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SCHRIFTEN DES VORARLBERGER LANDESMUSEUMS

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scheinlich, weil Türen und Schießscharten eine<br />

Mindesthöhe haben mussten, die höher war als der<br />

Gewölbeansatz, und weil der noch größere Aufwand<br />

für ein höher ansetzendes Gewölbe vermieden<br />

werden sollte. Dies ist eines der prägnantesten<br />

Merkmale der Bauten aus kleinarmenischer Zeit.<br />

h) Wandgliederung außen durch rundbogige Blend -<br />

nischen.<br />

Eine Blendnische in einer Wand war ursprünglich,<br />

statisch gesehen, nicht eine Aussparung in der<br />

Wand, d. h. eine Verminderung der Wandstärke<br />

oder gar eine optische Gliederung. Vielmehr war<br />

in diesem Fall der Querschnitt der Wand, der für<br />

Aufnahme der vertikalen Lasten ausreichend be -<br />

messen gewesen wäre, in den Zonen, in denen außerdem<br />

auch horizontale Lasten (Windkräfte, Schubkräfte)<br />

aufgenommen werden mussten, verstärkt.<br />

Dies waren die Zone, in der innen das Gewölbe<br />

ansetzt, und die seitlichen Zonen, in denen die<br />

Quersteifigkeit hergestellt werden sollte, be son -<br />

ders wenn sie zu Gebäudeecken gehörten. 38 In den<br />

überwiegenden Fällen haben die erhaltenen Blendnischen<br />

und Blendnischenreihen armenischer und<br />

georgischer Kirchen jedoch nur noch dekorativen<br />

Charakter, besonders, wenn sie an Außenwänden<br />

angeordnet sind, die keine oder nur geringe, horizontalen<br />

Kräfte aufnehmen müssen. Der dekorative<br />

Charakter wird häufig dadurch betont, dass in<br />

die Seiten einer Nische Säulen oder Halbsäulen<br />

mit dem dazugehörigen Bogen eingestellt sind,<br />

die manchmal auch reich ornamentiert wurden.<br />

i) Wandgliederung außen durch Rundbogenfriese.<br />

Die Verstärkung einer Wand im oberen Viertel<br />

diente vermutlich ebenfalls der Vergrößerung des<br />

horizontalen Querschnitts der Wand, um die schrägen<br />

und horizontalen Lasten aus einem Ge wölbe<br />

besser verteilen zu können (Taf. 6; 10; 11). Wenn<br />

nicht schon der Wandabschnitt über einer Blendnische<br />

diese Verstärkung bewirkte, wurde sie in<br />

den meisten Fällen durch eine Verbreiterung des<br />

Dachgesimses hergestellt. Dieses bestand meistens<br />

aus einer oder aus mehreren, schichtweise auskragenden<br />

Mauerwerksschichten. In besonderen Fällen<br />

war es aber auch mit Reliefs von floralen oder<br />

abstrakten Ornamenten bedeckt. 39 In antiker Tradition<br />

stehen jedoch die im Zahnschnitt ausgebildeten<br />

Kranzgesimse, deren vorspringende, vier -<br />

eckige Zacken vielleicht ursprünglich als Balken -<br />

enden verstanden wurden. 40 Von diesen dürften<br />

27<br />

sich die Rundbogenfriese ableiten, möglicherweise<br />

in Verbindung mit einer Blendbogenreihe, die<br />

ursprünglich ja die gleiche, technische Funktion<br />

hatte (Taf. 14). Rundbogenfriese der in Europa<br />

geläufigen Form, die vor allem Wandflächen gliedern,<br />

scheinen in Armenien nicht angebracht worden<br />

zu sein.<br />

j) Stufenportale.<br />

Der Typus des Stufenportals in einfacher, einstufiger<br />

oder auch mehrstufiger Form scheint eine<br />

Übertragung einer Blendnische auf eine Türöffnung<br />

gewesen zu sein (Taf. 15). Für die Ausbildung<br />

seiner Gewände und Archivolten scheint es<br />

keine konstruktiven Gründe gegeben zu haben.<br />

Die häufige Ausgestaltung der meisten Stufenportale<br />

mit kunstvoll verzierten Säulen und Archivolten<br />

und die Ausstattung der Wandfläche über dem<br />

Türsturz mit einem figürlichen Tympanon hatte<br />

über den dekorativen Charakter hinaus vermutlich<br />

eine ausgeprägte semantische Funktion. In isl - amischen<br />

Bauten etwa nach 1200 werden aufwendig<br />

gestaltete Gebetsnischen (mi.hr - ab) häufig wie Stufenportale<br />

ausgebildet.<br />

k) Rundbogige Fenster und Türen.<br />

Der Typus der rundbogigen Wandöffnung wurde<br />

bekanntlich bereits in der Spätantike entwickelt.<br />

Der steinerne Rundbogen war die Regel-Form für<br />

die Lastabtragung in den Fällen, in denen eine<br />

Überdeckung mit einem geraden Sturz nicht möglich<br />

oder nicht ausreichend war. Auch wo bei<br />

Türen horizontale Stürze verwendet wurden, wurde<br />

38 Die souveräne Anwendung dieses Verstärkungsprinzips kann<br />

man auch in den Wandgliederungen der almohadischen Bauten<br />

in Andalusien beobachten, hier sogar auch bei ihrer Übertragung<br />

auf die Gewölbefelder. Den Höhepunkt dieser Baukunst<br />

bildet die Torre del Oro in Sevilla. Die Konstruktionsweise<br />

der Gewölbe hat i. Ü. in den in Spanien zuerst auftretenden<br />

Vorformen des gotischen Netz- und Sterngewölbes<br />

seine Fortsetzung gefunden. Dagegen wurde die Verstärkung<br />

der Seitenzonen einer Außenwand bekanntlich in der Gotik<br />

durch die rigorose Form des Strebepfeilers ersetzt.<br />

39 An der Heilig-Kreuz-Kirche in Achtamar, 915-921, sogar mit<br />

einem um eine Kuppel umlaufenden Zug von Rindern.<br />

40 STRZYGOWSKI I, S. 435; s. dazu u.: Beispiel Nr. 10: Ehemalige<br />

Pfalzkapelle Karls des Großen in Aachen.

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