100 Jahre Jaufenpass-Straße
Festschrift anlässlich des 100-jährigen Bestehens der Jaufenpass-Straße zwischen Sterzing und Meran Herausgeber: Gemeinden Ratschings und St. Leonhard i. P.
Festschrift anlässlich des 100-jährigen Bestehens der Jaufenpass-Straße zwischen Sterzing und Meran
Herausgeber: Gemeinden Ratschings und St. Leonhard i. P.
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1912 2012<br />
<strong>100</strong> <strong>Jahre</strong> Jaufenstraße<br />
1
Steckbrief<br />
Technische Daten der Jaufenstraße<br />
Offizieller <strong>Straße</strong>nname Staatsstraße SS44 <strong>Jaufenpass</strong> - Passo Giovo<br />
Verwaltung<br />
Land Südtirol<br />
<strong>Straße</strong>nbeginn*<br />
Meran (Obermais)<br />
<strong>Straße</strong>nende*<br />
Sterzing<br />
Gesamtlänge<br />
60,2 km<br />
Meran - St. Leonhard: 20,2 km<br />
St. Leonhard - <strong>Jaufenpass</strong>: 20 km<br />
<strong>Jaufenpass</strong> - Sterzing: 20 km<br />
Höhenunterschiede Meran - St. Leonhard ca. 400 hm<br />
St. Leonhard - <strong>Jaufenpass</strong> ca. 1.400 hm<br />
<strong>Jaufenpass</strong> - Sterzing ca. 1.150 hm<br />
Höchster Punkt<br />
<strong>Jaufenpass</strong>: 2.096 m.ü.d.M.<br />
Anzahl Kehren Seite Passeier: 11<br />
Seite Wipptal: 10<br />
Max. Steigungen Seite Passeier: ca. 7 %<br />
Seite Wipptal: ca. 8 % (Bereich <strong>Jaufenpass</strong>), sonst weniger steil als Seite Passeier<br />
<strong>Straße</strong>nbreite<br />
ursprünglich 4,50 m, nunmehr ca. 6 m<br />
SALTAUS<br />
* Der ursprüngliche Beginn der <strong>Straße</strong> ist in Meran am Kornplatz und endet in<br />
Sterzing beim Zwölferturm. Durch die Errichtung bzw. den Umbau von Stadtzufahrtsstraßen<br />
und Umfahrungen hat sich der Verlauf geringfügig verändert.<br />
KUENS<br />
RIFFIAN<br />
MERAN<br />
2
N<br />
ST. MARTIN IN PASSEIER<br />
ST. LEONHARD IN PASSEIER<br />
INNERWALTEN<br />
SAGSTATT<br />
WALTEN<br />
JAUFENPASS | 2.096 m.ü.d.M.<br />
KALCH<br />
GASTEIG<br />
STERZING<br />
3
Grußworte<br />
© Foto Helmuth Rier<br />
Dr. Sabina Kasslatter Mur Landesrätin für Bildung und deutsche Kultur<br />
Dr. Florian Mussner Landesrat für ladinische Schule und Kultur, Vermögens<br />
Dass die Alpen seit jeher eigentlich keinen Riegel<br />
bildeten, vielmehr mit ihren Übergängen eine<br />
strategisch wichtige Scharnierfunktion erfüllten,<br />
zeigt die Tatsache, dass etwa die Grafschaft Tirol,<br />
die Drei Bünde, die Alte Eidgenossenschaft<br />
oder das Erzstift Salzburg sich im Mittelalter als<br />
„Passstaaten“ konstituierten, die ganz wesentlich<br />
vom Transitverkehr und den damit verbundenen<br />
Zöllen profitierten.<br />
Die Verbindung von Meran über das Passeier und<br />
den 2.094 Meter hohen Jaufen nach Sterzing und<br />
über den Brenner ins Inntal bildete in Tirol bis<br />
weit ins fünfzehnte Jahrhundert eine der wichtigsten<br />
Transitrouten. Dementsprechend war sie<br />
beidseitig durch Burgen geschützt (Jaufenburg,<br />
Reifeneck) und mit Zollstätten (Stange, Saltaus)<br />
ausgestattet. Die Verlegung der Residenz nach<br />
Innsbruck und der Ausbau des Kuntersweges zu<br />
einer Fahrstraße (um 1480) führten aber zu einem<br />
Bedeutungsverlust des Jaufenweges.<br />
Spielten bei der Errichtung der 1826 fertig gestellten<br />
Kunststraße über das Stilfser Joch noch<br />
strategische Überlegungen eine zentrale Rolle,<br />
so war es wohl vor allem der Aufschwung des<br />
Tourismus, der noch vor dem Ersten Weltkrieg<br />
Dass Mobilität ein Grundbedürfnis und <strong>Straße</strong>n<br />
Voraussetzung dafür sind, wusste man immer<br />
schon. Was sich geändert hat, ist nur die Nutzung<br />
der <strong>Straße</strong>. Und natürlich der technische<br />
Aufwand, um sie zu bauen, instand und sicher zu<br />
halten. Die <strong>Jaufenpass</strong>straße ist dafür ein gutes<br />
Beispiel: Vor <strong>100</strong> <strong>Jahre</strong>n gebaut, zu Beginn der<br />
Ära moderner <strong>Straße</strong>n also, ist sie eine technische<br />
Meisterleistung, eine der großen, der spektakulären<br />
Alpenstraßen.<br />
Anders als andere Passstraßen ist die <strong>Jaufenpass</strong>straße<br />
allerdings nicht als touristische Attraktion<br />
gebaut worden und nie zu einer solchen „verkommen“.<br />
Nach wie vor ist sie eine wichtige Verkehrsverbindung<br />
zwischen Passeier und dem Wipptal,<br />
nach wie vor wird sie Tag für Tag von Pendlern<br />
und Bussen genutzt, um die beiden Lebens- und<br />
Wirtschaftsräume zu verknüpfen.<br />
Wie es wäre, wenn man ohne sie auskommen<br />
müsste, erkennt man am besten an den wenigen<br />
Tagen im Winter, an denen die <strong>Straße</strong> geschlossen<br />
bleibt. Dann führt der kürzeste Weg von St.<br />
Leonhard nach Sterzing plötzlich über Bozen.<br />
Auch deshalb setzt man alles daran, die Lebenszur<br />
