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Der Mensch ist, was er isst - Gesellschaft für kritische Philosophie

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lich<strong>er</strong> h<strong>er</strong>vorhebt. Vgl. Hartmut Böhme, Transsubstantiation<br />

und symbolisches Mahl. Die Myst<strong>er</strong>ien<br />

des Essens und die Naturphilosophie, in:<br />

Zum Naturbegriff d<strong>er</strong> Gegenwart, Stuttgart 1995:<br />

139-158<br />

39<br />

Feu<strong>er</strong>bach, Das Geheimnis des Opf<strong>er</strong>s od<strong>er</strong><br />

<strong>D<strong>er</strong></strong> <strong>Mensch</strong> <strong>ist</strong>, <strong>was</strong> <strong>er</strong> <strong>isst</strong>, in: <strong>D<strong>er</strong></strong>s., Klein<strong>er</strong>e<br />

Schriften IV, Gesammelte W<strong>er</strong>ke, Band 11,<br />

a.a.O.: 26<br />

40<br />

Obschon auch int<strong>er</strong>kulturelle Hinweise zu<br />

and<strong>er</strong>en Kulturen, wie z.B. d<strong>er</strong> indischen Religion<br />

und ihr<strong>er</strong> <strong>Philosophie</strong> h<strong>er</strong>gestellt w<strong>er</strong>den.<br />

41<br />

In Abgrenzung zum ‹Supranaturalismus› des<br />

chr<strong>ist</strong>lichen H<strong>er</strong>rschaftsdenkens stellt Feu<strong>er</strong>bach<br />

<strong>für</strong> die heidnische Religiosität klar: „Die Gött<strong>er</strong><br />

d<strong>er</strong> Heiden waren wohl auch schon H<strong>er</strong>ren d<strong>er</strong><br />

Natur, ab<strong>er</strong> keine Schöpf<strong>er</strong> d<strong>er</strong>selben, darum nur<br />

konstitutionelle, beschränkte, in bestimmte<br />

Grenzen eingeschlossene, nicht absolute Monarchen<br />

d<strong>er</strong> Natur, d.h. die Heiden waren noch<br />

nicht absolute, unbedingte, radikale Supranatural<strong>ist</strong>en.“<br />

(Das Geheimnis des Opf<strong>er</strong>s, a.a.O.: 49)<br />

42<br />

Besond<strong>er</strong>s ausführlich auf die religionsgeschichtlichen<br />

Hint<strong>er</strong>gründe geht Mey<strong>er</strong>-Abich<br />

ein. Seine Rekonstruktion d<strong>er</strong> griechischen, babylonischen,<br />

g<strong>er</strong>manischen, jüdisch-chr<strong>ist</strong>lichen<br />

Mythologie bzw. Theologie bestätigen Feu<strong>er</strong>bachs<br />

Befunde: „Für das Geltungsbedürfnis des<br />

mod<strong>er</strong>nen <strong>Mensch</strong>en gibt es wed<strong>er</strong> in d<strong>er</strong> griechischen<br />

noch in d<strong>er</strong> babylonisch<strong>er</strong> Mythologie<br />

irgendein Vorbild. Wie dort gehören auch spät<strong>er</strong><br />

in d<strong>er</strong> g<strong>er</strong>manischen ‹Edda› sowohl die Gött<strong>er</strong><br />

wie die <strong>Mensch</strong>en zur Theokosmogonie d<strong>er</strong><br />

Natur, und die <strong>Mensch</strong>en <strong>er</strong>heben kein<strong>er</strong>lei Ansprüche<br />

auf einen besond<strong>er</strong>en Status gegenüb<strong>er</strong><br />

d<strong>er</strong> natürlichen Mitwelt. Im Alten Testament <strong>ist</strong><br />

dies and<strong>er</strong>s. Hi<strong>er</strong> gibt es einmal den <strong>er</strong>denfremden<br />

Schöpf<strong>er</strong>, dem die Welt äuß<strong>er</strong>lich <strong>ist</strong>,<br />

d<strong>er</strong> also zwar an ihrem Schicksal Anteil nimmt,<br />

es ab<strong>er</strong> nicht selb<strong>er</strong> teilt, und zum and<strong>er</strong>n den<br />

Anspruch des <strong>Mensch</strong>en, ein Ebenbild dieses<br />

Gottes zu sein. Damit v<strong>er</strong>binden sich d<strong>er</strong> H<strong>er</strong>rschaftsanspruch<br />

des <strong>Mensch</strong>en gegenüb<strong>er</strong> d<strong>er</strong><br />

natürlichen Mitwelt und d<strong>er</strong> Gedanke d<strong>er</strong> V<strong>er</strong>fluchung<br />

d<strong>er</strong> ganzen Natur anläßlich des<br />

menschlichen ‹Sündenfalls›.“ (Mey<strong>er</strong>-Abich,<br />

Praktische Naturphilosophie, München 1999:<br />

452) Diese religiös legitimi<strong>er</strong>te und popularisi<strong>er</strong>te<br />

