen<br />
wie Piloten, Lokführer oder Fluglotsen. Beispiel<br />
Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF): Nur 200 streikende<br />
GdF-Mitglieder sorgten im Februar dafür, dass über 800<br />
Flüge mit zehntausenden betroffenen Passagieren am Frankfurter<br />
Flughafen abgesagt werden mussten. Getroffen wurde<br />
damit nicht nur der Airport-Betreiber Fraport <strong>als</strong> Tarifpartner<br />
der GdF, sondern unbeteiligte Kunden sowie Unternehmen,<br />
die im weltweiten Wettbewerb stehen – und im besonderen<br />
Maße unter Reise- und Frachtverzögerungen leiden.<br />
Entsolidarisierung droht<br />
Das Vorgehen findet Nachahmer: Unter den 121000 Lufthanseaten<br />
haben sich etwa 100 Mitarbeiter, sogenannte Dispatcher<br />
und Verkehrsleiter, ebenfalls bei der GdF organisiert<br />
und drohen inzwischen mit Arbeitskampfmaßnahmen. Dabei<br />
ist für diese Mitarbeitergruppe über ver.di ein gültiger Tarifvertrag<br />
in Kraft. Ein bedrohliches Szenario: Übergreifende<br />
Friedenszeiten bleiben zunehmend auf der Strecke, im nicht<br />
unwahrscheinlichen Fall rufen verschiedene Gewerkschaften<br />
nacheinander zum Streik auf. Bedenklich ist zudem, dass<br />
für diese Vereinigungen nicht das Wohl der gesamten Belegschaft,<br />
sondern das der eigenen Gruppe immer im Vordergrund<br />
steht. Damit droht die Entsolidarisierung der Arbeitnehmer<br />
untereinander.<br />
Neuer Ordnungsrahmen unabdingbar<br />
Über Jahrzehnte galt in Deutschland: ein Betrieb – ein Tarifvertrag.<br />
Seitdem das Bundesarbeitsgericht (BAG) diesen<br />
Grundsatz aufgehoben hat, besteht Handlungsbedarf. Durch<br />
eine gesetzliche Regelung zur Tarifeinheit könnte die Sicherung<br />
der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie auch in Zukunft<br />
branchenübergreifend erreicht werden. Darüber hinaus<br />
sind insbesondere für den Bereich der infrastrukturellen<br />
Daseinsvorsorge wie dem Schienen- und Luftverkehr Sonderregelungen<br />
beim Arbeitskampf nunmehr dringend notwendig.<br />
Grund ist, dass die Unternehmen oftm<strong>als</strong> von Monopolstrukturen<br />
abhängig sind und Streiks sehr kleiner<br />
Gruppen – wie in FRA geschehen – über einen Dominoeffekt<br />
eine extrem hohe Zahl unbeteiligter Dritter schädigt.<br />
Mögliche Ansätze wären zum Beispiel:<br />
• Quorum bei Tarifpluralität: Tarifverträge kleinerer Gewerkschaften<br />
dürfen nur dann gelten, wenn sie einen wesentlichen<br />
Teil der Gesamtbelegschaft eines Unternehmens erfassen.<br />
• Außergerichtliche Einigungsformen: Obligatorische<br />
Schlich tungsverfahren, verbunden mit sogenannten Abkühlungsphasen,<br />
schaffen neue Handlungsoptionen.<br />
• Vorankündigung: Um unbeteiligte Dritte zu schützen,<br />
muss eine Pflicht zur rechtzeitigen Ankündigung von<br />
Streikvorhaben eingeführt werden.<br />
• Notdienstvereinbarungen: Die Grundversorgung der Bevölkerung<br />
ist jederzeit sicherzustellen. Verpflichtende Abschlüsse<br />
von Notdienstvereinbarungen sind unabdingbar.<br />
Verhältnismäßigkeit wahren<br />
Bei Streiks im Bereich der infrastrukturellen Daseinsvorsorge<br />
wie dem Luftverkehr sind regelmäßig nicht nur das bestreikte<br />
Unternehmen (haupt-)betroffen, sondern vor allem<br />
auch völlig Unbeteiligte und letztlich die Allgemeinheit. Umso<br />
wichtiger ist es hier, unverhältnismäßig hohe volkswirtschaftliche<br />
Schäden und schwere Beeinträchtigungen der<br />
Allgemeinheit abzuwenden. Vor allem dann, wenn Minderheiten<br />
– organisiert in Spartengewerkschaften – gegen das<br />
eindeutig bekundete Interesse der Belegschaftsmehrheit in<br />
einem Unternehmen handeln. Klar ist: Je kleiner die Spartengewerkschaft,<br />
desto höher müssen die Streikhürden sein.<br />
Klares Bekenntnis zur Tarifautonomie<br />
Zielsetzung ist nicht, das Streikrecht in wesentlichen Teilen<br />
und die in einigen Unternehmen wie der Lufthansa seit vielen<br />
Jahren existierende Gewerkschaftspluralität zu beschränken.<br />
Ziel ist es, Tarifkonflikte mit weniger Drittschäden zu<br />
lösen und damit die Tarifautonomie zu stärken. Übrigens<br />
gelingt es Ländern wie Frankreich, Italien, Spanien, Kanada<br />
oder den USA, durch besondere Streikregelungen in der Daseinsvorsorge<br />
einen angemessenen Ausgleich zwischen den<br />
Interessen der Allgemeinheit und dem Streikrecht zu finden.<br />
Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund, warum das nicht<br />
auch am Wirtschaftsstandort Deutschland gelingen sollte.<br />
18
GDF Intern<br />
der flugleiter 2012/02<br />
Fachbereichsvorstand<br />
FDB/LDM: Oliver Wessollek<br />
Oliver<br />
Wessollek<br />
Liebe Kolleginnen und Kollegen,<br />
heute möchte ich mich <strong>als</strong> neuer Vorstand<br />
FDB/LDM im Fachbereich Flugsicherungsbetriebsdienste<br />
(FSBD) der GdF vorstellen. Auf<br />
der letzten Fachbereichskonferenz in Maastricht<br />
wurde ich von den anwesenden Delegierten<br />
<strong>als</strong> Nachfolger von Michael Sobanek gewählt.<br />
Für mich ist dies eine große Ehre und<br />
Herausforderung, steige ich doch in ziemlich<br />
große Fußstapfen, denn Michael hat so einiges vorgelegt! Für<br />
seine langjährige Arbeit möchte ich mich an dieser Stelle, auch<br />
im Namen aller anderen Mitglieder, ganz herzlich bedanken!<br />
Ich selbst begann meine Flugsicherungskarriere bei der Luftwaffe<br />
in Büchel. Von dort kam ich zum Flugsicherungssektor<br />
F nach Frankfurt und von dort zur militärischen Flugsicherung<br />
nach Ramstein. Nach Umsetzung der zivil/militärischen<br />
Integration im Jahre 1994 wechselte ich wieder nach Frankfurt<br />
ins ACC am Frankfurter Flughafen. Als FDB erwarb ich<br />
dort meine Berechtigungen und zog 1999 mit nach Langen<br />
um. Seit nunmehr fast 10 Jahren beschäftige ich mich hauptsächlich<br />
mit dem Bereich ATFCM.<br />
Im nächsten Jahr feiern wir nun 10 Jahre GdF. In diesen 10 Jahren<br />
hat sich so einiges verändert. Die GdF ist zu einer starken<br />
Gewerkschaft geworden. Politisch ist das dem einen oder anderen<br />
wohl eher ein Dorn im Auge. Aber die GdF ist nicht nur<br />
eine Gewerkschaft, sondern eben auch ein Fachverband. In<br />
meinem Bereich gab und gibt es immer wieder starke Veränderungen,<br />
die auf die Arbeitsweise der FDB Kollegen direk-<br />
ten Einfluss haben. Meiner Meinung nach sind diese Veränderungen<br />
aber noch lange nicht zu Ende. Im Gegenteil: mit<br />
PSS, VAFORIT und iCAS verändert sich die Flugsicherungswelt<br />
ein weiteres Mal. Diese Veränderungen haben nicht nur<br />
Einfluss auf die Arbeit der Lotsen, sondern auch auf das zukünftige<br />
Berufsbild der Flugdatenbearbeiter. Im Bereich der<br />
Flugberater werden Kooperationen geschmiedet und technische<br />
Veränderungen bleiben nicht aus.<br />
Aber wofür stehe ich <strong>als</strong> neuer Vorstand??<br />
Ich möchte mit Eurer Unterstützung die anstehenden Veränderungen<br />
aktiv mitgestalten. Unser Wissen ist gefragt und<br />
beschränkt sich nicht nur auf die Korrektur von Flugplänen!<br />
Die Umsetzung des GdF Ausbildungskonzeptes und des FDB<br />
Konzeptes sind mein Ziel. Ein Konzept zum zukünftigen Berufsbild<br />
Flugberater ist ebenfalls in Arbeit. Ein Belastungsausgleichsmodell<br />
für Flugdatenbearbeiter, FMP’s, FIS Spezialisten<br />
und Flugberater wurde von der GdF bereits in Angriff<br />
genommen. Es liegt <strong>als</strong>o einiges an und ich hoffe, alle diese<br />
Aufgaben mit Eurer Unterstützung zu Eurer Zufriedenheit regeln<br />
zu können.<br />
Aber ich habe auch eine bitte an Euch: Schreibt mir an die GdF<br />
E-Mail Adresse Oliver.Wessollek@gdf.de und sagt mir, wo es<br />
klemmt und wo wir etwas tun müssen! Gerne komme ich auch<br />
zu Euren ÖMVen und werde Euch Rede und Antwort stehen.<br />
Bis dahin verbleibe ich mit kollegialem Gruß<br />
Oliver Wessollek<br />
Lebenslauf: Jonathan Bötig<br />
Als neu gewählter Vorstand Internationales möchte ich mich<br />
kurz vorstellen. Vor 32 Jahren wurde ich in Bremen geboren.<br />
Dem Abitur 1999 folgten der Zivildienst und die Bewerbung<br />
bei der DFS. Als Azubi im FVK 131 begann 2001 die Ausbildung<br />
in Langen. Nach bestandener PAP anderthalb Jahre<br />
später verschlug es mich zunächst ins Center in Berlin Tempelhof,<br />
wo ich 2003 in der damaligen EBG Süd die Ausbildung<br />
abschloss.<br />
Doch schon nach vier Jahren im schönen Berlin wurde meine<br />
EBG 2006 ins mindestens genauso attraktive München verlagert.<br />
Dort heisst sie jetzt EBG-Ost und wurde noch um<br />
Nürnberg Approach erweitert.<br />
Seit 2001 bin ich Mitglied im VdF bzw. GdF. Während des letzten<br />
Jahres gelang es Jens Lehmann, mich für die Mitarbeit im<br />
GdF <strong>als</strong> möglichen Nachfolger für seine Tätigkeit zu begeistern.<br />
So hatte ich unter anderem die Gelegenheit, am ATCEUC<br />
Spring Meeting in Lissabon teilzunehmen und bekam dort<br />
einen ersten, spannenden Einblick in die internationalen<br />
Zusammenhänge.<br />
Eine Woche nach meiner Wahl in das FSBD Vorstandsamt<br />
für Internationales im März ging es auch schon auf die 51.<br />
IFATCA Annual Conference 2012 in Kathmandu, Nepal. Diesmal<br />
noch in Begleitung von Jens, der mich dort gut und umfassend<br />
auf die zukünftigen Aufgaben vorzubereiten wusste.<br />
Nun freue ich mich, das bislang Erreichte weiterzuführen<br />
und bisherige Kontakte weiter zu pflegen und auszubauen.<br />
Jonathan Bötig<br />
19
der flugleiter 2012/02<br />
Presse & PR<br />
Neues von Presse und Kommunikation<br />
Die dann folgende Tarifauseinandersetzung mit der Fraport AG<br />
möchte ich hier an dieser Stelle nicht noch einmal komplett<br />
auflisten, jedoch gebe ich gerne zu, dass ich das mediale Intevon<br />
Matthias<br />
Maas<br />
Berichtszeitraum Februar – März 2012<br />
Der Februar begann mit der für viele überraschenden<br />
Mitteilung des Aufsichtsrates, keinen<br />
Vertrag der aktuell 3 Geschäftsführer der<br />
DFS über das Jahr 2012 hinaus zu verlängern.<br />
Natürlich kamen daraufhin Anfragen verschiedener<br />
Medien, wie denn die Meinung<br />
der Gewerkschaft zu diesem Vorgang sei. Da<br />
dies aber ein firmeninterner Vorgang war, habe ich hierzu<br />
keine Statements abgegeben, sondern wie der ganze Bundesvorstand<br />
das Vorgehen des Aufsichtsrates äußerst interessiert<br />
zur Kenntnis genommen. Seither warten wir genauso<br />
gespannt, wie alle anderen in der Firma, auf die nun anstehenden<br />
Personalentscheidungen.<br />
Für uns <strong>als</strong> Gewerkschaft ist es logischerweise am interessantesten,<br />
wer im Bereich Arbeitsdirektor die Nachfolge des<br />
Herrn Bergmann antritt, da dies natürlich unser überwiegender<br />
Ansprechpartner bezüglich der Zusammenarbeit mit der<br />
DFS sein wird. Dabei bleibt vor allem abzuwarten, wie er sich<br />
und sein direktes Umfeld, welches fast täglich mit der Gewerkschaft<br />
konfrontiert sein wird, auf – und einstellt. Ein<br />
neues „Miteinander“ wie zwei vernünftig agierende Sozialpartner<br />
würde sicherlich beiden Seiten in der Abarbeitung<br />
der anstehenden Aufgaben helfen.<br />
Dass die Gerüchteküche bezüglich der Nachbesetzung der<br />
Geschäftsführer hochkocht ist verständlich. Verschiedene<br />
Berichte in hochglänzenden Nachrichtenmagazinen jedoch<br />
über etwaige Nachfolger, die Gewerkschaft und ihre Funktionäre<br />
oder generell über die „Macht“ der Fluglotsen kann<br />
man getrost in das Reich der Fantasie und <strong>als</strong> zum Teil<br />
äußerst schlecht bis gar nicht ernsthaft recherchiert zurückweisen.<br />
Ein weiteres noch offenes Thema waren die Verhandlungen<br />
der GdF mit der Fraport AG bezüglich der Tarifierung der dortigen<br />
Verkehrszentrale, der Vorfeldkontrolle und der Vorfeldaufsicht.<br />
Es lag inzwischen eine Schlichtungsvereinbarung des Herrn<br />
Ole von Beust, ehem<strong>als</strong> Regierender Bürgermeister von<br />
Hamburg, vor. Dieser Schlichter war eigens von der Fraport<br />
AG bestellt worden und hatte ein, aus unserer Sicht, vernünftiges<br />
Ergebnis erarbeitet.<br />
Mitte Februar traf sich der Bundesvorstand zu einer zweitägigen<br />
Sitzung in Berlin. Zeitgleich zu dieser Sitzung lief auch<br />
die von uns inzwischen einseitig verlängerte Friedenspflicht<br />
bezüglich der Schlichterempfehlung mit der Fraport AG aus,<br />
allerdings ohne jede Reaktion der dortig Verantwortlichen,<br />
so dass der Bundesvorstand zum Handeln gezwungen war.<br />
So kam es, dass in Berlin eine kurzfristig einberufene Pressekonferenz<br />
stattfand, in der wir ankündeten, am Flughafen<br />
Frankfurt Arbeitskampfmaßnahmen durchzuführen, sollte<br />
sich Fraport bezüglich der Schlichtung nicht doch noch einsichtig<br />
zeigen.<br />
20
Presse & PR<br />
der flugleiter 2012/02<br />
resse an diesem Konflikt anfangs total unterschätzt habe. Die<br />
folgenden Wochen waren geprägt von ständigen Telefonaten,<br />
Interviews für Funk und Fernsehen, mehrfachen Fahrten zwischen<br />
Düsseldorf und Frankfurt, Besuchen im Streiklokal, und<br />
letztendlich mehreren Terminen vor Gericht. Das Ganze in einer<br />
Intensität, die das Niveau der letztjährigen Auseinandersetzung<br />
mit der DFS locker erreichte, wenn nicht gar überbot.<br />
Anrufe von Nachrichtenagenturen nachts zwischen Mitternacht<br />
und 3 Uhr, Fernsehinterviews bei mir zu Hause unter<br />
dem Carport, sowie das Fahren am (für einen Düsseldorfer)<br />
heiligen Rosenmontag nach Frankfurt für mehrtägige Medienarbeit<br />
am Flughafen, der Geschäftsstelle und im Streiklokal<br />
der arbeitskämpfenden Kollegen in Kelsterbach gehörten<br />
zu den „Highlights“ dieses Konfliktes.<br />
An die nun schon üblichen Beschimpfungen, Beleidigungen<br />
und Bedrohungen während eines Arbeitskampfes habe ich<br />
mich gewöhnt. Wirklich erschreckend ist dabei nur, auf welches<br />
Niveau sich Menschen herablassen, wenn sie persönliche<br />
Nachteile empfinden, anstatt die tatsächlichen Probleme<br />
mal ernsthaft zu hinterfragen und nicht nur dem billigen<br />
Boulevardjournalismus hinterher zu hecheln. Für mich persönlich<br />
kann ich sagen: „Aus diesen ganzen Vorgängen habe<br />
ich viel gelernt und mit Sicherheit würde ich heute einige<br />
Dinge anders angehen.“<br />
Weitere Termine vor dem Arbeitsgericht Frankfurt fanden<br />
bezüglich Schadensersatzklagen verschiedener Fluglinien<br />
statt. Im Fall des Unterstützungsstreiks im Jahre 2009 in<br />
Stuttgart wurde am 27.03.12 die Klage von Lufthansa,<br />
Air Berlin, TUIFly und Germanwings auf Zahlung von ca.<br />
32.500,- f zurückgewiesen, die Kosten des Verfahrens den<br />
4 Klägerinnen auferlegt, jedoch auch Berufung zugelassen.<br />
Bis zum heutigen Tage habe ich allerdings noch nichts davon<br />
gehört, ob die klagenden Parteien diesen Weg gehen wollen.<br />
Die Vorsitzende Richterin in diesem Verfahren hat jedoch eine<br />
für die erste Instanz sehr umfangreiche Urteilsbegründung<br />
erarbeitet. Aus der anlässlich dieses Urteils veröffentlichten<br />
Pressemeldung des AG Frankfurt, verfasst von dem<br />
Präsidenten des Arbeitsgerichtes höchstpersönlich, möchte<br />
ich gerne folgenden Abschnitt zitieren:<br />
„…Weiterhin habe die beklagte Gewerkschaft der Flugsicherung<br />
jedenfalls nicht schuldhaft gehandelt. Selbst wenn der<br />
Unterstützungsstreik der Fluglotsen und der Hauptstreik der<br />
Mitarbeiter der Verkehrszentrale/Vorfeldkontrolle rechtswidrig<br />
gewesen wären, hätte auf Grund des unter Berücksichtigung<br />
der verfassungsrechtlichen Aufgaben der Gewerkschaften<br />
anzulegenden Prüfungsmaßstabs die beklagte<br />
Gewerkschaft der Flugsicherung wegen der im Streitfall gegebenen<br />
besonderen Umstände von der Rechtmäßigkeit der<br />
Arbeitskampfmaßnahmen ausgehen dürfen. Es sei, so die<br />
Vorsitzende in ihrer Begründung, zu vermeiden, dass durch<br />
das Aufbürden von Haftungsrisiken für streitige, ungeklärte<br />
Fälle auf Gewerkschaften in solchen Fällen eine Lähmung der<br />
Entwicklung des sozialen Lebens eintreten könne…“<br />
In einem zweiten Verfahren, in dem Lufthansa, Air Berlin und<br />
Ryan Air ca. 3,2 Mio. f Schadensersatz für zwei angekündigte,<br />
aber nicht durchgeführte Streiks im August 2011 einfordern<br />
möchten, fand ein Gütetermin ohne Einigung statt. Die<br />
Verhandlung in erster Instanz wurde auf den 16. August<br />
2012, 12.00 Uhr, terminiert.<br />
All diese Termine fanden unter großer Beobachtung der Medien<br />
statt und erforderten in der Nachbereitung auch noch<br />
einen hohen Zeitaufwand. (Fast schon erschreckend, wenn<br />
der Gerichtsdiener einen inzwischen persönlich kennt und<br />
man von ihm schon per Handschlag begrüßt wird.)<br />
Zwischen diesen ganzen Veranstaltungen vor Gericht fand<br />
vom 02.03 – 04.03.12 ebenfalls noch die Fachbereichskonferenz<br />
des FSBD in Maastricht statt. Über diese Veranstaltung<br />
berichten wir in diesem Heft an anderer Stelle. Zu erwähnen<br />
ist jedoch, dass innerhalb dieser Konferenz eine kurzfristig<br />
anberaumte Bundesdelegiertenkonferenz stattfand. Es galt<br />
ein Nachtragsbudget im Bereich der Bundesschatzmeisterin<br />
zu diskutieren und zu verabschieden. Gleichzeitig wurde die<br />
Gelegenheit genutzt, um die Delegierten ausführlich über<br />
die Geschehnisse rund um Fraport zu informieren und mit<br />
ihnen darüber zu diskutieren.<br />
Direkt nach Maastricht kam es auf Vorstandsebene zu Sondierungsgesprächen<br />
mit der Fraport AG. Diese fanden im<br />
diskreten Rahmen statt und ihr Ende letztlich in einer Einigung<br />
bezüglich aller 3 von uns vertretenen Arbeitsbereiche<br />
bei der Fraport AG. Diese Einigung sorgte ebenfalls kurzfristig<br />
nochmal zu verstärktem Interesse der Medien. Da aber<br />
Details zum Abschluss, auch nach Absprache mit der Fraport<br />
AG, erst nach der endgültigen Unterschrift unter die Tarifverträge<br />
bekannt gegeben werden, gleichzeitig aber ver.di einen<br />
Arbeitskampf quer über Deutschland aufbaute (auch mit<br />
Flugausfällen in einem nicht unerheblichen Maße), verschwanden<br />
wir ziemlich schnell aus dem Umfeld der Medien<br />
und es ist jetzt erst einmal Ruhe eingekehrt.<br />
Über alle weiteren Vorgänge bezüglich Presse und Kommunikation<br />
werde ich Euch im nächsten Flugleiter berichten und<br />
über alle kurzfristig wichtige Themen weiterhin mit den Mitgliederinformationen<br />
per E-Mail auf dem Laufenden halten.<br />
Bis dahin viele Grüße<br />
Matthias „Matze“ Maas<br />
Presse und Kommunikation<br />
21
der flugleiter 2012/02<br />
Presse & PR<br />
Experten<br />
Aufregende Wochen liegen hinter der GdF und weitere aufregende Wochen werden sicherlich<br />
folgen. Zwar sind die Tarifverhandlungen zwischen der GdF und FRAPORT zwischenzeitlich<br />
beendet worden, und der vermeintliche Tariffrieden ist wieder hergestellt, aber dennoch muss<br />
man darauf gefasst sein, dass spätestens, wenn der ein oder andere Richterspruch verkündet<br />
wird, sich selbsternannte Experten wieder zu Worte melden.<br />
von<br />
Hans Joachim<br />
Krüger<br />
Diese vermeintlichen Experten parlieren<br />
lauth<strong>als</strong> und vielerorts via Presse, Funk und<br />
Fernsehen und versuchen mit ihren teilweise<br />
sehr eingeschränkten Plattitüden in die allgemeine<br />
Stimmungsmache einzuschlagen.<br />
Ganz oben auf der Liste findet sich Klaus<br />
Peter Siegloch. Seine Auftritte im ZDF-Morgenmagazin<br />
waren für ihn auf den Leib<br />
geschneidert. Inhaltlich jedoch hat er kaum<br />
etwas zu bieten, außer für die Rechte der Luftverkehrswirtschaft<br />
einzutreten. Betonte Siegloch noch Anfang des Jahres<br />
zur neuen Homepage des BDL (Bundesverband der Deutschen<br />
Luftverkehrswirtschaft): „Es gebe Antworten zu den<br />
zentralen Themen der Luftverkehrswirtschaft – ob es um den<br />
Klimaschutz, das Thema Sicherheit oder der wichtigen Rolle<br />
der Luftfahrt für die deutsche Wirtschaft geht. Sie finden<br />
aber auch viele Stories und interessante Details aus der Welt<br />
der Luftfahrt. Außerdem gibt es aktuelle Nachrichten zum<br />
Luftverkehr, und Zahlen und Fakten, die viele überraschen<br />
werden.“ Soweit Siegloch über die Tätigkeiten seines Verbandes.<br />
Überrascht war man im Anschluss an seine Fernsehauftritte<br />
tatsächlich über inhaltlich nichtssagende Polemik. Sachliche<br />
Informationen zum Streik wurden von Siegloch nicht wiedergegeben.<br />
Festzuhalten ist jedoch, dass Siegloch <strong>als</strong> ZDF-Journalist an<br />
vielen Orten der Welt tätig und mehrheitlich auch mit dem<br />
Flugzeug unterwegs war. Genau dies aber stellte seine einzige<br />
Verbindung zur Luftfahrt dar, bis er vor ziemlich genau<br />
einem Jahr zum BDL-Präsidenten gekürt wurde und die<br />
Nachfolge von Dieter Kaden antrat.<br />
Dass manch eine Boulevard Zeitung öffentlich Stimmung<br />
macht und ganz schnell die Meinung „des Volkes“ beeinflusst<br />
ist bekannt und bedarf auch keines Kommentares.<br />
Dass sich Journalisten es manchmal auch relativ leicht machen<br />
und die öffentliche Meinung <strong>als</strong> persönliche und eigene<br />
übernehmen, haben in jüngster Vergangenheit auch die Spiegel-Redakteure<br />
Sven Böll und Andreas Wassermann gezeigt.<br />
In ihrem schlecht recherchierten Artikel „Völlig losgelöst“<br />
übernahmen sie die Neiddebatte, die zuvor von verschiedenen<br />
anderen Boulevard Zeitungen losgetreten wurde. Unter<br />
ein Bild eines Towers setzten sie den Untertitel „Schlimmste<br />
Form des Sozialismus“ – unter ihren Artikel in der Spiegelausgabe<br />
vom 18.02.2012 darf man hingegen getrost den Untertitel<br />
„Schlimmste Form des Journalismus“ setzten.<br />
In einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa)<br />
ermahnt der inzwischen 85-jährige Verleger verschiedener<br />
Zeitungen im Bundesgebiet, Alfred Neven Dumont, zukünftig<br />
die Qualität der Zeitungsbranche zu erhöhen. „Bei aller<br />
nötigen Konzentration auf die Wirtschaftlichkeit dürfe der<br />
publizistische Auftrag nicht zu kurz kommen. Investiert in<br />
die Qualität eurer Blätter! Denn Qualität ist das einzige, was<br />
letzten Endes zählt. Journalisten sollten immer bedenken,<br />
dass sie nicht für ihr Prestige oder für ihre Kollegen schreiben.<br />
Eigentlich dienen sie im demokratischen Sinne den<br />
Bürgern. Um sie möglichst gut zu informieren, ihnen eine<br />
möglichst große Meinungsvielfalt zu liefern“, soweit Alfred<br />
Neven Dumont.<br />
Diesen Aussagen eines inzwischen 85-jährigen gilt es eigentlich<br />
nichts mehr hinzuzusetzen, obwohl auch Alfred Neven<br />
Dumont Verleger von mindestens einer sogenannten Boulevard<br />
Zeitung (Express) ist.<br />
22
GDF Intern<br />
der flugleiter 2012/02<br />
Fachbereichskonferenz<br />
Betrieb 2012 in Maastricht<br />
· Umfangreiches Programm<br />
· Neuwahlen des Bereichsvorstandes<br />
Die diesjährige Fachbereichskonferenz des Betriebsdienstes<br />
fand nicht nur zum ersten Mal im niederländischen Maastricht<br />
statt, sie wurde auch von vielen Mitgliedern und Delegierten<br />
mit größter Beachtung erwartet. Auf Grund der<br />
jüngsten tariflichen Auseinandersetzungen mit der Deutschen<br />
Flugsicherung einerseits und der Fraport AG andererseits<br />
erwartete man Hintergründe und Verhandlungsstände<br />
quasi aus erster Hand.<br />
Doch zunächst stand das alljährliche Prozedere auf der Tagesordnung<br />
wie Mandatsprüfung und Zuweisung der einzelnen<br />
Stimmkarten. Mit einer kurzen Verzögerung eröffnete<br />
die Vorsitzende des Fachbereiches Betrieb, Petra Reinecke,<br />
die Jahrestagung. Nach den organisatorischen Hinweisen<br />
zur Durchführung der Veranstaltung wurde daran erinnert,<br />
dass zum Thema „Tarifverhandlungen“ eine außerordentliche<br />
Bundesdelegiertenkonferenz einberufen wurde und entsprechende<br />
Auskünfte zu den aktuellen Tarifverhandlungen<br />
in dieser außerordentlichen Sitzung entsprechend der Einladung<br />
abgegeben würden.<br />
Die Tagesordnung des Fachbereiches Betrieb sieht <strong>als</strong> ersten<br />