Anlegung wichtiger Passstraßen führte. Im<br />
September 1909 wurde die Große Dolomitenstraße<br />
eröffnet, 1912 folgte die hier zu feiernde<br />
Fahrstraße über den Jaufen, die noch heute die<br />
beiden Talschaften Passeier und Ratschings und<br />
damit die Städte Meran und Sterzing verbindet.<br />
Dass es Chronistinnen und Chronisten der Talschaften<br />
nördlich und südlich des Jaufen sind,<br />
die die Texte zu dieser Festschrift verfasst haben,<br />
erfüllt mich mit besonderer Freude. Seit Jahrzehnten<br />
halten sie das Ortsgeschehen in unseren<br />
Gemeinden fest und leisten damit einen wichtigen<br />
ehrenamtlichen Beitrag zur Identitätsbildung<br />
und Erinnerungskultur. Ihre bezirksübergreifende<br />
Zusammenarbeit an diesem Projekt, ihre Leidenschaft<br />
und Ausdauer bei der Suche nach historischen<br />
Bildern und Überliefertem zeigt einmal<br />
mehr, wie wichtig sie und ihre Chroniken für unsere<br />
Gemeinden und unser Land sind. Für das Geleistete<br />
bedanke ich mich sehr herzlich und wünsche<br />
Ihnen auch für die Zukunft so viel Begeisterung<br />
und Freude bei Ihrer wertvollen Kulturarbeit.<br />
4
verwaltung sowie Öffentliche Bauten<br />
Oswald Tschöll und Sebastian Helfer Bürgermeister der Gemeinden St. Leonhard in Passeier und Ratschings<br />
ader über den Jaufen bestmöglich instand und<br />
befahrbar zu halten. Man kann sich vorstellen,<br />
dass dies ein logistischer und technischer Aufwand<br />
ist, der Mensch, Material und Geldbeutel<br />
fordert, den die Bedeutung der <strong>Straße</strong> aber allemal<br />
rechtfertigt. Genauso gerechtfertigt werden<br />
dadurch die außerordentlichen Maßnahmen, die<br />
die Landesregierung im Jubiläumsjahr für die Erhöhung<br />
der Sicherheit auf der <strong>Jaufenpass</strong>straße<br />
beschlossen hat.<br />
Insofern ist der Hunderter dieser Passstraße in<br />
jedem Fall ein Grund zum Feiern: einmal, weil<br />
es ein runder, ein historischer Geburtstag ist, ein<br />
zweites Mal, weil es derjenige einer Lebensader ist,<br />
ohne die die Geschichte, ohne die die Entwicklung<br />
im Passeier und im Wipptal anders – und ganz<br />
sicher nicht besser – verlaufen wäre.<br />
Die <strong>Straße</strong> über den <strong>Jaufenpass</strong> verbindet das<br />
Passeiertal mit dem Wipptal bzw. die beiden Gemeinden<br />
St. Leonhard in Passeier und Ratschings.<br />
Als Bürgermeister dieser Gemeinden sind wir uns<br />
der Bedeutung dieser Verbindung für diese Region<br />
sehr wohl bewusst.<br />
Zahlreiche Initiativen und Entwicklungen wurden<br />
durch diese Verbindungsstraße im vergangenen<br />
Jahrhundert und auch schon vorher ermöglicht.<br />
Die wirtschaftliche und soziale Bedeutung dieser<br />
Verbindungsstraße war immer schon enorm und<br />
dies hat sich herauf bis in die heutige Zeit überhaupt<br />
nicht verändert. Die kurvenreiche Panoramastraße<br />
zum 2.094 Meter hohen <strong>Jaufenpass</strong>,<br />
mit ihren 21 Kehren und einer Länge von 39 km,<br />
ist nicht nur für viele Touristen ein gern besuchtes<br />
Ausflugsziel, sondern ermöglicht auch den<br />
Bürgern dieser Region außerhalb des Gemeindegebietes<br />
Arbeit zu finden und wirtschaftliche<br />
Tätigkeiten auszuführen.<br />
In Anbetracht der Wichtigkeit dieser Verbindung<br />
erhielt der <strong>Jaufenpass</strong> die heute bestehende <strong>Straße</strong><br />
sicherlich erst relativ spät; für den Passverkehr<br />
wurde aber schon vor dem Bau der neuen <strong>Straße</strong><br />
im Jahr 1912 der zur Römerzeit angelegte, sehr<br />
steile Saumweg genutzt. Dieser teilweise gepflasterte<br />
Weg konnte auch schon mit zweirädrigen<br />
Karren befahren werden.<br />
Als Bürgermeister der Gemeinden St. Leonhard<br />
in Passeier und Ratschings wünschen wir uns,<br />
dass die <strong>Straße</strong> über den <strong>Jaufenpass</strong> weiterhin<br />
viel Zuspruch und Aufmerksamkeit von vielen Besuchern<br />
und auch von der einheimischen Bevölkerung<br />
erfährt und weiterhin die Entwicklung des<br />
Passeiertales und des südlichen Wipptales prägt.<br />
5
Eröffnung der Jaufenstraße am 15. Juni 1912<br />
Einige Passagen aus dem Bericht der Meraner Zeitung vom 19. Juni 1912<br />
Einstimmig war das Urteil Aller, welche als offiziell<br />
oder auch nicht offiziell eingeladenen Teilnehmer<br />
die Eröffnungsfahrt am letzten Samstag über den<br />
Jaufen mitgemacht hatten, daß man kaum irgendwo<br />
anders auf so kurze Distanz von 38 km<br />
in gemäßigter Autofahrt von kaum 2 ein Viertel<br />
Stunden eine solche Fülle von landschaftlichen<br />
Reizen zu schauen bekommt, wie hier.<br />
Rasch wechseln weite Ausblicke hinab und hinaus<br />
in wies- und weidereiche Täler und leiten<br />
mannigfache <strong>Straße</strong>nwindungen in herrlichen<br />
