SCHRIFTEN DES VORARLBERGER LANDESMUSEUMS
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Das Deckengewölbe des Umgangs des Erdgeschosses<br />
ist ebenso bekanntlich ein umlaufendes<br />
Tonnengewölbe, das in den Achsen der Pfeiler im<br />
Verlauf des Sechzehnecks achtmal abgeknickt ist<br />
und dort Verschneidungen in Form eines halben<br />
Kreuzgewölbes bildet. In den Achsen der Arkaden<br />
des Oktogons wird es durch Quertonnen gekreuzt,<br />
wodurch dort, wie erwähnt, volle Kreuzgewölbe<br />
entstehen.<br />
Die Gewölbeschalen dieser Gewölbe bestehen<br />
unten wiederum aus Kragschichten, diesmal aus<br />
Werksteinmauerwerk, die im Verband mit dem<br />
der Pfeiler gemauert sind, und darüber aus Hausteinmauerwerk.<br />
Dieses besteht aus allseits sorgfältig<br />
behauenen Kalksteinen im Format von Ziegelsteinen<br />
und ist wie Ziegelmauerwerk in Radialschichten<br />
gemauert (Taf. 58). Diese Bauweise<br />
entspricht der bereits mehrfach erwähnten, armenischen,<br />
zweiteiligen Gewölbebauweise (s. o. I,<br />
2.3 b, Abs. 3). In der Frühzeit des mittelalterlichen<br />
Gewölbebaus in Europa stellt sie eine bisher<br />
einmalige Bauweise dar.<br />
f) Besondere Bauweisen<br />
Ein anderes, besonderes Merkmal besteht darin,<br />
dass die Kämpferlinie der rundbogigen Obergadenfenster<br />
in der Ebene der Kämpferlinie der<br />
Kuppel liegen, d. h. dass die Bögen der Fenster in<br />
die Kuppelfläche einschneiden. Die Schnittlinie<br />
zwischen beiden Flächen ist eine gekrümmte<br />
Ellipse. Diese Ausbildung ist ein typisches Merkmal<br />
armenischer Bauten. Sie ist bis in das 13. Jh.<br />
zu beobachten. 146<br />
Ein weiteres, besonderes Merkmal, das in dieser<br />
Zeit in Europa offenbar sonst nicht nachzuweisen<br />
ist, ist die Ausbildung des Dachgesimses des Sechzehnecks.<br />
Das Gesims besteht aus einer umlaufenden<br />
Folge von im Querschnitt quadratischen Konsolen,<br />
die wie ein überdimensionierter Zahnschnitt<br />
aussieht (s. o., I, 2.3, i). 147 Es hat seine Entsprechung<br />
in einigen Gesimsen meist jedoch späterer<br />
Bauten in Armenien und in Syrien an solchen,<br />
die von armenischen Handwerkern errichtet<br />
worden sind. 148<br />
Das wichtigste Merkmal schließlich sind die acht<br />
Strebenischen (s. o., I, 2.3.e), die die untere Hälfte<br />
des Oktogons abstützen, deren Wandflächen<br />
durch die hohen und breiten Arkaden auf die<br />
schmalen Pfeiler reduziert sind. Im Erdgeschoss<br />
92<br />
wird ihr typisches Erscheinungsbild durch das des<br />
umlaufenden Gewölbes überlagert und ist optisch<br />
nicht erfassbar. Im Obergeschoss reichen die Strebemauern<br />
bis an die Kämpferlinie der Arkaden-<br />
Bögen, in deren Querschnitten sich die senkrechten<br />
Lasten der Kuppel und dem Tambour konzentrieren.<br />
Von hierab sind die Querschnitte der acht<br />
Pfeiler nach unten auf das Doppelte verstärkt.<br />
Gleichzeitig werden die Pfeiler durch die Strebewände<br />
auf die Außenwände abgestützt. Die<br />
schräggestellten Tonnengewölbe nehmen, wie<br />
bereits F. Kreusch festgestellt hat, 149 entgegen der<br />
armenischen Tradition an der Aussteifung aber<br />
nicht teil, da sie offenbar jeweils durch eine breite<br />
Fuge von den Mauern des Oktogons getrennt sind.<br />
Sie sind lediglich Raumüberdeckungen. Der Grund<br />
für diese Maßnahme ist nicht klar. Vielleicht wollte<br />
der Baumeister eine Ableitung der Kräfte des<br />
Tambours auf die Gewölbe der Strebenischen vermeiden,<br />
zumal die Strebemauern diese Funktion<br />
bereits erfüllten. Dagegen stellen die flach-runden<br />
Nischen in der Außenwand eine reduzierte Form<br />
der apsidenförmigen, aber außen gerade geschlossenen<br />
Außenwände der Strebenischen vieler armenischer<br />
Kirchen dar. Dass derartige Nischen nicht<br />
schon im Erdgeschoss vorhanden sind, kann daran<br />
liegen, dass die unteren Schichten der Außenwände,<br />
analog zu den unteren Schichten der Pfeiler,<br />
bereits in der Maßordnung des Entwurfs hochgeführt<br />
worden waren, aber nicht verändert wurden,<br />
als die Maßordnung und die Ausführung, wie<br />
oben beschrieben, geändert wurde.<br />
146 Diese Linie ist heute wegen der Mosaikverkleidung nur undeutlich<br />
zu erkennen, wurde aber bereits von Carl Rhoen 1886<br />
festgestellt (RHOEN, S. 18).<br />
147 s.o., Anm. 40.<br />
148 So an den voraiy - ubidischen Tor-Madrasen in Aleppo. Der An teil<br />
der Beteiligung armenischer Handwerker an diesen isl - amischen<br />
Bauten kann hier nicht erörtert werden.<br />
149 KREUSCH I, S. 469 ff.