Höhepunkt stets die Neuwahlen des Bereichsvorstandes<br />
vor. Bereits vor der terminlichen Festlegung dieser Jahresveranstaltung<br />
hatten die beiden bisherigen Vorstandsmitglieder<br />
Michael Sobanek und Jens Lehmann erklärt, nicht<br />
mehr für ein Vorstandsamt zur Verfügung zu stehen. Unter<br />
großem Beifall des Plenums wurden die beiden langjährigen<br />
Vorstandsmitglieder des Fachbereiches von den anwesenden<br />
Delegierten verabschiedet.<br />
Nach dieser eindrucksvollen Verabschiedung wurden dann<br />
die bisherigen Vorstandsmitglieder – Petra Reinecke <strong>als</strong> Vorsitzende<br />
und Jörg Biermann <strong>als</strong> Schatzmeister – einstimmig<br />
in ihren Ämtern bestätigt. Den Part des Vorstandsmitgliedes<br />
„Internationales“ wird zukünftig von Jonathan Bötig und die<br />
Verantwortung über den Bereich FDB/LDM von Oliver Wessolek<br />
wahrgenommen (siehe Vorstellung S. 19). Auch diese<br />
Vorstandsmitglieder wurden ohne Gegenstimmen in ihre<br />
neuen Aufgaben gehoben.<br />
Arbeitsgruppen<br />
Die Arbeitsgruppen wurden nach überstandener Plenumarbeit<br />
in verschiedenen Räumen des Konferenzhotels einberufen,<br />
um ein sehr anspruchsvolles Arbeitsprogramm zu bearbeiten.<br />
Arbeitsgruppe A<br />
Matthias Maas berichtete in dieser Arbeitsgruppe über das<br />
immense Arbeitsaufkommen in den letzten Tagen und<br />
Wochen. Um die Aktualität der vielen Informationen zukünftig<br />
besser verteilen zu können, soll der Mailverteiler überarbeitet<br />
und das Online-Verfahren verbessert werden. In diesem<br />
Sinne soll auch der eigentliche Internet-Auftritt der GdF<br />
verbessert und die Homepage interessanter gestaltet werden,<br />
insbesondere das Auffinden der internen Infos und externen<br />
Pressemitteilungen soll übersichtlicher werden.<br />
Schwarz-Weiß war gestern – zukünftig erscheint die gewerkschaftseigene<br />
Zeitschrift „der flugleiter“ im farbigen Outlook.<br />
Seitens einiger Mitglieder wird angeregt, eine eigene<br />
Facebook-Präsenz zu erstellen. Dieser Vorschlag wird an den<br />
Vorstand herangetragen, jedoch ist für eine solche Präsentation<br />
eine Administration notwendig, die hiermit gesucht werden<br />
soll. Bewerbungen sind an den Bundesvorstand bzw. an<br />
die Geschäftsstelle zu richten.<br />
Arbeitsgruppe B<br />
Das thematisch weiteste Gebiet galt es in dieser Arbeitsgruppe<br />
zu bewerkstelligen. Hier wurden Erfahrungen und<br />
Meinungen zu vielen Bereichen der aktuellen Betriebsdurchführung<br />
ausgetauscht. Die Zusammenarbeit und die<br />
23
der flugleiter 2012/02<br />
GDF Intern<br />
Erwartungen an den technischen Bereich der Flugsicherung<br />
wurden ebenso diskutiert wie die Ergebnisse der Flaps –<br />
Nutzerkonferenz oder die gewonnenen Erkenntnisse des Virtual<br />
Tower der DLR in Braunschweig. Gerade der virtuelle<br />
Tower hat in der Vergangenheit für allerlei Zündstoff gesorgt<br />
und ist durch die Erfahrungen, die einige Kollegen im virtuellen<br />
Studio gemacht haben, auch nicht entkräftet worden. So<br />
hat es sich z.B. gezeigt, dass u.a. die räumliche Orientierung<br />
im virtuellen Raum beim Wechsel zwischen verschiedenen<br />
Flughäfen <strong>als</strong> sehr schwierig zu beurteilen ist. So wurde gefordert,<br />
die Idee, dass mehrere Flughäfen gleichzeitig bearbeitet<br />
werden können, umgehend fallen zu lassen.<br />
Eine interessante Diskussion entwickelte sich auch über<br />
die Einhaltung von Sprechgruppen und die Auslegung von<br />
Piloten bei An- und Abflugrouten. Durch international unterschiedliche<br />
Verfahren werden immer wieder Reaktionen<br />
von Piloten beobachtet, die Anweisungen unterschiedlich<br />
auslegen.<br />
Ein weiterer Themenpunkt war die sogenannte „Normal<br />
Operating Zone“, die das parallele Anfliegen vereinfachen<br />
soll und bisher in der Arbeitsanweisung für den Betriebsdienst<br />
(BA-FVD) keine Berücksichtigung findet.<br />
Arbeitsgruppe C<br />
Die großen Themen dieser Arbeitsgruppe wie Konzept Flugberater,<br />
Lizensierung Apron oder die zukünftige Zusammensetzung<br />
der Tarifkommission wurden durch Fachbeiträge<br />
z.B. von Oliver Wessolek oder Heiko Langhinrichs untermauert.<br />
Ein Konzept für die zukünftige Ausgestaltung der Flugberater<br />
wird demnach für 2013 erwartet.<br />
Der bereits in mehreren Fachbereichssitzungen diskutierte<br />
Wunsch der GdF, Apron-Tätigkeiten zu lizensieren, wird weiterhin<br />
verfolgt. Gespräche u.a. mit dem Referat LR24 des<br />
Verkehrsministerium stehen immer noch aus und sollen –<br />
sobald der Tarifstreit mit FRAPORT beigelegt ist – erneut terminiert<br />
werden.<br />
Den größten Diskussionsbedarf gab es bei dem Verteilerschlüssel<br />
zur Besetzung der neu zu wählenden Tarifkommission.<br />
Die Delegierten verabschiedeten den vorgelegten Aufteilungsplan.<br />
Die Einzelheiten hierüber sind über die<br />
einzelnen Untergruppenvorsitzenden, die einzelnen Delegierten<br />
oder über die Geschäftsstelle zu erfragen.<br />
Für das gesamte Plenum waren 2 Fachbeiträge interessant,<br />
die zum einen von der Gothaer Versicherung und zum anderen<br />
von Frau Dr. Rosemarie Mendel vom Centrum für Disease<br />
Management der TU München zum Thema „Psychische Erkrankungen<br />
am Arbeitsplatz“ vorgetragen wurde.<br />
Frau Dr. Mendel erklärte, dass über ein Viertel der Bevölkerung<br />
im Laufe eines Jahres an einer psychischen Erkrankung<br />
leidet. Dazu zählen z.B. Depressionen, Burnout, Angsterscheinungen,<br />
Psychosen, Essstörungen oder Suchterkrankungen.<br />
In Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen<br />
sind psychische Erkrankungen die Ursache für die häufigsten<br />
Fehltage von Mitarbeitern, so berichtete Frau Dr. Mendel.<br />
Sie stellte dabei weiter fest, dass die meisten Unternehmen<br />
dafür nicht vorbereitet sind und Führungskräfte teilweise<br />
nicht wissen, wie sie ihren Mitarbeitern begegnen sollen.<br />
Die Angebote und Information der Gothaer Versicherung<br />
zum Thema Basisversorgung und Rürup-Rente sind auf der<br />
Homepage http://vorsorge-portal.gothaer.de nachzulesen.<br />
(die notwendigen Login-Daten können im Mitgliederbereich<br />
der GdF-Homepage abgerufen werden).<br />
Wer weitergehende Informationen über diese Fachbereichstagung<br />
im niederländischen Maastricht erhalten möchte<br />
wird gebeten, den direkten Kontakt zu einem der vielen Delegierten<br />
zu suchen oder eine schriftliche Anfrage an die<br />
GdF-Geschäftsstelle zu richten.<br />
von Frank Willmeroth und Achim Krüger<br />
24
GDF Intern<br />
der flugleiter 2012/02<br />
Maastricht<br />
Außerordentliche<br />
Bundesdelegiertenkonferenz<br />
Kurzfristig wurde vom Bundesvorstand die Gelegenheit der<br />
Fachbereichskonferenz FSBD genutzt, eine außerordentliche<br />
Bundesdelegiertenkonferenz durchzuführen. Die Einladungen<br />
zu diesem nicht-alltäglichen Event wurden rechtzeitig<br />
zuvor von seiten der Geschäftsstelle an alle Bundesdelegierten<br />
verteilt. Einziger Tagesordnungspunkt dieser Veranstaltung<br />
war der Tarifstreit mit FRAPORT. Der Tarifverantwortliche<br />
der GdF, Markus Siebers, wie auch Matthias Maas<br />
(Vorstand Kommunikation) informierten die Delegierten<br />
über die aktuellen Sachstände der Tarifverhandlungen einerseits<br />
und der entsprechenden Gerichtsverfahren sowie über<br />
die Pressearbeit und Mitgliederinformationen. Festzuhalten<br />
ist, dass die Bundesdelegierten sich einmütig hinter den<br />
Bundesvorstand stellten und die weitere Verhandlungsstrategie<br />
absegneten.<br />
Lippe Radar in Maastricht<br />
Während der FSBD-Tagung wurde Gelegenheit geboten,<br />
Lippe Radar bei Eurocontrol zu besichtigen. Das in Deutschland<br />
praktizierte Konzept zivilen und militärischen Flugverkehr<br />
aus einer Hand zu kontrollieren, wird dort politisch<br />
nicht gewünscht.<br />
Und so konnten wir eine DFS Dienststelle in Maastricht besuchen.<br />
Wir wurden sehr freundlich vom Dienststellenleiter<br />
empfangen, ausführlich informiert und anschließend durch<br />
das grofle Centre geführt. Nur ein kleiner Bereich „gehört“<br />
dem deutschen Militär. Für wenige Arbeitsplätze gibt es<br />
noch weniger beurlaubte Soldaten, sodass inzwischen der<br />
Nachwuchs aus den zivilen Reihen dort arbeiten muss.<br />
„Wir fühlen uns hier wie in einem gallischen Dorf“, sagt uns<br />
schmunzelnd ein Kollege. Wir bekommen natürlich auch die<br />
Arbeitsplätze mit der technischen Ausstattung von Eurocontrol<br />
erklärt. Aber „live“ erleben, wie die Ziv/Mil-Zusammenarbeit<br />
dort noch funktioniert, konnte uns an diesem Samstag<br />
mangels militärischem Verkehr nicht gezeigt werden.<br />
Schade – aber den Besuch war es allemal Wert. E. Enneper<br />
✈ ✈ Im Gebäude der Eurocontrol Zentrale findet man<br />
auch diese Wand mit Flugzeugmodellen, die von<br />
Kindern angefertigt sind<br />
25
der flugleiter 2012/02<br />
DFS<br />
Vorsicht giftig!<br />
Von Spaltpilzen und anderen Gefahren<br />
Wer heute durch die Flure unseres Unternehmens spaziert und auf der Suche nach Antworten<br />
ist, sollte sich immer bewusst sein, dass diese nicht unbedingt der Wirklichkeit entsprechen<br />
werden.<br />
Viele der Antwort Suchenden befinden sich zwischen Hoffen<br />
und Bangen, ob der neue Eingruppierungstarifvertrag für<br />
oder gegen sie verwendet wird. Bekommen sie wirklich neue<br />
Perspektiven, welche Chancen und Risiken stecken im Text?<br />
Diese Unsicherheit endet manchmal in Wut mit der entscheidenden<br />
Frage, wer nun der richtige Adressat für diese ist.<br />
Diese unsicheren Zeiten ermöglichen mancher vermeintlich<br />
gewieften Führungskraft, einen Spaltpilz zwischen Gewerkschaft,<br />
Betriebsräten und Belegschaft wachsen zu lassen.<br />
Sie nutzt die Gunst der Stunde, um die schlechtesten aller<br />
Varianten für den Mitarbeiter in das neue Werk hineinzuinterpretieren.<br />
Abgruppierungen bis hin zur aus dem Abschluss<br />
resultierenden Massenentlassung wegen fehlender<br />
Qualifikationsmerkmale oder zu hohen Kosten sind ein äusserst<br />
wirksames Drohszenario. Diese Art Spaltpilz wird genährt<br />
von Unwissen, Gerüchten und Vorurteilen. Und jeder,<br />
der sie unreflektiert weitergibt, breitet seinerseits die Sporen<br />
aus.<br />
Die Führungskraft mimt das unschuldige Opferlamm. Sie<br />
hätte ja die Möglichkeit, sich mit aller gebotenen Sachlichkeit<br />
mit den Veränderungen auseinanderzusetzen und tragbare<br />
Lösungen mit den Mitarbeitern und deren Vertretern zu<br />
diskutieren. Stattdessen bestärkt sie die Mitarbeiter, dieser<br />
unverschämt erfolgreichen Gewerkschaft ein für allemal den<br />
Rücken zu kehren: „Mit diesen Bad Guys sollte ein anständiger<br />
Mitarbeiter nichts am Hut haben, vor allem nicht in der<br />
Verwaltung“. Es wird so viel phantasiert, dass die Illusion<br />
entsteht, der ganze Wohlstand in der DFS sei ein Geschenk<br />
des Arbeitgebers. Die Tatsache, welchen enormen Kraftaufwand<br />
Gewerkschaften und Betriebsräte aufbringen mussten,<br />
verzerrt sich im Nebel einer höchst fragwürdigen Unternehmenskommunikation.<br />
Gewinnt unser Spaltpilz weiter an Nährboden, macht er es<br />
einfacher, in zwei oder drei Jahren das Unternehmen zu zerlegen<br />
oder mal richtig abzuspecken. In dem er zwischen die<br />
Mitarbeiter und die Gewerkschaft wächst, verfaulen Solidarität<br />
und Vertrauen. Die ohnehin wacklige Brücke zwischen<br />
den Operativen und den Administrativen schimmelt weiter<br />
vor sich hin, bis sie endgültig zerbricht. Das macht angreifbar,<br />
vor allem die politisch schwächere Seite. Doch das ist<br />
dieser immer noch nicht klar. Sie erwartet wie selbstverständlich<br />
einen neuen Rationalisierungsschutztarifvertrag,<br />
ohne zu verstehen, dass dieser dieses Mal nicht so einfach<br />
vom Himmel fällt. Einige wenige haben die Zeichen der Zeit<br />
erkannt und sind Mitglied geworden, selbst mit kleinen<br />
Zweifeln. Dem Rest kann wohl nicht mehr geholfen werden,<br />
es sei denn, er erkennt die Wirklichkeit <strong>als</strong> diese an und auf<br />
welcher Seite er am Ende <strong>als</strong> abhängiger Tarifbeschäftigter<br />
steht.<br />
Kollegen! Investiert endlich mal etwas für Eure Arbeitnehmerrechte,<br />
stellt die Aussagen der DFS kritisch in Frage und<br />
denkt ein paar Jahre in die Zukunft, wenn der Gürtel noch<br />
enger geschnallt sein wird. Noch ist es nicht zu spät, aber<br />
der Spaltpilz breitet sich jeden Tag weiter aus… nur ihr selbst<br />
könnt das verhindern.<br />
L. Angener<br />
26
DFS<br />
der flugleiter 2012/02<br />
„HEADING2012“ –<br />
The ship is sinking oder<br />
Gute Gründe (spätestens jetzt)<br />
GDF-Mitglied zu werden...<br />
Nun pfeifen es schon die Spatzen von den Dächern. Was die meisten Kollegen lange verdrängt<br />
haben, wird nun offiziell. Damit unser Schiff nicht sinkt, prüft HEADING2012, was oder besser<br />
wer in naher Zukunft über Bord gehen muss, damit die DFS bei dem zu erwartenden niedrigen<br />
(finanziellen) Wasserstand nicht auf Sand läuft.<br />
Bereits in den Betriebsversammlungen verkündet das HEA-<br />
DING-Team eine tiefgreifende strukturelle Überprüfung der<br />
nicht-operativen Prozesse. Früher gab es mal Effizienzprogramme<br />
oder ein FAX 400, heute nennt man das „Aufgabenkritik“.<br />
Und dieses Mal scheint das Vorgehen wesentlich<br />
durchdachter und ernster zu werden, weil nicht nur die Führungskräfte<br />
allein über das Schicksal ihres Bereiches entscheiden.<br />
Der jeweils nachgelagerte Prozess, hier „Kunde“<br />
genannt, gibt eine Bewertung darüber ab, ob oder in welchem<br />
Umfang er die Dienstleistung (überhaupt) benötigt.<br />
Die Verantwortlichen wirken konsequent und zielstrebig.<br />
Aus unternehmerischer Sicht scheint eine Infragestellung<br />
der gewachsenen Organisation sinnvoll und längst überfällig.<br />
Für die Arbeitnehmervertretungen schrillen allerdings<br />
die Alarmglocken, weil die Sparvorgabe von 10% gegen den<br />
Bestand – <strong>als</strong>o an die Mitarbeiterzahl geht. „Keine Panik auf<br />
der Titanic, wir prüfen ja nur Aufgaben, keine Stellen.“,<br />
beschwichtigt man die inzwischen leicht verunsicherten Mitarbeiter.<br />
Stellt sich nur die Frage, wer hinter den Aufgaben<br />
steht?<br />
Dieter Kaden lies im Herbst letzten Jahres „Die goldenen Zeiten<br />
sind vorbei“ auf Plakate drucken und die meisten Kollegen<br />
in der UZ haben das noch mit einer (gefährlichen) Gelassenheit<br />
zur Kenntnis genommen: „Da wird die Gewerkschaft<br />
im nächsten Jahr den Rationalisierungsschutz verlängern<br />
und ich muss mich ja nicht unbeliebt machen. Mitglied werden,<br />
ach nö, kostet und könnte blöd aussehen.“ Der Rest<br />
wurde übrigens gerne (gratis) mitgenommen, überdurchschnittliche<br />
Vergütungsanpassungen, Ausweitung des Tarifes<br />
im ETV, die Rettung der Altersvorsorge, Langzeitkonten<br />
für alle und andere nette „Geschenke“. Wenn Mitglieder der<br />
kleinen UZ-Gewerkschaftsgemeinde dann fragen, woran es<br />
noch liegen würde, dass Kollegen immer noch nicht eingetreten<br />
sind, suchen diese das Haar in der Suppe. Gängige<br />
Ausreden sind beispielsweise: „Da war mal eine Äußerung<br />
im flugleiter, die mir nicht gefallen hat.“, „Mal sehen was bei<br />
der nächsten Gehaltsrunde rauskommt“ oder „Nächstes<br />
Jahr bestimmt“.<br />
Gut, zwingen kann man keinen. Und solidarisch bleibt die<br />
GdF auch. Aber mal ehrlich, wie lange soll das funktionieren?<br />
Würde die Unternehmenszentrale streiken, um ihre Arbeitsplätze<br />
zu erhalten oder lieber einige Hundert Mitarbeiter auf<br />
die Straße stellen lassen?<br />
Verdrängung hilft hier nicht mehr. Kollegen in der Unternehmenszentrale:<br />
Stellt Euch der Realität und steht mit den anderen<br />
Gewerkschaftsmitgliedern zusammen. Dann überstehen<br />
wir diese Krise und haben auch eine gemeinsame<br />
Zukunft in der Flugsicherung.<br />
L. Angener<br />
27
der flugleiter 2012/02<br />
ATC<br />
Austro Control auf der Verkaufsliste<br />
Angesichts der Tatsache, dass im nächsten Jahr in Österreich gewählt wird und, so wird in<br />
der Presse vermutet, um von einigen Skandalen (Aktenschwärzungen im Finanzministerium,<br />
Telekomaffäre) abzulenken, hat sich die Österreichische Volkspartei (ÖVP) offensichtlich<br />
entschlossen, mit einer Privatisierungskampagne in die Offensive zu gehen. Der Mineralölkonzern<br />
OMV, Post und Telekom, Skihütten und Liftbetriebe, die Nationalbanktochter „Münze<br />
Österreich“ und die Güterabteilung der Österreichischen Bundesbahnen, sämtliche Flughäfen<br />
und wen wundert´s, der östereichische Flugsicherungsdienstleister Austro Control stehen auf<br />
der Verkaufsliste.<br />
von<br />
Werner<br />
Fischbach<br />
Nun kann man sich zu Recht fragen, ob ein Mineralölkonzern<br />
oder Skihütten unbedingt vom<br />
Staat betrieben werden sollen. Nicht unbedingt,<br />
wird die salomonische Antwort auf diese<br />
Frage lauten. Aber es sollte außer Zweifel<br />
stehen, dass Organisationen und Unternehmen,<br />
die eine für die Öffentlichkeit unverzichtbare<br />
Dienstleistung erbringen, eben keinen<br />
Gewinninteressen unterworfen werden dürfen.<br />
Und um ein solches Unternehmen handelt es sich bei Austro<br />
Control. Eine Behörde ist der alpenländische Flugsicherungsdienstleister<br />
schon lange nicht mehr. Er hat, wie sein<br />
deutsches Pendant den Status einer GmbH, der sich vollständig<br />
im Besitz der Republik Österreich befindet. Die ihre Interessen<br />
über das Finanz- und über das Verkehrsministerium<br />
(genau nennt sich letzteres „Bundesministerium für Verkehr,<br />
Innovation und Technologie“) im Aufsichtsrat wahrnimmt.<br />
Norbert Payr, Betriebsratsvorsitzender bei Austro Control<br />
und bei der Gewerkschaft Vida bei der Fachgruppe Luft-Wasser<br />
tätig, bekämpft derartige Pläne. Er weist denn auch darauf<br />
hin, dass es sich bei der Flugsicherung um eine hoheitliche<br />
Aufgabe handele, die der Sicherheit des Luftverkehrs<br />
diene und deshalb nicht der „Gewinnmaximierung eines privaten<br />
Investors geopfert werden dürfe“. Payr könnte natürlich<br />
auch auf eine Erklärung der EU bzw. des Europäischen<br />
Gerichtshofs verweisen, die zwar Flugsicherungsdienstleistungen<br />
nicht unbedingt <strong>als</strong> hoheitliche Aufgabe definiert,<br />
aber deren Ziele <strong>als</strong> „a task involving the exercise of public<br />
authority and is not of an economic nature, since that activity<br />
constitutes a service in the public interest which is intended<br />
to protect both the users of air transport and the populations<br />
affected by aircraft flying over them“ (Extract of<br />
decision C.364/92 of the European Court of Justice)“ beschrieben<br />
werden.<br />
Payr erwähnt, dass das britische Flugsicherungsunternehmen<br />
NATS bereits 2001 zu 51% privatisiert wurde und kurz<br />
danach (nach „nine-eleven“) mit staatlicher Hilfe gerettet<br />
werden musste. Was den britischen Steuerzahler rund 65<br />
Mio. Pfund gekostet hat. Austro Control, so betont Payr, erwirtschaftet<br />
hingegen Gewinn und kostet den Staat somit<br />
keinen müden Cent. „Was der freie Markt an Schaden anrichten<br />
kann, hat die Finanzmarktkrise deutlich gezeigt. Angesichts<br />
der Milliarden für Bankenrettungen sollte die ÖVP<br />
endlich Lernfähigkeit, Einsicht und Verantwortung an den<br />
Tag legen, anstatt zu versuchen, mit Privatisierungsdebatten<br />
von ihren eigenen Skandalen abzulenken“, kritisierte Payr.<br />
Die SPÖ, mit welcher die Volkspartei zur Zeit die Regierung<br />
bildet, ist von den Privatisierungsplänen nicht gerade begeistert.<br />
„Für mich stehen in dieser Gesetzgebungsperiode<br />
keine weiteren Privatisierungen an“, erklärte der Bundeskanzler<br />
und SPÖ-Vorsitzende Werner Faymann. Für diese Legislaturperiode,<br />
wohlbemerkt. Was in der nächsten auf der<br />
Tagesordnung steht, wird der Wähler entscheiden. Und so<br />
haben Norbert Payr und seine Mitstreiter noch jede Menge<br />
Überzeugungsarbeit zu leisten.<br />
✈ ✈ Austrocontrol – hier eine Aufnahme des Wien ACC –<br />
soll nach dem Willen der ÖVP verkauft werden.<br />
Photo: Austrocontrol<br />
28
Joe’s Corner<br />
der flugleiter 2012/02<br />
# # Joe’s Corner # #<br />
Wanted –<br />
Gesucht Wird<br />
Ende Januar entschied der Aufsichtsrat der DFS, dass der<br />
nächste 01.01. der Antrittstag einer neuen Geschäftsführung<br />
sein soll. Im Vorfeld dieser Entscheidung wurde speziell am<br />
DFS-Campus in Langen und an den bundesweit verstreuten<br />
Niederlassungen viel über die Geschäftsführung und nicht nur<br />
über diese diskutiert, viel wurde auch hinter vorgehaltener<br />
Hand getuschelt. Von Seiten der Geschäftsführung wurden<br />
die Mitarbeiter im laufenden Tarifstreit mit Videobotschaften<br />
und Briefen an ihre arbeitsvertraglichen Pflichten erinnert,<br />
aber ebenso wurden mögliche Schritte dagegen aufgezeichnet.<br />
Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit sieht sicherlich anders<br />
aus: Die Rechnung aus diesen „verunglückten“ Tarifverhandlungen<br />
wurde dann Ende Januar aufgetischt.<br />
Joe klingen noch die zweifelhaften Durchhalte Parolen vergangener<br />
Tage im Ohr, <strong>als</strong> es hieß: „Die DFS muss schlanker werden“.<br />
Nun sind wir dabei, und gesucht wird eine neue Geschäftsführung.<br />
Aber nicht nur unterhalb der Geschäftsführung<br />
wird, davon kann man getrost ausgehen, vielleicht auch noch<br />
die eine oder andere Position neu besetzt. Nicht nachvollziehbare<br />
interne Umstrukturierungen im DFS-Bereich haben Unruhe<br />
aufkommen und Mitarbeiter um ihre Arbeitsplätze bangen<br />
lassen. Eine Unzahl von Abmahnungen sollen die Runde machen,<br />
gefolgt von Aufhebungsverträgen – diese „Aktionen“<br />
lassen die Campus-Angestellten in Ehrfurcht erstarren. Auch<br />
hier muß festgestellt werden, vertrauensvolle Zusammenarbeit<br />
sieht anders aus.<br />
Viel spekuliert wird zur Zeit über die Nachfolge von Kaden,<br />
Bergmann und Riedle. Sogar namhafte Magazine beteiligen<br />
sich an den Spekulationen und erklären der Leserschaft recht<br />
eindeutig und neidvoll, wie viel ein neuer Geschäftsführer verdienen<br />
dürfte. Ganz oben bei den gehandelten Namen trifft<br />
man immer wieder auf den jetzigen Aufsichtsratsvorsitzenden<br />
der DFS.<br />
Joe möchte sich sicherlich nicht an den Spekulationen beteiligen,<br />
der Aufsichtsratsvorsitzende selbst ist gefordert, hier<br />
eine Namensliste vorzulegen und diese früher oder später<br />
auch absegnen zu lassen.<br />
Aber nicht nur in der höchsten Führungsetage werden bzw.<br />
wurden Führungskräfte ausgewechselt. Nicht einfach entwickelte<br />
sich Auswahl der drei TWR-Niederlassungen Hamburg,<br />
Köln und Nürnberg. Im Vorfeld wurden viele Namen gehandelt,<br />
die wilden Spekulationen wuchsen fast wie von selbst in<br />
den Himmel. Schließlich wurde die Auswahl dieser drei Personen<br />
zur Chefsache erklärt und brachte nach der Ergebnisveröffentlichung<br />
viel Unverständnis – zumindest für zwei Niederlassungen<br />
auf. Dass zwischenzeitlich von diesen drei neuen<br />
Niederlassungsleitern bereits wieder einer abgesagt hat, zeigt<br />
erneut auf – die DFS hat ein Führungsproblem. Das Postengeschiebe<br />
und das damit verbundene spekulieren geht weiter,<br />
eine klare Linie hin zu einem kommunikativen Wir-Gefühl wird<br />
sicherlich nicht erfolgen. Auch geht es nicht immer nach Qualifikation,<br />
sondern persönliche Beziehungen dürfen ebenso<br />
unterstellt werden wie die Stärke der Ellenbogen, um sich<br />
durch das Dickicht der Flugsicherung durchzuboxen.<br />
Gesucht werden Führungskräfte, die endlich mal Ruhe in die<br />
Firma bringen! Die DFS wird in Kürze das 20-jährige Bestehen<br />
feiern und rückblickend darf man festellen, dass dieses Unternehmen<br />
aus den vergangenen Jahren und verschiedenen Abstimmungsphasen<br />