schweigsamen Wäldern, in denen kein Lufthauch<br />
eine Nadel erzittern läßt, hinauf zu ausgedehnten<br />
Alpenrosenmatten und Hochgebirgsregionen mit<br />
kahlgrauem Gestein und Schneefeldern, entzückende<br />
Ausluge auf Eisriesen in naher und ferner<br />
Umgebung gewährend.<br />
Doch nun zurück zum Jaufenhause. Die Gedenksäule<br />
aus Ratschingser Marmor, mit einem vergoldeten<br />
Band in der oberen Hälfte umgürtet, trägt<br />
in vergoldeten Buchstaben die Inschrift:<br />
„Zur Erinnerung an die Eröffnung der Jaufenstraße,<br />
erbaut unter der glorreichen Regierung Sr.<br />
Majestät des Kaisers Franz Josef I. in den <strong>Jahre</strong>n<br />
1905–11. Statthalter Exzellenz Markus Freiherr<br />
Die vergoldeten Lettern wurden in<br />
der Zeit des Faschismus entfernt.<br />
6
Eröffnung der Jaufenstraße am 15. Juni 1912 Das Jaufenhaus, 1912<br />
von Spiegelfeld. Oberbauleitung: Hofrat Philipp<br />
Krapf; Bauleiter: Oberingenieur Alois Staff.<br />
15.VI.1912“<br />
Die Spitzen der Behörden zogen sich auf die Anhöhe<br />
zur Kapelle zurück, Dekan Pirhofer aus Meran<br />
im Ornate, Statthalter Frhr. v. Spiegelfeld und<br />
Landeshauptmann-Stellvertreter Dr. Schorn traten<br />
vor. Dekan Pirhofer vollzog die Einsegnung der<br />
<strong>Straße</strong>, worauf das Meraner Nationalquintett mit<br />
dem Liede „Der Tag des Herrn“ stimmungsvoll<br />
zu den Ansprachen überleitete. Wie weit trug der<br />
frische Wind die melodienreichen Stimmen, bis sie<br />
an den schroffen Wänden ein leises Echo fanden.<br />
Der Statthalter v. Spiegelfeld gab eine kurze Übersicht<br />
der Baudaten, begründete die starke Überschreitung<br />
des mit 1.108.000 Kronen im <strong>Straße</strong>nbauprograrnme<br />
1897 angesetzten Voranschlages<br />
– die 38 km lange Strecke Sterzing–<strong>Jaufenpass</strong><br />
– St.Leonhard kostet nun tatsächlich<br />
3.250.000 Kronen, zu denen<br />
der Staat 55, das Land 35<br />
und die Interessenten 10 %<br />
beigetragen haben.<br />
„Nun ist dieses gewaltige Meisterwerk“,<br />
schließt der Statthalter,<br />
„zu Ende geführt, ein neuer<br />
wichtiger Verkehrsweg des Landes<br />
Tirol ist geschaffen worden,<br />
den Süden und den Norden neuerlich<br />
auf das engste verbindend.<br />
Möge er zum Wohle aller beteiligten Gegenden gereichen.<br />
Ich erkläre sohin die <strong>Straße</strong> als eröffnet.“<br />
Schwazerhauser<br />
(Edellehen)<br />
zwischen Gasteig<br />
und Kalch, 1912<br />
7
Geschichte der Jaufenstraße<br />
Von Günther Ennemoser<br />
Die alte Jaufenstraße<br />
Passstraßen sind seit uralten Zeiten Verbindungswege<br />
in den Alpen. Sie führten und führen als<br />
Gangsteige, Saumpfade, Plattenwege und <strong>Straße</strong>n<br />
die Siedler und Bewohner hüben und drüben der<br />
<strong>Jaufenpass</strong>straße, mit Blick zum Jaufenhaus, ca. 1930<br />
Pässe und Bergsättel zusammen und erweiterten<br />
deren Lebensblick.<br />
Ein solcher Gangsteig und Saumweg führte schon<br />
in vorchristlicher Zeit über den Jaufen, der das<br />
Burggrafenamt und Passeiertal mit Sterzing, dem<br />
Wipptal und Innsbruck verband. Bronzezeitliche<br />
Funde künden davon. Mehr wissen wir aus der<br />
Römerzeit. Die Sprachwissenschaftler leiten den<br />
Namen Jaufen vom lateinischen Wortbegriff „jugum“<br />
(rätoromanisch jouf), das heißt Joch, Bergübergang,<br />
ab. Von einer anderen Erklärung „mons<br />
jovis“ (Berg Jupiter) halten sie nichts, obwohl der<br />
italienische Name „Passo Giovo“ sich von Giove<br />
(Jupiter) ableitet.<br />
Die Römer, bekannt als tüchtige <strong>Straße</strong>nbaumeister<br />
ihrer Zeit, legten schmale Wege an. Zur<br />
Römerzeit angelegte Plattenwege deuten auf beiden<br />
Seiten des Jaufens darauf hin. Einige Spuren<br />
davon sind heute noch erhalten. Die in der Völkerwanderung<br />
eingewanderten Bajuwaren übernahmen<br />
von den Römern den Bergnamen „jugum“<br />
oder „jouf“, und so finden wir in den ältesten<br />
urkundlichen Erwähnungen den Namen „Juven“<br />
oder „Jufen“. In einer Privilegschrift von Papst<br />
Urban sind um 1186 Güter des Klosters Au bei<br />
Bozen „apud jufen Passir“ angeführt.<br />
Im 13. und 14. Jahrhundert wandelte sich der<br />
u-Laut zu au, und so wurde aus „Jufen“ Jaufen,<br />
und der Name ist bis heute geblieben.<br />
Einen regelmäßigen Waren- und Personenverkehr<br />
über den Jaufen bestätigt uns in der Folge die<br />
Zollstätte an der Stange („apud Stangam“) seit<br />
dem <strong>Jahre</strong> 1241. Später finden wir auch einen<br />
Zoll in der Vill bei Sterzing. Für Passeier entdecken<br />
wir in Urkunden um 1254 und 1263 einen Zoll<br />
in Passeier, dessen Einnahmen den Grafen von<br />
Schloss Tirol zugekommen sind.<br />
Stange mit Blick in Richtung Mareit, um 1930<br />
Geschichte der Jaufenstraße<br />