Naturbeh<strong>er</strong>rschung keimt in d<strong>er</strong> Neuzeit auf<br />

und bildet die ideologische Grundlage <strong>für</strong> die<br />

Üb<strong>er</strong>heblichkeit d<strong>er</strong> westlichen <strong>Mensch</strong>heit, sich<br />

als „int<strong>er</strong>planetarisch<strong>er</strong> Erob<strong>er</strong><strong>er</strong>“ aufzuführen<br />

und mündet, wie Mey<strong>er</strong>-Abich meint, in d<strong>er</strong> anthropozentrischen<br />

„Apotheose d<strong>er</strong> Industriegesellschaft“.<br />

Zu dies<strong>er</strong> Selbstv<strong>er</strong>gött<strong>er</strong>ung, die<br />

schließlich im Triumph des wissenschaftlichtechnischen<br />

Zeitalt<strong>er</strong>s kulmini<strong>er</strong>t, wird <strong>er</strong>läut<strong>er</strong>t:<br />

„Man hatte sich Gott so gedacht, dass man ihm<br />

ähnlich w<strong>er</strong>den und an seine Stelle treten konnte,<br />

mit d<strong>er</strong> Allwissenheit d<strong>er</strong> Wissenschaft und<br />

d<strong>er</strong> Allmacht d<strong>er</strong> Technik.“ (ebd.: 314)<br />

43<br />

<strong>D<strong>er</strong></strong> Alt<strong>er</strong>tumsh<strong>ist</strong>orik<strong>er</strong> Burk<strong>er</strong>t bestätigt in<br />

sein<strong>er</strong> Studie zum Ursprung des Opf<strong>er</strong>s vieles<br />

von Feu<strong>er</strong>bach, ohne sich all<strong>er</strong>dings auf ihn zu<br />

beziehen: Walt<strong>er</strong> Burk<strong>er</strong>t, Wild<strong>er</strong> Ursprung.<br />

Opf<strong>er</strong>ritual und Mythos bei den Griechen, B<strong>er</strong>lin<br />

1991<br />

44<br />

Lakonisch bem<strong>er</strong>kt Feu<strong>er</strong>bach dazu, sich<strong>er</strong>lich<br />

„lecken die Gött<strong>er</strong> nicht den <strong>für</strong> sie auf die<br />

Erde gegossenen Wein auf“. (Aus d<strong>er</strong><br />

«Theogonie» nach den Quellen des klassischen,<br />

hebräischen und chr<strong>ist</strong>lichen Alt<strong>er</strong>tums, in: Feu<strong>er</strong>bach,<br />

Ausgewählte Schriften II, a.a.O.: 206)<br />

45<br />

G<strong>er</strong>hard Neumann, Das Gastmahl als Inszeni<strong>er</strong>ung<br />

kulturell<strong>er</strong> Identität, in: Hans Jürgen<br />

Teuteb<strong>er</strong>g (Hrsg.), Essen und kulturelle Identität,<br />

a.a.O.: 45ff.<br />

46<br />

Feu<strong>er</strong>bach, Das Wesen d<strong>er</strong> Chr<strong>ist</strong>entums,<br />

Stuttgart 1998: 409. In d<strong>er</strong> Speiseordnung des<br />

Abendmahls <strong>ist</strong> gegenüb<strong>er</strong> den Beschreibungen<br />

im Alten Testament ein kulinarisch<strong>er</strong> Fortschritt<br />

abzulesen: Diesmal lockt die V<strong>er</strong>suchung nicht<br />

mit ein<strong>er</strong> wohlriechenden, ab<strong>er</strong> v<strong>er</strong>botenen<br />

Baumfrucht, dessen sündhaft<strong>er</strong> Genuss die <strong>Mensch</strong>en<br />

aus dem irdischen Paradies v<strong>er</strong>treibt. Diesmal<br />

reizt die V<strong>er</strong>führung durch v<strong>er</strong>fein<strong>er</strong>te Küche:<br />

lebendiges Brot und reinem Wein, um das<br />

<strong>Mensch</strong>engeschlecht dazu zu bringen, sich zum<br />

himmlischen Leben durchzufutt<strong>er</strong>n – freilich im<br />

Ge<strong>ist</strong>e eines kannibalischen Aktes.<br />

47<br />

Dah<strong>er</strong> greift es in d<strong>er</strong> Sache zu kurz, wenn<br />

inn<strong>er</strong>halb d<strong>er</strong> einschlägigen Lit<strong>er</strong>atur zur Esskultur<br />

gegen ein bloß funktionelles (instrumentelles)<br />

V<strong>er</strong>ständnis des Essens emphatisch betont<br />

wird, Nahrungsmittel seien „Lebensmittel“,<br />

um auf diese Weise (in dem Hinweis auf das Leben<br />

im Lebensmittelsbegriff) den gastrosophischen<br />

Eigenw<strong>er</strong>t und Selbstzweck des Essens,<br />

seine Heiligkeit, zu marki<strong>er</strong>en.<br />

48<br />

In ein<strong>er</strong> bestechenden Formuli<strong>er</strong>ung bezeich-<br />

Aufklärung und Kritik 1/2004 139

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