nicht unbedingt viel gelernt hat. Kommunikation<br />
findet nur auf gleicher Ebene statt, und die Mitarbeiter<br />
werden sehr oft vor vollendete Tatsachen gestellt. Gesucht<br />
werden daher: Führungskräfte mit kommunikativer und fachlicher<br />
Kompetenz.<br />
Joe wird die Entwicklung in den nächsten Wochen und Monaten<br />
sehr kritisch weiter begleiten.<br />
29
der flugleiter 2012/02<br />
Alltag<br />
Traum und Wirklichkeit<br />
Der leitdende Angestellte in der DFS<br />
Eigentlich ist das schon was besonderes, wenn man(n) oder in ganz seltenen Fällen sogar Frau<br />
es geschafft haben, sich von der Masse der gewöhnlichen Tarifangestellten und anderen AT-<br />
Mitarbeitern emporzuheben. Gleich einem glänzenden Automobil der Oberklasse nennt man<br />
bei uns diesen Kreis „Executives“, sozusagen sind diese das Premiummodell mit der besten<br />
Ausstattung und dem stärksten Motor. Was dabei nicht immer klar ist, dass dieser erheblich<br />
gedrosselt sein kann!<br />
Um die Anzahl der „Leitenden“ wird seitens der DFS gerne<br />
gerungen, zum Beispiel, wenn Betriebsrats- oder Aufsichtsratswahlen<br />
stattfinden oder der Betriebsrat nicht an der Einstellung<br />
gemäß § 99 BetrVG beteiligt werden soll. Dann findet<br />
plötzlich (zumindest auf dem Papier) eine Aufwertung<br />
des Verantwortungsrahmens statt, die den zuständigen Arbeitsrichter<br />
überzeugen soll, den Status des „Leitenden“ zu<br />
vergeben. Doch haben alle unsere leitenden Angestellten<br />
tatsächlich Handlungsvollmacht oder Prokura, vor allem,<br />
wenn sie wie die COS Führungsebene 3 (!) sind und somit<br />
drei Hierarchieebenen über sich haben?<br />
Durch den derzeitigen Kostendruck wird sehr wohl deutlich,<br />
wie weit die tatsächlichen Befugnisse unserer „leitenden<br />
Angestellten“ gehen. Derzeit versucht das Projekt HEADING<br />
2012 überall Kosten einzusparen. An manchen Stellen macht<br />
das durchaus Sinn. Wird jedoch durch die Vorenthaltung einer<br />
überfälligen Investition eine über diese hinausgehende<br />
Effizienzsteigerung verhindert, so kann man dies schwerlich<br />
wirtschaftlich nennen. Normalerweise könnte ein echter Leitender<br />
innerhalb gewisser Obergrenzen eigenständig einstellen<br />
und entlassen. Stellt er beispielsweise fest, dass eine<br />
zusätzliche oder veränderte Ressource ihm von großem<br />
Mehrwert sein könnte, in dem deren künftiger Inhaber entsprechende<br />
Wertschöpfung in seinem Prozess leistet, könnte<br />
er die jeweilige Stelle nach Leseart seines Status selbstständig<br />
einrichten und besetzen. Dies hat die Geschäfts -<br />
führung untersagt und behält sich die Entscheidung im<br />
nicht-operativen Bereich über jede Stelle (sei es nun Vergütungsgruppe<br />
3 oder 10G) vor. Da hat der Leitende gelitten<br />
und wird plötzlich auf seine Grenzen verwiesen, obwohl das<br />
Bundesarbeitsgericht in einer neuen Entscheidung (AZR<br />
167/10) sehr hohe Anforderungen an die selbstständige Einstellungs-<br />
oder Entlassungsbefugnis gestellt hat. Das dies in<br />
der Realität nicht so ist, hat beispielsweise der gescheiterte<br />
Versuch eines Niederlassungsleiters gezeigt, seinen Assistenten<br />
tarifgemäß von Gruppe fünf in Gruppe sechs einzustufen<br />
oder eine ehemalige Auszubildende zu entfristen. Die<br />
jeweilige Initiative wurde durch ein Verbot der „Zentrale“<br />
beendet, die schon seit längerem versucht, die Niederlassungen<br />
um ihre höherwertigen Tätigkeiten zu bringen. „Aus<br />
den Augen aus dem Sinn“, könnte man sagen. Wie funktioniert<br />
dieser Mechanismus: Tarifvertrag ist „Pustekuchen“,<br />
BR hat kein Initiativrecht, Mitarbeiter hat Angst um seinen<br />
Job – klagt nicht und der arme „Leitende“ hat an dieser Stelle<br />
nichts zu entscheiden.<br />
In der Rechtssprechung ist ein weiteres Kriterium für den<br />
Status „leitend“ das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt. Dieses<br />
müsste demnach deutlich über dem Jahresbrutto des<br />
geführten Mitarbeiters mit der höchsten Vergütung liegen.<br />
Das ist heute ebenfalls nicht immer der Fall.<br />
Die Unzufriedenheit, die sich auch in diesem Kreis bemerkbar<br />
macht, leitet sich ebenfalls in dem Konflikt zwischen Zentrale<br />
und Niederlassung ab. Durch immer stärkere Zentralisierung<br />
vieler Prozesse ist der Leitende faktisch gezwungen,<br />
die Leistung der Zentrale anzunehmen, ob sie ihm nun passt<br />
oder nicht. Er könnte die Entscheidung gemeinsam mit seinen<br />
Mitarbeitern in einigen Fällen wesentlich schneller und<br />
pragmatisch umsetzen. Stattdessen verstricken sich Reaktionsgeschwindigkeit<br />
und Effektivität in den Kontrollnetzen<br />
und „Workflows“ der Zentrale.<br />
So bleibt der wirkliche Begriff „leitend“ einigen wenigen<br />
Executives vorbehalten. Laut Bundesarbeitsgericht führt die<br />
Befugnis Mitarbeiter selbstständig einzustellen und zu entlassen<br />
erst dann zur Einordnung <strong>als</strong> leitenden Angestellten,<br />
wenn die Einstellungs- und Entlassungsbefugnis gerade für<br />
einen, für das Unternehmen qualitativ bedeutsamen Personenkreis<br />
besteht. Er muss sich entweder auf Arbeitnehmer<br />
erstrecken, die hoch qualifizierte Tätigkeiten mit entsprechenden<br />
Entscheidungsspielräumen ausüben oder einen für<br />
das Unternehmen herausgehobenen Geschäftsführerbereich<br />
betreuen. Erforderlich ist auch, dass bei der Ausübung<br />
der Einstellungen und Entlassungen der leitende Angestellte<br />
nicht von der Zustimmung einer anderen Person im Innenverhältnis<br />
abhängig ist. So hat das Gericht in einem Fall ausdrücklich<br />
erwähnt, dass Personalkompetenz für 6,4 Stellen<br />
in einer Revisionsabteilung, gemessen an einer Gesamtzahl<br />
von 440 Beschäftigten, nicht ausreicht um den Status <strong>als</strong><br />
leitenden Angestellten zu begründen (BAG, Urteil vom<br />
25.03.2009 – 7 ABR 2/08).<br />
30
Alltag<br />
der flugleiter 2012/02<br />
Spätestens, wenn es bei einem der Betroffenen um seine eigene<br />
kündigungsschutzrechtliche Situation geht, wird er gut<br />
und gerne auf seinen Titel <strong>als</strong> „Leitender“ verzichten. Der<br />
Antrag des Arbeitgebers auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses<br />
bei echten leitendenden Angestellten bedarf nicht<br />
einmal einer Begründung.<br />
Wendet der Arbeitgeber <strong>als</strong>o die reale Rechtssprechung im<br />
Sinne „leitende Angestellte“ künftig objektiv an, würde sich<br />
deren Anzahl erheblich verringern und der Entscheidungsspielraum<br />
jedoch enorm zunehmen. Bestehen in einem Unternehmen<br />
Vertrauen und damit echte Delegation von Verantwortung,<br />
können Entscheidungsprozesse näher an der<br />
Realität und wesentlich zügiger erfolgen. Diese Neuorientierung<br />
würde alter und neuer Geschäftsführung zu Gute kommen,<br />
da sie dadurch eine deutliche Entlastung verspüren<br />
würde und mehr Zeit für die nationale und internationale<br />
Positionierung der DFS bekommen würde.<br />
L. Angener<br />
„Wir brauchen mehr Rechtfertigungen, wenn wir eine Entscheidung<br />
treffen und handeln, <strong>als</strong> wenn wir untätig bleiben,<br />
nichts entscheiden und alles beim alten lassen (vor allem,<br />
wenn ein Zustand schon lange andauert).“(Massimo Piatelli-Palmarini,<br />
„Die Illusion zu wissen“)<br />
Nachtrag/<br />
Wir bedauern...<br />
In der letzten Ausgabe 01/2012, wurde im Artikel Airplanes<br />
auf Seite 54/55, leider versäumt, den Fotografen des Artikelfotos<br />
zu nennen. Dies möchten wir hiermit nachholen.<br />
Das Bild der FlyBe Dash-8 wurde vom Fotografen Peter<br />
Menner erstellt und für den Artikel zur Verfügung gestellt.<br />
Überraschende Landung<br />
Am Abend des Orkans Kyrill bin ich mit Air Berlin nach<br />
Köln/Bonn geflogen. Bei der Landung setzte die Maschine<br />
hart auf die Landebahn auf. Als wir in Parkposition<br />
waren, geschah zunächst gar nichts. Bis die Stewardess<br />
sich meldete: „Liebe Passagiere, der Tower hat<br />
offenbar nicht geglaubt, dass wir es wirklich wagen zu<br />
landen. Bitte haben Sie noch ein paar Minuten Geduld<br />
bis zum Ausstieg, man organisiert jetzt Gangway und<br />
Busse.“<br />
Anschnallen bis zum Schluss<br />
Flug von Leipzig nach Köln/Bonn, relativ kleine Maschine<br />
und ausschließlich sehr ernste und konzentrierte<br />
Geschäftsreisende. Nach der Landung kam folgende<br />
Ansage des Co-Piloten: „Da unsere Piloten deutlich<br />
besser fliegen <strong>als</strong> fahren, bitten wir Sie, solange angeschnallt<br />
zu bleiben, bis die Maschine die endgültige<br />
Parkposition erreicht hat.“ Da mussten selbst der Humorloseste<br />
von uns „Business-Kaspern“ laut lachen.<br />
Geduld gefragt<br />
Nach der Landung in München, die<br />
Maschine aus Hamburg steht noch auf<br />
demVorfeld. Da meldet sich der Pilot<br />
und sagt: „Meine Damen und Herren,<br />
ichmuss mich für die Verzögerung entschuldigen,<br />
aber es regnet seit 25 Jahren<br />
zum ersten Mal in München und das stellt<br />
das Bodenpersonal vor schier unlösbare<br />
Probleme.“<br />
OFF THE TAPE<br />
31
der flugleiter 2012/02<br />
Technik<br />
Eine Lotsin auf der Suche<br />
nach dem hessischen „hinter“<br />
Prolog<br />
Als ich ins OJT nach Langen kam, lernte ich schnell, dass es<br />
für Probleme technischer Art zwei Telefontasten gab. Die<br />
Taste „SVS“ für Funk/Telefon und die Taste „Radar“ für Radar<br />
und ATCISS und alles andere. Dies war recht übersichtlich<br />
und auch von Lotsesimplex zu verstehen. Ich übte mich<br />
in der Bedienung und in dem Satz „Ich habe NICHTS gemacht!....“.<br />
Die Story<br />
Eines Tages jedoch rauschte die Frequenz und -oh Schreckes<br />
gab keine SVS-Taste mehr! An der Stelle war ein leeres<br />
Feld. Nach anfänglicher Ratlosigkeit entschied ich mich für<br />
die „Radar“-Taste, auf der jetzt „SSÜ“ stand.<br />
„SSÜ, Schmitz hier“<br />
- „Hi! Meyer vom Düsseldorfer Arrival, sag mal bist Du der<br />
SVS-Mann? Meine Taste ist weg!“<br />
Hier schwingt ein gewisses Maß an Empörung mit...<br />
„Ja, ist schon richtig, ich mach das jetzt alles“<br />
- „ok, die 128,55 rauscht nämlich – sagen die Piloten“<br />
„Ja, Sekunde, da muss ich jetzt ein Ticket aufmachen“<br />
Die Reaktion der SSÜ entsprach nicht der Erwartungshaltung...<br />
- „Ähh, kannst Du nicht in die Frequenz reinhören?“<br />
„Nee, ich mach doch Radar“<br />
- „Achso, dann machst Du ja doch nicht alles! Dann gib mir<br />
mal bitte den Funk-Menschen“<br />
„Nee, ich nehm das auf. Ich bin jetzt das one-face-to-thecustomer“<br />
Lotse versucht sich vorzustellen, wie ein one-face aussieht.<br />
- „?????“<br />
„Also, handelt es sich um eine Leitungsstörung?“<br />
- „Frequenz!“<br />
Es hatte bis jetzt immer ausgereicht, dem SSÜ-Mann eine<br />
grobe Richtung des Problems vorzugeben…<br />
„Also keine Leitungsstörung?“<br />
- „Frequenz halt!“<br />
...dass jetzt mehr Erklärung von Nöten war, war für den<br />
„customer“ nicht so recht nachzuvollziehen…<br />
„Ich muss hier die Liste abarbeiten.“<br />
- „Frequenz!!!“<br />
da der „customer“ nun der Meinung war, er müsse das Wort<br />
nur oft und laut genug wiederholen...<br />
„ok, welche denn?“<br />
- „128,55“<br />
„und welche Störung?“<br />
- „die Piloten sagen, es klingt wie ein Elektrorasierer“<br />
„wie genau?“<br />
- „so .....rrrrrrr“<br />
Sehr zur Erheiterung des gebeutelten Dipl.Ing. imitiert der<br />
Lotse nun einen Rasierer<br />
„ok, ich geb das gleich mal an den zBFS weiter“<br />
- „??? ok, danke!“<br />
Wenige Minuten später<br />
- „Düsseldorf!“<br />
„Hi, der zBFS hier, ihr hattet eine Frequenzstörung?“<br />
- „Ja auf der 128,55, machst Du Funk?“<br />
„Ja, genau“<br />
- „Ok, <strong>als</strong>o die Piloten sagen, das klingt wie ein<br />
Elektrorasierer“<br />
„wie, eher Brummen oder Surren?“<br />
- „das hab ich dem Kollegen schon gesagt, soll ich das jetzt<br />
nochmal machen?“<br />
Man hört das breite Grinsen des zBFS durchs Telefon.<br />
„ja, wär schon gut“<br />
- „so rrrrrrr“<br />
Lotse imitiert Rasierer<br />
„mmmm, ja da müsste ich mal in die Frequenz hören“<br />
- „ja, nu! dann bitte!“<br />
„aber ich sitz hinter!“<br />
(im Rheinland existiert der Ausdruck so nicht)<br />
- „?????“<br />
„und da kann ich nicht in die Frequenz hören“<br />
- „Du bist doch der für Funk!“<br />
„ja, aber ich bin doch hinter! und in die Frequenz hören kann<br />
ich nur vor!“<br />
(auch das Wort „vor“ <strong>als</strong> eigenständigen Aufenthaltsort<br />
gibt es nicht)<br />
- „dann geh doch VOR!“<br />
„ja, eigentlich bin ich ja auch vor, aber der Kollege, der hinter<br />
sitzt, hat Pause und da muss ich dann hinter sitzen und darf<br />
hier nicht weg“<br />
- „und jetzt?“<br />
„jetzt muss ich warten, bis der Kollege aus der Pause zurück<br />
kommt, damit ich vor gehen kann“<br />
Lotse äußert Unmut durch ein freundliches: „sonst gehts<br />
aber noch da unten?“<br />
- „ich sitz ja nicht unten, sondern hinter! das ist jetzt<br />
so gewollt“<br />
Nach diesem Gespräch mache ich mich auf, das geheimnisvolle<br />
HINTER zu finden. Aber das erzähl ich dann im nächsten<br />
Teil...<br />
Anne-Kathleen Meyer<br />
32
Technik<br />
der flugleiter 2012/02<br />
Quo vadis Technik?<br />
von<br />
Thorsten<br />
Wehe<br />
Vorab ein herzlicher Dank an die Kollegin<br />
für Ihren Artikel aus dem Alltag der neuen<br />
Koordinationsverfahren zwischen Betrieb<br />
und Technik. Der Artikel „Quo vadis Technik<br />
– der Einzug der Stillen Post in die Koordinationsverfahren<br />
der Flugsicherung“ von Dirk<br />
Wendland in der Ausgabe 02/2011 vom „der<br />
flugleiter“, hatte sich eingehend mit den Verfahren<br />
auseinandergesetzt. Mittlerweile sind<br />
die Zentralisierungsvorhaben der DFS weit<br />
voran geschritten. Mit der Inbetriebnahme des neuen TWR in<br />
Berlin wird das Vorhaben seinen Abschluss finden. Das Tower<br />
Kompetenz Center (TKC) wird dann technischer Ansprechpartner<br />
für alle TWR der DFS sein. Die zentralen Betriebsführungen<br />
für Sprache, Navigation und Ortung (zBFS, zBFN,<br />
zBFO) sind etabliert. Die Netzwerk Kontrollzentrale (NKZ),<br />
die Flugfernmeldezentrale (FFZ), der Überwachungsarbeitsplatz<br />
für das System DIAS, die Mission Control EGNOS und<br />
die zentrale Betriebsführung Gebäudetechnik (zBFG) komplettieren<br />
das Portfolio im Service Management Center<br />
(SMC) in Langen.<br />
Im Bereich Ortung sei angemerkt, dass die Luftlage noch aus<br />
der SSÜ Center Langen heraus überwacht wird, die zBFO für<br />
die Bodenlage derzeit im SMC aufgebaut wird. Auch wenn<br />
der Artikel der Fluglotsin aus Langen dem einen oder anderen<br />
Leser ein Schmunzeln in die Mundwinkel treibt, möchte<br />
ich Ihr Augenmerk auf die Folgen der neuen Koordinationsverfahren<br />
richten. Ob <strong>als</strong> Arbeitnehmervertreter im Gesamtbetriebsrat<br />
oder in der berufspolitischen Vertretung in den<br />
Fachbereichen der GdF, immer wieder haben wir vor den Folgen<br />
der Zentralisierung gewarnt – insbesondere für das Flugsicherungssystem<br />
Sprechfunk.<br />
Dazu kommt, dass die zentrale Betriebsführung Sprache nicht<br />
durchgehend H24 besetzt ist. Für die Durchführung von Pausen<br />
wird der Arbeitsplatz von einem Kollegen einer anderen<br />
zentralen Betriebsführung „übernommen“. Dieser sitzt dann<br />
nicht „vor“ dem Arbeitsplatz, sondern „hinter“ dem Überwachungsarbeitsplatz<br />
– soweit ein Versuch der Erläuterung zum<br />
Wording im Artikel – Eine Lotsin auf der Suche nach dem hessischen<br />
„hinter“. Der Fachbereich FSBD war frühzeitig über<br />
die Entwicklungen informiert. Mit den neuen Koordinationsverfahren,<br />
findet ,begründet in den langen Wegen der Meldungsweiterleitung,<br />
die Bewertung der Meldung durch einen<br />
Experten meist sehr spät statt. Als der Experte direkt erreichbar<br />
war, konnte dieser innerhalb weniger Sekunden feststellen,<br />
ob das Problem schwerwiegend ist, oder innerhalb kurzer<br />
Zeit der Fluglotse eine einwandfreie Funksprechfrequenz zur<br />
Verfügung hat. Genau dies war der wichtige kurze Zeitraum,<br />
in dem Entscheidungen getroffen werden müssen.<br />
Lässt man weiterhin die prognostizierten 40 Flugzeuge pro<br />
Stunde in einen Sektor einfliegen, oder müssen aus Gründen<br />
der Sicherheit Maßnahmen ergriffen werden? Wenige machen<br />
sich Gedanken, wenn wegen Ausfall des Betriebskan<strong>als</strong><br />
auf dem Reservekanal gearbeitet wird. Status Quo sollte<br />
aus meiner Sicht immer ein Arbeiten mit Reservekanal<br />
und der zusätzlichen Not-Sende-Empfangseinrichtung sein.<br />
Sobald eine Reserve nicht mehr vorhanden ist, tanzt man<br />
sprichwörtlich auf der Rasierklinge. Wird ein Luftfahrzeug<br />
auf die nächste Reise geschickt, wenn z.B. eine von drei Navigationseinrichtungen<br />
ausgefallen ist? Ich bin kein Experte<br />
für Luftfahrzeuge, kann mir aber vorstellen, dass die Vorgaben<br />
dort sehr restriktiv sind. Und dies nicht nur, weil ein Luftfahrzeug<br />
im Flugbetrieb nicht mal eben „rechts ranfahren“<br />
kann. Die DFS hat teilweise die von uns vorab benannten<br />
Mängel ebenfalls erkannt. Dies auch aufgrund der erheblichen<br />
Beschwerden der Fluglotsinnen und Fluglotsen.<br />
So darf ein Engineer on Duty (EoD – direkter technischer Ansprechpartner<br />
im Kontrollraum) in Bremen und München<br />
jetzt den Experten, genannt BIS (Betriebssicherstellung und<br />
Instandhaltung Sprache), auch direkt anrufen und muss<br />
nicht über die zBFS und Ticketerstellung weiter wertvolle<br />
Zeit verstreichen lassen. Als nächste Initiative soll der EoD<br />
weiterqualifiziert werden, um zukünftig eine qualifizierte<br />
Überwachung für das Sprachvermittlungssystem auszuüben.<br />
Dies wird die Nettoqualifizierungsdauer der Berechtigung<br />
für den EoD weiter ausdehnen. Der Fachbereich FSTD<br />
arbeitet im Rahmen einer Arbeitsgruppe intensiv an der zukünftigen<br />
Ausgestaltung des EoD. Der Fachbereich FSBD hat<br />
die aktuelle Situation auf der Bundesfachbereichskonferenz<br />
Anfang März in Maastricht intensiv diskutiert und nachfolgenden<br />
Beschluss gefasst:<br />
„Die Zentralisierung der FS-technischen Dienste der DFS<br />
zeigt ihre seit langer Zeit befürchteten negativen Auswirkungen.<br />
Der FSBD-Vorstand wird beauftragt, in Zusammenarbeit<br />
mit dem FSTD bei der DFS eine Optimierung der Meldewege,<br />
Reaktionszeiten und der Arbeitsabläufe bei technischen Störungen<br />
zu erreichen“.<br />
Die GdF wird sich intensiv bei der DFS dafür einsetzen, die<br />
technischen Dienste anforderungsgerecht auszurichten.<br />
33
der flugleiter 2012/02<br />
Apron<br />
Apron Control am modernsten<br />
Flughafen Europas<br />
Am 3.6.2012 geht er an den Start. Nach Aussagen des Flughafenbetreibers<br />
ist er der modernste Flughafen Europas.<br />
Erst trug er den Arbeitstitel BBI, nun kennt ihn der Berliner<br />
unter BER – Flughafen Berlin Brandenburg Willy Brandt. Der<br />
neue Airport der Hauptstadtregion vereint 3 Flughäfen: den<br />
schon geschlossenen Flughafen Berlin Tempelhof, den Air<br />
Berlin Hub Berlin Tegel und den im Lowcost-Segment beliebten<br />
Platz Berlin Schönefeld. In der Nacht von 2. auf 3. Juni<br />
2012 werden so erstm<strong>als</strong> 2 im Betrieb befindliche Flughäfen<br />
und ein schon vor einiger Zeit geschlossener Flughafen an<br />
einem neuen Platz vereint. Eine Umzugsaktion, die wohl<br />
auch den berüchtigten Umzug München Riem ins Erdinger<br />
Moos toppen wird, da von Beginn an schon mit knapp 30<br />
Millionen Passagieren und 250.000 Flugbewegungen gerechnet<br />
wird.<br />
Die Leistungen der Vorfeldkontrolle hat der Betreiber schon<br />
vor einiger Zeit ausgeschrieben, den Zuschlag die DFS bekommen.<br />
Deren Gate-to-Gate Konzept wird damit weiter<br />
ausgebaut. So wurden Mitte 2011 erste Mitarbeiter der späteren<br />
Vorfeldkontrolle eingestellt. Fast im Monatsrhythmus<br />
folgten bis heute weitere Mitarbeiter und das Team von Berlin<br />
Apron ist nunmehr auf 14 Kollegen/-innen angewachsen.<br />
Die Rekrutierung gestaltete sich für die DFS nicht ganz so<br />
einfach. So sind im Berliner Team einige Vorfeldlotsinnen<br />
und -lotsen von anderen deutschen Apron-Stellen vereint<br />
(Frankfurt, München, Ex-Stuttgart, Hamburg), aber auch Regionallotsinnen<br />
und -lotsen (Bern, Weeze, Finkenwerder)<br />
sind dabei.<br />
Bis Weihnachten 2011 war das bis dato 8köpfige Team mit<br />
theoretischen Arbeiten beschäftigt. Es galt viele Verfahren<br />
zu entwickeln, bestehende Rollverfahren zu verbessern, zu<br />
testen und weiter zu entwickeln. Besonders viel Erfolg hatte<br />
man mit der Weiterentwicklung des DFS-internen Flugdatenverarbeitungssystem<br />
„TFDPS“. Hier mussten einige Dinge<br />
des auf die Bedürfnisse der Fluglotsen ausgerichteten Systems<br />
an die Anforderungen der Vorfeldlotsen angepasst<br />
werden. In Zusammenarbeit mit den Systemtechnikern in<br />
Langen, waren es die neuen Mitarbeiter, die hier ihre Erfahrungen<br />
<strong>als</strong> Input gaben, um am Ende ein für die Belange von<br />
Apron Control nutzbares System zu bekommen – mit Erfolg!<br />
Natürlich muss grundsätzlich ein neuer Flughafen erst kennengelernt<br />
werden. Dazu reisten die Mitarbeiter der DFS öfter<br />
zwischen Berlin und dem Simulator in Langen hin und<br />
her. In Berlin gab es Gedankenaustausch mit Piloten, Technikern<br />
und Flugsicherungssachbearbeitern, man versuchte die<br />
schon bestehende Nomenklatur der Taxiways zu verbessern<br />
und entdeckte auch fehlende Taxiway-Centerline-Lights im<br />
Beton des Apron-Bereichs. Auch das persönliche Training<br />
der Apron Controller im Simulator in Langen rückte mehr und<br />
mehr in den Vordergrund. Hierzu wurden die Fluglotsen zusammen<br />
mit den Vorfeldlotsen geschult. Im 360 Grad Towersimulator<br />
„3D1“ wurden einige Übungen gefahren, Orientierung<br />
gewonnen und die Zusammenarbeit im Team gefestigt.<br />
Später dann im 180 Grad „3D2“ wurde die Verkehrsbelastung<br />
systematisch erhöht und teilweise auch bis an die Belastungsgrenze<br />
gegangen, was deutlich mehr Verkehr darstellte,<br />
<strong>als</strong> zu Beginn des Flughafenbetriebes zu erwarten ist<br />
(~70 Bewegungen/Stunde). Die Zusammenarbeit mit den<br />
neuen Berliner Kollegen sowie mit den professionellen DFS<br />
Simulationspiloten in Langen erwies sich <strong>als</strong> optimal. Auch<br />
abends hatte man ausreichend Gelegenheit, sich in gemütlicher<br />
Runde näher kennenzulernen, was für die spätere Arbeit<br />
auch sehr wichtig ist.<br />
Doch auch betriebliche Problemfälle wurden in der Simulation<br />
erkannt. So erwies sich der fehlende Tunnel unter dem<br />
Main-Apron <strong>als</strong> sehr problematisch. Sämtlicher Fahrzeugver-<br />
34
Apron<br />
der flugleiter 2012/02<br />
kehr muss das breite Hauptvorfeld (3 Taxilanes, 3 Luftfahrzeuge<br />
der ICAO Kategorie C, oder 2 Luftfahrzeuge der ICAO<br />
Kategorie F können unabhängig voneinander nebeneinander<br />
rollen) nun über eine der 3 Betriebsstraßen kreuzen, was<br />
spätestens bei CAT II/II Betrieb zu einer erheblichen Mehrbelastung<br />
für die Apronlotsen führen wird. Aber auch bei optimalen<br />
Wetterbedingungen wird versucht, das Main-Apron<br />
zu entlasten. So müssen unter Umständen Luftfahrzeuge<br />
etwas längere Rollstrecken in Kauf nehmen und erreichen<br />
nicht unbedingt auf kürzestem Weg den Pistenkopf. Eine<br />
große Herausforderung, was auch sehr viel Verständnis der<br />
Piloten voraussetzt.<br />
Aber auch für das DFS-Personal erweist sich der fehlende<br />
Tunnel <strong>als</strong> großer Nachteil, da die Anfahrt zum neuen Arbeitsplatz<br />
nicht selbstständig erfolgen darf, sondern über<br />
einen Shuttletransfer verlaufen wird. Eigene PKW sind auf<br />
dem Flughafengelände nicht gestattet.<br />
Im sozialen Bereich musste in der DFS eine neue Berufsgruppe<br />
eingefügt werden, was nach einer Phase der Unsicherheit<br />
letztendlich auch gelungen ist. Bei den Themen Boardzeit,<br />
