Contura – Herbst/Winter 2013/14
Das Magazin der Rhätischen Bahn
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Für den feinen<br />
Röteli braucht<br />
es schaufelweise<br />
edle Kirschen<br />
und Gewürze.<br />
erfunden und verbreitet. Von Familie zu Familie, von Generation zu Generation<br />
wanderten die Rezepte. Im Prinzip ist der Röteli nichts anderes als<br />
Wasser, Schnaps, gedörrte Kirschen und Gewürze. Getrunken wurde das<br />
feine Mazerat damals zur Silvesternacht. «Dann läuteten die verheirateten<br />
Männer das Altjahr aus. Und das neue Jahr wurde durch die Junggesellen<br />
eingeläutet. Sie zogen los, von Hof zu Hof, um Glück und Segen zu wünschen,<br />
zum neuen Jahr und im Stall. Oder genauer: um den Töchtern des<br />
Hofs den Hof zu machen. Als Belohnung gab es jeweils einen Schluck Röteli.<br />
Und der Schlucke wurden mehr und mehr <strong>–</strong> und der guten und bisweilen<br />
auch frommen Wünsche ebenso», schmunzelt Kindschi, der dieses Ritual<br />
noch selbst mitgemacht hat. Er, aufgewachsen in Davos Dorf, wo nicht weit<br />
vom Bahnhof Dorf bis 2012 die Produktionsstätte von Kindschi Söhne AG<br />
gestanden hat, ist auch um die Häuser gezogen. Es sei eine Art von Dating<br />
gewesen, lange vor Internet und Facebook. Freundschaften und auch<br />
Liebschaften fürs Leben seien hier entstanden, dank des Liebestranks.<br />
Der Beste ist der Ausgewogenste<br />
«Ein guter Röteli soll im Gaumen eine Vielfalt von Geschmacksnoten freisetzen.<br />
Kein Gewürz darf vorherrschen. Ausgewogenheit ist das A und O»,<br />
erklärt Kindschi. Und weist nicht ganz ohne Stolz auf die 100 000 Liter hin,<br />
die er jährlich produziert. Tendenz steigend. Davos ist klar Nummer eins<br />
bei der Herstellung des Likörs. Und wie macht man einen guten Röteli?<br />
Zuerst brauche er hochqualitative Dörrkirschen. Wie bitte: Kirschen in Davos,<br />
auf 1500 Metern über Meer, weit über der Fruchtbaum-Grenze? Ganz<br />
früher hätten die Säumer mit ihren Lasttieren die getrockneten und lange<br />
haltbaren Köstlichkeiten aus Italien und dem Orient hergebracht. Später<br />
habe er diese in der Schweiz beziehen können. Nun aber müsse er die drei<br />
bis vier Tonnen Kirschen aus der Türkei anliefern lassen, weil die Schweizer<br />
nicht mehr genügend Menge garantieren könnten. Auf 240 Kilogramm<br />
Kirschen pro Stahltank kommen 16 Kilogramm Gewürze: Zimt, Vanille, Nelken<br />
und Kardamom <strong>–</strong> der Rest bleibt geheim. Dazu kommen 2000 Liter<br />
Kernobstschnaps, zumeist Apfel oder Birne, mit einem Alkoholgehalt von<br />
40 Prozent. Fünf Monate liegen die Kirschen im Saft. Ab und zu werden sie<br />
durchgerührt. «Es geht darum, dass der Schnaps möglichst viele Aroma-<br />
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