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SCHRIFTEN DES VORARLBERGER LANDESMUSEUMS

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Eine weitere Entwicklung stellte die Erfindung<br />

der zweiteiligen Gewölbeschale dar. Bei dieser<br />

wurde der untere Teil, etwa ein Drittel der gesamten<br />

Schale, in horizontalen Schichten im gleichen<br />

Mauerwerk und Verband wie die Wände erstellt<br />

und der darüber liegende Teil in der beschriebenen<br />

Bauweise aus Haustein- oder Ziegelmauerwerk<br />

(Taf. 2).<br />

Spätestens in kleinarmenischer Zeit wurde auch<br />

das Kreuzgewölbe, das in der Spätantike entwickelt<br />

worden war, wieder eingeführt. Kreuzgewölbe<br />

wurden erforderlich, wenn ein Raum mehrere,<br />

sich kreuzende Verkehrsachsen aufnehmen oder,<br />

wenn er durch hochliegende Fenster belichtet werden<br />

sollte. Ihre Bauweise war aufwendig, weil sie<br />

ein volles Schalungsgerüst von großer Maßgenauigkeit<br />

erforderte. Andererseits waren Kreuzgewölbe<br />

wirtschaftlich, weil die Lasten nur noch auf die<br />

Eckpunkte des Raumes abgeleitet wurden und, wenn<br />

mehrere Joche aneinandergereiht waren, ein Teil<br />

der horizontalen Kräfte sich gegenseitig aufhob.<br />

Da durch konnten die Seitenwände eines Raumes<br />

nur noch so stark ausgebildet werden, wie es die<br />

jeweilige Schutzfunktion erforderte, oder sie<br />

konnten sogar ganz weggelassen werden.<br />

Bei Werksteingewölben waren die Steine in den<br />

Graten winkelförmig geformt und griffen im<br />

Wechselverband über die Gratlinine hinweg. Der<br />

Schlussstein bestand meistens aus einem einzigen<br />

Stein in Form eines Griechischen Kreuzes (Taf. 3).<br />

Manchmal wurden die Enden seiner Kreuzarme<br />

winkelförmig ausgeschnitten und der Stein um<br />

45° gedreht. Dadurch wurde er noch besser als<br />

zuvor mit den angrenzenden Schichten verklammert<br />

(Taf. 4). Die Form erinnerte dabei an die<br />

Form des Armenischen Kreuzes, dessen Kreuzarme<br />

in zwei Spitzen auslaufen, die leicht nach<br />

außen gebogen sind und häufig in einem floralen<br />

Ornament enden.<br />

c) Vierungsturm.<br />

Das wichtigste Merkmal der armenischen und<br />

georgischen Kirchen war der Vierungsturm (Taf. 5<br />

und 6). Sein Typus ist vermutlich als die ur -<br />

sprüngliche Form des oberen Abschlusses eines<br />

Bauwerks über einem quadratischen, achteckigen<br />

oder runden Grundriss entwickelt worden, der die<br />

notwendigen Fenster enthielt, bei Grabbauten möglicherweise<br />

auch aus eher semantischen Gründen.<br />

Innen war sein Grundriss meistens achteckig oder<br />

19<br />

rund. 36 Seine senkrechten Lasten wurden zur Hälfte<br />

unmittelbar auf die vier Wände des betreffenden<br />

Bauwerks abgeleitet, zur anderen Hälfte über<br />

Verbindungsglieder, die die Raumecken überbrü ckten.<br />

In der Regel bildete diese Zone ein regelmäßiges<br />

Achteck. Die Verbindungsglieder waren ur -<br />

sprünglich stets Trompen (Taf. 7 ). Erst im späten<br />

Mittelalter traten an ihre Stelle Kugelteilflächen<br />

(Teile einer Hängekuppel, Taf. 8) oder dreiecksförmige<br />

Abstützungen oder Sonderformen davon.<br />

Die nachfolgend angesprochenen Konstruktionen<br />

(Strebenischen, Seitenräume, eingezogene Gewölbebögen)<br />

dienten alle der Ableitung der Lasten aus<br />

den Wänden und der Haube des Turms (Wind -<br />

las ten, Seitenschübe) auf die Wände und Fundamente.<br />

Die Bedachung eines Turmes über polygonalem<br />

oder rundem Grundriss war zwangsläufig polygonal-pyramidenförmig<br />

oder kegelförmig (Taf. 5 und<br />

6). Im iranischen und salˇg - u.kischen Bauwesen<br />

waren diese Turmhauben oft mit einem reichen<br />

Dekor versehen.<br />

Kuppelgewölbe waren in der Regel mehrteilige<br />

Klostergewölbe, die in der oberen Hälfte in eine<br />

Kugelkalotte übergehen (Taf. 7), oder sie bildeten<br />

von vornherein eine Kugelschale (Taf. 8). Sie saßen<br />

entweder unmittelbar auf den Wänden und den<br />

Zwickeln der Vierung auf oder bildeten eine Hängekuppel,<br />

bei der die Fenster dann in die Kuppel<br />

eingeschnitten waren. In den meisten Fällen saßen<br />

sie aber auf einem über der Vierung angeordneten<br />

Tambour, der die notwendigen Fenster enthielt,<br />

wodurch die vorgenannte Turmform entstand. Bei<br />

einem Vierungsturm mussten die Lasten, auch die<br />

schrägen und horizontalen Schubkräfte, allein von<br />

den Wänden des Tambours aufgenommen werden,<br />

weswegen diese sehr stark ausgebildet wurden.<br />

Nur wenn in das Mauerwerk des Tambours Ring-<br />

36 STRZYGOWSKI I, S. 72; S. 460 ff., bezeichnet den eingeschossigen,<br />

über einem quadratischen Grundriss errichteten,<br />

seitlich ausgesteiften (»strahlenförmigen«) und mit einem<br />

Vierungsturm bekrönten Bautyp als die Keimzelle des armenischen<br />

Kirchenbaus. Er leitet ihn aus dem ostiranischen Bauwesen<br />

ab, wo dieser Typus als Wohnhaustyp entstanden sei.<br />

Die für Strzygowskis Werk grundlegende Frage kann hier<br />

nicht weiter erörtert werden.

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