8
Wo nun der alte Jaufenweg verlief, beschrieben<br />
neben Geschichtsforschern wie Otto Stolz auch<br />
die Wipptaler Heimatkundler Konrad Fischnaler<br />
aus Sterzing und Eduard Baron von Sternbach<br />
aus Mareit. Der genaue Wegverlauf liegt allerdings<br />
immer noch im Dunkeln. Auf alle Fälle spricht<br />
man von vier Varianten des alten Jaufenweges,<br />
was dessen Nordseite betrifft.<br />
<strong>Jahre</strong>n einem Dienstmannengeschlecht der<br />
Grafen von Tirol, im 13. und 14. Jahrhundert<br />
„Herren von Passeier“ genannt. Im 15. Jahrhundert<br />
ging die heutige Schlossruine an das<br />
Rittergeschlecht der Fuchs von Fuchsberg<br />
über und bekam den Namen „Jaufenburg“.<br />
Ab Walten führte der Weg hinauf nach Leiteben<br />
und weiter zur Passhöhe am Rinnersattel (2.031<br />
m), vorbei an der Stelle, die heute noch Römerkehre<br />
genannt wird, während der heutige Passübergang<br />
weiter nordöstlich auf 2.096 m.ü.d.M.<br />
liegt.<br />
Jaufenburg, 1912<br />
Gasthof Leiteben,<br />
1.824 m.ü.d.M.<br />
Gasthaus beim Kalcher Wirt, um 1900<br />
Der Jaufenweg war den Bewohnern des Passeiertales<br />
immer schon ein großes Anliegen, und<br />
so wollen wir von der Südseite des Passes her<br />
versuchen, den Urpfad und Saumschlag nachzuzeichnen.<br />
Ab St. Leonhard führten vermutlich<br />
zwei Wege bis nach Walten. Ersterer stieg steil<br />
beim heutigen Gasthof Theis an, den Schlossweg<br />
entlang, zweigte unterhalb der Jaufenburg ab,<br />
den heutigen Römerweg hinauf über Unteregg<br />
und Aicha nach Walten, während allem Anschein<br />
nach ein anderer Weg auf der anderen Talseite<br />
über Karlegg nach Walten führte. Genaue Beweisführungen<br />
des alten Jaufenweges fehlen. Als<br />
Sicherungsburg gehörte die Jaufenburg in jenen<br />
9
Ein anderer Steg führte nach Kalch und von dort<br />
über Reifeneck nach Stange. Dieser galt als die<br />
kürzeste, steilste und auch beschwerlichste Verbindung<br />
hinunter ins Tal. Sinn der ehemaligen<br />
Burg Reifeneck in diesem dünn besiedelten tal war die Sicherung des Jaufenweges von<br />
Hoch-<br />
Norden her, wie es die Jaufenburg auf der<br />
Südseite des Passes tat. Reifeneck stand im<br />
Besitze des Grafen Albert von Tirol, der es<br />
im Jahr 1243 von Bischof Egno von Brixen<br />
bekommen und auf dem Lehenswege dem<br />
Dienstmannsgeschlecht der Trautson weiterverliehen<br />
hatte.<br />
Noch bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts<br />
verlief der alte Jaufenweg auf dem unteren<br />
Teil von Kalch bis zum Weiler Jaufensteg, wo<br />
er über den Ratschinger Bach setzte und am<br />
orographisch linken Ufer des Wasserlaufes<br />
über den Weiler Pardaun bis nach Stange talauswärts<br />
führte. Hier gibt es noch Reste einer<br />
gemauerten Gasse. Es handelt sich bei diesem<br />
Hangweg auch um den alten Kirch- und Schulweg<br />
der Bewohner von Kalch. Über Pardaun ging eine<br />
Abzweigung nach Mareit, der wichtigsten Station<br />
nach St. Leonhard i. P. auf der Passverbindung.<br />
Von Mareit zog der Urweg anschließend am nordseitigen<br />
Talhang über die Sonnendörfer Telfes und<br />
Thuins nach Sterzing, um vor der Fuggerstadt<br />
zu enden.<br />
Im späten 14. Jahrhundert gab es einen weiteren<br />
Saumweg vom Weiler Kalch über die Gschwenthöfe<br />
(Unter- und Obergschwendt) nach Gasteig.<br />
Viele Samer, Geher und Kraxentrager bevorzugten<br />
Burg Reifeneck<br />
noch viele <strong>Jahre</strong> die Route über das Ratschingstal<br />
nach Mareit, Telfes und Thuins, da die Talsohle<br />
von Gasteig bis Sterzing sumpfig und öfters vom<br />
Mareiter Bach überschwemmt war.<br />
Der Weg über den<br />
Jaufen war auch für die von Norden nach Süden<br />
ziehenden Pilger wichtig. So entstand ein Hospiz<br />
des Deutschen Ritterordens in Sterzing und St.<br />
Leonhard.<br />
Dass der Weg über den Jaufen bei schlechter<br />
Witterung und Kälte gefährlich war, erzählt folgende<br />
Begebenheit:<br />
Am 8. Februar 1342 zog Kaiser Ludwig der Bayer<br />
mit prächtigem Gefolge zur Hochzeit seines<br />
Sohnes Ludwig von Brandenburg mit Margarethe<br />
Maultasch (welche sich zum zweiten Mal vermählte)<br />
über den Jaufen, wobei der Bischof von<br />
Freising am Jaufen vom Pferd zu Tode stürzte.<br />
Bild oben: Beim Nusserhof mit Blick zu den Stubaier Gletschern<br />
Geschichte der Jaufenstraße<br />
10
Der alte Jaufenweg wird ausgebaut<br />
und verbessert<br />
Unwetter, Sturzbäche, Steinschlag und Murabgänge<br />
zerstörten immer wieder Landes- und Talstraßen<br />
sowie deren Brücken. Sie mussten neu instand<br />
gesetzt und gefestigt werden. Zu diesem Zwecke<br />
verlieh der Landesfürst privaten Wegmachern<br />
und Gemeinden das Recht, Wege auszubauen,<br />
sie gebrauchsfähig zu halten oder neu anzulegen.<br />
