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SCHRIFTEN DES VORARLBERGER LANDESMUSEUMS

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Deswegen ist es möglich, auch die fremdartig<br />

erscheinende Art des Rustikamauerwerks der<br />

Turmaußenseiten der armenischen Bautradition<br />

zuzuordnen (s. o., I, 2.3 a, Abs. 2). 64 Das Mauerwerk<br />

gehört damit zu einer armenischen Mauerwerksart,<br />

die später auch am Sperrturm von Anawarz<br />

und an zwei Torbauten von Hromklay verwendet<br />

wurde, vielleicht auch an dem inneren<br />

Grabentor der Johanniterfestung Krak des Chevaliers.<br />

65<br />

Steinmetzzeichen wurden am großen Ostturm<br />

nicht beobachtet. Dagegen finden sich zahlreiche<br />

Zeichen an den anderen Bauten. Eine Auswahl<br />

wird hier wiedergegeben (Abb. 8). 66 Neben einigen<br />

Buchstaben des regulären, armenischen<br />

Alphabets wurden Zeichen aus kryptographen<br />

Schriftarten verwendet, darunter die »arabischen«<br />

Ziffern 2 und 4 und ein lanzenförmiges Zeichen<br />

mit seitlichen Schrägstrichen. Zahlreich scheinen<br />

auch lateinische Buchstaben und Abbilder von<br />

Waffen und Steinmetzwerkzeugen zu sein. Diese<br />

Mischung armenischer und europäischer Zeichen<br />

ist charakteristisch für Bauten in den Kreuzfahrerstaaten,<br />

und, wie noch gezeigt wird, in Europa. Sie<br />

dokumentiert das gleichzeitige Wirken armenischer<br />

und europäischer Steinmetzen. Das offensichtliche<br />

Fehlen der für armenische Bruderschaften<br />

typischen, geometrischen Zeichen und die<br />

Verwendung einiger kryptographer Zeichen könnte<br />

bedeuten, dass die armenischen Steinmetzen<br />

nicht einer organisierten Bruderschaft angehörten.<br />

Für die europäischen Steinmetzen trifft dies aus<br />

historischen Gründen ohnehin zu.<br />

4. H. arr - an, Zitadelle, Ostturm, Südturm und<br />

Nordwestgalerie<br />

Die sehr alte Stadt H. arr - an liegt 50 km südöstlich<br />

von S¸anlıurfa. Sie bietet sich heute als ein leicht<br />

gewelltes Ruinengelände dar, aus dem sich nur der<br />

zentrale Tell, die freigelegte Große Moschee, die<br />

Stadtmauer und an ihrem Südostrand die Zitadelle<br />

herausheben (Taf. 33). 67<br />

Die Zitadelle steht vermutlich an der Stelle eines<br />

antiken Mondtempels der alten H. arr - anier. 68 Ihre<br />

Grundfläche hat etwa die Form eines gedrungenen<br />

Rechtecks. Sie enthält im Kern einen palastartigen<br />

Gebäudekomplex aus der Mitte des 12. Jhs. Von<br />

1193 an wurden unter al-Malik al-‘A - dil 69 die älteren<br />

Kurtinen durch ungewöhnlich starke, dreigeschossige<br />

Kurtinen mit innenliegenden Galerien<br />

44<br />

und angrenzenden, gewölbten Räumen ersetzt. An<br />

die Stelle der alten Ecktürme traten gewaltige,<br />

drei- bis viergeschossige, elfseitige Türme mit<br />

Durchmessern von 27-29 m. 70 Ihre Außenseiten<br />

bestehen aus Rustikamauerwerk in der bereits<br />

beschriebenen, ausgeprägten Form (s. o., I, 2.3 a,<br />

Abs. 2).<br />

64 Der Wechsel der Maßart deutet auf einen Wechsel der Bauhandwerker<br />

oder auf die Einschaltung zusätzlicher Bauhandwerker<br />

hin. Möglicherweise reichte die Anzahl der für den Ostturm<br />

verpflichteten Handwerker nicht aus, um auch die anderen<br />

Bauten – Türme und Kurtinen – zu errichten, so dass weitere<br />

Handwerker beschafft wurden, die dann aber nicht nur<br />

eine andere Maßart mitbrachten, sondern auch die beschriebene,<br />

andere Technik der Bearbeitung der Rustikaquader.<br />

65 Hromklay (türk. Rumkale, Prov. Gazıantep), West- und Südfront<br />

des vierten Tors der Toranlage und Ost- und Südfront des<br />

Euphrattors der Burg (dazu HANISCH VIII); Anawarz,<br />

Außenseiten des Südflügels des Sperrturms der Burg, s.o.;<br />

Krak des Chevaliers, ar. Kal’at al-Hosn, Hisn al-Akr - ad (<strong>DES</strong>-<br />

CHAMPS II, Bd. I, S. 193 f., Bd. II, Taf. 99, 100), Außenfronten<br />

des inneren Grabentors. Weitere Beispiele sind: vermutlich<br />

die Sockel der Türme des Brückentors Friedrichs II. in<br />

Capua (WILLEMSEN, S. 16 ff., Taf. 1 – 10) und die Türme<br />

und Kurtinen vieler staufischer Kastelle dieser Zeit in Apulien;<br />

zu diesem Thema s.u., III, Die Träger der Entwicklung.<br />

66 <strong>DES</strong>CHAMPS II, S. 246. Da diese Auswahl keine Aussage<br />

über die Häufigkeit und die Verteilung enthält, ist die hier<br />

angestellte Beurteilung nur vorläufig.<br />

67 Die erstmalige Beschreibung der Stadt und der Zitadelle<br />

erfolgte durch LLOYD – BRICE, Ergänzungen zur Geschichte<br />

und zum Südosttor dazu durch RICE. Eine neue Beschreibung<br />

s. HANISCH X; außerdem: HANISCH VII, S. 61 ff.; s.<br />

ferner HANISCH IX.<br />

68 Zur Geschichte .Harr - ans s. MEZ und CHWOLSOHN.<br />

69 Al-Malik al-‘ - Adil Saif ad-D - ın Ab - u Bakr Mu .hammad b. Aiy - ub,<br />

1145-1218, jüngerer Bruder .Sal - a .h ad-D - ıns, seit 1192 Statthalter<br />

Sal - a .h ad-D - ıns in der ˇGaz - ıra, seit 1200 Sultan von Ägypten,<br />

Syrien, der ˇGaz - ıra und Armenien (!). Mitteilung seiner<br />

Bauherrschaft der Zitadelle von .Harr - an durch Ibn ˇSadd - ad bei<br />

RICE, S. 37.<br />

LLOYD – BRICE, S. 104, geben nur vage Erbauungszeiten an,<br />

außer irrtümlich S. 102 für die verzierte Seitennische der südlichen<br />

Nordwestgalerie, die sie für ein Werk der Kreuzritter<br />

hielten; dazu G. Fehérvári in EI, Bd. III, S. 229, der darlegt,<br />

dass die Kreuzritter nicht in .Harr - an gewesen sind.<br />

70 Die Besonderheiten der Türme auf der Grundlage eines regelmäßigen<br />

Elfecks können hier nicht erörtert werden. Es sei nur<br />

erwähnt, dass in einem regelmäßigen Elfeck – mit dem im<br />

Altertum und im Mittelalter verwendeten, endlichen Bruch

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