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SCHRIFTEN DES VORARLBERGER LANDESMUSEUMS

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anker (aus Holz) eingelegt waren, konnte ihre<br />

Mauerstärke vermindert werden.<br />

d) Ausgeschiedene Vierung.<br />

Wenn der Raum unter einem Vierungsturm nach<br />

den Seiten fortgesetzt werden sollte, wurden die<br />

seitlichen Umfassungswände in Bogenöffnungen<br />

über Pfeiler- oder Säulenvorlagen umgewandelt.<br />

Die ursprünglichen, lastabtragenden Wände wurden<br />

auf eine schmale Zone über dem Bogen und<br />

auf die seitlichen Wandvorlagen reduziert (Taf. 9).<br />

Manchmal bestand dieser Bogen aus zwei oder drei<br />

übereinander liegenden Bögen. Da die seitlichen<br />

Wandvorlagen dabei als Bestandteile des Vierungspfeilers<br />

empfunden werden, entsteht der<br />

Eindruck, als ob zwischen der Vierung und den<br />

Vierungsarmen in der oberen Zone Bogenwände<br />

eingezogen worden wären, wodurch die Vierung<br />

aus dem Gesamtbauwerk »ausgeschieden« wirkt.<br />

Eine ausgeschiedene Vierung deutet immer auf die<br />

Absicht hin, diese mit einem Turm oder einer<br />

Kuppel zu überdecken.<br />

Die in Europa häufige Form der Überdeckung einer<br />

Vierung mit einem Kreuzgewölbe scheint in<br />

Armenien nicht nachweisbar zu sein.<br />

e) Strebenischen.<br />

Das zweite charakteristische Merkmal vieler armenischer<br />

und georgischer Kirchen waren die Strebenischen.<br />

Die Strebenische ist wie eine Apsis ausgebildet,<br />

die an die Seite eines tonnengewölbten<br />

Bauteils angefügt ist (Taf. 10). Sie war statisch<br />

erforderlich, um dieses Bauteil horizontal auszusteifen<br />

und die horizontalen Kräfte abzuleiten.<br />

Strebenischen wurden daher in der Regel bei Zentralbauten<br />

mit Vierungsturm verwendet, aber<br />

auch in vielfältiger Weise an Bauten mit anderen<br />

Grundrissformen. Dabei entstanden im Grundriss<br />

Vierpässe, Sechspässe und Achtpässe. Eine besondere<br />

Form stellten Strebenischen an den Kopfseiten<br />

von Querschiffen dar (Taf. 11). Außen treten<br />

Strebenischen entweder als eigene Baukörper in<br />

Erscheinung, die im Grundriss halbrund oder<br />

polygonal sind, oder sind in den umschließenden<br />

Kubus einbezogen. In diesem Fall wurden in die<br />

Wandflächen der Außenwände zwischen ihnen<br />

und den angrenzenden Bauteilen (Nebenapsiden<br />

oder anderen Räumen) gewölbte Wandnischen über<br />

einem dreieckigen Grundriss eingefügt (Taf. 12).<br />

25<br />

f) Stufenförmig eingezogene Gewölbeschalen in Bögen<br />

und Seitengewölben.<br />

Häufig wurden beim Anschluss eines Seitenraums<br />

oder eines Jochs an einen Zentralraum, dessen Vierung<br />

nicht ausgeschieden war, seine Seitenwände<br />

und sein Gewölbe gegenüber der Flucht der Pfeiler<br />

und das Bogens geringfügig zurückgesetzt und<br />

nach innen gezogen (Taf. 7 und 8). Statisch wurde<br />

damit die aussteifende Wirkung des als horizontales<br />

Stützelement wirkenden Seitenraums erhöht.<br />

Auch wenn sich auf beiden Seiten einer Bogenöffnung<br />

gleich breite und gleich hohe Räume oder<br />

Joche befanden, wurde der mittlere Teil eines<br />

Bogens entsprechend eingezogen, wodurch an den<br />

Pfeilervorlagen und unter dem Bogen ein engerer<br />

Bogen zustande kam. Bei beiden Konstruktionen<br />

waren demnach nicht ästhetische, sondern konstruktive<br />

Gründe ausschlaggebend. Durch die Anordnung<br />

eines zweiten Bogens unter dem eigentlichen<br />

Bogen wurde dessen Spannweite verkürzt.<br />

Vor allem erhielt der Bogen eine für die Ausbildung<br />

der »Stützlinie« günstigere Form. 37<br />

g) Eingeschnittene Nischengewölbe innen.<br />

Da bei niedrigen Tonnengewölben rundbogig<br />

gewölbte Nischen für Türen, Fenster und Schießscharten<br />

häufig in die Gewölbe einschnitten, bildete<br />

die Schnittlinie zwischen diesen beiden ge -<br />

krümmten Flächen eine gekrümmte Ellipse.<br />

Wenn Seitenwände und Wölbung der Nischen in<br />

Werksteinmauerwerk, die Gewölbeschale aber aus<br />

Haustein ausgeführt waren, reichte der aus Werksteinen<br />

gebildete Gewölbebogen der Nische in die<br />

aus Haustein gebildete Fläche der Gewölbeschale<br />

hinein (Taf. 13). Obwohl diese Konstruktion ebenso<br />

aufwendig ist wie bei einem reinen Werksteingewölbe,<br />

wurde sie regelmäßig angewendet, wahr-<br />

37 In der modernen Festigkeitslehre ist die »Stützlinie« in einem<br />

bogenförmig gekrümmten Tragelement eine parabelförmige<br />

Linie, die den tatsächlichen Spannungsverlauf ausdrückt. Sie<br />

muss immer innerhalb des Bauteils liegen. Falls sie an einer<br />

Stelle außerhalb von diesem zu liegen käme, würde dies<br />

bedeuteten, dass dort die Spannungen nicht mehr aufgenommen<br />

werden können. In diesem Fall käme es an dieser Stelle zu<br />

einer Ausbeulung, einer Absprengung der Kanten oder zum<br />

Bruch (Riss).

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