Schichtrhythmus, Nachtschichten und Teamgröße gibt es<br />
bereits Tendenzen, jedoch noch keine verbindlichen Beschlüsse,<br />
da die dafür notwendigen Dokumente in ihrer endgültigen<br />
Fassung noch nicht vorliegen.<br />
Demnach wird es für die Apron Controller wahrscheinlich einen<br />
5:3 Schichtrhythmus im durchweg besetzten 24-Stundenbetrieb<br />
geben. Ganz abgeschlossen sind hingegen die<br />
baulichen und technischen Vorbereitungen am neuen, 72<br />
Meter hohen und damit zweithöchsten Flughafen-Tower, wo<br />
bereits alle DFS Anlagen betriebsbereit sind. Mit einem<br />
Flugdaten verarbeitungssystem (TFDPS in der Apron-Version),<br />
einem Bodenradar (Multilateration wird leider erst nach<br />
Eröffnung durch den Flughafenbetreiber zur Verfügung gestellt),<br />
einem stabilen und einfach zu bedienenden Kamerasystem<br />
und einer umfangreichen Befeuerungssteuerung<br />
sind die Hauptsysteme im neuen DFS Tower in Berlin bereits<br />
ausreichend getestet und für gut befunden worden. Einzig<br />
einige Systeme die vom Flughafen implementiert werden,<br />
hinken dem Zeitplan etwas hinterher.<br />
Der Arbeitsplatz von Apron wird sich zwischen den nach Süden<br />
und Norden ausgerichteten Arbeitsplätzen der Fluglotsen<br />
befinden, mit Blick auf das Hauptvorfeld in östliche Richtung.<br />
So werden am zukünftigen Hauptstadt-Tower in der<br />
Regel 4 Fluglotsen, 2 Apronlotsen, 1 Platzkoordinator, zeitweise<br />
1 Assistent und ein aufsichtführender Lotse oder Supervisor<br />
gleichzeitig arbeiten. Bei Apron in der Aufteilung<br />
„Controller“ und „Assistent“.<br />
Mit steigender Verkehrslast ist bei mehr <strong>als</strong> 300.000 Bewegungen<br />
pro Jahr angedacht, die beiden unterhalb der Towerkanzel<br />
platzierten „Glascontainer“ für Apron einzurichten<br />
und auszubauen.<br />
Das ist jedoch alles noch Zukunftsmusik, erst einmal werden<br />
am 3.6.2012 eine frisch auf den Namen „Berlin“ getaufte<br />
A380 Maschine der Lufthansa parallel mit einer Air Berlin<br />
Maschine den neuen Hauptstadtairport eröffnen. Berlin ist<br />
dann auch flughafentechnisch endlich wiedervereinigt.<br />
BER Apron, Alexander Novakovic, 28.2.2012<br />
35
der flugleiter 2012/02<br />
Dispatch<br />
Herzlich Willkommen in der GdF e. V.<br />
Nicht unerheblicher Mitgliederzuwachs aus dem<br />
Bereich der Deutschen Lufthansa AG<br />
von<br />
Matthias<br />
Maas<br />
Liebe Kolleginnen und Kollegen,<br />
schon in der Mitgliederinformation vom<br />
20.03.2012 habe ich Euch über Mitgliederzuwachs<br />
aus dem Bereich der DLH berichtet. In<br />
den vergangenen Wochen wurde ich sehr oft<br />
gefragt: „Wie kommt es dazu?“, „Was machen<br />
die?“, „Passen diese ausgeübten Tätigkeiten<br />
denn zur GdF?“<br />
Das meiste dazu beantworten die neuen Kollegen auf den<br />
nächsten Seiten selbst, ich für meinen Teil kann auf jeden<br />
Fall Stellung zur letzten Frage nehmen. Hierfür möchte ich<br />
zwei Mal aus unserer Satzung in der momentan gültigen Version,<br />
Stand 24.09.2011, zitieren:<br />
1) §2 Aufgaben und Ziele<br />
Absatz (2) Die GdF ist unabhängig von Arbeitgebern, staatlichen<br />
Organen, Parteien und Religionsgemeinschaften.<br />
2) §4 Organisationsbereich<br />
Absatz (1) Der Organisationsbereich der GdF umfasst alle<br />
Unternehmen, Betriebe und Einrichtungen, in welchen die<br />
Überwachung und Lenkung von Luftfahrzeugen in der Luft<br />
oder auf dem Boden zur sicheren, geordneten und flüssigen<br />
Abwicklung des Verkehrs erfolgt. Darüber hinaus umfasst er<br />
alle Unternehmen, Betriebe und Einrichtungen, welche mit<br />
diesen Aufgaben in unmittelbarem Zusammenhang stehende<br />
planerische, informatorische, technische und qualifizierende<br />
Unterstützungsleistungen erbringen.<br />
Hierunter fallen insbesondere...<br />
...b) die Bereitstellung und der Austausch von Informationen<br />
zur Planung, Vorbereitung und Durchführung von Flügen<br />
durch Publikationen und Beratungen vor dem Flug<br />
und der Fluginformationsdienst während des Fluges...<br />
...d) die Flugberatung....<br />
Ich und meine Kollegen im Bundesvorstand freuen uns sehr<br />
über diesen Mitgliederzuwachs. Wir begrüßen alle sehr herzlich<br />
und freuen uns auf die Zusammenarbeit, aber auch auf<br />
eine engagierte Mitarbeit der „Neuen“, woran ich jedoch,<br />
nachdem ich den einen oder anderen Kollegen kennen lernen<br />
durfte, keinerlei Zweifel habe.<br />
Ich persönlich freue mich, dass die Kollegen innerhalb kürzester<br />
Zeit eine Reihe äußerst interessanter Berichte für den<br />
Flugleiter verfasst haben und wünsche nun viel Spaß beim<br />
lesen der folgenden Seiten.<br />
Matthias Maas<br />
Bundesvorstand Presse und Kommunikation<br />
Sprecher der GdF<br />
36
Dispatch<br />
der flugleiter 2012/02<br />
Global Network Control<br />
Lufthansa Passage Airline<br />
✈ ✈ Das „Lido Briefing Center“<br />
liefert den Cockpit-Besatzungen<br />
die aeronautischen<br />
und meterologischen<br />
Daten zur Durchführung<br />
des Fluges.<br />
Photo: Ingrid Friedl/<br />
Lufthansa D21-232-C 16<br />
Das Global Network Control Center (kurz GNCC) der Lufthansa<br />
Passage Airline ist, bildlich gesprochen, „das operative<br />
Herz des Flugbetriebes“.<br />
Hier laufen alle aktuellen Informationen zusammen, werden<br />
ausgewertet, gewichtet und bieten somit Grundlage für<br />
sämtliche flugbetrieblichen Entscheidungen.<br />
Bei „OZ“ in Frankfurt überwachen 40 Kolleginnen und Kollegen<br />
im Dreischichtbetrieb 24 Stunden am Tag und 365 Tage<br />
im Jahr die etwa 250 Flugzeuge der Lufthansa Classic und<br />
bilden die zentrale Koordinierungsinstanz am aktuellen Tag<br />
der Operation. Je nach Flugplanperiode fallen zwischen 1200<br />
und 1600 Flugbewegungen in die Zuständigkeit der ‚Operations<br />
Control Officer‘.<br />
Kernaufgabe des GNCC ist es, die außerplanmäßigen Einflüsse<br />
auf den Flugbetrieb für die Firma und den Kunden so<br />
gering wie möglich zu halten, egal wo auf der Welt es Probleme<br />
mit oder an Bord einer Lufthansa Maschine gibt. Dabei<br />
gilt es stets nach den Prämissen „Wirtschaftlichkeit, Pünktlichkeit<br />
und Sicherheit“ zu handeln.<br />
Insbesondere der ‚flight safety‘ gilt das Hauptaugenmerk<br />
bei allen Entscheidungen der Verkehrszentrale. Um dieses<br />
komplexe Aufgabengebiet zu beherrschen, besitzt jeder Verkehrsleiter<br />
eine Flugdienstberaterlizenz, für deren Erwerb<br />
er zunächst ein Auswahlverfahren bei der DLR durchlaufen<br />
hat. In einem 14-monatigen Lehrgang an der Fliegerschule in<br />
Bremen hat sich der „Pilot am Boden“ die theoretischen Inhalte<br />
der Verkehrsflugzeugführerlizenz angeeignet und vor<br />
dem Luftfahrtbundesamt (LBA) eine entsprechende Prüfung<br />
abgelegt. Durch die LBA-Lizenz ist der Verkehrsleiter befugt,<br />
alle Änderungen des aktuellen Flugplans im 72 Stunden Zeitraum<br />
mittels sog. ‚Flight Dispo‘ umzusetzen und damit alle<br />
beteiligten Prozesspartner über die Änderungen im Flugplan<br />
zu informieren.<br />
Durch diese Dispositionsbefugnis obliegt dem Verkehrsleiter<br />
das alleinige Mandat, Flüge „umzurouten“, einzusetzen<br />
oder zu annullieren.<br />
Drei große Säulen gilt es zu nennen, die den Flugbetrieb<br />
empfindlich stören können und deren Auswirkungen die Kollegen<br />
im Global Network Control Center immer wieder zu minimieren<br />
versuchen:<br />
• Technische Ausfälle von Flugzeugen<br />
und medizinische Notfälle<br />
• Wetterphänomene (Vulkan, Gewitter, Schneefall, Nebel,<br />
Tornados, Starkwinde, Erdbeben, Überschwemmungen<br />
etc.) sowie<br />
• Politische Geschehnisse bzw. Krisen (Streiks, Unruhen,<br />
Anschläge, verkehrsrechtliche Problematiken etc.)<br />
Pro Schicht sind sechs Verkehrsleiter plus Senior Verkehrsleiter<br />
im Einsatz, wobei jeweils zwei Kollegen für eine der<br />
drei Teilflotten (Boeing 737/735 – Airbus 319/320/321 –<br />
Langstrecke 747/340/380) verantwortlich zeichnen. Wichtigste<br />
Prozesspartner sind der technische Flugzeugeinsatz,<br />
der Besatzungseinsatz, die Kollegen von Dispatch, die weltweiten<br />
Stationen und nicht zuletzt die Cockpitbesatzungen.<br />
Neben der Überwachung des aktuellen Flugbetriebes nimmt<br />
die Verkehrszentrale darüber hinaus diverse Sonder- und Zusatzaufgaben,<br />
vor allem im administrativen Bereich, wahr.<br />
Als zentrale Stelle für flugbetriebliche Entscheidungen zählt<br />
zu den Kernaufgaben das zentrale und initiale Krisenmanagement,<br />
die Koordination und Kommunikation mit den Flugsicherungsstellen,<br />
den Flughäfen, Verbundairlines, der Flugbetriebs-<br />
und der Flottenleitung, den weltweiten Stationen,<br />
der Pressestelle, Behörden wie dem LBA insbesondere der<br />
BfU, dem Krisenstab des Auswärtigen Amtes oder dem medizinischen<br />
Dienst der LH bei Notfällen in der Luft und notwendigen<br />
Zwischenlandungen und nicht zuletzt mit dem LH<br />
Management.<br />
Oliver Wendt<br />
37
der flugleiter 2012/02<br />
Dispatch<br />
✈ ✈ Mission Control Center James Blair NASA.<br />
Auch dort wird Dispatch benötigt.<br />
Lufthansa Cargo<br />
Flight Operations Control & Dispatch<br />
So wie bei der Lufthansa haben wir bei der LCAG natürlich<br />
die gleichen Grundvoraussetzungen und Aufgaben wie bei<br />
der „Mutter“ und nützen sehr ähnliche Tools für unsere Aufgaben:<br />
eine sichere, ökonomisch sinnvolle, pünktliche und<br />
störungsfreie Operation.<br />
Die Abteilungen Verkehrsleiter und der Flugdienstberater<br />
sind allerdings nicht voneinander getrennt, hier können alle<br />
Kollegen beide Bereiche besetzen, welches bei der Größe<br />
des Betriebes natürlich Sinn macht und Flexibilität im Dienstplan<br />
schafft. Nach 4 Jahren Dispatchtätigkeit kann man <strong>als</strong><br />
Verkehrsleiter ausgebildet werden. Momentan gibt es nur 2<br />
Kollegen, die ihre Ausbildung zum Verkehrsleiter noch vor<br />
sich haben.<br />
Wir alle haben eine LBA Lizenz, arbeiten allerdings völlig<br />
selbstständig – es gibt keinen Schichtleiter. Die Kommunikation<br />
untereinander ist bei uns extrem wichtig. 18 Kolleginnen<br />
und Kollegen arbeiten auch bei der Cargo im 24-Stunden<br />
Betrieb, davon jeweils 2 Dispatcher und 1 Verkehrsleiter pro<br />
Schicht. Jeder Flugplan wird manuell berechnet, automatisch<br />
geht es hier gar nicht. Der Grund dafür ist, dass bei der<br />
LCAG das Fehlen oder späte Anliefern einer Palette eben<br />
schon eine Gewichtsänderung von mehreren Tonnen ausmachen<br />
kann. Auch wenn bei der Beladung am Ende eine<br />
Palette einfach nicht passt – alles erfordert eine sofortige<br />
Neuberechnung. Jedes zu viel berechnete Kilo erhöht den<br />
Sprit verbrauch unnötig und belastet die Umwelt, gleichzeitig<br />
sind die Belastungen für das Flugzeug durch höheres Gewicht<br />
unnötig hoch.<br />
Bei der LCAG wird auch kurzfristig auf Kundennachfragen reagiert.<br />
Wird <strong>als</strong>o – <strong>als</strong> Beispiel – nicht nur an Verkehrstag 2<br />
sondern zusätzlich oder geändert an VT3 geflogen, bedeutet<br />
dies, dass auch die jeweiligen Verkehrsrechte erst einmal<br />
überprüft werden müssen, denn wir haben nicht für jeden<br />
Flug alle möglichen Überflugrechte und/oder Landerechte.<br />
Manche Länder erfordern eine Beantragungsvorlaufzeit von<br />
3 Arbeitstagen – kurzfristige Veränderungen sind <strong>als</strong>o nicht<br />
so einfach zu verwirklichen. Dann aus dem, was man hat, eine<br />
passende, ökonomische, sinnvolle und legale Strecke zu<br />
bauen – das sind unsere speziellen Herausforderungen.<br />
Bei uns wird noch viel in den Karten gearbeitet, um passende<br />
Strecken zu finden. Es sind oft spezielle Ein- und Ausflugspunkte<br />
einzuhalten, dann die jeweiligen Länderbestimmungen<br />
zu beachten, dabei noch die meteorologischen<br />
Gegebenheiten mit in die Planung einzubauen und schließlich<br />
dann auch die technischen Voraussetzungen unserer<br />
MD11 im Blick zu behalten. Es gibt Airways, die mit unserer<br />
MD11 einfach nicht beflogen werden dürfen.<br />
Für den jeweiligen im Dienst befindlichen Verkehrsleiter<br />
(VvD) ist die Aufgabe, möglichst für jeden Flug ein pünktliches<br />
Flugzeug bereit zu stellen. Fällt eines, aus welchen<br />
Gründen auch immer, aus, kann dieses Verspätungen bis zu<br />
mehreren Tagen nach sich ziehen. Es kann z.B. zu spät von der<br />
38
Dispatch<br />
der flugleiter 2012/02<br />
Technik bereitgestellt werden, oder durch eine Diversion auf<br />
einmal in Novosibirsk stehen anstatt in Krasnoyarsk – dort<br />
muss dann die Besatzung erst mal in ihre Ruhezeit gehen.<br />
Dann ist Koordination gefragt: kann ich eventuell von Novosibirsk<br />
aus direkt an meinen Zielflughafen weiterfliegen?<br />
Oder muss ich erst wieder zu meinem eigentlich geplanten<br />
Airport fliegen und dann erst zu meinem Zielflughafen?<br />
Durch die Verspätung oder die neue Streckenführung verlieren<br />
wir unter Umständen unsere Überflugrechte. Eventuell<br />
kann der VvD vielleicht auch in kürzerer <strong>als</strong> der normalen Beantragungsfrist<br />
für manche Länder in so einem Fall neue Genehmigungen<br />
erwirken.<br />
Und wenn er dann einen neuen Zeitplan mit dem neuen Routing<br />
aufstellt: wir fliegen ja meistens mit den Frachtern entgegengesetzt<br />
zu den Verkehrsströmen der Passagiermaschinen.<br />
So kommen wir im Falle von Verspätungen auch eher in<br />
die Ecke von Curfew auf anderen Stationen oder Nachtflugbeschränkungen,<br />
verursacht durch die Arbeitszeiten des<br />
Zollperson<strong>als</strong> oder der Betankungsgesellschaften. Nächtliche<br />
Bahnschließungen, Airportslots... für all das muss eine<br />
schnelle und gute Lösung her. Dafür kann dann auch der VvD<br />
selber mal Strecken berechnen, um einen neuen Schedule<br />
der auch fliegbar ist, festzulegen.<br />
Auch besondere Situationen kommen bei der LCAG öfters<br />
vor: eine Anfrage, ob zum Beispiel nachts ein absolut dringendes<br />
Airbusersatzteil von Toulouse nach Dubai geflogen<br />
werden kann. Der VvD prüft dann die Machbarkeit in Bezug<br />
auf Flugzeug- und Crewverfügbarkeit, Lademeister und mitfliegende<br />
Mechaniker werden organisiert, der Flughafen<br />
zugelassen, Verkehrsrechte beantragt, Airportslots eingeholt...<br />
und wenn dann das Flugzeug startbereit an der Bahn<br />
steht und in letzter Sekunde die Ausnahmegenehmigung der<br />
französischen Behörden kommt, nachts in diesem Falle starten<br />
zu dürfen (so tatsächlich passiert) – dann macht das<br />
Ganze auch noch wirklich Spaß!<br />
Jedoch, auch bei der Lufthansa Cargo sind die Arbeitsbedingungen<br />
in den letzten Jahren immer schlechter geworden.<br />
Immer mehr Zusatzaufgaben, Nebentätigkeiten, weniger bis<br />
zu keiner Schulung für Neuerungen des Flugplanungssystems<br />
oder anderer gebräuchlicher Systeme und Unverständnis<br />
in Bezug auf unsere Schichtdiensttätigkeit und deren<br />
Auswirkungen haben – nachdem wir Ende letzen Jahres einen<br />
neuen, extrem belastenden Schichtplan bekamen – unsere<br />
Bereitschaft zusammen mit den Kollegen der Passage in<br />
die GdF einzutreten gefördert.<br />
Wir freuen uns jedenfalls, dabei zu sein!<br />
Karin Thomaehlen<br />
✈ ✈ Lufthansa Flugzeuge auf dem Flughafen München.<br />
Photo: Dr. Werner Hennies/Lufthansa D28 MUC-12-C 271<br />
39
der flugleiter 2012/02<br />
Dispatch<br />
Ein ganz normaler Vormittag bei<br />
Lufthansa Global Dispatch<br />
05:45 Uhr:<br />
Ich komme zur Arbeit und fahre den PC hoch. Nebenbei betrachte<br />
ich schon mal mein heutiges Arbeitspensum mit 14<br />
Flügen, die mir der Senior Dispatcher (Schichtleiter) der<br />
gestrigen Spätschicht für heute zur Bearbeitung zugeteilt<br />
hat. Es waren auch schon mehr, im Sommer sind es manchmal<br />
bis zu 22 Flüge pro Schicht.<br />
Heute <strong>als</strong>o ein gut zu bewältigendes Pensum, vorausgesetzt,<br />
nichts Unvorhergesehenes geschieht. Ich bespreche mich<br />
kurz mit meinen Kollegen, welche Besonderheiten es heute<br />
zu beachten gibt, schaue mir die allgemeine Wetterlage in<br />
alle Himmelsrichtungen an, in die ich heute planen werde<br />
und verschaffe mir auch einen groben Überblick über die lokale<br />
Wettersituation an allen Destinationen. Im CHMI (Collaborative<br />
Human Machine Interface) überprüfe ich die Kapazitäten<br />
und Szenarien der IFPS (Integrated Flight Plan<br />
System) Zone und ob ich mir mit vorausschauender Planung<br />
den ein oder anderen Slot ersparen kann, denn der bedeutet<br />
später nur zusätzlichen Stress, sollte eine Verspätung des<br />
Fluges notwendig werden. Anschließend überprüfe ich für<br />
jedes der heute für meine Flüge vorgesehenen Flugzeuge<br />
den technischen Status, denn es kann schon durch einen<br />
kleinen Defekt zu Einschränkungen in der Flugweg-Planung<br />
kommen. Der Schichtleiter kommt zu mir und meinen Kollegen,<br />
brieft uns über einen Frontendurchgang an der U.S. Ostküste<br />
und gibt eine Extrafuel Empfehlung für die betroffenen<br />
Flüge. Jetzt beginne ich mit dem Berechnen meines ersten<br />
Flugplans.<br />
06:15 Uhr:<br />
LH400 FRA-JFK, gefiled und zum Briefing der Crew im System<br />
hochgeladen – der erste Flug ist geschafft. Dafür habe ich <strong>als</strong><br />
erstes den Zielflughafen und die möglichen Ausweichflugplätze<br />
bezüglich Wetter und NOTAMs auf Anfliegbarkeit<br />
überprüft, auch operationelle Gründe haben Einfluss auf<br />
meine Wahl des Ausweichflugplatzes gehabt. Danach bin ich<br />
in die Routenplanung eingestiegen und habe zunächst die<br />
sprit-, zeit- und kostengünstigste Strecke mit den heutigen<br />
Nordatlantik-Tracks verglichen. Ich analysierte und bewertete<br />
verschiedene Parameter, wie Fuel- und Überflugskosten,<br />
Regularien der einzelnen Länder, die mich auf eine bestimmte<br />
Streckenführung einschränken, Streckenlänge, Streckenwinde,<br />
Lage von Turbulenzen und Ankunftspünktlichkeit.<br />
✈✈<br />
Routenplanung – eine der zentralen Aufgaben.<br />
40
Dispatch<br />
der flugleiter 2012/02<br />
Schließlich habe ich mich für ein Routing über den NAT<br />
(North Atlantic Track) Track C <strong>als</strong> die schnellste, wirtschaftlichste<br />
und für die Passagiere komfortabelste Strecke entschieden.<br />
Ich habe den ATC Flugplan an IFPU1 (Integrated<br />
Flight Plan Unit) und IFPU2 verschickt, eine positive Rückmeldung<br />
erhalten, auch seitens Eurocontrol ist meine Flugroute<br />
nun akzeptiert. Den operationellen Flugplan mit der Treibstoffberechnung<br />
versende ich jetzt, und das System generiert<br />
aus meinen Eingaben das sogenannte Briefing Paket mit<br />
Platz-und Streckenwetter, Notams und weiteren operationellen<br />
Informationen für die Flight Crew. Die LH400 nach New<br />
York JFK kann getrost zum geplanten Schedule abfliegen.<br />
06:20 Uhr:<br />
Das Telefon klingelt. Mein Kollege vom Customer Helpdesk<br />
teilt mir mit, dass für die LH400 noch weitere vier Tonnen<br />
Cargo gekommen sind. Diese Information bekommen wir<br />
vom Load Controller der Abteilung Global Load Control. Gemäss<br />
der Regularien muss ich den Flugplan nun angleichen<br />
und noch einmal mit dem aktuellen ZFW versenden, da<br />
Gewichtsabweichung größer <strong>als</strong> 3000 kg sich signifikant auf<br />
den Spritverbrauch auswirken. Ich teile dem Piloten der<br />
LH400 die Gewichtsveränderung und den Mehrverbrauch<br />
noch schnell per ACARS (Aircraft Communication Adressing<br />
& Reporting System) mit. Wir haben Glück, der Kapitän hatte<br />
Extra Fuel getankt, sodass das höhere Gewicht kein Nachtanken<br />
erfordert und der pünktliche Abflug nicht gefährdet ist.<br />
06:30 Uhr:<br />
Ein Flug nach Afrika, die LH564 ist meine nächste Aufgabe.<br />
Das Ziel ist Lagos. Dort gibt es aufgrund der lokalen Besonderheiten<br />
häufig Probleme mit der Betankung des Rückfluges.<br />
Und auch heute lese ich in den NOTAMs, dass in Lagos<br />
Probleme mit der Bereitstellung von ausreichend Treibstoff<br />
für den Rückflug zu erwarten sind. Der Blick in eines unserer<br />
Informationssysteme bestätigt dies. Ich muss <strong>als</strong>o schon ex<br />
Frankfurt Additional Fuel für den Rückflug einplanen. Das<br />
System, aus dem ich die Bestätigung der vorhandenen Fuelproblematik<br />
ablesen konnte, wird von der Abteilung für<br />
Treibstoffeinkauf -und management gespeist. Mit den Kollegen<br />
stehen wir häufig in Kontakt, sie helfen uns bei allen Fragen<br />
rund um Treibstoffverfügbarkeit und Kosten an den jeweiligen<br />
Airports. Besteht am Zielort, aus welchen Gründen<br />
auch immer, keine Möglichkeit, zu tanken, kann dies gerade<br />
auf längeren Strecken weitreichende Folgen für die Planung<br />
haben. In erster Linie möchten wir ja unsere Fluggäste mit<br />
ihrem Gepäck, Post und Cargo von A nach B transportieren<br />
und nicht Sprit durch die Gegend fliegen. So muss man <strong>als</strong>o<br />
im schlimmsten Fall abwägen, ob man tatsächlich Abstriche<br />
bei der Payload machen muss oder vielleicht eine Zwischenlandung<br />
an einem Platz mit ausreichender Spritversorgung<br />
machbar ist. Diese Optionen müssten dann in enger Zusammenarbeit<br />
mit den Verkehrsleitern und auch Crewcontrol erörtert<br />
werden, auch zum Beispiel im Hinblick auf die maximale<br />
Duty Time der Crew. Heute habe ich Glück, alle<br />
Parameter passen zusammen, es geht ohne Einschränkungen<br />
und Zwischenlandung, <strong>als</strong>o kann ich auch diesen Flug<br />
vorerst abschließen.<br />
06:55 Uhr:<br />
Nächster Akt, ein Flug nach Moskau steht zur Planung an.<br />
Schnee und eisige Ostwinde in Russland machen heute eine<br />
Landung in Moskau beinahe unmöglich. Und man findet<br />
auch für die Alternate Planung in der weiteren Umgebung<br />
kaum sinnvolle Möglichkeiten. Nach längerer Suche und<br />
dem sorgfältigen Abgleich der vorgegebenen Landeminima<br />
mit den herrschenden Wind- und Wetterbedingungen, werde<br />
ich schliesslich doch noch fündig. Das ist auch der Grund, warum<br />
diese Flüge manuell kalkuliert werden. Normalerweise<br />
werden bei uns Kurzstreckenflüge vom LIDO AOS (Airline Operations<br />
Support) in einem automatisierten Planungsprozess<br />
berechnet. Programmbedingt hat dieser „Automat“ allerdings<br />
Grenzen, sowohl beim Wetter-und Notamcheck <strong>als</strong> auch bei<br />
der Routenplanung. Deshalb werden bei uns auch Kurzstrecken,<br />
bei denen eine akkurate Planung, Fingerspitzengefühl<br />
und das Ausschöpfen aller Möglichkeiten Voraussetzung für<br />
die Machbarkeit eines Fluges sind, manuell bearbeitet.<br />
07:35 Uhr:<br />
Und noch ein Flug nach Russland. Diesmal geht es nach St.<br />
Petersburg. Auch hier gestaltet sich die Planung ähnlich<br />
schwierig wie zuvor bei dem Flug nach Moskau. Also noch<br />
einmal volle Konzentration. Nebenbei ein kurzes Telefonat<br />
mit dem Kapitän der Moskau-Maschine. Er möchte wissen,<br />
warum ich den ein oder anderen Platz nicht <strong>als</strong> Alternate geplant<br />
habe. Zügig spreche ich die Plätze mit ihm durch und<br />
erläutere, warum sie für die Planung und eventuell auch <strong>als</strong><br />
Info-Alternates ausgefallen sind. Er ist zufrieden und nimmt<br />
den Plan so an.<br />
08:05 Uhr:<br />
Während ich unsere Planungssoftware LIDO (Lufthansa Integrated<br />
Dispatch Operations) für meinen nächsten Flug LH414<br />
von MUC nach IAD alle heute vorgegebenen NAT-Tracks und<br />
auch wieder das sprit-, zeit- und kostengünstigste Routing<br />
über den Atlantik rechnen lasse, habe ich kurz Zeit, mir einen<br />
Kaffee und ein Frühstücksbrötchen zu holen.<br />
08:15 Uhr:<br />
Aus den eben vorab gerechneten Routen suche ich mir das in<br />
meinem Augen optimale Routing aus, versehe es mit veröffentlichten<br />
Ab- und Anflugrouten und beachte dabei für meine<br />
Planung bis zum NAT Entry Point die RAD (Route Availability<br />
Document) Vorgaben. Ich muss zusehen, dass ich über<br />