Dies geschah auch im Passeiertal und auf dem<br />
Jaufenweg. Der Jaufenweg wurde aber bis zum<br />
Beginn des 20. Jahrhunderts nie zu einer richtigen<br />
Fahrstraße ausgebaut, sondern als guter Saumweg<br />
erhalten und, wenn nötig, wieder hergestellt. So<br />
blieb er Samern, Fußgängern und Kraxentragern<br />
vorbehalten. Unzählige Bauern, Ritter, Adelige,<br />
Kaufleute, Wallfahrer und Soldaten überquerten<br />
den Pass zu Fuß oder zu Pferd, um rascher nach<br />
Innsbruck oder von dort nach Meran zu kommen.<br />
Vor allem die Passeirer Samer brachten mit ihren<br />
Saumpferden Fracht über den Jaufen und zurück.<br />
So entstand ein richtiges Gewerbe.<br />
Im 17. Jahrhundert soll es im Tale rund 20 Samer<br />
mit bis zu 300 Pferden gegeben haben. Sie lieferten<br />
vom Süden kommend Wein in schmalen,<br />
länglichen Fässern, Lageln genannt, die auch<br />
zum Transport von Früchten geeignet waren.<br />
Dann transportierten sie Weinbeeren, Feigen,<br />
Mandeln, Safran, Öl, Zucker, Lorbeer, Baumwolle<br />
und Seidentücher über den Jaufen. Von Norden<br />
kommend, trugen die Pferde Salz, Getreide, Flachs,<br />
Hülsenfrüchte, Leinen, Leder, Pelze, aber auch<br />
Glas und Geschirr ins Burggrafenamt.<br />
Auch Kraxentrager, alles kräftige Leute, sah man<br />
mit ihren Lasten über die weite Jaufenstrecke<br />
ziehen. Die Gehzeit von Meran durch das Passeier<br />
über den Jaufen nach Sterzing betrug für Träger<br />
und Saumtiere rund zehn bis elf Stunden; sie war<br />
um 13 Stunden kürzer als jene von Meran über<br />
Bozen und Brixen in die Fuggerstadt.<br />
Für die Pferde war der steile Jaufenweg in manchen<br />
Streckenabschnitten oft beschwerlich, so dass sie<br />
geringer belastet werden mussten.<br />
All dies zeigt, wie wichtig der Jaufenweg und die<br />
Verbindung über den Pass für den Warenaustausch<br />
geworden waren. Deshalb ließ die landesfürstliche<br />
Regierung den Jaufenweg gründlich verbessern.<br />
Der Landesfürst verlieh aus diesem Grunde den<br />
Wegbau an geeignete Personen in Eigenregie,<br />
die von den Benützern der Wege auch Abgaben<br />
einfordern durften. In der Hauptsache lag die<br />
Einhaltung des Jaufenweges über Jahrhunderte<br />
in den Händen des landesfürstlichen Zollamtes<br />
Maultiere spielten als<br />
Lasttiere eine bedeutende<br />
Rolle, vor allem in geografisch<br />
und klimatisch<br />
schwierigeren Gebieten.<br />
11
Passeier. Dies galt auch für den Jaufenweg auf<br />
der Nordseite des Passes.<br />
Neue Ideen, wie etwa den Bau einer Fahrstraße<br />
oder die Untertunnelung des Jaufenberges, fassten<br />
weitblickende Männer bereits in früheren Jahrhunderten<br />
ins Auge, doch diese Pläne wurden aus<br />
Kostengründen wieder verworfen. Eine Fahrstraße<br />
über den <strong>Jaufenpass</strong> war dem 20. Jahrhundert<br />
vorbehalten.<br />
Während des Winters kennzeichneten Stangen<br />
den Wegverlauf im Schnee. Natürlich konnte an<br />
Unwettertagen, bei Schneefall, Schneetreiben und<br />
in den Monaten April und Mai der verschneite<br />
Weg von Samern nicht begangen werden, heißt<br />
es in Berichten des Gerichts- und Zollamtes von<br />
Passeier, jedoch überquerten Kraxentrager und<br />
andere Personen das ganze Jahr hindurch, sommers<br />
wie winters, den Jaufenberg.<br />
Auch einen Postlauf gab es bereits in der ersten<br />
Hälfte des 18. Jahrhunderts. Die den Postverkehr<br />
in Tirol innehabende Adelsfamilie der Thurn und<br />
Taxis beschloss 1747, zweimal in der Woche einen<br />
Postverkehr über den Jaufen vorerst versuchsweise<br />
einzuführen. Der Postdienst funktionierte<br />
überraschend gut, dennoch wurde er nur vier<br />
<strong>Jahre</strong> lang aufrecht erhalten.<br />
Der Jaufenverkehr ging im späten Mittelalter stark<br />
zurück. Ursache war der Ausbau des 1307 angelegten<br />
Kuntersweges in der Eisackschlucht zu<br />
einer Fahrstraße zwischen Bozen und Klausen.<br />
Nun konnten die Waren ab 1485 auf dieser <strong>Straße</strong><br />
viel billiger und schneller transportiert werden,<br />
und dies zum Schaden der Passeirer Samer und<br />
Kraxentrager, die starke Einbußen erlitten. Man<br />
wollte in diesen mageren <strong>Jahre</strong>n den Saumweg<br />
über den Jaufen sogar auflassen.<br />
Die Passeirer bekommen eine Fahrstraße<br />
Von Meran nach St. Leonhard in Passeier führte in<br />
all den <strong>Jahre</strong>n alles eher als ein guter und sicherer<br />
Fahrweg. Die teilweise holprige <strong>Straße</strong> ließ die<br />
Fahrgäste erschaudern. Sie wurden ab und zu arg<br />
durchgebeutelt und hatten wahrlich keinen Spaß<br />
auf dieser Reise. Zudem verwüstete die Passer<br />
immer wieder den Fahrweg. Alle Versuche, die<br />
Geschichte der Jaufenstraße<br />
12
<strong>Straße</strong> auszubauen, scheiterten. 1682 wollten<br />
