19.06.2012 Aufrufe

SCHRIFTEN DES VORARLBERGER LANDESMUSEUMS

SCHRIFTEN DES VORARLBERGER LANDESMUSEUMS

SCHRIFTEN DES VORARLBERGER LANDESMUSEUMS

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Sis 51 verlegten. Sie blieb auch weiterhin in armenischem<br />

Besitz. Sie bestand aus einer ebenen, fast<br />

rechteckigen Unterburg im Süden und einer schma -<br />

len, dem Felsausläufer folgenden Oberburg im<br />

Norden. An der engsten, nur ca. 17 m breiten<br />

Stelle zwischen Unterburg und Oberburg, an der<br />

an beiden Seiten die Felsen 200 m tief, an der<br />

Westseite sogar absolut senkrecht abfallen, steht<br />

zwischen zwei künstlichen Felsgräben der be -<br />

rühmte Sperrturm, der gewöhnlich, aber irrigerweise<br />

als Donjon bezeichnet wird. 52 Außerdem<br />

sind der Kurtinenkranz der gesamten Burg mit<br />

mehreren Türmen, ein Teil der Burgkapelle der<br />

Unterburg, der Torbau der Oberburg, die Kapelle<br />

der Oberburg und zahlreiche weitere Bauwerke<br />

weniger klarer Zweckbestimmung in der Oberburg<br />

erhalten.<br />

Der Sperrturm (Abb. 6, Taf. 28) wurde nach der<br />

erhaltenen Bauinschrift durch Lewon II., den späteren<br />

König Lewon I., im Jahr 1188 errichtet. 53<br />

Damals war er ein nach Norden und nach oben zu<br />

offener Zwinger. Er bestand an der Südseite aus<br />

einer hohen, eingeschossigen Schildmauer mit<br />

zwei großen Schießkammern und vermutlich<br />

einem darüber liegenden Wehrgang, an der Westseite<br />

aus dem erhaltenen Torbau und an der Ostseite<br />

aus einer Flügelmauer mit einer kleineren<br />

Schießkammer. In einem zweiten Bauabschnitt<br />

wurden die heutige, starke Mittelwand eingezogen<br />

und über den großen Schießkammern und<br />

einem Teil des bisherigen Innenhofs die heutigen<br />

beiden Obergeschosse mit ihrer Dachplattform<br />

errichtet. Im Inneren der Mittelwand lag die Treppe,<br />

die jedoch nur die Obergeschosse verband. Da<br />

der Zugang zu den Schießkammern des Erdgeschosses<br />

durch die neue Zwischenwand versperrt<br />

war und auch nicht durch eine Treppe von oben<br />

hergestellt werden konnte, wurden die Kammern<br />

mit überschüssigem Baumaterial zugeschüttet. 54<br />

Gleichzeitig wurden auf dem nördlichen Teil des<br />

bisherigen Innenhofs die beiden eingeschossigen<br />

Hallen angebaut, über deren Dachfläche der Zu -<br />

gang zu dem neuen 2. Obergeschoss erfolgte. 55<br />

Die Gewölbe der Torkammer des 1. Bauabschnitts<br />

und der angebauten, nördlichen Halle des 2. Bauabschnitts<br />

sind spitzbogige Tonnengewölbe aus<br />

Werksteinmauerwerk, das Gewölbe der angebauten<br />

inneren Halle ein halbes Tonnengewölbe, das<br />

an die eingezogene Mittelwand angelehnt ist. Alle<br />

drei Gewölbe werden in den Achsen durch gleichartige<br />

Tonnengewölbe gekreuzt. Die Vierungen<br />

38<br />

der Torkammer und der nördlichen Halle sind demnach<br />

ganze Kreuzgewölbe, 56 die halbe »Vierung«<br />

der inneren Halle ein halbes Kreuzgewölbe. Die<br />

Schlusssteine haben bei diesem die Form eines<br />

halbierten und bei dem äußeren Gewölbe die des<br />

vollständigen Griechischen Kreuzes. Diese Bauweise<br />

ist typisch für anspruchsvolle, armenische<br />

Gewölbe (s. o., I, 2.3. b, Abs. 3 und 4). Die Verwendung<br />

von ungeteilten Fußmaßen und dem<br />

zehnfachen Vielfachen von Unzen lässt sich am<br />

Sperrturm noch deutlicher zeigen als am vorigen<br />

Beispiel.<br />

Die Länge der Südfront scheint sich aus der Addition der Einzelmaße<br />

mit 36 Fuß (ca. 11,54 m) zu ergeben. Der westliche Torbau<br />

ist 18 Fuß (5,785 m) tief. Die Seiten der Vierung der Torkammer<br />

sind 8 Fuß (2,56 m) lang. Die Schießkammern sind ca. 8 Fuß<br />

(2,53 und 2,545 m) breit, ihre Zwischenwand ca. 4 Fuß (1,23 und<br />

1,27 m) stark. Die eingezogene Mittelwand der zweiten Bauphase<br />

51 Türk. Kozan, Prov. Adana.<br />

52 HELLENKEMPER I, S. 199 f.; EDWARDS I; EDWARDS II,<br />

S. 68 ff. Die Beschreibungen und Annahmen der beiden Forscher<br />

werden im Folgenden berichtigt.<br />

53 HELLENKEMPER I, S. 291, mit der Übersetzung.<br />

EDWARDS II, S. 68, hält diese erste Bauphase irrtümlich für<br />

ein Werk der Kreuzritter aus den ersten Jahren des 1. Kreuzzugs.<br />

54 HELLENKEMPER I, S. 199, und EDWARDS II, S. 69, interpretieren<br />

diesen Befund irrtümlich als Reparaturmaßnahme<br />

nach einem Erdbeben.<br />

55 Die nachträgliche Einwölbung ursprünglich offener Zwinger<br />

findet sich auch an mehreren Bauwerken der Klosterfestung<br />

Hromklay (türk. Rumkale, Prov. Gazıantep, s. HANISCH<br />

VIII, S. 18, S. 27 f. u. S. 30). Sie scheint eine allgemeine Tendenz<br />

widerzuspiegeln, nach der bisher oben offene Räume oder<br />

Straßen nachträglich eingewölbt wurden (HANISCH II, S. 93<br />

ff. [Exkurs]).<br />

56 Die Vierung des nördlichen Gewölbes ist an der Ostseite von<br />

dem weiterlaufenden Tonnengewölbe durch einen Gurtbogen<br />

aus drei nebeneinander liegenden Rundwülsten geschieden.<br />

EDWARDS II, S. 70, hält diesen irrtümlich ebenfalls für ein<br />

Werk der Kreuzritter. Gleiche Gurtbögen befinden sich aber<br />

auch in der langen Halle (Lagerstraße) der Zitadelle von<br />

Damaskus (HANISCH II, S. 65, Gebäude B 14; s. dazu u.:<br />

Beispiel 5: Damaskus, Zitadelle, östlicher Torturm und anschließende<br />

Bauten, 5c) und im Torbau der hier nicht zu besprechenden<br />

salˇg - ukischen Karawanserei El-Bagrurhan von 1229,<br />

für die eine Tätigkeit armenischer Bauhandwerker nachgewiesen<br />

werden kann.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!