SCHRIFTEN DES VORARLBERGER LANDESMUSEUMS
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Abschnitte der Kurtinen und Turmfronten wurden<br />
zu diesem Zeitpunkt und bei späteren An lässen<br />
erneuert und verändert. Ursprünglich be standen<br />
die Außenseiten wahrscheinlich einheitlich aus<br />
dem Rustikamauerwerk in der beschriebenen, ausgeprägten<br />
Form (s. o., I, 2.3 a, Abs. 2). 78<br />
a) Östlicher Torturm<br />
Der gut erhaltene, nördliche der beiden mittleren<br />
Türme der Ostfront (Abb. 12, Taf. 39) enthält in<br />
jedem Geschoss einen einzigen Saal und im Erdgeschoss<br />
einen gleich breiten Seitenflügel am Südabschnitt<br />
der Westseite. An der Südseite befindet<br />
sich das stadtseitige Tor der Zitadelle. Seine äußere<br />
Tornische ist mit einer muschelförmigen Halbkuppel<br />
über vier Reihen mu.karnas ausgestattet, die<br />
noch immer mit Vasen und Tulpen bemalt sind<br />
(Taf. 40). Die Gewölbe der Säle sind leicht spitzbogige<br />
Tonnengewölbe, die durch zwei gleich große<br />
Quertonnen gekreuzt werden. Im Erdgeschoss<br />
setzt sich die südliche Quertonne in den westlichen<br />
Anbau fort. Da sich die Gewölbe unmittelbar<br />
aus den Wänden entwickeln, haben die entstehenden<br />
Kreuzgewölbe die Breite der Säle. Die<br />
Gewölbeschalen sind zweiteilig, wobei der obere<br />
Teil aus plattig gehauenem Bruchsteinmauerk besteht<br />
(s. o., I, 2.3 b, Abs. 2). Die Trennungslinien<br />
der Joche sind durch Gurtbögen markiert, die<br />
bündig in den Gewölbeflächen liegen und dort<br />
seitlich verzahnt sind. 79<br />
In einer früheren Veröffentlichung hatte der Verfasser<br />
angenommen, dass der Turm wie andere<br />
Bauten der Zitadelle mit der aiy - ubidischen Bauelle<br />
bemessen worden sei. 80 Allerdings konnte er nur<br />
für wenige Strecken entsprechende Übereinstimmungen<br />
mit dieser Maßart feststellen. Weil der<br />
Grundriss des Turms schiefwinklig und geringfügig<br />
überlang ist, erklärte er deshalb zahlreiche<br />
Maßabweichungen als notwendige Anpassungen<br />
an die Sollmaße, wenn auch in der Größenordnung<br />
von 5-14 cm. Überlegungen zur Herkunft<br />
der beiden ornamentierten Rundfenster (Taf. 41)<br />
im Erdgeschoss führten jedoch zu einer neuen Interpretation.<br />
Die ursprüngliche Annahme süditalienischer<br />
Vorbilder des 12. Jhs. für diese Rundfenster<br />
erwies sich als nicht stichhaltig, weil der<br />
Turm sonst keine an italienische Vorbilder erinnernden<br />
Merkmale aufweist. 81 Andererseits gehört<br />
das ornamentierte Rundfenster, wie erwähnt, zu<br />
den besonderen Merkmalen des georgisch-armenischen<br />
Kirchenbaus (s. o., I, 2.3 n, Taf. 16). 82 Es lag<br />
53<br />
daher nahe, den Turm nunmehr auf die Verwendung<br />
einer armenischen Maßart zu untersuchen.<br />
Diese Untersuchung führte zu dem Ergebnis, dass<br />
sich fast alle relevanten Abmessungen überzeugend<br />
durch den 0,3206 m langen, armenischen<br />
Fuß und seine Unzen ausdrücken lassen.<br />
Im Erdgeschoss sind die Seiten der Kreuzgewölbe ca. 22 Fuß (7,05<br />
m) breit und 22 1 /3 (7,16 m) bis 22 1 /6 Fuß (7,10 m) lang. Wahrscheinlich<br />
waren die Abmessungen vom Auftraggeber mit 12 auf<br />
12 aiy- ubidischen Bauellen (6,98 m) vorgegeben worden, die den<br />
ausgeführten Maßen am ehesten entsprechen. Die Seitennischen<br />
der Nord- und der Oststeite sind weitgehend genau 100 Unzen<br />
(2,67 m) tief und wegen der Überlänge des Gesamtraums im<br />
Mittel 105 Unzen breit. Die zum Ausgleich der Schiefwinkligkeit<br />
notwendigen Anpassungen betragen meistens nur noch 1-2 cm.<br />
Vor allem weist das Südtor eindeutig die armenische Maßart auf.<br />
Der Durchgang ist 100 Unzen (2,67 m) breit und 80 Unzen (2,13<br />
m) tief, die mittlere Außennische ist 13 Fuß (4,17 m) breit und 7<br />
Fuß (2,24 m) tief und die äußere insgesamt 10 Fuß breiter (7,38<br />
m).<br />
Im Obergeschoss sind die Seiten des nördlichen Kreuzgewölbes 22<br />
1 1<br />
/3 Fuß (7,16 m) breit und lang, die des südlichen 22 /3 Fuß breit<br />
und 22 Fuß lang. Die Seitennischen sind im Wesentlichen ebenso<br />
breit wie im Erdgeschoss, aber nur noch 8 Fuß (2,56 m) tief.<br />
Auch die Gewölbeausbildung weist im Lichte dieser<br />
neuen Erkenntnisse nun eine deutliche Verwandtschaft<br />
mit armenischen Gewölben auf.<br />
Nicht nur die Verwendung von Gurtbögen, die in<br />
78 Dies gilt nicht für die überkommenen Maschikulis; s.<br />
HANISCH IV.<br />
79 Die gleiche Bauweise ist an den Gewölben des Untergeschosses<br />
der ehemaligen nördlichen Kirche in Hromklay zu beobachten.<br />
80 HANISCH III, S. 120 f.; S. 130 ff.<br />
81 Zu den Schmuckformen apulischer und palästinensischer Kirchen<br />
s. BUSCHHAUSEN. Die Diskussion darüber, ob bestimmte<br />
Schmuckformen nicht zuerst – zusammen mit Bauformen<br />
und Maßarten – aus dem Orient nach Apulien gelangt<br />
sind, kann hier nicht geführt werden; s. aber dazu, III, Die<br />
Träger der Entwicklung.<br />
82 In Ergänzung zu Taf. 16 weitere Beispiele: in Armenien:<br />
STRZYGOWSKI I, S. 72 (Ani, Modell der Georgskirche), S.<br />
112 (Zwathnotz, Palastkirche, Profile der Rundfenster); in<br />
Georgien: DJOBADZE, Taf. 225 (Ot‘.ht‘a Eklesia Kloster),<br />
Taf. 245/6 (Parhali-Kloster).