den Atlantik entweder vollständig einen der vorgegebenen<br />
NAT OTS (Organized Track System) Tracks befliege oder ganz<br />
davon frei bleibe. Ausserdem muss ich die besonderen Vorgaben<br />
für den Überflug des New Yorker Luftraums bei einer<br />
geplanten Landung in Washington beachten.<br />
08:30 Uhr:<br />
Auch meine Kollege, der heute am Customer Service Desk<br />
sitzt, hat heute jede Menge zu tun. Das Bundesministerium<br />
für Verteidigung mit der Langstreckenflotte der Flugbereitschaft<br />
vertraut seit vielen Jahren unserer Flugplanung. Für<br />
41
der flugleiter 2012/02<br />
Dispatch<br />
09:50 Uhr:<br />
Auf zum nächsten Flug. Ein A330 an die Westküste der USA,<br />
nach Seattle. Da der A330 mit nur zwei Triebwerken ausgestattet<br />
ist, muss ich gemäss der ETOPS Regeln planen. Mal<br />
sehen, welche Flughäfen entlang meines favorisierten Flugweges<br />
bei diesem typisch schmuddeligen Winterwetter die<br />
ETOPS Kriterien erfüllen. Im dümmsten Fall muss ich mein<br />
Routing an die Gegebenheiten anpassen und es so lange<br />
verbiegen, bis es innerhalb der Stunden- und ETOPS-Kreise<br />
verläuft. Also auch hier lässt sich mit einer sorgfältigen Planung<br />
und gewissenhaftem Ausloten der Möglichkeiten viel<br />
Sprit, Zeit und damit Geld sparen. Keflavik scheidet heute<br />
mit 45 Knoten Wind von der Seite aus. Shannon passt prima,<br />
Goose Bay geht trotz leichten Schneefalls gerade noch, aber<br />
dann wird es schwierig. Denn heftige Winde und schlechte<br />
Sichtverhältnisse in Nord-Canada machen die meisten Flughäfen<br />
für eine Landung unbrauchbar. Schliesslich finde ich<br />
mit Yellowknife doch noch eine passende Lösung. Auf Grund<br />
der besonderen Wetterbedingungen entscheide ich mich,<br />
die Crew zur Briefingzeit anzurufen und kurz meine Entscheidungen<br />
hinsichtlich der Route und den Ausweichflugplätzen<br />
zu erläutern. Normalerweise findet bei uns crewseitig ein<br />
Selbstbriefing statt. Bei besonderen Wetter- oder Luftraumsituationen<br />
erhält aber die Crew weiterhin von uns ein perheute<br />
hat die Flugbereitschaft der Bundeswehr mehrere Flugpläne<br />
für Truppentransporte von und nach Afghanistan in Auftrag<br />
gegeben. Ausserdem fliegt Aussenminister Westerwelle<br />
heute zu einem Gespräch mit seinem spanischen Kollegen<br />
nach Madrid. Auch dieser Flugplan wird von uns berechnet.<br />
09:00 Uhr:<br />
Der Flug LH756 nach Mumbai fordert eine sehr genaue Überprüfung<br />
der Streckenbestimmungen und Überflug-Rechte,<br />
denn aufgrund der günstigeren Winde geht die Route heute<br />
über den Iran, dessen gesetzliche Bestimmungen äusserst<br />
einschränkend sind. Bei einer Flugplanung über kriegs- oder<br />
krisengebeutelte Länder haben nämlich neben den bereits<br />
genannten Parametern auch politische und diplomatische<br />
Vorgaben grössten Einfluss auf die Planung der Route.<br />
09:28 Uhr:<br />
Das Telefon klingelt erneut. Ein Kollege der Verkehrsleitung<br />
teilt mir mit, dass er bei dem Flug LH1142 von Frankfurt nach<br />
Bilbao einen Aircraft-Change vornehmen musste. Ich notiere<br />
mir die neue Registration und versuche, die Änderung zeitnah<br />
einzuarbeiten, damit die Crew den richtigen Plan mit<br />
dem richtigen Flugzeug schnellstmöglich zur Verfügung hat<br />
und auch bei ATC das nun geänderte Flugzeug <strong>als</strong> CHG<br />
(Change) einläuft. Flüge nach und von Bilbao werden manuell<br />
von einem Dispatcher gerechnet, da der Platz sowohl für<br />
die Landung (Go-Around-Case) <strong>als</strong> auch für den Start Perfor-<br />
mance kritisch ist. Auch dieses Problem kann der AOS mit<br />
der automatischen Flugplanung nicht korrekt verarbeiten.<br />
42
Dispatch<br />
der flugleiter 2012/02<br />
sönliches Briefing. Dies kann telefonisch oder auch, bei Abflügen<br />
aus Frankfurt, persönlich stattfinden.<br />
10:30 Uhr:<br />
Beim Filen des Flugplans für Delhi kassiere ich einen SLOT<br />
mit einem Delay von fast 45 Minuten. Inklusive der Taxi Zeit<br />
ergibt sich daraus ein Delay von fast einer Stunde. Da wird<br />
die Crew gar nicht begeistert sein. Mal sehen, ob der SLOT-<br />
Koordinator, unsere Schnittstelle zu ATC, mir vielleicht einen<br />
guten Tip geben kann. Mit Hilfe des CHMI, unserer EDV<br />
Schnittstelle zu Eurocontrol verwaltet er die SLOTS aller von<br />
uns Dispatchern oder dem AOS bei ATC aufgegebenen Flüge.<br />
Auch alle Rückmeldungen zu den Flugplänen via CHMI oder<br />
AFTN (Aeronautic Fix Telecommunication Network) wie zum<br />
Beispiel FLS (Flight Suspension), REJ (Flight Rejection), FCM<br />
(Flow Control Message) oder auch jedes ACK (Acknowledge)<br />
gehen über seinen Tisch. Entweder bearbeitet er diese Messages<br />
gleich selbst, oder gibt die jeweilige Meldung an den<br />
für den Flug zuständigen Dispatcher weiter. Bei Flügen mit<br />
SLOT achtet er darauf, dass ETD (Estimated Departure) und<br />
CTOT (Calculated Take off Time) zueinander passen und koordiniert<br />
eventuelle Abweichungen. Durch sein permanentes<br />
Selbstbriefing über die aktuellen Kapazitäten in den Lufträumen<br />
hat er recht schnell einen Vorschlag für mich, wie ich<br />
für meinen Flug den SLOT vermeiden kann. Ich ändere das<br />
Routing, sende die Änderung an Eurocontrol und erhalte die<br />
gewünschte Nachricht: SLC (Slot cancelled).<br />
12:05 Uhr:<br />
Nach zwei weiteren Flügen über den Atlantik und einem innereuropäischen<br />
Flug steht noch ein weiterer Langstreckenflug<br />
nach Japan auf dem heutigen Programm. Ich stelle fest,<br />
dass bei LH714 von München nach Narita das Flugzeug auf<br />
Grund eines technischen Defekts gemäss den Anweisungen<br />
der MEL (Minimum Equipment List) einen höheren Spritverbrauch<br />
hat und ich ca. 800 kg mehr Fuel einplanen muss. Mit<br />
einem kurzen Remark im Flugplan und Angabe der Referenznummer<br />
in der MEL weise ich die Crew drauf hin, dass ich die<br />
technischen Einschränkungen bemerkt und mit dem Additional<br />
Fuel bei meiner Planung auch berücksichtigt habe.<br />
13:00 Uhr:<br />
Nach 7 Stunden durchgehender Arbeitsbelastung meldet<br />
sich nun mein Magen und signalisiert: Jetzt bin ich selbst<br />
,Low on Fuel‘. Zeit für eine kurze Mittagspause. Richtig enspannt<br />
lässt sich die Pause nie nehmen, denn der Betrieb<br />
läuft ja weiter und eventuelle Rückfragen zu meiner Planung<br />
seitens der Crew und alle Gewichtsänderungen und Aircraft<br />
Changes müssen nun von meinen Kollegen neben ihrem eigenen<br />
Pensum bearbeitet werden, weil die Situation meist<br />
keinen Aufschub duldet.<br />
13:30 Uhr:<br />
Zeit für den Endspurt. Die letzten beiden Flüge sind heute<br />
LH458 von München nach San Francisco und LH636 von<br />
Frankfurt nach Kuwait. Auf dem Kuwaitflug wird heute ein<br />
Notfallpatient in unserem PTC (Passenger Transport Compartment),<br />
der Lufthansa eigenen mobilen Krankenintensivstation,<br />
mitfliegen. Ich setze den Status des Fluges bei ATC<br />
auf STS/HOSP, damit der Flug von ATC eventuell bevorzugt<br />
wird, um möglichst schnell ans Ziel zu kommen. Um die<br />
Schwere der Erkrankung oder Verletzung des Passagiers zu<br />
signalisieren, werden sogenannte NACA Scores vergeben.<br />
Der Patient heute wird mit NACA IV gemeldet. Erst ab NACA V<br />
ist STS/ATFMEXEMPTAPPROVED erlaubt und mit einer vollkommenen<br />
Befreiung jeglicher ATC Restrictions zu rechnen.<br />
Ohne dass ich es gemerkt habe, ist der Vormittag wie im Flug<br />
vergangen. Ich habe heute rund 500.000,- US Dollar Treibstoff<br />
und rund 70.000,- US Dollar Überfluggebühren verplant,<br />
durch geschickte Flugwegplanung ist es mir wieder<br />
einmal gelungen an nur einem Tag den Großteil meines Monatsgehaltes<br />
einzusparen. Ähnlich gelagert sind die Kosteneinsparungen<br />
auf der Arbeitsposition des Slotkoordinators,<br />
jährlich können wir Verspätungskosten von rund 20 Millionen<br />
US Dollar vermeiden.<br />
Noch ein schneller Blick auf die Übersicht von Morgen: Bin<br />
ich wieder <strong>als</strong> Dispatcher eingeteilt oder zur Abwechslung<br />
morgen mal auf der Position des Slotkoordinators, überwache<br />
ich auf der AOS Position die automatische Flugwegplanung<br />
oder bin ich vielleicht morgen <strong>als</strong> Customer Service<br />
Officer für Flugbereitschaft & Co zuständig? Ein Blick verrät,<br />
der Senior hat mich <strong>als</strong> Slotkoordinator eingeteilt, das freut<br />
mich, ich mag die Abwechslung und die verschiedenen Ansprüche,<br />
die die wechselnden Positionen an mich stellen.<br />
Nun übergebe ich an die Spätschicht und mache mich auf<br />
den Weg nach Hause. Auf dem Heimweg überfällt mich dann<br />
die Müdigkeit und mir wird wieder bewusst, wie anspruchsvoll<br />
der Beruf doch ist. Stundenlange Arbeit auf einem sehr<br />
hohem Konzentrationslevel und das im Schichtdienst bleiben<br />
nicht in den Kleidern hängen.<br />
Daniel Jacobi<br />
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der flugleiter 2012/02<br />
Dispatch<br />
Global Dispatch<br />
Lufthansa Passage<br />
Die beiden Zentralaufgaben von Global Dispatch sind die<br />
weltweite Flugwegplanung der Lufthansa Passage Airline<br />
und die Slotkoordination im ECAC Airspace. Die Standorte<br />
der Dispatchbüros sind derzeit in Frankfurt, in Hongkong<br />
und ab Juli 2012 auch in München. Zurzeit arbeiten 55<br />
Dispatcher im 24 Stunden Schichtbetrieb in Deutschland,<br />
5 Dispatcher arbeiten in Hongkong mit lokalem Tarifvertrag.<br />
Die Arbeitspositionen bei uns heißen: Flugplaner, Slotkoordinator,<br />
AOS Officer und Customer Helpdesk. Mit LBA Lizenz<br />
ausgestattet, ist jeder Dispatcher universell einsetzbar, weshalb<br />
rotierend auf jeder Arbeitsposition gearbeitet werden<br />
kann. Die Verantwortung für die Schicht obliegt dem jeweiligen<br />
Schichtleiter. Zur Flugplanung benutzen wir das von LH<br />
Systems entwickelte Flugplanungstool LIDO, zur Slotkoordination<br />
das Eurocontrol CHMI. In Frankfurt werden täglich<br />
1200 Flüge bearbeitet, in Hongkong 70, im Sommerflugplan<br />
kommen saisonal noch einige dazu.<br />
Rund eintausend Flüge sind Kurz- und Mittelstreckenflüge,<br />
die vom Planungsautomaten gerechnet werden, die verbleibenden<br />
rund 200 Flüge werden vom Dispatcher manuell geplant.<br />
Zu diesen manuell zu bearbeitenden Flügen gehören<br />
alle Langstreckenflüge und von uns identifizierte Kurz-und<br />
Mittelstrecken, die aufgrund von Besonderheiten besser<br />
manuell geplant werden.<br />
Hierbei können die Kolleginnen und Kollegen durch Sachverstand<br />
und Erfahrung den sowohl sichersten <strong>als</strong> auch wirtschaftlichsten<br />
Flugplan errechnen. Ebenso ist es bei der manuellen<br />
Planung möglich, operationell sinnvolle Dinge, die<br />
dem Automaten fremd sind, einfließen zu lassen. Fremd ist<br />
dem Automaten auch die Kapazität der jeweiligen Lufträume<br />
und die Lage von Turbulenzen. Pünktlichkeit und Passagierkomfort<br />
liegen <strong>als</strong>o auch planerisch in den Händen der Dispatcher.<br />
Kommt es während des Fluges zu Fragen oder Unregelmäßigkeiten,<br />
stehen wir der Flight Crew <strong>als</strong> „Inflight Assisstance“<br />
mit Rat und Tat zur Seite, berechnen „Inflight Pläne“<br />
oder koordinieren Abweichungen mit den jeweiligen ATC<br />
Centern.<br />
Zu unseren externen Kunden gehören die South African Airways<br />
und das Bundesministerium für Verteidigung mit der<br />
Langstreckenflotte der Flugbereitschaft. Sowohl Frau Dr.<br />
Merkel, weitere Regierungsmitglieder, <strong>als</strong> auch die Truppen<br />
in den Krisengebieten vertrauen sich unserer Planung an.<br />
In den letzten Jahren haben sich unsere Arbeitsbedingungen<br />
und die Lohnentwicklung einseitig zu unserem Nachteil entwickelt,<br />
bei gleichzeitig ständig steigender Komplexität der<br />
Aufgaben. Da diese Punkte bei der bisher einzig zuständigen<br />
Arbeitnehmervertretung ver.di kein Gehör fanden, waren wir<br />
sehr froh, dass dies bei der GdF vom Erstkontakt an komplett<br />
anders gewesen ist. So ist es auch nicht verwunderlich, dass<br />
wir innerhalb von zwei bis drei Monaten einen sehr hohen<br />
Organisationsgrad erreicht haben.<br />
Danke für die freundliche Aufnahme in die GdF.<br />
Christof Eichner<br />
44
Grassroute Cuttings<br />
der flugleiter 2012/02<br />
Grassroot Cuttings oder<br />
die letzte Sicht der Dinge<br />
Schadenersatzforderungen und der<br />
Kampf gegen lästige Gewerkschaften<br />
Keine Frage, es gab schon bessere Zeiten für deutsche Fluggesellschaften.<br />
Air Berlin hat seit Jahren keine schwarzen<br />
Zahlen mehr geschrieben und hat aber nun, nachdem Etihad<br />
Airways aus dem fernen Abu Dhabi bei der zweitgrößten<br />
deutschen Airline eingestiegen ist, einige Chancen, die Kurve<br />
zu kriegen. Lufthansa, der strahlende Stern am deutschen<br />
Luftfahrthimmel, musste in der letzten Zeit einige Rückschläge<br />
hinnehmen. So wurde im Oktober letzten Jahres das Experiment<br />
Lufthansa Italia zu Grabe getragen, die Tochter bmi<br />
nur wenig später an die Muttergesellschaft des Konkurrenten<br />
British Airways verkauft und nachdem sich die mit der<br />
chinesischen Shenzhen Airlines aus der Taufe gehobene<br />
Frachtfluggesellschaft Jade Cargo <strong>als</strong> etwas flügellahm erweist,<br />
fragt sich das Management des Kranichfliegers, ob es<br />
nicht sinnvoll wäre, bei der chinesischen Beteiligung wieder<br />
auszusteigen. Auch bei der österreichischen Tochter AUA<br />
steht es nicht zum besten. Inzwischen gibt es (Stand Anfang<br />
März) Gerüchte, dass sich die Lufthansa möglicherweise<br />
auch dort verabschieden könnte. Da wurde, um es salopp zu<br />
formulieren, jede Menge Geld versenkt.<br />
Interessant ist, dass die Schadenersatzforderungen nicht<br />
wegen eines Streiks gestellt wurden, sondern weil dieser<br />
Streik nicht stattgefunden hat. Denn allein die Streikandrohung<br />
der GdF, so wird von den Klägern vorgebracht, hätte die<br />
Passagiere davon abgehalten, bei Lufthansa, Air Berlin und<br />
Ryanair einen Flug zu buchen. Dadurch wäre den Fluggesellschaften<br />
ein wirtschaftlicher Schaden entstanden, für den<br />
die Gewerkschaft gerade zu stehen hätte. Schade eigentlich,<br />
dass sich solche Übeltäter wie EHEC, Vogelgrippe, Tsunamis<br />
und Vulkanasche nicht verklagen lassen. Aber vielleicht können<br />
es Lufthansa und Co. ja mal bei jenen Staaten in Nordafrika<br />
und im Nahen Osten versuchen, in denen beim „arabi-<br />
✈ ✈ Lufthansa fühlt sich zu Schadensersatzforderungen<br />
verpflichtet<br />
Photo: Harald M. Helbig<br />
Sparen ist <strong>als</strong>o angesagt und da kam man offensichtlich auf<br />
die Idee, man könnte sich ja beim Störenfried GdF schadlos<br />
halten. So wurde denn von den beiden Fluggesellschaften<br />
und der irischen Ryanair beschlossen, eine Schadenersatzforderung<br />
von insgesamt etwas mehr <strong>als</strong> 3,2 Mio. € zu erheben.<br />
Wobei auf diese etwas ungewöhnliche Allianz nicht besonders<br />
eingegangen werden soll. Bekanntlich sind sich<br />
Ryanair und Lufthansa nicht so besonders grün; Michael<br />
O’Leary, CEO des irischen Billigfliegers hat ja auch schon mal<br />
eine seiner B737 mit dem Schriftzug „Auf Wiedersehen Lufthansa“<br />
bemalen lassen. Möglichweise sah das Ryanair-<br />
Management, dessen Innovationsabteilung bekanntlich mit<br />
kuriosen Ideen wie Gebühren für die Toilettennutzung oder<br />
die Einrichtung von Stehplätzen in ihren Boeings immer wieder<br />
von sich reden macht, in der Schadenersatzforderung<br />
eine gute Chance, etwas Geld in die Kassen zu spülen. Zumal<br />
ja die EU-Kommission sich anschickt, die staatlichen Zuschüsse<br />
an diversen Airports zu überprüfen und damit auch<br />
die Frage zu beantworten, ob einige dieser Flughäfen einigen<br />
ihrer Kunden möglicherweise einen unzulässigen Rabatt<br />
eingeräumt haben. Zu diesen Airports zählen in Deutschland<br />
Lübeck, Saarbrücken und Zweibrücken sowie Klagenfurt in<br />
Österreich. Zu deren Kunden gehört natürlich auch Ryanair<br />
und wer weiß, wie die Angelegenheit ausgeht. Möglicherweise<br />
werden diese Airports verdonnert, von den von ihnen<br />
bevorzugten Airlines Geld zurückzufordern.<br />
45
der flugleiter 2012/02<br />
Grassroute Cuttings<br />
schen Frühling“ etwas ungeordnete Verhältnisse entstanden<br />
und die Passagierzahlen in diese Länder eingebrochen sind.<br />
Irgendwie fühlt man sich an jenes Bonmot erinnert, nach<br />
welchem ein kinderloser Ehemann einen Antrag auf Kindergeld<br />
gestellt hat und auf den Einwand, er habe doch gar keine<br />
Kinder, erwiderte: „Stimmt schon, aber theoretisch wäre<br />
ich ja dazu in der Lage und ich habe es meiner Frau auch<br />
schon angedroht.“ Erstaunlich ist jedoch folgendes: die Lufthansa<br />
hat erklärt, sie wäre gemäß § 76 des Aktiengesetzes<br />
verpflichtet, diese Klage zu erheben. Denn sie hätte die Interessen<br />
ihrer Aktionäre und Kapitalgeber zu schützen. Sprich<br />
– dafür zu sorgen, dass diese eine ordentliche Rendite einstecken<br />
können. Denkt man dies konsequent zu Ende, dann<br />
nimmt das Aktiengesetz in den Augen der Lufthansa einen<br />
höheren Stellenwert ein <strong>als</strong> das Grundgesetz, das bekanntlich<br />
den Gewerkschaften das Recht einräumt, die Interessen<br />
ihrer Mitglieder zu vertreten. Und wenn es sein muss, auch<br />
mit einem Streik. Als ob Aktionären das grundgesetzlich verbriefte<br />
Recht auf eine ordentliche Rendite zustehen würde.<br />
Dies wirft ein eigentümliches Licht auf das Verhältnis unserer<br />
verbrieften Grundrechte zu den Interessen des Kapit<strong>als</strong>.<br />
Gemäß dem Motto, dass demokratische Werte schon ihren<br />
Stellenwert hätten. Vorausgesetzt, sie verstoßen nicht gegen<br />
die Kapitalinteressen der Wirtschaft. Das mag etwas<br />
hart formuliert sein. Aber wenn man sich vergegenwärtigt,<br />
dass Silvio Berlusconi nicht aufgrund seiner Eskapaden und<br />
seinem stetigen Bemühen, im italienischen Parlament Gesetze<br />
ausschließlich zu seinem Nutzen durchzupeitschen,<br />
sondern aufgrund seiner Unfähigkeit, das italienische<br />
Staatswesen zu reformieren und den damit verbundenen<br />
wirtschaftlichen Schaden zu begrenzen, in die Wüste geschickt<br />
wurde und dass Victor Urban von der EU nicht die<br />
rote Karte gezeigt bekam, <strong>als</strong> er sich anschickte, unsere<br />
westeuropäischen demokratischen Werte mit Füßen zu treten,<br />
sondern weil er an der Unabhängigkeit der ungarischen<br />
Nationalbank rütteln wollte, so stellt sich schon die Frage,<br />
welchen Stellenwert unsere (west)europäischen Wertvorstellungen<br />
gegenüber Kapitalinteressen einnehmen.<br />
einmal wieder vorgeworfen wurde, sie würde mit ihrem Arbeitskampf<br />
tausende von Passagieren in „Geiselhaft“ nehmen.<br />
Dabei hätte sich der Arbeitsdirektor des Flughafens<br />
zumindest im stillen Kämmerlein einmal fragen können, wie<br />
er <strong>als</strong> ehemaliger Gewerkschaftsführer denn reagiert hätte,<br />
wenn der Vorschlag des vom Arbeitgeber eingesetzten<br />
Schlichters von der Gewerkschaft akzeptiert, von der Arbeitgeberseite<br />
jedoch abgelehnt worden wäre. Einfach die Fahnen<br />
nach dem Motto „war ja nicht so gemeint“ wieder einrollen<br />
und nachhause gehen?<br />
Mit entsprechender Unterstützung der journalistischen<br />
Hilfstruppen wurde dann von der Arbeitgeberseite einmal<br />
wieder an die Politik appelliert, den Einfluss der Spartengewerkschaften<br />
mit dem Argument einzuschränken, dass eine<br />
kleine Zahl von Spezialisten doch nicht in der Lage sein dürfe,<br />
einen ganzen Flughafen lahmzulegen. Vielmehr müsse<br />
der Grundsatz „Ein Betrieb, ein Tarifvertrag“ wiederhergestellt<br />
werden. Und ewig grüßt das Murmeltier!<br />
Inzwischen scheinen Dieter Hundt, Klaus-Peter Siegloch und<br />
Konsorten bei der Politik Gehör zu finden. Wobei natürlich<br />
schamhaft verschwiegen wird, dass es bei vielen Unternehmen<br />
(so bei der Fraport Zeitarbeitstochter APS) schon lange<br />
unterschiedliche Tarifverträge gibt und dass die Arbeitergeber<br />
schon seit langem versuchen, sich bestehenden Tarifverträgen<br />
zu entziehen oder sich der Dienste christlicher Gewerkschaften<br />
und sonstiger Verbände bedienen, ihr Personal<br />
Natürlich werden Gewerkschaften weder von der Politik<br />
noch von der Wirtschaft in Frage gestellt. Vorausgesetzt, sie<br />
halten sich an die Spielregeln, die von den Großen beim DGB<br />
und bei den Wirtschaftsverbänden aufgestellt wurden und<br />
nach welchen die „Deutschland AG“ im Wesentlichen funktioniert.<br />
Wer sich nicht daran hält, muss sich schon mal warm<br />
anziehen. Das zeigte sich natürlich auch am Tarifkonflikt zwischen<br />
der GdF und Fraport. Spätestens nachdem das Flughafenmanagement<br />
den Schlichterspruch Ole von Beusts nicht<br />
angenommen hatte, war es klar, dass es hier nicht um die<br />
Suche nach einem Kompromiss ging, sondern um die Niederringung<br />
einer kleinen, aufmüpfigen Gewerkschaft, der dann<br />
Photo: Internet<br />
46
Grassroute Cuttings<br />
der flugleiter 2012/02<br />
in Dumpingtarifverträge abzuschieben. Desweiteren sollten<br />
sich die Politik, die Arbeitgeber und die großen DGB-Gewerkschaften<br />
einmal fragen, ob die von ihnen kritisierten<br />
Spartengewerkschaften plötzlich vom Himmel gefallen sind<br />
oder ob sie nun in eine Lage geraten sind, die sie, um den<br />
ehemaligen Vorsitzenden der IG Medien, Detlef Hensche, zu<br />
zitieren, „zum Teil in bemerkenswerter Torheit selbst provoziert<br />
haben“ . Weil sie, wie Hensche weiterschreibt, „die notwendige<br />
Sensibilität gegenüber den spezifischen Problemen<br />
einzelner Berufe vermissen (ließen) oder ... gar eine Kultur<br />
vermeintlicher Kernmitgliedschaften (pflegten); es gibt auch<br />
Abgrenzungstorheiten nach oben.“ Dazu sei auch noch ein<br />
weiterer Aspekt angeführt. Mit der Neutralisierung (um das<br />
Wort Vernichtung nicht zu gebrauchen) eben jener Spartengewerkschaften<br />
wird der soziale und berufliche Konflikt der<br />
von ihnen vertretenen Spezialisten ja nicht beseitigt. Wenn<br />
die dann niemand mehr haben, mit dessen Hilfe sie ihre Probleme<br />
und Forderungen artikulieren können, dann werden<br />
sie wohl auf andere Mittel und Wege ausweichen. Ältere Leser<br />
erinnern sich vielleicht noch an die „Slow-Go“- und<br />
„Dienst-nach-Vorschrift“ – Aktionen der sechziger und siebziger<br />
Jahre.<br />
Deshalb dürfte es für die Arbeitgeber auch wenig Sinn machen,<br />
die Brücken zu der Interessenvertretung der Controller<br />
abzubrechen oder sie gar in den finanziellen Ruin zu klagen.<br />
Ein vermeintlicher Sieg über die GdF und andere Splittergewerkschaften<br />
dürfte sich dann recht schnell <strong>als</strong> Pyrrhussieg<br />
herausstellen. Wobei nicht zu vergessen ist, dass die GdF bei<br />
der DFS ja gar keine „Splittergewerkschaft“ ist.<br />
Während der Tarifauseinandersetzung mit Fraport soll auch<br />
die Frage, ob man die Apron-Controller nicht in eine eigenständige<br />
Tochtergesellschaft überführen sollte, diskutiert<br />
worden sein. Das wäre, wenn man ehrlich ist, eine vernünftige<br />
Lösung. Nicht nur, weil es mit einem derartigen „Outsourcing“<br />
endlich einmal nicht um Lohndumping ginge, sondern<br />
weil es auch aus fachlichen Gründen Sinn machen würde.<br />
Vorausgesetzt diese Firma wird <strong>als</strong> Flugsicherungsdienstleister<br />
zertifiziert oder in einen solchen integriert. Denn immer<br />
dann, wenn Apron-Controller mit Piloten über Funk kommunizieren<br />
und ihnen Anweisungen erteilen, dann üben sie<br />
Bewegungslenkung durch. Und dafür müssen sie eigentlich<br />
im Besitz entsprechender Erlaubnisse und Berechtigungen<br />
und bei einem zugelassenen Flugsicherungsdienstleister angestellt<br />
sein. Fraport ist, soweit Finis informiert ist, ein solcher<br />
nicht. Was eigentlich ein Fall für das BAF wäre. Zertifizierte<br />
