Download - Gießener Allgemeine
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Sonderveröffentlichung<br />
3. November 2012<br />
71<br />
Argumente<br />
fürdie Zeitung<br />
Sie lesen gerade ein Buch<br />
Unsere Tageszeitung<br />
ergibt auseinander<br />
geschnitten und<br />
taschenbuchgroß<br />
zusammengeklebt ein<br />
mehrere Hundert Seiten<br />
starken Schmöker.<br />
So lesen Sie ganz<br />
nebenbei jedes Jahr<br />
über 300 Wirtschaftskrimis, Sachbücher,<br />
Biografien, Kunstbände, Reiseführer und Bücher<br />
über neuere und neueste Geschichte.<br />
Helmut Heinen, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger.<br />
Gedruckt, online und mobil<br />
Wandel als Herausforderung –Ein Beitrag von BDZVChef Helmut Heinen<br />
Deutschland ist ein Zeitungsland.<br />
Sechsvon zehnDeutschen über 14 Jahren(66,6<br />
Prozent) lesenregelmäßig die<br />
gedruckte Tageszeitung. Das sind 47<br />
Millionen Männer und Frauen. Sie haben<br />
die Wahl zwischen 333 verschiedenen<br />
Titeln täglich mit 1532 lokalen<br />
Ausgaben in einer Auflage von gut 18<br />
Millionen verkauften Exemplaren.<br />
Hinzu kommen fünf Millionen Wochen-<br />
und Sonntagszeitungen. Der<br />
deutsche Zeitungsmarkt ist damit der<br />
größte Europas und der fünftgrößte<br />
weltweit –hinter Indien, China, Japan<br />
und den USA.<br />
Das ist die gute Nachricht. Zugleich<br />
müssen sich die Zeitungen nun schon<br />
zum zweiten Mal binnen eines Jahrzehnts<br />
gegen rückläufige Anzeigenmärkte<br />
und darüber hinaus gegen<br />
langfristigsinkende Abonnenten-und<br />
Käuferzahlen behaupten. Sie sind dabei,<br />
wie alle anderen klassischen Medien<br />
auch,Teilder globalen undnationalenökonomischenEntwicklung,die<br />
sich im Anzeigengeschäft ebenso niederschlägt<br />
wie inden Medienbudgets<br />
der Haushalte.<br />
Hinzu kam in den zurückliegenden<br />
Jahren jedoch auch ein tief greifender<br />
Strukturwandel, unter anderem ausgelöst<br />
durch die fortschreitende Digitalisierung<br />
und das Internet. So sind<br />
die für die gedruckten Zeitungen bis<br />
dahin besonders wichtigen Rubrikenmärkte<br />
ins Internet gewandert. Nicht<br />
ganz so schnell wie ursprünglich erwartet<br />
undauchnicht ganz so radikal,<br />
aber doch deutlich spürbar: Wer ein<br />
gebrauchtes Auto, einen neuen Job<br />
oder eine größere Wohnung an einem<br />
bestimmten Ort zueinem bestimmten<br />
Preis sucht, kann dies dank immer<br />
ausgefeilterer Mechanismen online<br />
weit schneller und bequemer tun als<br />
im gedruckten Blatt.<br />
Diese Strukturveränderungen muss<br />
niemand beklagen, sie bildeten jedoch<br />
–und bilden noch –eine enorme Herausforderung<br />
für unsere Branche, sowohl<br />
was den Werbemarkt betrifft als<br />
auch was die Seite unserer Leser und<br />
Nutzer angeht. Für alle diejenigen, die<br />
Zeitung lesen und lieben, lautet die<br />
Aufgabe damit, nicht nur unsere Verlagsunternehmen<br />
oder die Zeitungsbranche<br />
fit fürdie Zukunftzumachen,<br />
sondernauchdie Idee vonder Zeitung<br />
zu bewahren: Also von der glaubwürdigen<br />
Nachricht, der geprüften Information,<br />
der seriösen Quelle – ganz<br />
egal auf welchem Ausgabekanal –gedruckt,<br />
online oder mobil.<br />
Im Grunde genommen war das Geschäftsmodell<br />
der Zeitungen über<br />
Hunderte von Jahren sehr simpel: Die<br />
Verleger druckten Inhalte, diesie ihren<br />
Lesern verkauften –und diese Leser<br />
Es zählen Glaubwürdigkeit,<br />
journalistische Qualität und<br />
die »Wächterfunktion«<br />
wiederum verkauften sieder Werbung<br />
treibenden Wirtschaft. Im Zeitalter<br />
vonInternetund Digitalisierungfunktioniert<br />
das allerdings nicht mehr<br />
ganz so. Eine besondere Herausforderung<br />
bildet dabei die Haltung vieler<br />
Nutzer, dass »Online« nichts oder<br />
doch jedenfalls so gut wie nichts kosten<br />
darf. Für alle privatwirtschaftlich<br />
agierenden Produzenten von Inhalten<br />
ist dies naturgemäß unendlich frustrierend.<br />
All dies geschieht obendrein vor dem<br />
Hintergrund einer alternden Gesellschaft<br />
und wachsender Mobilität der<br />
Bürger. Information wird zum Alltagsartikel.<br />
Information wird überall<br />
verfügbar. Und Information wird damit<br />
auch –scheinbar –immer weniger<br />
wert. Immer öfter steuern die Leser/<br />
