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SCHRIFTEN DES VORARLBERGER LANDESMUSEUMS

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10.3 Folgerungen<br />

Aus den vorstehenden Beobachtungen lassen sich<br />

folgende Schlussfolgerungen ziehen:<br />

1. Die Pfalzkapelle wurde in zwei Bauabschnitten<br />

ausgeführt. Diese unterschieden sich durch<br />

die angewendeten Maßarten und vermutlich<br />

auch durch die beabsichtigte Ausführungsart.<br />

2. Sie wurde mit einer anderen Maßart begonnen<br />

als dann endgültig ausgeführt. Vermutlich war<br />

diese erste Maßart der 0,2962 m lange, römisch-kapitolinische<br />

Fuß.<br />

3. Nach Fertigstellung der Fundamente und während<br />

der ersten Arbeiten an den Außenwänden<br />

und Pfeilern wurde die Maßart gewechselt.<br />

Die lichte Gesamthöhe wurde – vermutlich<br />

analog zu der ursprünglichen Festlegung in<br />

römischen Fuß – mit 100 armenischen Fuß zu<br />

0,3054 m festgelegt und die Höhe der Geschosse<br />

mit 25 – 50 und 25 Fuß. Sonst war die<br />

Maßart weiterhin der 0,3206 m lange, armenische<br />

Fuß. Mit dieser Maßart wurde der Bau<br />

endgültig ausgeführt.<br />

Offenbar wurden nicht nur die Maßart, sondern<br />

auch die Ausführungsplanung und die<br />

ausführenden Bauhandwerker gewechselt. Der<br />

Entwurf des Baus scheint sonst im Wesentlichen<br />

beibehalten worden zu sein. Die bereits<br />

begonnenen, oberirdischen Bauteile, mit Ausnahme<br />

der Außenwände, wurden durch Abarbeiten<br />

der fertigen Schichten an den neuen<br />

Ausführungsplan angepasst.<br />

4. Die Gewölbe wurden in einer damals für<br />

Europa neuartigen Konstruktion gemauert.<br />

5. Namen und Herkunft des Baumeisters, der den<br />

angenommenen, ersten Entwurf erstellt und<br />

die Fundamente errichten ließ, bleiben unbekannt.<br />

Es ist fraglich, ob dieser mit dem in der<br />

Literatur genannten Odo von Metz identisch<br />

ist. Dagegen lässt die für das armenische Bauwesen<br />

typische Bauweise der Gewölbe, die in<br />

dieser Zeit in Mitteleuropa sonst nicht nachweisbar<br />

ist, in Verbindung mit der verwendeten<br />

armenischen Maßart auch hier den Schluss<br />

zu, dass die Bauhandwerker, die den Bau dann<br />

weiterführten und fertigstellten, tatsächlich Armenier<br />

waren. Die Frage der möglichen Herkunft<br />

dieser Handwerker wird im Schlusskapitel<br />

behandelt.<br />

6. Über den Grund des Wechsels lassen sich nur<br />

Vermutungen anstellen. Eine besteht darin,<br />

dass die ursprünglich eingesetzten Handwerker<br />

ungeübt oder sogar nicht in der Lage wa-<br />

93<br />

ren, die schwierigen Gewölbe des Umgangs<br />

und vielleicht auch der Kuppel auszuführen. 150<br />

Eine andere besteht darin, dass das Oktogon<br />

ursprünglich überhaupt nicht eingewölbt werden<br />

sollte, sondern einen hölzernen Dachstuhl<br />

nach fränkischer Tradition erhalten sollte. Für<br />

diesen Fall hätte die Fachkunde der ersten Bauhandwerker<br />

vermutlich auch ausgereicht. Diese<br />

Annahme schließt die Möglichkeit ein, dass<br />

der Entschluss des königlichen Bauherrn, seine<br />

Kirche mit an römische Vorbilder erinnernden<br />

Gewölben einwölben zu lassen, der<br />

eigentliche Grund für den Wechsel der Handwerker<br />

darstellt.<br />

III.<br />

DIE TRÄGER DER ENTWICKLUNG<br />

Bisher wurden die besondere Bauweise, die verwendeten<br />

Maßarten und teilweise die vorgefundenen<br />

Steinmetzzeichen beschrieben, durch die ein<br />

Rückschluss auf eine unmittelbare oder mittelbare<br />

Beteiligung, also eine überlieferte Bautradition<br />

armenischer Bauhandwerker am europäischen Baugeschehen<br />

im frühen Mittelalter möglich wird.<br />

Diese Merkmale erlauben damit zunächst eine Erklärung<br />

für das sonst nicht erklärbare Vorkommen<br />

zahlreicher armenischer Bauformen in der romani-<br />

150 Einen wenig günstigen Eindruck von der Arbeitsweise dieser<br />

ersten Handwerkergruppe gewinnt man bei der Betrachtung<br />

der Fundamente unter den aufgehenden Wänden und unter<br />

den Arkaden. Die durchlaufenden Fundamente sind in Fundamentgräben<br />

freistehend gemauert worden, was eine sorgfältige,<br />

lageweise Bauweise ermöglicht hätte. Statt dessen ist das<br />

ausgeführte Mauerwerk ein nahezu willkürliches, rohes Bruchsteinmauerwerk<br />

mit extrem verschieden dicken Fugen und<br />

mit unregelmäßigem Fugenglattstrich und vor allem auch nur<br />

ungefähr fluchtgerecht. Den oberen Abschluss der Fundamente<br />

bilden zwei Lagen unregelmäßer Quader antiken Ursprungs<br />

oder Bruchstücke von solchen in einem besonders willkürlichen<br />

Versatz. Der Mörtel, durchsetzt mit Ziegelmehl, scheint<br />

der gleiche zu sein wie der der oberirdischen Bauteile. (Darstellung<br />

der Fundamente und der aufgehenden Mauern in<br />

KREUSCH II, Fig. 4 und 5. Ergänzende Feststellung des Verfassers<br />

anlässlich einer »Begehung« des niedrigen, nur zwischen<br />

0,30 m und 0,50 m hohen Hohlraums unter der neuzeitlichen<br />

Bodenplatte des Fußbodens am 26. 09. 2001, für<br />

deren Zustandekommen er Herrn Dombaumeister Maintz besonders<br />

zu Dank verpflichtet ist.)

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