Flugsicherungsdienstleister gibt es ja einige in<br />
Deutschland. Unter anderem die DFS. Meint<br />
Finis<br />
1<br />
Detlef Hensche: Wider die Tarifeinheitsfront, Blätter für<br />
deutsche und internationale Politik, Heft 8/2010, S. 15<br />
47
der flugleiter 2012/02<br />
IFATCA<br />
IFATCA<br />
51. Jahreskonferenz<br />
“One Voice, one compability, one sky“<br />
Texte und Fotos von Jonathan Bötig und Jens Lehmann<br />
Spektakulär gestaltete sich schon die Anreise zur 51. IFATCA<br />
Jahreskonferenz in Nepal im März dieses Jahres. Von Westen<br />
her flog der Airbus A320 bei glasklarem Himmel etwa zwei<br />
Stunden parallel zum Himalaya, bevor die Piloten ihn zwischen<br />
bis zu 9000 Fuß hohen Gipfeln passgenau ins Kathmandu<br />
Valley hinein zirkelten und auf dem Tribhuvan International<br />
Airport aufsetzten. Dieser ist aufgrund seiner<br />
Topo graphie nur per VORDME Approach anzufliegen und gilt<br />
<strong>als</strong> einer der weltweit anspruchsvollsten Anflüge.<br />
Doch weniger die höchsten Berge der Welt <strong>als</strong> vielmehr die<br />
geringe Zahl der Flugverbindungen in das Himalayareich verhinderte<br />
die Anreise vieler Mitgliedsorganisationen. So erschienen<br />
von 137 Member Associations nur 52 zur Auftaktzeremonie<br />
am 12. März im Hotel Yak & Yeti. Insgesamt etwas<br />
über 400 Delegierte, Gäste und Beobachter warteten in der<br />
Regal Hall des traditionsreichen 5 Sterne Hotels etwa eine<br />
halbe Stunde auf die Ankunft des Ehrengastes, keinen geringeren<br />
<strong>als</strong> den Premierminister von Nepal. Unter großem Applaus<br />
erschien The Right Honorable Prime Minister Dr. Baburam<br />
Bhattarai kurz nach 10 Uhr und nahm seinen Ehrenplatz<br />
ein, während die ausländischen Delegierten der nepalesischen<br />
Nationalhymne lauschten, die die hochrangigen Vertreter<br />
der Nepalesischen Luftwaffe, Ministerien und die nepalesischen<br />
Kollegen innig mitsangen. Mit dem Anzünden<br />
der Panas Lamp durch den Premierminister Dr. Baburam<br />
Bhattarai wurde die Konferenz offiziell eröffnet.<br />
Einer folkloristischen Lakhe-Tanzeinlage zum Schutze Nep<strong>als</strong><br />
folgte die Eröffnungsrede vom IFATCA Präsidenten und<br />
–CEO, Alexis Brathwaite aus Trinidad und Tobago. Er erläuterte<br />
das (diesjährige) Motto der Konferenz „One Voice, One<br />
Compability, One Sky“<br />
Es folgte die Auszeichnung einiger hochverdienter nepalesischer<br />
Fluglotsen und Direktoren durch den Premierminister<br />
der Demokratischen Bundesrepublik Nepal. Anschließend<br />
betonte der Tourismusminister in seiner Rede, dass der Luftverkehr<br />
in Nepal kein Luxus, sondern Notwendigkeit sei. Dafür<br />
sprechen auch die hohe Zahl von über 40 Flugplätzen und<br />
die Vielzahl kleiner Fluggesellschaften, die zum allergrößten<br />
Teil VFR zwischen den Verkehrsknotenpunkten pendeln.<br />
Zum Einsatz kommen überwiegend 19- Sitzer aller möglichen<br />
Fabrikate. Hier unterstrich der Minister auch noch einmal<br />
die Wichtigkeit der Modernisierung und Anhebung des<br />
nepalesischen Air Traffic Systems auf internationales Niveau<br />
<strong>als</strong> Bestandteil der angestrebten „One Compability“. Nach<br />
einem üppigen Lunchbuffet im Hotelgarten ging es pünktlich<br />
um 13 Uhr 30 in die Arbeitsgruppen. Über die in der Arbeitsgruppe<br />
A behandelten und diskutierten Punkte berichtet<br />
Jens Lehmann im Anschluß an diesen Artikel. Die in den<br />
Arbeitsgruppen B, C, B und C besprochenen, verschiedenen<br />
Themen veröffentlichen wir in der nächsten Ausgabe des<br />
„flugleiter“, Nr. 3/2012.<br />
IFATCA PANEL<br />
Nach der letzten Sitzung der Arbeitsgruppen standen am<br />
Donnerstag noch die IFATCA Panel Präsentation und eine<br />
anschließende Podiumsdiskussion dazu auf dem Programm.<br />
Diese wurde dieses Jahr moderiert vom IFATCA Conference<br />
Executive Philipp Domogala aus Frankreich (Eurocontrol).<br />
Zum Thema „One Sky, One Voice, but one Capability?“ waren<br />
Chris Dalton, Neuseeländer und Chef der ATM Section der<br />
ICAO, Captain Paul McCarthy (USA) von der IFALPA, der<br />
Manager Safety, Operations und Infrastructure der IATA,<br />
Prashant Sanglikar aus Indien, der NATCA Präsident Pratap<br />
Tiwari und IFATCA CEO und Präsident Alexis Brathwaite eingeladen<br />
worden. Nach den zum Teil sehr interessanten Präsentationen<br />
von Chris Dalton, Captain McCarthy und Mr.<br />
Sanglikar konnte über das Thema diskutiert werden.<br />
48
IFATCA<br />
der flugleiter 2012/02<br />
Vor allem die Präsentation der IFALPA wurde rege besprochen.<br />
So forderte Paul McCarthy, die Arbeit auf beiden Seiten<br />
(ATC und Pilot) einfacher zu gestalten, beginnend mit<br />
akzeptablen Kommunikationsmöglichkeiten und ILS-Einrichtungen<br />
auf allen geeigneten Plätzen. Dies würde Kapazität<br />
schaffen durch Arbeits-Erleichterung.<br />
Auch kritisierte er, dass die zur Zeit zur Kapazitätssteigerung<br />
angelaufenen Projekte in Europa und Nordamerika das Kapazitätsproblem<br />
nicht wirklich lösen könnten. Er wäre <strong>als</strong><br />
Pilot zwar vielleicht schneller an seinem Zielflughafen, müsste<br />
dort aber wieder lange Wartezeiten in Kauf nehmen, da<br />
die Flughäfen nicht genügend Kapazität hätten. Einziger<br />
Ausweg: Mehr Start- und Landebahnen! Diese Aussage fand<br />
allgemein großen Anklang, wobei allerdings auf das auch in<br />
Deutschland nur all zu gut bekannte Problem hingewiesen<br />
wurde, dass Lärm- und Nachtflugregeln die Kapazität neugebauter<br />
Pisten wie z.Z. in Frankfurt bereits enorm einschränken<br />
würden.<br />
Die Airlines, vertreten durch Prashant Sanglikar, sprachen<br />
ein anderes interessantes Phänomen an: Wie kann „one<br />
compability“ erreicht werden, wenn die Gebühren der Airlines<br />
nicht wie vorgesehen in die Aviation-Infrastruktur gesteckt<br />
werden? Zum Schluss betonte Chris Dalton noch einmal<br />
die gute Zusammenarbeit der IFATCA mit der ICAO, durch<br />
die in der letzten Zeit viel erreicht werden konnte und noch<br />
erreicht werden kann.<br />
REGIONAL MEETINGS<br />
Am Morgen des letzten Konferenztages fanden die informellen<br />
Regional Meetings statt. Die 30 in Nepal vertretenen europäischen<br />
MAs hatten hier die Gelegenheit, sich gegenseitig<br />
über die neuesten Entwicklungen in ihrem Land zu<br />
unterrichten und – ganz ohne Protokoll – auch aktuelle Probleme<br />
anzusprechen.<br />
So berichtete Spanien von den Disziplinarverfahren gegen<br />
470 Fluglotsen, denen wegen angeblicher „serious offence<br />
against air traffic safety“ eine Strafe von bis zu 200.000 €<br />
droht. Nach der Amtsübernahme einer neuen Regierung in<br />
Spanien hofft die spanische MA USTA aber auf eine Besserung<br />
der Situation. Auf Zypern drohen Parallelen zu den Zuständen<br />
in Spanien: Wer gegen den Willen des Luftfahrtministers<br />
streikt, muss mit bis zu 2 Jahren Gefängnis oder 2500 €<br />
Strafe rechnen.<br />
Bestraft wird auch die Verweigerung von Überstunden. Auch<br />
wurde das Gehalt der zyprischen Fluglotsen um 40% gekürzt.<br />
Ähnliches wurde aus Portugal berichtet, wo eine 20%-<br />
ige Kürzung der Vergütung und ein Verzicht auf Zulagen hingenommen<br />
werden musste.<br />
FINAL PLENUM<br />
Nach einer kurzen Mittagspause fanden sich zum Abschluss<br />
alle Teilnehmer zum Final Plenum in der Regal Hall ein. Durch<br />
ein wie üblich überzeugt vorgetragenes „present“ gab Jens<br />
Lehmann zum für ihn letzten Mal die Anwesenheit der GdF<br />
beim sogenannten „Roll Call of Directors“ zu Beginn der Versammlung<br />
bekannt.<br />
Anschliessend wurden die Berichte der Arbeitsgruppen vorgestellt.<br />
Diese mussten dann von den 57 Directors der an<br />
diesem Tag anwesenden Member Associations akzeptiert<br />
werden. Dadurch erlangen die Beschlüsse der Kommittees<br />
ihre Gültigkeit und werden in die Handbücher übernommen.<br />
In den darauf folgenden Vorstandswahlen wurden der IFAT-<br />
CA Präsident und CEO Mr. Alexis Brathwaite, Mr. Darrell Meachum<br />
(USA) <strong>als</strong> Executive Vice President (EVP) Finance, EVP<br />
Professional Mr. Scott Shallies (Australien) und Mr. Željko<br />
Oreški aus Kroatien <strong>als</strong> EVP Europe für zwei weitere Jahre in<br />
ihrem Amt bestätigt.<br />
Ein für die GdF und die anwesende deutsche Delegation besonders<br />
erfreuliches Event erfolgte mit dem nächsten Punkt<br />
der Tagesordnung: den IFATCA Awards.<br />
Jens Lehmann wurde für seine jahrelange verdienstvolle und<br />
äusserst geschätzte Mitarbeit mit dem „Certificate of Appreciation“<br />
ausgezeichnet! Eine hochverdiente Auszeichnung,<br />
die von Jens auf seiner (vorerst) letzten IFATCA Konferenz<br />
gerne, wenn auch ein wenig überrascht, in Empfang genommen<br />
wurde. So endete mit diesem Highlight eine interessante<br />
und schöne Woche auf einer von den nepalesischen Kollegen<br />
perfekt organisierten Konferenz.<br />
49
der flugleiter 2012/02<br />
IFATCA<br />
Protokoll<br />
Committee A:<br />
Der Chairman Committe A, Mr. Paul Robinson (Neuseeland),<br />
eröffnete die erste Working Session am Montagnachmittag<br />
um 1400h. Zu diesem Zeitpunkt hatte die IFATCA offiziell 108<br />
ordentliche Mitglieder (Member Associations, MAs), von denen<br />
52 persönlich und weitere 11 durch Stimmübertragung<br />
anwesend waren. Somit war das Quorum mit 63 Stimmen<br />
erreicht und die Session konnte beginnen.<br />
Paul wurde durch Mr. Patrik Peters (IFATCA Deputy President)<br />
vom Maastricht UAC, Mr. Darrell Meachum (IFATCA<br />
Executive Vice President Finance) aus den USA, Mr. Jean<br />
Robert Dumfries (Conference Secretary) aus Aruba und Mr.<br />
Shishir Gautam aus Nepal unterstützt. Zunächst wurden<br />
auch in diesem Jahr die zum Teil sehr ausführlichen Jahresberichte<br />
aller IFATCA Vorstandsmitglieder, die überwiegend<br />
bereits vor der Konferenz <strong>als</strong> Information Paper vorlagen,<br />
ausgiebig vorgestellt und bei Bedarf erläutert. Diese sowie<br />
die gesamten Konferenzunterlagen können, auf Wunsch und<br />
wie immer, über die GdF-Geschäftsstelle eingesehen werden.<br />
Ein paar highlights: Frankreich und die Slovakei möchten auf<br />
eigenen Wunsch aus der IFATCA ausscheiden und bezahlen<br />
keine Beiträge mehr; aus Panama und Ecuador wurden Fluglotsen<br />
nach Peru gebracht, um dort deren (legalen!) Streik zu<br />
brechen; Jordanien möchte Mitglied der IFATCA European<br />
Region werden; aus Afrika wurde über zum Teil erhebliche<br />
Trainings- Ausrüstungs- sowie Airspace Design-Probleme<br />
berichtet, die im letzten Jahre mehrfach zu „Besonderen Vorkommnissen“<br />
in der Region geführt haben; in Spanien wurden<br />
zum Ende letzten Jahres durch die Regierung offizielle<br />
Disziplinarverfahren gegen 470 Fluglotsen eingeleitet.<br />
Alle Vorstandsmitglieder haben die zunehmende Menge und<br />
Komplexität ihrer Aufgaben herausgestellt und einräumen<br />
müssen, dass der IFATCA möglicherweise eine größere<br />
Strukturänderung bevorstehen muss. Bislang sind noch keine<br />
weitergehenden Schritte in dieser Richtung unternommen<br />
worden, doch sowohl die Erkenntnis <strong>als</strong>o auch die<br />
Dringlichkeit einer solchen Reform scheint deutlich zuzunehmen.<br />
Etwas mehr Redebedarf gab es naturgemäß wieder bei<br />
den Finanzen. Darrell Meachum aus den USA erläuterte seinen<br />
Bericht in diesem Jahr jedoch besonders detailliert und<br />
konnte, nach deutlicher Kritik im vergangenen Jahr, auf alle<br />
Fragen kompetent antworten. Da schlussendlich auch das<br />
alljährliche stattfindende Audit hervorragend und ohne<br />
Mängel ausfiel, stand der Entlastung des Vorstands nichts<br />
mehr im Wege.<br />
Auf Grund der stark gestiegenen Kosten für den Schweizer<br />
Auditor wird die zukünftige Beauftragung eines Kanadischen<br />
Audit-Büros beschlossen.<br />
Die weiteren Aufgaben des Financial Committee, FIC, bestehend<br />
aus den Bahamas, Trinidad&Tobago und UK, für das<br />
Fiskaljahr 2012/2013:<br />
1.) Review the rules pertaining to the use of funds by the Executive<br />
Board<br />
2.) Review the Admin Manual for areas potentially requiring<br />
amendment due to the Federation’s acceptance of GAAP,<br />
and recommend such amendments to Annual Conference<br />
3.) Continue in conjunction with CAC the review of the tax<br />
status of the Federation for the Swiss authorities<br />
4.) Consider a protocol for addressing circumstances where<br />
Corporate Members fail to remit their subscription fees<br />
on a timely basis<br />
Im Bericht des „The Controller“-Editors Philip Marien aus<br />
Masstricht wurde klargestellt, dass gegenwärtig die immer<br />
wieder gewünschte elektronische Verteilung des Magazins<br />
aus finanziellen Gründen nicht möglich ist. Auch soll noch<br />
einmal über die zukünftige Themenauswahl nachgedacht<br />
werden, um das Magazin noch attraktiver zu gestalten. Mit<br />
der Möglichkeit einer verstärkten Internet-Präsenz wie bei<br />
50
IFATCA<br />
der flugleiter 2012/02<br />
Facebook, Linkedin, Wayn, Twitter oder ähnlichen Soziale<br />
Netzwerken, wird sich der Vorstand beschäftigen. Da dies<br />
jedoch sehr viel Arbeit bedeuten würde, scheitert dies zur<br />
Zeit leider an der Zahl nötiger Freiwilliger.<br />
Im Bericht aus dem IFATCA Office gibt es zu vermerken, dass<br />
in nächster Zukunft ein neues Büro gefunden werden soll.<br />
Dabei spielt weniger die Büromiete die entscheidende Rolle<br />
<strong>als</strong> vielmehr die räumliche Nähe zur ICAO. Da immer mehr<br />
IFATCA Repräsentanten bei ICAO engagiert sind und dort arbeiten,<br />
soll für diese der lange Weg durch die Stadt aus verschieden<br />
und nachvollziehbaren Gründen möglichst verkürzt<br />
werden.<br />
Auch in diesem Jahr mussten die IFATCA Constitution and<br />
Bye-Laws wieder etwas überarbeitet werden. Da es sich dabei<br />
um sehr trockenen „Stoff“ handelt, soll hier nur am Rande<br />
darüber berichtet werden. Für den interessierten Leser<br />
stehen selbstverständlich sämtliche Änderungen über die<br />
GdF-Geschäftsstelle zur Verfügung.<br />
Das Arbeitspaket für das Constitutional and Administration<br />
Committee, CAC, für 2012/2013:<br />
1.) Review the content of the Admin Manual with regard to<br />
the provisions for the construction/presentation of working<br />
papers to conference.<br />
2.) Review the provisions in the Admin Manual regarding observers<br />
at Annual Conference.<br />
3.) Review deadlines for the submission and dissemination<br />
of working papers and other documents for Annual Conference.<br />
4.) Continue in conjunction with FIC the review of the tax status<br />
of the Federation.<br />
5.) Review the provisions in the Admin Manual for Closed<br />
Sessions<br />
Leider mussten auch in diesem Jahr wieder Mitgliedsverbände<br />
wegen wiederholt ausstehender Mitgliedsbeiträge und<br />
nicht zustande gekommener Kommunikation aus der IFATCA<br />
ausgeschlossen werden: Brasilien, Panama und Ruanda.<br />
Algerien und der Slovakei wurde bis Ende Mai 2012 Gelegenheit<br />
eingeräumt, die ausstehenden Beträge zu begleichen,<br />
da sonst ihre Mitgliedschaft automatisch enden wird.<br />
Bedauerlicherweise ist festzuhalten, dass weitere 23 Mitglieder<br />
im vergangenen Kalenderjahr nicht korrekt bezahlt haben<br />
und somit im nächsten Jahr zum Ausschluss anstehen. Auch<br />
vor dem Hintergrund, dass es in 2011 keine Neueintritte gegeben<br />
hat, wird dies zu einem drängenden Problem, dessen sich<br />
der Vorstand annehmen muss und wird. Allerdings soll in diesem<br />
Zusammenhang auch nicht unerwähnt bleiben, dass die<br />
GdF dieses Jahr sechs afrikanischen Verbänden finanziell geholfen<br />
hat, IFATCA Mitglied bleiben zu dürfen. Seit vielen Jahren<br />
ist es gängige Praxis, dass die großen und finanzstarken<br />
Verbände wie die USA und Kanada, aber auch Verbände wie<br />
EGATS aus Maastricht, swissATCA oder DATCA aus Dänemark<br />
und eben auch die GdF, es finanzschwachen Verbänden ermöglichen,<br />
mit einer kleinen finanziellen Unterstützung wenigstens<br />
in der IFATCA bleiben zu dürfen. Selbsterklärend<br />
kann dies kein dauerhafter Zustand sein, doch manche Verbände<br />
schaffen es einfach nicht, ihre anfallenden Mitgliedsbeiträge<br />
von zum Beispiel 173US$ zu schultern, um einen<br />
Ausschluss aus der IFATCA Gemeinschaft zu verhindern.<br />
Abschließend wurde Bali <strong>als</strong> Austragungsort für die 52. IFAT-<br />
CA Annual Conference 2013 bestätigt und Gran Canaria, <strong>als</strong><br />
einziger Bewerber für 2014, akzeptiert und <strong>als</strong> Gastgeber<br />
ernannt. Für 2015 haben die Bahamas und Bulgarien ihr Interesse<br />
bekundet. Auf Grund politischer Ereignisse, Naturkatastrophen<br />
oder ähnlich dramatischer Entwicklungen könnte<br />
es notwendig werden, eine bereits geplante Annual Conference<br />
kurzfristig in ein anderes Land zu verlegen. Kanada<br />
und Portugal haben sich bereit erklärt, zumindest für die<br />
Jahre 2013-2015 <strong>als</strong> „Plan B“ zur Verfügung zu stehen.<br />
51
der flugleiter 2012/02<br />
Luftwaffe<br />
Wenn Piloten vom Boden aus fliegen<br />
Eines ist sicher: der Einsatz von unbemannten Luftfahrzeugen wird insbesondere im militärischen<br />
<strong>als</strong> auch im zivilen Bereich in Zukunft zunehmen. Da diese Drohnen, UAVs (Unmanned<br />
Aerial Vehicle), UASs (Unmanned Aerial System) oder RPAs (Remotely Piloted Aircraft) vom<br />
Boden aus gesteuert werden, ergeben sich neue Herausforderungen und für die Flugsicherung<br />
eine neue Art von Kunden.<br />
von<br />
Werner<br />
Fischbach<br />
Insbesondere bei Aufklärungs- bzw. Überwachungseinsätzen<br />
bieten diese unbemannten<br />
Fluggeräte beträchtliche Vorteile. Sie können<br />
unabhängig von den Wetterbedingungen in<br />
Höhen und Gebieten operieren, in welchen<br />
der Einsatz von „normalen“, <strong>als</strong>o von Piloten<br />
gesteuerten Luftfahrzeugen ein wesentlich<br />
größeres Risiko bedeuten würde. Das trifft<br />
nicht nur für den militärischen Bereich zu,<br />
sondern auch für den zivilen. Zum Beispiel bei der Grenzüberwachung,<br />
zur Lagebeurteilung bei Katastrophen oder<br />
bei Großveranstaltungen und -demonstrationen sowie bei<br />
der Kontrolle von Erdöl- und Gaspipelines. Um nur einige<br />
Einsatzgebiete zu erwähnen. Bei den Militärs werden diese<br />
UAVs inzwischen nicht nur zur Aufklärung, sondern auch<br />
beim Kampfeinsatz verwendet. Zum Beispiel von den amerikanischen<br />
Streitkräften (und den Geheimdiensten) beim<br />
Kampf gegen den Terror, um Al-Quaida – Mitglieder und deren<br />
Führer möglichst elegant ins Jenseits zu befördern (dass<br />
dabei hin und wieder unbeteiligte Zivilisten ums Leben kommen,<br />
wird von den Militärs zwar bedauert, meist jedoch <strong>als</strong><br />
unvermeidlicher Kollater<strong>als</strong>chaden abgetan). In Afghanistan<br />
setzt auch die Bundeswehr auf unbemannte Luftfahrzeuge.<br />
Allerdings nicht für Kampfeinsätze, sondern für die Aufklärung.<br />
Neben den taktischen Drohnen ALADIN, LUNA und KZO<br />
setzt die Luftwaffe seit dem Frühjahr 2010 über Afghanistan<br />
drei UAS vom Typ Heron 1 für Aufklärungszwecke ein. Diese<br />
Fluggeräte gehören übrigens nicht der Bundeswehr, vielmehr<br />
wurden sie von der israelischen Firma „Israel Aerospace<br />
Industries (IAI)“ geleast. Mit einer Länge von 8,5 m,<br />
einer Spannweite von 16,6 m und einer Höhe von 2,3 m<br />
gleicht der Heron 1 etwa einem Motorsegler. Größer ist, was<br />
das Arsenal der Bundeswehr betrifft, nur noch der Euro-<br />
Hawk, der unter die Kategorie HALE (High Altitude Long<br />
Endurance) fällt und bei der Spannweite mit einer B737 gut<br />
mithalten kann. Am 21. Juli 2011 wurde der erste EuroHawk<br />
mit großem Bahnhof der Öffentlichkeit vorgestellt. Er war<br />
auf der kalifornischen Edwards Air Force Base gestartet und<br />
nach einem 20-stündigen Nonstoppflug auf dem Flughafen<br />
von Manching gelandet.<br />
Nun soll hier nicht darüber diskutiert werden, ob die Hemmschwelle<br />
zu einer bewaffneten Auseinandersetzung durch<br />
den Einsatz von unbemannten Aufklärungs- und Kampfgeräten<br />
herabgesetzt wird und der (Luft)Krieg zu so etwas wie<br />
einem größeren Computerspiel verkommt. Weil sich ein derartiger<br />
Einsatz für die Piloten wesentlich ungefährlicher darstellt,<br />
<strong>als</strong> wenn sie sich nun mit einer F-15 oder einem Tornado<br />
ins Getümmel stürzen müssten. Sitzen sie doch in einem<br />
gut bewachten und klimatisierten Kommandostand oder<br />
Bunker und haben ihre Fluggeräte mit Hilfe von Datalinks gewissermaßen<br />
an der langen Leine. Wie vor dem heimischen<br />
Computer eben – versorgt mit gekühlten Getränken, gesalzenen<br />
Erdnüssen oder sonstigem Knabberzeug.<br />
Deshalb ist es leicht vorherzusehen, dass der Einsatz dieser<br />
unbemannten Fluggeräte noch weiter ausgedehnt werden<br />
wird. So kann es auch kaum verwundern, dass die EADS-<br />
Rüstungsabteilung Cassidian am 14. Dezember letzten Jahres<br />
mit der italienischen Alenia Aeronautica ein „Memorandum<br />
of Understanding (MoU)“ mit dem Ziel geschlossen hat,<br />
52
Luftwaffe<br />
der flugleiter 2012/02<br />
bei der Entwicklung von unbemannten Fluggeräten mit mittlerer<br />
Flughöhe und großer Reichweite (MALE UAS – Medium<br />
Altitude Long Endurance UAS) und unbemannten Kampfflugzeugen<br />
(UCAS – Unmanned Combat Aerial Verhicles) zusammenzuarbeiten.<br />
Und sich dabei auch Marktanteile auf diesem<br />
Gebiet zu sichern. Dies bedeutet jedoch, dass sich<br />
diese UAS den ohnehin schon knappen Luftraum mit dem<br />
übrigen Luftverkehr teilen müssen. Und sich die Flugsicherungsdienstleister<br />
zusätzlichen Herausforderungen zu stellen<br />
haben.<br />
UAS im „gemeinsamen“ Luftraum<br />
Eigentlich handelt es sich bei einem UAS um ein ganz normales<br />
Flugzeug, das sich wie jedes andere auch an die Regeln,<br />
die in den entsprechenden Luftfahrtgesetzen und -vorschriften<br />
niedergeschrieben sind, halten muss. Dabei ist es unerheblich,<br />
ob sich der Pilot des entsprechenden Geräts nun an<br />
Bord desselben oder irgendwo am Boden befindet. Die „Rules<br />
of the Air“ gelten auch für unbemannte Luftfahrzeuge.<br />
Dazu gehört auch das Prinzip des „See and Avoid“, was<br />
nichts anderes bedeutet, <strong>als</strong> dass die Piloten eines unbemanntes<br />
Luftfahrzeuges in der Lage sein müssen, andere<br />
Verkehrsteilnehmer rechtzeitig zu erkennen und ihnen gegebenenfalls<br />
unter Berücksichtigung der Vorflugregeln aus<br />
dem Wege zu gehen. Solange diese Bedingung nicht erfüllt<br />
ist, dürfen UAS nur in für sie vorgehaltenen Lufträumen operieren.<br />
Die US Luftfahrtbehörde FAA hat in ihrem am 1. Dezember<br />
2010 herausgegebenen „Fact Sheet – Unmanned<br />
Aircrafts Systems (UAS)“ die Sicherheit in gemeinsam genutzten<br />
Lufträumen besonders hervorgehoben und festgestellt,<br />
dass einige unbemannte Luftfahrzeuge nach ihrer Meinung<br />
nicht in der Lage sind, diesen Anforderungen gerecht<br />
zu werden: „The design of many UASs makes them difficult<br />
to see and a adequate ´detect, sense and avoid` technology<br />
is years away.“<br />
Nicht dass das Militär (und insbesondere die US Air Force)<br />
die Bedenken der FAA nicht nachvollziehen könnte. Aber es<br />
möchte natürlich auch mit den UAS trainieren und benötigt<br />
dazu einen entsprechenden Luftraum (was der FAA nicht so<br />
besonders gefällt). Inzwischen hat die MITRE-Corporation,<br />
die sehr eng mit dem Pentagon zusammenarbeitet, ein Forschungsprogramm<br />
aufgelegt, mit welchem die UAS in der<br />
Lage sein sollen, den Vorschriften des „See and Avoid“ entsprechen<br />
zu können. In diesem Zusammenhang darf nicht<br />
verschwiegen werden, dass in Deutschland der Betrieb von<br />
unbemannten Luftfahrtzeugen über Flugfläche 100 einem Sicherheitstest<br />