Nutzer – Stichwort Web 2.0 – auch<br />
selbst Inhalte zu »ihren« Medien bei<br />
oder beeinflussen doch zumindest deren<br />
Wertigkeit im Konzert unterschiedlicher<br />
Nachrichten.<br />
Man mag Twitter, Chats, Weblogs, Online-Communityswenig<br />
journalistisch<br />
finden. Manmag mitRecht darauf hinweisen,<br />
dass die Schnelligkeit einer<br />
Nachricht noch lange nicht für ihre<br />
Qualität birgt. Gleichwohl zeigt uns<br />
diehoheBeteiligungder Bürger an diesen<br />
Formen des Gedankenaustauschs<br />
im Netz, dass sie Wert auf einen Rückkanal<br />
legen, dass sie gehört werden<br />
möchten, und nicht zuletzt, dass unsere<br />
Medien Wege finden müssen, auf<br />
individuelle Wünsche unseres Publikums<br />
stärker noch als bisher einzugehen.<br />
Erfreulicherweisegelingt denZeitungen<br />
die digitale Partnerschaft mit<br />
denLesern immerbesser:Aktuell zählen<br />
wir 27 Millionen Unique User auf<br />
denWebsites derVerlage.<br />
Natürlich geht esbei der Zeitung der<br />
Zukunft aber auch um Inhalte, um<br />
Form und Funktion. Was also könnte<br />
dieZeitungfür künftige Generationen<br />
unverzichtbar machen, sei esnun gedruckt,<br />
online oder mobil? Ein wichtiges<br />
Stichwort lautet hier »Glaubwürdigkeit«,<br />
ein weiteres »journalistische<br />
Qualität der Inhalte«, ein drittes die<br />
»Wächterfunktion« der freien Presse<br />
in der Demokratie. Hehre Begriffe,<br />
fürwahr. Den Anspruch darauf muss<br />
unsere Branche, müssen dieZeitungen<br />
sich Tagfür Tagneu erarbeiten!<br />
Ich habe keine Zweifel, dass sich die<br />
MittelhessischeDruck-und Verlagsgesellschaft<br />
mit ihren Titeln »<strong>Gießener</strong><br />
<strong>Allgemeine</strong>«, »Alsfelder <strong>Allgemeine</strong>«<br />
und»Wetterauer Zeitung« dieserHerausforderung<br />
auch in Zukunft erfolgreich<br />
stellen wird. Die Investition in<br />
neue Drucktechnik dokumentiert<br />
gleichsam das durch Stahl und Stein<br />
verbriefte Vertrauen in die Zukunft<br />
des gedruckten Wortes. Es ist ein Signal<br />
dafür, dass unsere Zeitungen in<br />
einer zunehmend komplexer werdenden<br />
Welt als unverzichtbare Mittler<br />
deslokalen,nationalenund internationalen<br />
Geschehens auch morgen und<br />
übermorgen zuverlässig für unsere<br />
Leser berichten werden. Und dies täglich,<br />
rund umdie Uhr, auf allen Kanälen,<br />
online, mobil, vor allem aber gedruckt.<br />
Zur Erweiterung des Druckzentrums<br />
der Mittelhessischen Druck- und Verlagsgesellschaft<br />
übermittle ichpersönlich<br />
und im Namen des Bundesverbands<br />
Deutscher Zeitungsverleger<br />
herzliche Grüße. Der Verlegerfamilie<br />
Rempel wie den Mitarbeitern inRedaktion<br />
und Verlag wünsche ich, dass<br />
der Erfolg ihres publizistischen Engagementsweiterhin<br />
durchdie Treueder<br />
LeserinGießen undUmgebung bestätigt<br />
wird.<br />
Kein Anfang, kein Ende<br />
Die Zeitung liest jeder so, wie er gerade will.<br />
Was zuerst? Feuilleton, Finanzen, Sport oder<br />
Lokales? Von hinten nach vorn? Zuerst die<br />
Leserbriefe, dann den Leitartikel? Wie Sie das<br />
Blatt drehen und wenden: Hinterher wissen Sie<br />
immer etwas mehr.<br />
An die Vorstände von<br />
Familienunternehmen<br />
Nun ist es erforscht: Die Lesekultur inFamilien<br />
beeinflusst den Schulabschluss. Denn sie<br />
vermittelt unter anderem sprachliche und<br />
gedankliche Fähigkeiten. Daist ein Zeitungsabonnement<br />
betriebswirtschaftlich und volkswirtschaftlich<br />
viel effizienter als ein Kurztrip<br />
nach Pisa.<br />
Dürfen wir vorstellen?<br />
Manche Personen der Zeitgeschichte werden<br />
durch die Zeitung zuMitmenschen. Denn<br />
Porträts, Interviews, Hintergründe oder auch<br />
Nachrufe beschäftigen sich ausführlich mit dem<br />
Menschen hinter dem Namen und stellen ihn<br />
auf eine besonders persönliche und private<br />
Weise dem Leser vor –wenn Sie gestatten.<br />
Gedruckter Blick zurück<br />
und nach vorn<br />
Ein gelebtes Leben. Die Amtszeit des Präsidenten.<br />
Die Bilanz eines Krieges. Bilder der Katastrophe.<br />
Von der Entführung. Der Hintergrund der<br />
Affäre. Die Erde dreht sich weiter –und die<br />
Zeitung hält Tag für Tag die Geschichte für einen<br />
Moment fest. Auch der Blick zurück öffnet den<br />
Blick nach vorn.<br />
Quelle: BDZV