SCHRIFTEN DES VORARLBERGER LANDESMUSEUMS
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Abmessungen in der Pfalzkapelle als Beleg für<br />
ihre These in Anspruch nehmen:<br />
die Vertreter der »römischen« These die Innenabstände<br />
der gegenüberliegenden Außenwände<br />
des Sechzehnecks mit den Einzelabmessungen<br />
von 29,34 m bis 29,95 m, was im Mittel von<br />
29,595 m annähernd 100 römisch-kapitolinischen<br />
Fuß (29,62 m) entspricht,<br />
die Vertreter der »karolingischen« These die<br />
Längen der Innenseiten des Oktogons mit den<br />
Einzelabmessungen von 5,97 m bis 6,015 m,<br />
was im Mittel von 5,987 m annähernd 18 drusianischen<br />
Fuß (5,9976 m) entspricht. 133<br />
Die zu Grunde liegenden, metrischen Abmessungen<br />
des Grundrisses sind – vermutlich oder tatsächlich<br />
– dem Plan mit dem Aufmaß durch den<br />
Karls-Verein von 1892 und den Plänen mit dem<br />
Aufmaß Josef Buchkremers von 1900 (Abb. 21)<br />
entnommen, die vor Beginn der Anbringung der<br />
Marmor- und Mosaikverkleidungen erstellt worden<br />
sind. 134 Der Plan des Karls-Vereins enthält u. a.<br />
die Abstände der Oktogonwände im Erdgeschoss,<br />
sonst aber nur wenige, verwendbare Abmessungen.<br />
Die Pläne J. Buchkremers enthalten dagegen<br />
fast vollständig die Abmessungen der Wandabschnitte<br />
und Öffnungsweiten, dagegen nicht die<br />
Wandabstände der Oktogonseiten. J. Buchkremers<br />
Aufmaß wurde später von einigen Forschern<br />
als unzuverlässig bezeichnet, u. a., weil nicht alle<br />
Punkte trianguliert worden wären. 135 Aber bereits<br />
die geradezu peinlich genaue Differenzierung der<br />
Maßangaben von in der Planung sicherlich gleichlang<br />
intendierten Strecken mit Unterschieden von<br />
5 Millimetern, gelegentlich von 2, 6 oder 8 Millimetern<br />
gegenüber einer Angabe in vollen Zentimetern,<br />
ist in Wirklichkeit der Ausdruck einer<br />
äußerst genauen Messung. Ebenso belegt die gelegentliche,<br />
nachträgliche Korrektur zunächst<br />
gemessener Abmessungen durch J. Buchkremer<br />
selbst seine sorgfältige Vorgehensweise. Schließlich<br />
hat eine stichprobenhafte Nachrechnung durch<br />
den Verfasser d ie Genauigkeit der Maßangaben<br />
bestätigt. 136<br />
10.2 Metrologische Untersuchung.<br />
a) Methode<br />
Die Abmessungen des Rohbaus der Kirche, deren<br />
Pfeiler aus Werksteinmauerwerk und deren Wände<br />
und Gewölbe aus verputztem Hausteinmauerwerk<br />
bestehen, lassen sich nach der seit 1900 in<br />
85<br />
mehreren Abschnitten erfolgten Verkleidung der<br />
Pfeiler und Wände mit Marmorplatten und der<br />
Gewölbe mit Mosaik nicht mehr neu ermitteln. 137<br />
Der Verfasser hat deshalb auf die Aufmaßpläne J.<br />
d. Gr. bekanntlich nicht nachzuweisen ist (im Gegensatz zu<br />
der einheitlichen Regelung der Hohlmaße, Gewichte und<br />
des Münzfußes), wurde die von KREUSCH, S. 71 f., als<br />
wichtigstes Referenzbeispiel angeführte »frühchristliche« (!)<br />
Kapelle Sto. Aquilino bei S. Lorenzo in Mailand, deren<br />
Grundriss eine vereinfachte Kopie der Grundrisse mehrerer<br />
armenischer Kirchen ist, nicht mit dem römischen Fuß, sondern<br />
mit dem 0,3206 m langen, armenischen Fuß konstruiert<br />
und erweist sich damit als ein Bauwerk der langobardischen<br />
Zeit (Seitenlängen innen 200 Unzen (534 cm statt 535<br />
cm,) Halbmesser 240 Unzen oder 12 Fuß (641,5 cm statt<br />
646,5 cm). Die Abmessungen entsprechen damit dem oben<br />
genannten Seitenverhältnis des regelmäßigen Achtecks in<br />
glatten Maßeinheiten.<br />
133 Der Verfasser hatte auf Grund einer früheren Messung ebenfalls<br />
angenommen, dass der Bau von einer bestimmten Baufuge<br />
an mit dem »karolingischen« Fuß errichtet worden sei<br />
(HANISCH V, Anm. 53, Abs. 2). Dies wird hier berichtigt.<br />
134 Plan des Erdgeschosses, M. 1 : 100, vom 16. 2. 1892, vermutlich<br />
als Anlage zu einem Bauantrag des »Karls-Vereins zur<br />
Restauration des Aachener Münsters« (Plan Nr. BB 3 des<br />
Domkapitels Aachen); Pläne des Erdgeschosses und des Obergeschosses,<br />
M. 1 : 100, vom August 1900, von Josef Buchkremer<br />
(Pläne Nr. BB 76 und BB 109 des Domkapitels Aachen).<br />
Der Verfasser dankt an dieser Stelle herzlich dem heutigen<br />
Dombaumeister Dipl.-Ing. Helmut Maintz für die Überlassung<br />
dieser Pläne sowie weiterer, historischer Unterlagen über<br />
das Münster und für die Genehmigung für die Veröffentlichung.<br />
135 JANSEN, S. 371.<br />
136 Im Plan des Erdgeschosses sind die fast quadratischen Grundflächen<br />
der Hauptjoche des Umgangs, d.h. der Verschneidungen<br />
des umlaufenden Tonnengewölbes mit den quer dazu liegenden<br />
Tonnen in den Arkadenachsen des Oktogons durch<br />
die Diagonalen der Gratlinien jeweils in zwei Dreiecke<br />
geteilt. Berechnet man in einem Joch an Hand der Seitenlängen<br />
und der Diagonalen die Flächeninhalte dieser Dreiecke,<br />
so muss die Summe der Flächeninhalte der beiden Dreiecke<br />
über der einen Diagonale gleich der Summe der Flächeninhalte<br />
der beiden Dreiecke über der anderen Diagonale sein.<br />
Wäre auch nur eine der insgesamt sechs Strecken falsch angegeben<br />
worden, würde diese Gleichung nicht aufgehen. Die<br />
Nachrechnung ergab auch nur in Einzelfällen Abweichungen,<br />
die eine rechnerische Längenungenauigkeit von Bruchteilen<br />
eines Millimeters anzeigen.<br />
137 Neuere Vermessungen müssen von den heutigen Oberflächen<br />
ausgehen. Sie lassen zwangsläufig keine Rückschlüsse auf die<br />
tatsächlichen Abmessungen des Rohbaus zu.