mit einem positiven Ergebnis unterzogen wurde.<br />
Aber der betraf eben den Luftraum über FL 100 – und dort<br />
sind bekanntlich alle Flüge den Controllern bekannt und sie<br />
unterliegen ihrer Kontrolle. Aber irgendwie muss ja ein Euro-<br />
Hawk, Praedator oder wie immer diese Geräte auch heißen<br />
mögen, nach dem Start in diesen Luftraum gelangen.<br />
Zusätzliche Risiken (eigentlich ein „uncooles“ Wort – man<br />
spricht bekanntlich lieber von Herausforderungen) werden<br />
in der Tatsache gesehen, dass die Piloten dieser Luftfahrzeuge<br />
eben auch nur Menschen sind. Und Menschen unterlaufen<br />
hin und wieder so ein paar Fehler. Insbesondere dann,<br />
wenn die Mission eines unbemannten Fluggeräts sehr lange<br />
andauert und die Reize der Piloten nicht besonders herausgefordert<br />
werden. Von denen es übrigens zwei gibt. Der eine<br />
ist für die Starts und Landungen zuständig, der andere für<br />
den Streckenflug. Dazu kommt noch ein „Missionsspezialist“,<br />
der für die Bedienung der Sensoren oder beim einem<br />
UCAV, für den Waffeneinsatz zuständig ist. Wobei es natürlich<br />
bei der Übergabe vom ersten zum zweiten Piloten bzw.<br />
zwischen dem/den Piloten und den Sensorbedienern zu<br />
Missverständnissen kommen kann. Irren ist schließlich<br />
menschlich.<br />
Von den bei der Bundeswehr eingesetzten unbemannten<br />
Fluggeräten besitzt zurzeit nur der EuroHawk eine entspre-<br />
✈ ✈ Hinsichtlich der Spannweite kann es der EuroHawk mit<br />
der B737 ohne weiteres aufnehmen.<br />
Photo: BWB<br />
53
der flugleiter 2012/02<br />
Luftwaffe<br />
✈ ✈ Für 20 Minuten außer Kontrolle geraten –<br />
US Navy MQ-8B „Firescout“<br />
Photo: US Navy<br />
chende Verkehrszulassung, um außerhalb von Flugbeschränkungsgebieten<br />
betrieben zu werden (Der Heron 1 soll in diesem<br />
Zusammenhang nicht betrachtet werden, da er lediglich<br />
in Afghanistan eingesetzt wird). Zukünftige Entwicklungen<br />
dürfen unberücksichtigt bleiben, da sie, wenn sie sich im<br />
Luftraum gemeinsam mit bemannten Luftfahrzeugen bewegen<br />
sollen, wie der EuroHawk über eine entsprechende Verkehrszulassung<br />
verfügen müssen.<br />
Der EuroHawk operiert ausschließlich nach Instrumentenregeln<br />
<strong>als</strong> „Operational Air Traffic (OAT)“, wobei die Aufgabe<br />
eines Flugplans obligatorisch ist. Normalerweise fliegt der<br />
EuroHawk nach einem vorab programmierten und geprüften<br />
Missionsplan, der durch die Abgabe eines Flugplans den<br />
Controllern bekannt ist. Aber eigentlich verhalten sich Piloten<br />
moderner Luftfahrzeuge auch nicht anders, wenn sie das FMS<br />
mit ihren Flugplandaten füttern. Und wie bei diesen können<br />
die Piloten der unbemannten Luftfahrzeuge in diesen vorprogrammierten<br />
Plan eingreifen, wenn es die Controller aus Staffelungsgründen<br />
verlangen. Die Luftwaffe folgt damit dem<br />
Prinzip des „Man-in-the-Loop“. Was gut und richtig ist.<br />
Die Piloten der UAS verfügen über eine militärische Luftfahrzeugführerlizenz<br />
und über eine Instrumentenflugberechtigung.<br />
Die Kommunikation zwischen der jeweils zuständigen<br />
Flugsicherungskontrollstelle erfolgt über Sprechfunk, wobei<br />
das unbemannte Luftfahrzeug gewissermaßen <strong>als</strong> Relaystelle<br />
fungiert. Zusätzlich steht ein Satellitendatalink zur Verfügung.<br />
Die DFS, welche diese Luftfahrzeuge übrigens <strong>als</strong> RPA<br />
(Remotely Piloted Aircraft) bezeichnet, hat mit einer „Zusätzlichen<br />
Vorschrift zur Betriebsanweisung Flugverkehrsdienste<br />
gemäß BA-FVD 111.7“ am 17. Juni 2011 ihren Controller<br />
entsprechendes Material an die Hand gegeben. Und Eurocontrol<br />
hat sich mit den „Air Traffic Management Guidelines<br />
für Global Hawk in European Airspace“ umfassend mit der-<br />
Problematik auseinandergesetzt. Danach handelt es sich<br />
beim EuroHawk, so hat es die DFS festgelegt, um einen staffelungspflichtigen<br />
OAT IFR – Flug, der in Lufträumen der<br />
Klassen D und E nur innerhalb von Flugbeschränkungsgebieten<br />
geführt werden darf. Womit die DFS die Problematik des<br />
„See and Avoid“ einigermaßen zufriedenstellend gelöst hat.<br />
Auch die Notverfahren (Verlust der Datenverbindung, Notlandung<br />
und Funkausfall) wurden geregelt. Dabei dürfte ein<br />
Funkausfall das einfachste Problem darstellen – schließlich<br />
kann der Pilot eines UAS das Telefon nehmen und den zuständigen<br />
Controller bzw. die Kontrollstelle anrufen. Alles im<br />
grünen Bereich <strong>als</strong>o, oder?<br />
Sicherheit von Daten und ihren Verbindungen<br />
Ohne Vernetzung funktioniert in unserer globalisierten Welt<br />
so gut wie nichts. Dies zu behaupten bedeutet nichts anderes<br />
<strong>als</strong> Eulen nach Athen zu tragen. Was natürlich auch für<br />
die Luftfahrt zutrifft. Und gleichermaßen auch für die Flugsicherung.<br />
Oder, um es modern auszudrücken, das „Air Traffic<br />
Management.“ Dabei ist es gerade hier von besonderer Bedeutung,<br />
dass die Daten nicht verseucht und die Datenverbindungen<br />
besonders sicher gestaltet sind. Das sind sie<br />
auch. Behauptet zum Beispiel die DFS. Denn schließlich handelt<br />
es sich dabei um geschlossene Systeme. Da kommt niemand<br />
rein und übers Internet schon gar keiner. Hacker müssen<br />
draußen bleiben.<br />
54
Luftwaffe<br />
der flugleiter 2012/02<br />
Doch stimmt das auch wirklich? Rund zwei Jahre nach dem<br />
Absturz einer MD-82 (EC-HFP) der inzwischen insolventen<br />
Spanair in Madrid am 20. August 2008 berichtete die spanische<br />
Zeitung „El País“, dass das Computersystem der spanischen<br />
Fluggesellschaft zum Zeitpunkt des Absturzes mit<br />
einem Virus infiziert gewesen wäre. Was natürlich zu Spekulationen<br />
führte, ob der Absturz der MD-82 hätte verhindert<br />
werden können, wenn dieses System eben nicht von einem<br />
Virus befallen gewesen wäre. Um es klarzustellen: die MD-<br />
82 ist nicht wegen dieses Virus´ abgestürzt, sondern weil die<br />
Piloten es versäumt hatten, die Vorflügel und Startklappen<br />
in die richtige Position zu fahren und damit die notwendige<br />
Startkonfiguration herzustellen. Und weil das TOWS (Take-<br />
Off Warning System) nicht funktionierte und die Piloten vor<br />
der fehlerhaften Klappenstellung nicht gewarnt worden waren.<br />
Die Frage, die hinter dieser „El País“ – Meldung steckt,<br />
ist <strong>als</strong>o nicht die, ob der Absturz der MD-82 hätte verhindert<br />
werden können, sondern weshalb ein Computersystem, das<br />
für die Wartung der Flugzeuge und damit für die Sicherheit<br />
eingerichtet worden war, von einem Virus infiziert werden<br />
konnte.<br />
Natürlich handelt es sich bei den von den Flugsicherungsdienstleistern<br />
eingesetzten Rechnersystemen und Datenverbindungen<br />
um geschlossene Systeme. Da hat die DFS mit<br />
ihrer Aussage schon Recht. Dennoch brauchen auch geschlossene<br />
Systeme hin und wieder eine „Frischzellenkur“.<br />
In der IT-Sprache wird das <strong>als</strong> „Up-Date“ bezeichnet. Denn<br />
sonst sind sie irgendwann nicht mehr in der Lage, ihren Anforderungen<br />
gerecht zu werden und können mit anderen nur<br />
unzulänglich kommunizieren. Craig Wright, ehemaliger australischer<br />
Sicherheitsexperte für Computersicherheit bei Industrieanlagen<br />
und heutiger Direktor am „Global Institute<br />
for Cybersecurity and Research“ in Cape Canaveral hat dieses<br />
Problem in einem Beitrag der Wochenzeitung DIE ZEIT<br />
(„Lebensgefahr aus dem Internet“, DIE ZEIT Nr. 42/2011. S.<br />
26) aufgegriffen. Er schildert den Fall, bei welchem die „Bodenstationen<br />
amerikanischer Drohnen ... von einem Virus<br />
infiltriert worden“ sind. Möglicherweise, so führt Wright aus,<br />
ist das Virus zufällig in die Rechneranlagen gelangt. Zum Beispiel<br />
<strong>als</strong> Kartenmaterial für die Steuerung der UAS. Unwahrscheinlich<br />
ist dies nicht. Wobei es sich ja nicht unbedingt um<br />
einen so hochwertig konstruierten Virus handeln muss wie<br />
um jenen, der auf den Namen „Stuxnet“ hört und mit welchem<br />
im Juni 2010 das Steuerungssystem einer iranischen<br />
Nuklearanlage lahm gelegt worden war. Ähnliche Beispiele<br />
gibt es zuhauf. So wurden von 2006 bis 2011, <strong>als</strong>o über fünf<br />
Jahre, mit der „Operation Shady RAT“ die Rechnersysteme<br />
von insgesamt 72 Organisationen (darunter auch das Internationale<br />
Olympische Komitee) angegriffen, und im Februar<br />
2011 wurden mit den sogenannten „Night Dragon Attacks“<br />
die Computersysteme internationaler Energieversorgungsunternehmen<br />
teilweise erfolgreich attackiert.<br />
✈ ✈ Unerwartete Situationen aufgetreten? – EuroHawk kurz<br />
vor der Landung in Manching.<br />
Photo: BWB<br />
55
der flugleiter 2012/02<br />
Luftwaffe<br />
✈ ✈ Wegen eines Virus im Wartungscomputer abgestürzt?<br />
MD-82 der Spanair beim Anflug auf Madrid.<br />
Photo: Javier Pedreira / Wikimedia-CC-Lizenz 2.0<br />
Ist es <strong>als</strong>o möglich, die Steuerung von unbemannten Luftfahrzeugen<br />
zu stören oder diese gar zu manipulieren? Eigentlich<br />
nicht, meint das Bundesamt für Wehrtechnik und<br />
Beschaffung (BWB), das für die Beschaffung und Einführung<br />
des EuroHawk verantwortlich ist. Denn, so führt das BWB<br />
aus, die „Datenlinks für die Flugführug sind nach US-Standards<br />
verschlüsselt. Damit ist eine hinreichende Vertraulichkeit<br />
und Sicherheit der Daten gegeben.“<br />
Das ist beruhigend. Doch dann passierte im Dezember letzten<br />
Jahres etwas erstaunliches, <strong>als</strong> die USA eine Aufklärungsdrohne<br />
vom Typ RQ-170 „Sentinel“ über dem Iran verloren<br />
hatten. Nun ist dies nicht zum ersten Mal passiert, aber<br />
dieses Mal haben die Iraner ein Schnäppchen gemacht.<br />
Denn das UAS war mit der modernsten Spionagetechnik<br />
ausgerüstet. Noch weiß man nicht, weshalb diese Drohne<br />
auf iranischem Territorium niedergegangen ist. Die Iraner<br />
behaupten zwar, sie hätten das Ding abgeschossen. Aber<br />
das ist nicht besonders glaubhaft, da sie der Öffentlichkeit<br />
eine ziemlich unbeschädigte RQ-170 präsentiert haben. Am<br />
bedenklichsten wäre, wenn es den Iranern gelungen wäre, in<br />
das Steuerungssystem des UAS einzudringen. Denn wenn<br />
dies den Iranern gelungen wäre, dann wären auch Personen<br />
mit nicht gerade altruistischen Neigungen (z.B. Terroristen)<br />
dazu in der Lage. Oder auch nur ein, wie Craig Wright in seinem<br />
Beitrag für DIE ZEIT meint, „junger Idiot, der sich zu viel<br />
mit Computern und zu viel mit Superheldencomics beschäftigt<br />
(und) Rache an der Gesellschaft üben“ will.<br />
Nicht auszuschließen ist jedoch, dass ein Fehler im Steuerungssystem<br />
der RQ-170 aufgetreten war oder die Datenverbindung<br />
zu der Drohne abgebrochen oder gestört worden<br />
war. Wobei letzteres zumindest beim EuroHawk eigentlich<br />
gar nicht auftreten dürfte. Denn dieser fliegt dann, so führte<br />
das Amt für Flugsicherung der Bundeswehr (AFSBw) aus,<br />
„autonom auf dem vorab programmierten Plan.“ Zumindest<br />
in der Theorie. Denn in der DFS-Firmenpostille „transmission“<br />
wurde beim Bericht über die erste Landung des Euro-<br />
Hawk in Manching von „unerwarteten Situationen, die es<br />
während des Fluges gegeben habe („Holger Matthies: „Cleared<br />
to land für Wal mit Flügeln“, transmission 3/2011,<br />
S. 14/15) gesprochen. Welcher Art diese „unerwarteten Situationen“<br />
waren, wurde nicht erwähnt.<br />
Ganz so unwahrscheinlich scheint der Fall, bei welchem sich<br />
ein unbemanntes Luftfahrzeug der Kontrolle entzieht, nicht<br />
zu sein. Am 2. August 2010 hatte sich ein unbemannter<br />
Hubschrauber der amerikanischen Marine vom Typ MQ-8B<br />
„Firescout“ in der Nähe eines dicht beflogenen Luftraums<br />
selbstständig gemacht und Kurs auf Washington genommen.<br />
Admiral Sandy Winnefeld, Kommandeur des Northern<br />
Command und der Luftverteidigungszentrale NORAD, stand<br />
vor einer schwierigen Entscheidung: „Do You let it run out of<br />
gas and hopefully crash in a farmer´s field or do You actually<br />
take action to shoot it down?“. Das Problem wurde gelöst –<br />
nach 20 Minuten wurde der „Firescout“ wieder unter Kontrolle<br />
gebracht. Kurz bevor F-16 – Abfangjäger auf den Weg<br />
geschickt werden sollten.<br />
Ohne vernetzte IT-Systeme wird es in unserer schnelllebigen<br />
und globalisierten Welt nicht mehr gehen. Unbemannte Luftfahrzeuge<br />
gehören irgendwie dazu. Dabei muss die Frage<br />
nach der Sicherheit dieser Systeme bei den Luftfahrtunternehmen,<br />
Flughäfen und den Flugsicherungsdienstleistern<br />
zur Chefsache werden. Sofern sie dies noch nicht ist. Die bereits<br />
erwähnte MITRE-Corporation hat mit ihrem „Model For<br />
Effective Cyber Security“ einen Weg dahin aufgezeigt. Und<br />
arbeitet an einer Lösung für „ausgebüxte“ UAS („Keeping<br />
Track of Unmanned Aircraft by Overcoming Lost Links“). Auf<br />
der anderen Seite stellte sich ein nachdenklicher Admiral<br />
Winnefeld die Frage, ob für bestimmte Aufgaben langsam<br />
fliegende und in niedrigen Höhen operierende bemannte<br />
Luftfahrzeuge nicht die bessere Alternative wären, um irgendwelche<br />
Massenveranstaltungen zu überwachen.<br />
56
ATC<br />
der flugleiter 2012/02<br />
Was lange währt – GBAS <strong>als</strong><br />
primäres Anflugverfahren zugelassen<br />
Die Vorteile eines satellitengestützten Anflugverfahrens sind<br />
hinlänglich bekannt. Es wird nicht durch Hindernisse in seiner<br />
Funktionsweise beeinträchtigt und kann deshalb auch in terrestrisch<br />
anspruchsvollen Gebieten eingesetzt werden, es ist<br />
keinen Störungen durch Fahrzeuge und andere Luftfahrzeuge<br />
ausgesetzt, weshalb es im Gegensatz zum ILS keine Schutzzone<br />
benötigt und es kann gleich mehrere, genau bis zu 26 Pisten<br />
(auch an unterschiedlichen Flughäfen) gleichzeitig bedienen.<br />
Zusätzlich bietet es die Möglichkeit, höhere Gleitwinkel<br />
zu fliegen, was dem Lärmschutz dann zugute kommen würde.<br />
Ob dieser höhere Gleitwinkel dann auch von allen Luftfahrzeugmustern<br />
akzeptiert werden kann, ist eine andere Frage.<br />
Dennoch versprechen satellitengestützte Anflugsysteme betriebliche<br />
und vor allem wirtschaftliche Vorteile.<br />
Bereits im September 2007, <strong>als</strong>o vor rund viereinhalb Jahren,<br />
hat die DFS am Flughafen Bremen ein satellitengestütztes<br />
Präzisionsanflugsystem GBAS („Ground Based Augmentation<br />
System“) eingerichtet, das am 5. September 2007 <strong>als</strong> erstes<br />
von einer B737-800 der TUIfly genutzt wurde. Nachdem der<br />
GBAS-Station von der amerikanischen Luftfahrtbehörde FAA<br />
die Musterzulassung erteilt wurde, konnte in Bremen das Verfahren<br />
seit dem 16. November 2009 genutzt werden. TUIfly<br />
hat sich inzwischen von Bremen verabschiedet und wurde,<br />
was die Nutzung bzw. die Tests der satellitengestützten Anflugverfahren<br />
betrifft, von Air Berlin abgelöst. Air Berlin war<br />
denn auch die erste Fluggesellschaft, die für ihre B737NG-<br />
Flotte die Zulassung zur Nutzung der GBAS-Verfahren erhielt.<br />
Nachdem nun auch das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung<br />
(BAF) nach langer und intensiver Prüfung der Bodenstation<br />
die Musterzulassung erteilt hat, können in Bremen GBAS-<br />
Anflugverfahren nun ganz offiziell <strong>als</strong> primäres Anflugverfahren<br />
genutzt werden. Eine B737 der Air Berlin war die erste, die<br />
dies am Abend des 9. Februar realisierte. Was natürlich nicht<br />
nur von der DFS, sondern auch von der zweitgrößten Fluggesellschaft<br />
mit einer Pressemeldung und entsprechendem<br />
Stolz verkündet wurde. „Mit dieser innovativen Technologie<br />
wird es möglich sein, Landeanflüge noch effizienter und lärmreduzierter<br />
darzustellen. GBAS wird auch zukünftig ein zentraler<br />
Bestandteil unserer bordseitigen Navigation auf der<br />
Boeing-Flotte sein“, verkündete Tim Techt, der technische Pilot<br />
der Airline. Mit anderen Worten: Air Berlin marschiert ´mal<br />
wieder an der Spitze des Fortschritts.<br />
Gegen einen derartigen PR-Auftritt ist natürlich nichts einzuwenden.<br />
Tue Gutes und rede darüber. Allerdings wird es noch<br />
etwas dauern, bis sich die steileren Anflugwinkel beim Lärmschutz<br />
auswirken. Zum einen, weil GBAS-Anflüge bis jetzt nur<br />
bis zur Betriebsstufe I (CAT I) durchgeführt werden dürfen.<br />
Wenn die Vögel <strong>als</strong>o zu Fuß gehen und die fliegende Kundschaft<br />
dennoch auf einen regulären Flugbetrieb Wert legt, wird es<br />
nichts mit weniger Lärm am Boden. Bis GBAS-Anflüge auch<br />
nach CAT II/III – Bedingungen zugelassen werden, wird noch ein<br />
wenig Zeit vergehen. So bis Mitte des Jahrzehnts, meint die DFS.<br />
Was letztlich auch davon abhängt, wie die neuen Verfahren von<br />
den Airlines angenommen werden. Schließlich gibt es neben Air<br />
Berlin auch noch ein paar andere. Zum anderen müssen anfliegende<br />
Luftfahrzeuge in einer Höhe von 1 000 Fuß über Grund,<br />
oder um genauer zu sein, bei 1 000 Fuß über der Landeschwelle<br />
in Landekonfiguration gebracht sein (bei Visual Approaches<br />
sind es 500 Fuß). Und von da sollte es mit einem moderaten<br />
Anflugwinkel weitergehen. Unmittelbare Flughafenanwohner<br />
werden durch die GBAS-Verfahren <strong>als</strong>o wenig Lärmentlastung<br />
erfahren. Von den Bremer Kollegen werden GBAS-Anflüge übrigens<br />
genauso abgearbeitet wie Flüge, die den herkömmlichen<br />
ILS-Verfahren folgen. Der Gleitweg beträgt drei Grad, der Endanflug<br />
beginnt in derselben Höhe und in einer Entfernung von<br />
zehn Seemeilen. Business as usual, <strong>als</strong>o. Was nicht bedeutet,<br />
dass sich dies irgendwann einmal ändern wird.<br />
Nachdem das BAF inzwischen für Anflüge mit Vertikalführung<br />
auch die Nutzung von EGNOS (European Geostationary Navigation<br />
Overlay Service) zugelassen hat, können entsprechende<br />
Anflüge nach Angaben der DFS seit dem 15. Dezember letzten<br />
Jahres an 38 deutschen Plätzen durchgeführt werden. Allerdings<br />
wurden in Europa bisher an lediglich sechs Flughäfen entsprechende<br />
Anflugverfahren eingerichtet. Drei davon befinden<br />
sich in Frankreich (Pau, Clermont-Ferrand und Le Bourget), zwei<br />
in der Schweiz (St. Gallen-Altenrhein und Les Eplatures) und<br />
einer auf der Insel Alderney im Ärmelkanal.<br />
WeFis<br />
✈✈<br />
Air Berlin – Besatzung nach dem ersten regulären<br />
GBAS-Anflug am 09. Februar in Bremen.<br />
Photo: Air Berlin / DFS<br />
57
der flugleiter 2012/02<br />
ATC USA<br />
Schwimmende Kontrollzone?<br />
von<br />
Werner<br />
Fischbach<br />
In der vom „General Flugsicherheit in der<br />
Bundeswehr“ herausgegebenen Zeitschrift<br />
„Flugsicherheit“ wurde von einem Zwischenfall<br />
berichtet, auf den, da es sich bei dieser<br />
Zeitschrift um eine bundeswehrinterne Publikation<br />
handelt und diese nicht für die Öffentlichkeit<br />
bestimmt ist, nicht eingegangen werden<br />
soll. Allerdings werden in diesem Bericht<br />
die Begriffe „Flugkontrollzone der Fregatte<br />
XY“ und „Kontroller“ verwendet. So stellt<br />
sich die Frage, ob eine derartige „Flugkontrollzone“ mit einer<br />
Kontrollzone eines internationalen bzw. Regionalflughafens<br />
oder eines Fliegerhorstes gleichzusetzen ist und die<br />
Tätigkeit des bzw. der in diesem Bericht erwähnten „Kontroller“<br />
mit denen eines „Air Traffic Controllers“ bzw. eines Fluglotsen<br />
oder eines, um im militärischen Sprachgebrauch zu<br />
verbleiben, Flugsicherungskontrolloffiziers gleichzusetzen<br />
ist. Gibt es <strong>als</strong>o gewissermaßen eine „schwimmende Kontrollzone“?<br />
„Natürlich nicht“, erklärt Fregattenkapitän Sandforth vom<br />
Flottenkommando in Glücksburg. Aus ganz einfach nachzuvollziehbaren<br />
juristischen Gründen. Denn schließlich gehören<br />
die hohe See und der sich darüber erstreckende Luftraum<br />
außerhalb der Hoheitsgewässer niemanden. Und<br />
des halb hat auch kein Staat das Recht, dort eine Kontrollzone<br />
einzurichten. Allerdings ist in den Flughandbüchern der<br />
Bundeswehr ein Mindestabstand festgelegt, der beim Vorbei-<br />
bzw. beim Überflug eines Schiffes eingehalten werden<br />
muss. Er beträgt eine Seemeile und 1 000 Fuß. Und dies gilt<br />
nicht nur für andere Kriegsschiffe (abgesehen von jenen<br />
bzw. dem Flottenverband, denen man angehört), sondern<br />
auch für jegliche andere Schiffe. Für Kreuzfahrtschiffe, Fähren,<br />
Tanker, Containerschiffe, Stückgutfrachter und was da<br />
sonst noch auf den Weltmeeren unterwegs ist. Wobei dies in<br />
dicht befahrenen Seegebieten wie zum Beispiel der Elbmündung<br />
nicht immer einfach einzuhalten ist.<br />
Allerdings existiert für NATO-Einheiten eine taktische „ship<br />
control zone“, innerhalb welcher sogenannte „ship controlled<br />
approaches“ durchgeführt werden. Die unterscheiden<br />
sich eigentlich nicht von einer ganz normalen Platzrunde und<br />
bestehen aus Gegen-, Quer- und Endanflug. Dabei können<br />
diese Anflüge auch in IMC durchgeführt und so mit GCA-Anflügen<br />
verglichen werden. Diese „ship control zone“ erstreckt<br />
sich in einem Radius von zwei Seemeilen bis zu einer<br />
Höhe von 500 Fuß um bzw. über das jeweilige Schiff. Zuständig<br />
ist der bzw. die bereits erwähnten „Kontroller“, die offiziell<br />
<strong>als</strong> Hubschrauber-Leitpersonal bezeichnet werden. Und<br />
obwohl sie die Hubschrauber mit Radar führen, sind sie keine<br />
Controller oder Flugsicherungskontrolloffiziere, die anund<br />
abfliegende Luftfahrzeuge nicht nur mit Radar führen,<br />
sondern diese auch untereinander staffeln. Sie werden deshalb<br />
auch nicht an der Flugsicherungsschule der Luftwaffe,<br />
sondern an der Marineoperationsschule ausgebildet. Sie<br />
sind je nach Qualifikation berechtigt, Luftfahrzeuge auch in<br />
IMC zu führen. Die maximale Höhe im Gegenanflug beträgt<br />
übrigens 400 Fuß, weshalb die Obergrenze dieser „ship control<br />
zone“ bei 500 Fuß liegt.<br />
Abstand halten – gut für´s Überleben<br />
Für den zivilen Luftverkehr sind diese „ship control zones“<br />
zumindest aus juristischer Sicht ohne Bedeutung. Weil Staaten<br />
Kontroll-, Sperr- oder Beschränkungsgebiete eben nur<br />
auf ihrem Territorium bzw. in ihrem Luftraum einrichten können<br />
und die internationalen Gewässer und der sich darüber<br />
erstreckende Luftraum niemand, oder wenn man so will,<br />
eben allen gehören. Theoretisch könnte ein VFR-Pilot auf die<br />
Idee kommen, sich ein Kriegsschiff oder einen Flottenverband<br />
einmal aus der Nähe anzusehen. Besonders sinnvoll ist<br />
dies jedoch nicht. Im Gegenteil, ein derartiges Vorhaben<br />
kann sich <strong>als</strong> lebensgefährlich herausstellen.<br />
Denn wie immer gibt es auch noch eine andere Seite der Medaille.<br />
Die nennt sich „internationaler Terrorismus“ oder<br />
„asymetrische Bedrohung“, der sich inzwischen wohl kein<br />
Staat mehr entziehen kann. Dieser Bedrohung sieht sich natürlich<br />
auch das Militär ausgesetzt und es versucht verständlicherweise,<br />
sich dagegen zu wehren. Deshalb ist es nicht<br />
ratsam, einem Kriegsschiff oder einem Flottenverband zu<br />
nahe zu kommen. Vor allem dann nicht, wenn es sich dabei<br />
um ein für die Marineeinheiten unbekanntes Luftfahrzeug<br />
handelt. Natürlich wird, so Fregattenkapitän Sandforth kein<br />
Schiff der deutschen Marine in der Nord- oder Ostsee einen<br />
Sportflieger vom Himmel holen. Wobei er seine Hand für seine<br />
Verbündeten, zum Beispiel die Royal Navy oder die Marine<br />
Nationale Francais, nicht ins Feuer legen möchte. Und<br />
natürlich bedeutet dies auch nicht, dass sich ein deutsches<br />
Kriegsschiff nicht wehren würde, wenn sich eine Cessna 150<br />
nun auf eine Einheit der „grauen Dampferkompanie“ stürzen<br />
würde (wobei das bei einer C150 mit dem Stürzen so eine<br />