zwei Passeirer Bauern, Zacharias Tanzer und Max<br />
Haller, für 1.500 Gulden eine gute Wagenstraße<br />
bauen. Die Nachbargemeinden zeigten nur geringes<br />
Entgegenkommen. Vier <strong>Jahre</strong> vergingen,<br />
bis die <strong>Straße</strong>nkommission zusammentrat. Doch<br />
dieses Projekt scheiterte wie auch die zwei folgenden.<br />
Es sollte bis zum Jahr 1839 dauern, bis ein<br />
neues <strong>Straße</strong>nprojekt in Auftrag gegeben wurde.<br />
Der Weg sollte breiter und flacher werden. 1840<br />
war die neue Fahrstrecke Saltaus–St. Leonhard<br />
fertiggestellt. Die Baukosten beliefen sich auf<br />
1.158 Gulden.<br />
Anders verlief der <strong>Straße</strong>nbau von Meran nach<br />
Saltaus. Hier ging es viel langsamer voran. Diese<br />
Säumigkeit führte zu Streit innerhalb der Passeirer<br />
Gemeinden. Nichts ging weiter. 1855 wurde ein<br />
neues <strong>Straße</strong>nprojekt für die Strecke zwischen<br />
Meran und Saltaus erstellt. Der Kostenvoranschlag<br />
belief sich auf 26.000 Gulden.<br />
Doch wieder konnten<br />
sich die betroffenen<br />
Gemeinden nicht einigen.<br />
Es sollte noch<br />
drei Jahrzehnte dauern,<br />
bis die Passeirer<br />
<strong>Straße</strong> im Sommer<br />
1895 Realität wurde.<br />
Mit den Bauarbeiten<br />
wurde an<br />
zwei Abschnitten begonnen.<br />
Auch mit der Strecke Saltaus auswärts kam man<br />
nun gut voran. 1899 konnte die vier Meter breite<br />
Talstraße bis St. Leonhard in Anwesenheit von<br />
Kaiser Franz Josef I. für den Verkehr freigegeben<br />
werden.<br />
13
Die Jaufenstraße wird Wirklichkeit<br />
Schon lange hatten aufgeschlossene Männer in<br />
Meran und Sterzing auf den Bau einer echten<br />
Verbindungsstraße zwischen dem Burggrafenamt<br />
über den <strong>Jaufenpass</strong> in das Wipptal gedrängt.<br />
Wenn auch der Staat 55 Prozent und das Land Tirol<br />
35 Prozent der Bauspesen übernehmen wollten,<br />
so war die Restfinanzierung für die betroffenen<br />
Gemeinden immer noch zu hoch. Sie wehrten<br />
sich gegen diese hohe Beteiligung, die allein für<br />
die Gemeinde St. Martin in Passeier 5.544 Kronen<br />
ausgemacht hätte.<br />
Den Behörden gelang es dennoch, endlich die<br />
zaudernden Passeirer zu beschwichtigen und im<br />
Hinblick auf den kommenden Fremdenverkehr zu<br />
überzeugen, einen Teil der finanziellen Belastung<br />
für den Bau der Passstraße zu übernehmen.<br />
Zudem drängte die k. k. Heeresleitung auf den<br />
Bau von besseren <strong>Straße</strong>n in den Tälern und über<br />
die Pässe Tirols.<br />
So wurde nun einer neuen Jaufenstraße von St.<br />
Leonhard nach Sterzing besondere Aufmerksamkeit<br />
geschenkt. 1903 begannen die<br />
Trassierungsarbeiten und 1905<br />
erfolgte der Baubeginn der Höhenstraße<br />
an mehreren Stellen.<br />
Die Oberbauleitung hatten der<br />
spätere österreichische Minister<br />
für öffentliche Arbeiten, Hofrat<br />
Stefan August Ritt (Wien), und<br />
Hofrat Philipp Krapf, Vorstand<br />
der Bauabteilung der k. k. halterei Innsbruck, inne. Die<br />
Statt-<br />
Pläne entwarf Oberingenieur<br />
Alois Staff mit den zugeteilten<br />
Ingenieuren Ernst Mäser und<br />
Alois Baller. Eine böhmische<br />
Firma mit Namen Renz übernahm die Bauarbeiten.<br />
Sie sollte diese nach den Erzählungen des Passeirer<br />
<strong>Straße</strong>nmeisters Alois Righi in 30 Monaten<br />
fertigstellen. Schnelligkeit war angesagt. Auf der<br />
Höhe konnte man wegen des Schnees mit einer<br />
Bauzeit von höchstens drei Monaten rechnen.<br />
Kälte und schlechtes Wetter beeinträchtigten auch<br />
sonst den Baufortschritt. Deshalb konnten die<br />
eingegangenen Verpflichtungen in keiner Weise<br />
eingehalten werden. Alois Righi wusste weiter zu<br />
berichten, dass die Baugesellschaft später die<br />
Arbeiten in Eigenregie übernommen habe und<br />
er die Arbeiter einteilen und führen musste. Die<br />
Arbeiter wurden in einem <strong>Straße</strong>nwärterhaus nahe<br />
dem Jaufenhaus ausbezahlt. Ein Facharbeiter<br />
(Maurer) bekam fünf Kronen als Tageslohn. Klaglos<br />
schritten die Arbeiten voran. Berichte aus den<br />
„Innsbrucker Nachrichten“ (13.1.1907) und dem<br />
„Boten für Tirol und Vorarlberg“ ( 3.4.1907 ) geben<br />
den Fortgang der Arbeiten im Jahr 1907 wieder.<br />
„Innsbrucker Nachrichten“: „Jaufenstraßenbau<br />
schreitet voran. Gegenwärtig (Mitte Jänner) arbeiten<br />
immer noch 80 Arbeiter an der Jaufenstraße. An<br />
der sonnigen Berglehne oberhalb von St. Leonhard<br />
war das Wetter während des ganzen Winters<br />
Geschichte der Jaufenstraße<br />
14
günstig. Die Vollendung der <strong>Straße</strong> ist bis Ende<br />
1908 zu erhoffen. Jenseits des Passes wurden die<br />
Arbeiten zur Winterszeit eingestellt ...“<br />
„Bote für Tirol und Vorarlberg“: „Mit Beginn des<br />
Frühjahrs schritt der Bau in verschärftem Tempo<br />
voran. 200 Arbeiter, welche sich bald verdoppeln,<br />
beziehungsweise verdreifachen werden,<br />
sind gegenwärtig beschäftigt. Die <strong>Straße</strong> hat eine<br />
wundervolle Trasse mit prachtvollen Aussichtspunkten<br />
und wird wohl touristisch einen großen<br />
Verkehr nach St. Leonhard bringen. Auch der Bau<br />
ist sehenswert, da sehr solide gearbeitet wird und<br />
riesige Stützmauern aufgeführt werden müssen“.<br />
Die <strong>Straße</strong>nbauarbeiten wurden jedoch nicht, wie<br />
mit der Baufirma Renz vereinbart, 1908 fertiggestellt,<br />
sondern im Oktober 1911. Der Kostenvoranschlag<br />
reichte wegen verschiedener Bauschwierigkeiten<br />
(brüchiges Gestein, viele Wasserläufe,<br />
hohe Löhne etc.) nicht aus. Die effektiven Kosten<br />
lagen bei rund 3.250.000 Kronen.<br />
Die Länge der neuen, fünf Meter breiten Passstraße<br />
betrug von St. Leonhard nach Sterzing 38 km. Bis<br />
Meran kamen noch 21 km dazu, also waren es<br />
insgesamt 59 km. Die Steigung der <strong>Straße</strong> betrug<br />
rund sieben bis acht Prozent.<br />
15
Die Kehren wurden von<br />
Gasteig beginnend aufsteigend<br />
nummeriert, auf der<br />
Passeirer Seite zusätzlich<br />
durch Namen definiert:<br />
XI - Römerkehre<br />
XII - Kehre Leiteben<br />
XIII - Wurzer-Kehre<br />
XIV - Kehre Gantergieße<br />
XV - Trattner-Kehre<br />
XVI - Tscharf-Kehre<br />
XVII - Glaitner-Kehre<br />
XVIII - Loamer-Kehre<br />
XIX - Kehre Fallenbach<br />
XX - Unteregger-Kehre<br />
XXI - Graßl-Kehre<br />
Das Längenprofil<br />
der Jaufenstraße,<br />
August 1911,<br />
rekognosziert<br />
durch Oberleutnant<br />
Josef Edler von Lulic,<br />
k. k. Pionierbataillon Nr. 2,<br />
Generalstab Tirol<br />
Geschichte der Jaufenstraße<br />
16
21 Kehren waren notwendig, elf auf der Südseite<br />
(Graßl-Kehre, Unteregger-Kehre, Kehre Fallenbach,<br />
Loamer-Kehre, Glaitner-Kehre, Tscharf-Kehre,<br />
Trattner-Kehre, Kehre Gantergieße, Wurzer-Kehre,<br />
Kehre Leiteben und Römerkehre) und zehn auf<br />
der Nordseite (sie tragen alle römische Ziffern;<br />
Kehre IX wird auch die Russenkehre und Kehre X<br />
die Jaufentalkehre genannt).<br />
Am 15. Juni 1912 wurde die neue Jaufenstraße<br />
nahe des Sterzinger Jaufenhauses in Anwesenheit<br />
höchster Behördenvertreter des Landes Tirol,<br />
darunter Statthalter Baron von Spiegelfeld, Beirat<br />
Dr. Schorn, Reichtagsabgeordneter Kofler, die Bezirkshauptmänner<br />
Niederwieser (Brixen) und Galli<br />
(Meran), die Bürgermeister Weinberger (Meran),<br />
von Guggenberg (Brixen), Domanig (Sterzing) und<br />
August Gröbner (Gossensaß), ihrer Bestimmung<br />
übergeben. Dekan Pirhofer von Meran segnete<br />
die neue <strong>Straße</strong>. Bei herrlichem Wetter spielten<br />
Musikkapellen, ertönten Salven der Passeirer<br />
Schützen und sechs „Goaßlschnöller“ ließen ihre<br />
Peitschen „schnalzen“. Alois Righi zählte rund<br />
<strong>100</strong> Autos mit Gummireifen.<br />
Vor der Einweihung im Jahr 1912 wagte sich am 23.<br />
Oktober 1911 ein erstes Auto über den <strong>Jaufenpass</strong>.<br />
1913 waren es schon 941 Autos. Am 14. Juni<br />
1913 fand in Anwesenheit von Behördenvertretern<br />
die Eröffnung des täglichen Postautoverkehrs<br />
Meran –<strong>Jaufenpass</strong>–Sterzing statt. Diese Postautos<br />
waren Tag für Tag so überfüllt, dass nicht selten<br />
ein zweiter Wagen fahren musste. Diese Linienbusse<br />
verfügten über je 13 Sitze. Den Hauptteil<br />
des Jaufenverkehrs in den ersten beiden <strong>Jahre</strong>n<br />
bildeten jedoch noch Kutscher<br />
und Fuhrwerke. 1913<br />
zählte man beim Zoll in Salt-<br />
aus noch 3.220 zweispännige<br />
Stadtwagenkutschen,<br />
806 Einspänner und 2.<strong>100</strong><br />
Fuhrwerkgespanne in beide<br />
Richtungen über den Jaufen.<br />
Oben: Postauto-Eröffnungsfahrt <strong>Jaufenpass</strong>-Meran, Start beim Parkhotel in Sterzing, 1913<br />
Rechts: Rast am Jaufenhaus, 1934<br />
17
Landwirte. Die Bauern auf der Passeirer Seite<br />
beklagten das lange Warten auf den Restbetrag<br />
der Grundeinlösungssumme, den sie um den<br />
11. August 1913 noch immer nicht ausbezahlt<br />
bekommen hatten. Vier <strong>Jahre</strong> warteten sie nun<br />
schon auf den vollen Betrag. „Wie so oft wurde<br />
uns schon ‚oben‘ gesagt, es sei alles im Gange,<br />
das Geld bei der k. k. Statthalterei angelangt und<br />
komme demnächst zur Auszahlung, aber nichts<br />
geschah“ (Tiroler Bauernzeitung:<br />
St. Leonhard i. Pass, 11. August 1913).<br />
<strong>Straße</strong> überhaupt frei zu bleiben. Die Fußgänger<br />
werden aufmerksam gemacht, dass sie für ihre<br />
Sicherheit selbst Sorge zu tragen haben, da eine<br />