Sache wäre). Denn „nicht schießen“ bedeutet ja nicht, dass<br />
auf dem Kriegsschiff die Waffen nicht besetzt sind. So mancher<br />
Kommandant oder Erster Offizier würde eine derartige<br />
Gelegenheit ohnehin nützen, die Fitness seiner Besatzung<br />
zu testen und sie auf die Gefechtsstationen zu jagen. Und<br />
bevor sich die doch so „harmlose“ Cessna oder Piper in die<br />
Brücke der Fregatte oder eines Tender bzw. Einsatzgruppenversorgers<br />
stürzen könnte, würde deren Besatzung versuchen,<br />
den Piloten von seinem Tun abzuhalten.<br />
58
ATC USA<br />
der flugleiter 2012/02<br />
✈ ✈ Operieren in der taktischen „ship control zone“ –<br />
startender SeaLynx und Sea King im Hintergrund.<br />
Photo: Georg Wegemann<br />
Was für deutsche Marineeinheiten in der Nord- und Ostsee<br />
gilt, muss in anderen Seegebieten etwas differenziert gesehen<br />
werden. Zum Beispiel beim „Atalanta“-Einsatz am Horn<br />
von Afrika. Denn da wird auf eine unkontrollierte Annäherung<br />
auch von deutschen Einheiten etwas robuster reagiert<br />
<strong>als</strong> in heimischen Gewässern. Die Marine arbeitet da nach<br />
bestimmten Eskalationsstufen. Nähert sich ein unbekanntes<br />
Luftfahrzeug auf zehn Seemeilen einer Fregatte, einem Tender<br />
oder einem Einsatzgruppenversorger, dann wird es auf<br />
der „Guard“ Frequenz aufgefordert, sich zu identifizieren. Tut<br />
der Pilot dies nicht und hat sich auf fünf Seemeilen genähert,<br />
dann wird er erneut dazu aufgefordert und, sollte er sich<br />
nicht folgsam erweisen, mit einem Waffeneinsatz gedroht. In<br />
einer Entfernung von zwei Seemeilen wird dann scharf geschossen.<br />
Bei Flottenverbänden der US Navy fällt dieser Schutzschirm<br />
natürlich etwas umfangreicher aus <strong>als</strong> bei den Einheiten der<br />
deutschen Marine. Bis zu 200 Seemeilen beansprucht die US<br />
Navy für ihre Einsatzgruppen („Carrier Strike Forces“). Selbst<br />
Flugzeuge oder Hubschrauber befreundeter Streitkräfte<br />
müssen, wenn sie dem Flottenverband nicht bekannt sind<br />
bzw. die Annäherung nicht koordiniert wurde, damit rechnen,<br />
plötzlich einen oder zwei F-18-Abfangjäger neben sich zu sehen.<br />
Wer zudem <strong>als</strong> Fremder oder gar <strong>als</strong> Zivilist einem solchen<br />
Verband ohne entsprechende Genehmigung zu Nahe<br />
kommt und sich zudem <strong>als</strong> wenig folgsam erweist, ist „mausetot“.<br />
Selbst wenn er eigentlich juristisch im Recht war.<br />
✈✈<br />
Kein Controller, aber dennoch für den Flugbetrieb<br />
zuständig: Hubschrauber Leitoffizier an Bord einer Fregatte.<br />
Photo: Georg Wegemann<br />
59
der flugleiter 2012/02<br />
ATC International<br />
FIREMAN steps in to bring plane carrying<br />
70 passengers safely down when air traffic<br />
controller forgets to turn up for work<br />
check of the technical facilities, <strong>als</strong>o pitched in to salvage<br />
the situation.<br />
A frantic pilot aboard a passenger flight was unable to contact<br />
the air traffic control tower due to bring him in to land –<br />
because the official on duty had forgotten to show up for<br />
work. As the situation became critical, it fell to an on-duty<br />
fireman at the tiny Indian airport to race to the tower and<br />
bring the Jet Airways plane – with 70 passengers aboard –<br />
safely down. For 40 nailbiting minutes the fireman, M Basha,<br />
took instruction over his mobile phone in how to handle the<br />
complex radio transmitters.<br />
In the meantime, Mr Basha was constantly in touch with<br />
both the flights. Around 7.40 am, he gave the ‚clear to land‘<br />
instruction to the first plane. Thankfully, shortly afterwards<br />
an air traffic control officer reached the tower and took<br />
charge. The second flight landed under the ATC officer‘s supervision.<br />
Tirupati airport director RS D‘Cruz said the crisis<br />
on January 9 had been reported to AAI‘s Chennai-based regional<br />
executive director D Devaraj and he had recommended<br />
appropriate action after conducting an inquiry. A team of<br />
two senior offici<strong>als</strong> from Chennai was dispatched to Tirupati<br />
on January 10. All the officers concerned, including Mr Basha<br />
and Mr Kumar, were questioned.<br />
At 7.40am he was able to give the ‚clear to land‘ instruction<br />
and the aircraft touched down smoothly, with passengers<br />
completely unaware of the crisis. The drama unfolded earlier<br />
this month at Renigunta airport in Tirupati, in the Indian<br />
province of Andhra Pradesh, when the member of staff due<br />
to start work at 7am failed to show up. Two flights were due<br />
in – both taking off from Hyderabad. The Jet Airways ATR-72<br />
flight was to arrive at 7.40am and a Spicejet plane, carrying<br />
106 passengers, at 8am. En route to Tirupati, the pilot of the<br />
Jet Airways plane frantically tried and failed to establish contact<br />
with air traffic controllers.<br />
When ATC deputy general manager Janardhan, who was<br />
asleep at home, was alerted to the crisis, he requested that<br />
firefighter Mr Basha rush to the ATC tower. For 40 minutes<br />
offici<strong>als</strong> of the Airport Authority of India in Tamil Nadu‘s capital<br />
Chennai – the administrative control centre of Tirupati<br />
airport – were on the edge of their seats as Mr Basha, instructed<br />
by Mr Janardhan over the phone, handled the radio<br />
transmitters, A communication, navigation and surveillance<br />
officer on duty, L Anil Kumar, who was conducting a routine<br />
60
ATC International<br />
der flugleiter 2012/02<br />
Mr Devaraj told Mail Today: ‚The ATC officer who was supposed<br />
to man the tower did not report for duty. ‚During the<br />
inquiry, he claimed he simply forgot to turn up, but we did<br />
not buy his lame excuse since the matter was very serious<br />
and the lives of passengers were at stake.‘ The official had<br />
reportedly given conflicting versions during the inquiry. Initially,<br />
he is believed to have claimed that he overslept. Later,<br />
the officer said he was under the impression that he was due<br />
to work the evening shift.<br />
which caters to an average of 10 takeoffs and landings of<br />
around five airlines daily, is primarily used by visitors to the<br />
Venkateswara temple.<br />
Yatish Yadav<br />
Mr Devaraj categorically stated that the flight control operations<br />
should not have been handled by the fireman. ‚No one<br />
doubts Basha‘s intention to help during a crisis. He wanted<br />
the flight to land safely. But he is untrained and must not attempt<br />
to do the ATC‘s job. Mere good intention is not enough<br />
in this case,‘ he said. The inquiry report recommended administrative<br />
action against the ATC officer. Tirupati airport,<br />
61
der flugleiter 2012/02<br />
Ehemalige<br />
Autor: Frank W. Fischer © 2010<br />
Ein neuer Beruf entsteht!<br />
Der Flugsicherungs-Kontrolldienst /<br />
Ein Rückblick in die ersten Jahre<br />
I – Die politische Situation<br />
Man schreibt das Jahr 1949. Der 2. Weltkrieg ist vorbei und<br />
Deutschland ist aufgeteilt in vier Besatzungszonen der Siegermächte,<br />
einer russischen im Osten, einer britischen im<br />
Norden, einer amerikanischen in der Mitte und im Südosten<br />
sowie einer französischen im Westen und Südwesten; siehe<br />
ICAO EUM III Karte Doc 7266 aus 1952.<br />
Die Berliner Luftbrücke ist noch voll im Gange und zusätzlich<br />
zu den Flughäfen Hamburg, Frankfurt, Bückeburg und Wiesbaden<br />
wurden weitere Ausweichflughäfen erforderlich. Am<br />
10.5.49 trat das Besatzungsstatut der drei Hochkommissare<br />
Englands, Frankreichs und der USA in Kraft. In Wiesbaden<br />
entstand im gleichen Jahr eine Zivilluftfahrtverwaltung der<br />
Besatzungsmächte, das “Zivile Luftamt” (Allied Civil Aviation<br />
Board – CAB), mit seiner amerikanischen Abteilung (CAD)<br />
unter der Zuständigkeit des “US State Departments”. Die<br />
gesamte Zuständigkeit für Flugsicherung, den zivilen Luftverkehr<br />
und die Flughäfen lag nun bei diesem “Civil Aviation<br />
Board”, betrieben von den Vertretern der amerikanischen,<br />
britischen und französischen Besatzungsmächte. Leiter der<br />
amerikanischen Abteilung (US-CAD) des CAB war Mr. Thomas<br />
Johnson, der der britischen sein Namenskollege Johnson<br />
und der französischen Mr. M. Guillaume. Die Sowjets<br />
hielten Kontakt zum CAB über ihre Aussenstelle in Frankfurt/<br />
Main-Niederrad. Am 24.5.1949 wird dann die Bundesrepublik<br />
Deutschland gegründet. Regulärer ziviler Flugverkehr<br />
durch die Fluggesellschaften fand ab Januar 1950 statt und<br />
das CAB unter der Zuständigkeit der Hochkommissare veranlasste<br />
die Errichtung einer einheitlichen deutschen Behörde<br />
für die Flugsicherung.<br />
Im Dezember 1951 richtete das neue Bundesverkehrsministerium<br />
zu diesem Zweck eine Vorbereitungsstelle zur Schaffung<br />
dieser “Bundesanstalt für Flugsicherung – BFS ein, anfangs<br />
geleitet von Dr. O. Heer, der auch schon in der<br />
Reichsflugsicherung tätig gewesen war, mit den Herren Möbius,<br />
Geisser und Garczyk. Diese Vorbereitungsstelle, anfangs<br />
im Landeshaus beim CAB untergebracht, zog am<br />
1.2.1952 mit dem CAB in den IG – Hochhauskomplex in<br />
Frankfurt/Main um und verlegte seine Büros am 6.8.1952<br />
dann in den sogennanten “Annex – A” hinter dem IG Komplex.<br />
Die weiteren Mitarbeiter dieser Stelle waren Dr. h.c.<br />
Karwarth (danach Luft AG & Lufthansa) und Herr P. Berger<br />
(ab 1951 CAB, später ICAO) sowie ab 6.2.1952 Frau A. Süsserott<br />
<strong>als</strong> Sekretärin. Die Anforderungen für diese Arbeit <strong>als</strong><br />
Sekretärin waren die Beherrschung der deutschen, englischen<br />
und russischen Sprache, sowie Stenografie und Maschinenschreiben.<br />
Dr. Ing. Heer wurde zum Direktor der neuen<br />
Behörde “BFS” ernannt. In der Folge nahmen an der<br />
ersten ICAO Regionalkonferenz in Europa (EUM III) im Februar<br />
und März 1952 er und Herr Möbius <strong>als</strong> Berater des Alliier-<br />
✈ ✈ 1952’er ICAO Karte mit den Kontrollbezirken (CTA) in<br />
Deutschlands Besatzungszonen. Die Grenzen der Fluginformationsgebiete<br />
(FIR), in denen diese CTA liegen entsprechen<br />
noch den Abgrenzungen zwischen den Besatzungszonen.<br />
Die Strasburg FIR mit CTA umfasst zu diesem<br />
Zeitpunkt noch das Saarland, Baden und Württemberg.<br />
Die Bezirkskontrollzentrale befand sich in Strasbourg.<br />
Quelle: ICAO Doc 7266 der EUM III Europa-Konferenz<br />
62
Ehemalige<br />
der flugleiter 2012/02<br />
✈✈<br />
USAF Rhein-Main Airbase Frankfurt/Main, 1948/49 TWR während der Berliner Luftbrücke<br />
Photo: USAFE<br />
ten CAB teil. Das Gesetz über die “Bundesanstalt für Flugsicherung”<br />
trat am 23.3.1953 in Kraft.<br />
Aber 1953 war Deutschland noch nicht wieder souverän und<br />
übte daher die Lufthoheit nur unter Vorbehalt der Besatzungsmächte<br />
aus. Dies änderte sich erst mit den Pariser Verträgen<br />
und dem Beitritt zur NATO (gegründet am 4.4.49) in<br />
1955, <strong>als</strong> die BRD wieder souverän wurde. Die Deutsche<br />
Luftwaffe entstand 1956. Das Gesetz über die BFS sah aus<br />
diesem Grunde vor, dass alle Flüge, die nicht von den Flugplatz-<br />
& Anflugkontrollstellen der Besatzungsmächte geführt<br />
wurden und solchen, die unter Luftverteidigungsstellen<br />
operierten, ausschliesslich unter die Zuständigkeit der<br />
BFS fallen. Die gleiche Regelung wurde auch nach 1956 beibehalten<br />
und 1959 durch die beiden Ministerien für Verkehr<br />
und Verteidigung bestätigt.<br />
Desgleichen wurde 1951 auch ein “Vorbereitungsauschuss<br />
für den Luftverkehr” durch das BMV einberufen. Als Folge<br />
hieraus entstand am 6.1.53 die “Luft-AG”, welche dann später<br />
den Namen “Lufthansa AG” trug. Dr. h.c. Karwarth wurde<br />
einer der ersten Direktoren. Der Linienflugverkehr der DLH<br />
wurde am 1.4.55 aufgenommen, nachdem zuvor nur die<br />
Fluggesellschaften Frankreichs (Air France), Grossbritanniens<br />
(British European Airways), der USA (zuerst American<br />
✈ ✈ Frankfurt/Main IG Farben Gebäude, 1949 – 1953 mit Frankfurt ACC<br />
im obersten Geschoss CPS-5 Radaranlage noch ohne IFF, 230 NM<br />
Reichweite bis 65.000 Fuss Höhe<br />
Overseas Airways, danach Pan American World Airways) und<br />
Russlands (Aeroflot) ab Januar 1950 den regulären zivilen<br />
Flugbetrieb in Deutschland durchführen durften.<br />
1948 war im obersten Stockwerk des IG Farben Gebäudes in<br />
Frankfurt/Main im Zusammenhang mit der Berliner Luftbrücke<br />
die erste Flugsicherungs-Bezirkskontrollzentrale (ACC)<br />
im Nachkriegs-Deutschland durch die US-Luftwaffe unter<br />
der Verwaltung des Hochkommissars für Deutschland (HI-<br />
COG) entstanden. Die Leitung der Zentrale oblag Cpt. Chabeaux<br />
und Cpt. Mills vom “Airways and Air Communications<br />
63
der flugleiter 2012/02<br />
Ehemalige<br />
✈ ✈ Frankfurt ACC am Rhein-Main Flughafen ab April 1953; seit 1955 auf dem Dach die CPS-5<br />
Radaranlage vom IG-Hochhaus, jetzt mit IFF; Die Anlage wurde später wieder demontiert<br />
Photo: FAG<br />
Service – AACS” der US-Luftwaffe, bis zum Umzug der Zentrale<br />
in das Rhein Main Flughafen Terminal am 21.4.1953.<br />
Die neu gegründete Internationale Zivilluftfahrt Organisation<br />
– ICAO, nach deren Regeln die Flugsicherungskontrolle<br />
(ATC) ausgeübt wurde, nahm bereits 1947 ihre Arbeit auf.<br />
1952 befahl auch die US- Luftwaffe allen ihren überseeischen<br />
Einheiten in der Flugsicherungskontrolle die ICAO Richtlinien<br />
und Empfehlungen, Regeln und Verfahren, anzuwenden. Das<br />
US CAB bildete die neuen Fluglotsen aber bereits schon<br />
1949 nach den ICAO Regeln aus. Die BFS wandte diese dann<br />
ebenfalls bereits 1953 an, wurde aber erst 1956 ICAO Mitglied.<br />
Die erste nur mit deutschen Flugleitern betriebene Bezirkskontrollzentrale,<br />
die am 15.1.53, so wie Frankfurt/Main im<br />
April 1953, noch für einige Monate an die amerikanische Zivilluftfahrt-Verwaltung<br />
übergeben wurde, war München. Mit<br />
der Gründung der BFS zog im April 1953 das ACC Frankfurt<br />
dann vom IG-Hochhaus in die neuen Betriebsräume im Terminal<br />
am Rhein Main Flughafen um.. Am 1.6.53 erfolgte dann<br />
auch die Übernahme aller bei den Besatzungsmächten tätigen<br />
deutschen Flugleiter im Flugsicherungskontrolldienst<br />
durch die BFS und die Übergabe der “Hoheitsaufgabe” Flugsicherung,<br />
weiterhin unter einigen Vorbehalten, an die BFS<br />
am 1.7.1953. Von diesem Tage an waren bis auf Frankfurt<br />
TWR & APP (unter USAF AACS Leitung) nur noch deutsche<br />
Fluglotsen an den zivilen Flugsicherungsstellen beschäftigt.<br />
II – Personal<br />
Vor 1947 betrieben die Besatzungsmächte die Flughäfen und<br />
die Flugsicherung ohne deutsches Personal. Die Briten mit<br />
den Flughäfen Hamburg, Köln, Hannover und Düsseldorf<br />
stellten bereits 1947/48 deutsches Personal für den Flugberatungsdienst<br />
(AIS), den Peilfunkdienst und an Fernmeldestellen<br />
ein, und die meisten dieser ehem<strong>als</strong> “Ehemaligen”<br />
stammten noch aus der früheren Reichsflugsicherung. Den<br />
Anfang mit einer Einstellungswelle von Flugleitern für die Bewegungslenkung<br />
von Flügen im Rahmen des Flugsicherungs-<br />
Kontrolldienstes machte die amerikanische Abteilung des<br />
CAB 1949 mit Anzeigen in einigen grossen deutschen Tages-<br />
64
Ehemalige<br />
der flugleiter 2012/02<br />
zeitungen. Man suchte Mitarbeiter für das Alliierte Zivil Luftfahrtamt<br />
im Alter von 21 bis 32 Jahren für die Ausbildung und<br />
den Einsatz in der US – Besatzungszone. Bedingung war die<br />
Beherrschung der englischen Sprache in Wort und Schrift,<br />
Abitur oder gleichwertige Ausbildung und zweijährige fliegerische<br />
Erfahrung. Die Auswahl der Bewerber fand durch<br />
das CAB statt und wurde von Mr. L. C. Moore, Mr.G. Waller<br />
und Mr. Donald K. Thompson vorgenommen. In München<br />
und Berlin bewarben sich einige Hundert, in Stuttgart fast<br />
2000 für diesen neuen Beruf. Aber lediglich 40 wurden zu<br />
diesem Zeitpunkt für den Flugplatz- und Anflugkontrolldienst<br />
an den Flughäfen Bremen, Nürnberg, Stuttgart und<br />
München benötigt.<br />
Der erste Lehrgang über Flugverkehrskontrolle zur Ausbildung<br />
<strong>als</strong> Fluglotse / Flugleiter / Flugsicherungslotse / Flugverkehrsleiter,<br />
welche Bezeichnungen für diesen neuen Beruf<br />
des “Air Traffic Controller” dam<strong>als</strong> auch immer verwendet<br />
wurden, fand seitens der US – Luftwaffe im Auftrag des<br />
Hochkommissars für Deutschland (HICOG) und dem US –<br />
CAD unter dem CAB vom 3. Oktober bis 2. Dezember 1949 in<br />
Bremen statt. Weitere Kurse über Bezirkskontroll-Verfahren<br />
– ACC, durchgeführt von der 1807th AACS Einheit der USAFE,<br />
fanden danach in Freising (vom 7.1. – 16.2.51 geleitet von<br />
Major W. C. Zelinski) und München-Riem statt. Das CAB <strong>als</strong><br />
Zivil Luftfahrt Amt war ein von Zivilisten geführtes Amt, während<br />
der AACS der US – Luftwaffe unterstand. Die 40 männlichen<br />
Teilnehmer, ausgewählt aus den vielen Bewerbern, kamen<br />
aus allen Teilen Deutschlands und reisten mit<br />
militärischen “Travel Orders”. Die ersten US-CAD Lehrer in<br />
Bremen waren Mr. Charles Myers und Mr. George Waller, assistiert<br />
von Mr. Frank B. Lehn und Mr. Jack Lanius. Mr. Waller<br />
und Mr. Myer leiteten auch die folgenden Kurse für Flugplatz-<br />
und Anflugkontrolle (TWR & APP) in München Riem,<br />
während die AACS die Kurse für Strecken-(Bezirks)-kontrolle<br />
durchführte.<br />
✈✈<br />
Flugsicherungsschule München, BFS ATC Kursus 1954,<br />
Lehrer Gagelmann mit Kollegen Strinzel, Feilhauer,<br />
Endlich, Seiffert, Spatzek, Liebst, Herrmann, Martin,<br />
Schuster, Kutscheid, Blumhagen, Glier<br />
Photo: Lebermann<br />
LESERBRIEF<br />
Mr. George Waller wurde später US – FAA Repräsentant für<br />
Europa, Afrika und Nahost (EAME Region) der US Luftfahrtbehörde<br />
FAA mit Sitz in Brüssel. Mr. Waller übernahm ab 1950<br />
den Aufbau der “ATC Training School” in München-Riem, die<br />
ebenfalls im Jahr 1953 an die BFS übergeben wurde.<br />
Bis Ende 1953 führte diese Schule 14 Lehrgänge für TWR,<br />
APP und ACC durch. Aus den ersten 40 Teilnehmern waren<br />
bis 1954 inzwischen 211 “Controller” geworden. 1952 hatte<br />
bereits Bedarf für 85 weitere “Controller” für Frankfurt und<br />
München ACC bestanden. Aus 2000 Bewerbern bestanden<br />
210 die Auswahlprüfung, später reduziert durch fehlende<br />
“politische Freigabe”! Von Ende 1951 an stieg die Zahl der in<br />
der Flugsicherung angestellten Mitarbeiter von 4 auf 232 in<br />
1952 und 732 bis Ende 1953. Diese von den USA ergriffene<br />
Initiative verursachte heftigste öffentliche Proteste seitens<br />
der Sowjets und Englands.<br />
... Fortsetzung folgt in der nächsten Ausgabe des flugleiters.<br />
In der letzten Ausgabe des Spiegel fand ich unter den<br />
Leserbriefen (s.o.) einen Kommentar des Kollegen Oliver<br />
Barth, in welchem er Ihre Arbeit herabwürdigt. Ich, ebenfalls<br />
„Flugkapitän“, möchte Sie wissen lassen, dass ich<br />
mich für diese Äusserungen fremdgeschämt habe und<br />
mich ausdrücklich davon distanziere. Ich kann Ihnen versichern,<br />
dass der Grossteil meiner fliegenden Kollegen<br />
Ihre Arbeit (egal ob am Boden oder in der Luft) sehr zu<br />
schätzen weiss und möchte Sie bitten, diesen Leserbrief<br />
<strong>als</strong> Einzelmeinung zu verstehen.<br />
Mit freundlichen Grüssen<br />
Christian Schreiber/CPT B757/767 Condor<br />
65
der flugleiter 2012/02<br />
Last Call<br />
Mit freundlicher Genehmigung der „FAZ“ Frankfurter Allgemeine Zeitung<br />
AUSLIEFERUNG<br />
IMPRESSUM<br />
15.07.<br />
15.09.<br />
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ist der Urheber leider nicht immer<br />
auffindbar.<br />
Cover:<br />
Boris Roessler @ dpa<br />
U4:<br />
Internet<br />
Layout, Illustration & Prepress:<br />
Litho Art GmbH & Co.<br />
Druckvorlagen KG<br />
Friesenheimer Straße 6a<br />
68169 Mannheim<br />
Druck:<br />
Druckerei Läufer GmbH<br />
Friesenheimer Straße 6a<br />
68169 Mannheim<br />
„der flugleiter“ erscheint zweimonatlich,<br />
jeweils im Mai, Juli, September<br />
und November.<br />
Die mit Namen oder Namenszeichen<br />
veröffent lichten Artikel stellen nicht<br />
unbe dingt und in allen Tei len den<br />
Stand punkt der GdF oder der<br />
Re daktion dar, sondern die<br />
per sön liche Meinung des/der<br />
Ver fasser.<br />
© für alle Artikel – soweit nicht<br />
anders ange ge ben – bei GdF<br />
„der flugleiter“. Nach druck – nach<br />
vor heriger Absprache mit dem<br />
Her aus geber – gestattet.<br />
Beleg exem plar erbeten.<br />
ISSN 0015-4563<br />
66
Liebe Redaktion, liebe Leserinnen und Leser des Flugleiters,<br />
Liebe Freunde in Deutschland,<br />
ich bin Elisabeth Abera, fünfzehn Jahre alt und eines von den drei Waisenkindern,<br />
denen Sie seit fast drei Jahren helfen.<br />
Meine Tante Genet Gebru, die bei Ihnen arbeitet, hat uns im Februar in Gonder<br />
besucht. Yeschi, Mulu und ich haben uns sehr gefreut, sie nach fast zwei<br />
Jahren endlich wiederzusehen. Tante Genet war gerührt, uns in so guter Verfassung<br />
vorzufinden. Sie hat uns von Ihnen vieles erzählt und das wir ohne<br />
Sie nicht hier wären.<br />
Wir haben überlegt, wie wir Ihnen eine Freude machen können und ich habe<br />
diesen Brief geschrieben. Ich möchte mich herzlich bei Ihnen bedanken,<br />
auch im Namen meiner kleinen Geschwister, dass wir durch Sie in eine gesicherte<br />
Zukunft schauen können. Wir fühlen uns wohl in Gonder. Die Stadt<br />
bietet uns Sicherheit, die in Äthiopien nicht selbstverständlich ist. Wir gehen<br />
gerne in die Schule, die Lehrer sind freundlich und haben uns schon viel beigebracht.<br />
Ich persönlich lerne am liebsten Englisch und Mathematik.<br />
Mein Bruder Mulu war lange zu klein für sein Alter und krank. Wir hatten<br />
Angst, dass er nicht mehr gesund wird. Inzwischen ist er kräftiger geworden<br />
und wächst ordentlich. Er ist ganz verrückt darauf, Fußball zu spielen und hat<br />
viele Freunde hier gefunden. Yeschi, meine kleinere Schwester, ist nun auch<br />
schon ein Teenager und interessiert sich sogar schon für die Jungs. Ich passe<br />
<strong>als</strong> ihre große Schwester natürlich auf, dass die Schule nicht zu kurz kommt.<br />
Um uns kümmert sich eine liebevolle Pflegemutter, die wir sehr ins Herz geschlossen<br />
haben. Unsere Großmutter Bozena organisiert den Alltag und<br />
freut sich mit uns über jeden Tag. Wir vermissen unsere Eltern und wissen<br />
aber, dass wir nach vorne schauen müssen und Sie, liebe Helferinnen und<br />
Helfer, nicht enttäuschen wollen.<br />
Wir alle denken oft an Sie und wünschen Ihnen nach Deutschland von Herzen<br />
Freude und Gesundheit, Ihre Elisabeth Abera<br />
Gonder, März 2012<br />
Kommentar von Daniela Franke: Das sind doch gute Nachrichten!<br />
Damit alles so weiterlaufen kann, suchen wir noch Paten!<br />
Wir haben inzwischen sechs Patenschaften und unser Spendenaufkommen<br />
reicht noch etwa neun Monate, um die Kinder<br />
zu versorgen. Wir würden uns sehr über zusätzliche Unterstützung<br />
freuen, damit die Kinder langfristig und kontinuierlich versorgt<br />
werden können. Ihre Spenden werden vom Finanzamt<br />
anerkannt. „Erwachsenwerden“ dauert halt etwas: O) Ein fester<br />
Betrag wird jeden Monat direkt vom Spendenkonto per Western<br />
Union zur Großmutter Bozena überwiesen. Wir danken auch<br />
dieser Stelle auch herzlich unserem Kollegen Friedhelm Remmel,<br />
dem Vorsitzenden des Vereins Villa Kunterbunt e.V., der<br />
sich fürsorglich um den Transfer und die Formalitäten kümmert.<br />
Wollen Sie unser Projekt unterstützen?<br />
Spendenkonto: Hilfsprojekt „Out of Dansha“ –<br />
Villa Kunterbunt e.V. BLZ 508 400 05 (Commerzbank),<br />
Kontonummer: 620322800