Verantwortung nicht übernommen wird. Die übrige<br />
Zeit müsse die Bahn für die Rodelfahrer frei bleiben.<br />
Auf der zweiten Tafel wird kundgemacht, dass der<br />
Viehtrieb verboten ist. Ich frage nun: Was haben<br />
die Bewohner dieser Gegend eigentlich von der<br />
Jaufenstraße? Im Winter wird dieselbe zugunsten<br />
der Bobsleighfahrer teilweise abgesperrt und in der<br />
übrigen Zeit von den Rodlern unsicher gemacht.<br />
Einmal gebaut, da rauschte es im Blätterwald begeistert<br />
über die Schönheit der Jaufenstraße und<br />
ihren sportlichen Reiz. Zeitungen und Werbebroschüren<br />
beschrieben sie als eine der schönsten<br />
Hochalpenstraßen, als eine Kunststraße mitten<br />
über die Berge.<br />
Nach dem Bau und der Eröffnung der Jaufenstraße<br />
regte sich in den Dörfern des Passeierund<br />
Wipptales erstmals der Fremdenverkehr, die<br />
Wirtschaft blühte. In den<br />
Wintermonaten gab es be-<br />
sonders auf der<br />
Nordseite des Passes ein neues lustiges Treiben.<br />
Rodel- und Bobsportler fanden sich ein, um ihren<br />
geliebten Sport zu betreiben, während die weiten<br />
Flächen am Pass in der Nähe des Schutzhauses<br />
gute Möglichkeiten zum Skifahren boten.<br />
Dies nicht immer zur Freude der Bauern.<br />
Die Bauernbriefe in der „Tiroler Bauern-Zeitung“<br />
künden das Unbehagen der Bergbauern und<br />
Oder: „Wer hat nun den<br />
Hauptnutzen an den <strong>Straße</strong>nbauten? Nehmen<br />
wir einmal die Jaufenstraße. Vor dem Gasthaus<br />
Heidegger an der Jaufenstraß in Gasteig stehen<br />
zwei Tafeln. An der einen Tafel steht die Fahrzeit<br />
für die Bobsleighfahrer (eine Art Rodelsport), von<br />
halb 11 bis halb 12 Uhr vormittags und von halb 4<br />
bis halb 5 Uhr nachmittags. In dieser Zeit hat die<br />
In der übrigen <strong>Jahre</strong>szeit trei-<br />
ben die Automobile auf dieser <strong>Straße</strong> ihr Unwesen,<br />
sodass die Menschen und das Vieh ihres Lebens<br />
nicht sicher sind. Bei den Holzfuhren auf dieser<br />
<strong>Straße</strong> im Winter ist das Bremsen verboten, die<br />
Schlitten der Bobsleighfahrer ruinieren die <strong>Straße</strong><br />
aber mehr als so ein Holzschlitten. Das macht aber<br />
nichts, da es sich hier um eine Unterhaltung, um<br />
einen Sport der Städter handelt“ (Bauernbriefe<br />
Jaufental-Gasteig, 2. Februar 1913).<br />
Zweites Bild v.l.: Johann Klotz (am Steuer), langjähriger Bürgermeister von Ratschings<br />
Geschichte der Jaufenstraße<br />
18
Diese guten, aber auch umstrittenen Zeiten wurden<br />
leider durch den Ersten Weltkrieg (1914–1918)<br />
wieder zunichte gemacht. Die Jaufenstraße wurde<br />
in dieser Zeit wenig befahren. Am 26. August 1914<br />
stellte die Postverwaltung auch den Busverkehr<br />
über den Jaufen ein. Nach dem ersten großen<br />
Völkerringen kam Südtirol zu Italien. In unserem<br />
Lande wurde alles anders. Ab 1. Juli 1920 und im<br />
Sommer 1921 übernahmen Busse einer Trentiner<br />
Gesellschaft den Postautoverkehr über den<br />
Jaufen, auch das Privatbusunternehmen Johann<br />
Kofler besorgte diesen Dienst. Ab 1931 sah man<br />
die roten Busse der SAD und die gelben Autocars<br />
des Landesverkehrsamtes Innsbruck über den<br />
Jaufen fahren. Nach einer kurzen Erholung in der<br />
Zwischenkriegszeit ging die Bedeutung der Jaufenstraße,<br />
besonders in den <strong>Jahre</strong>n des Zweiten<br />
Weltkrieges (1939–1945), wieder stark zurück.<br />
Die Wartung der Passstraße ließ in jenen Zeiten<br />
sehr zu wünschen übrig. Nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg besserte sich dieser Zustand. Die <strong>Jaufenpass</strong>straße<br />
begann für den nun einsetzenden<br />
Massentourismus interessant zu werden. Die Entwicklung<br />
der Automobilindustrie (die Käferjahre,<br />
VW) tat das Ihre dazu.<br />
Die Staatsstraßenverwaltung ANAS ließ die 21<br />
Kehren ausbauen und die noch bestehenden<br />
Autokolonne in den 50er<br />
<strong>Jahre</strong>n<br />
Jaufenstraße vom <strong>Jaufenpass</strong><br />
in Richtung „Römerkehre“,<br />
um 1935<br />
19
Landes sowie andere Persönlichkeiten zur Einweihung<br />
der Gedenksäule auf den Jaufen brachten.<br />
Er erzählte von den ersten Bob-, Ski- und Rodelrennen<br />
und von den gut besuchten Skikursen<br />
am Jaufen. Abschließend wünschte er den neuen<br />
Pächtern, Stötter und Seebacher, viel Glück bei<br />
der Führung des Jaufenhauses. Mit Heimatliedern,<br />
bei Perlagger- und Wattkarten nahm der Tag ein<br />
fröhliches Ende.<br />
Das Jaufenhaus, um 1932<br />
Kurztunnels abbrechen; 1974 ließ sie im Vermaltal<br />
zwischen Aicher und Walten eine <strong>Straße</strong>nüberdachung<br />
errichten.<br />
Am 16. Juni 1952 trafen sich Freunde der Jaufenstraße<br />
beim Jaufenhaus, um „40 <strong>Jahre</strong> Jaufenstraße“<br />
zu feiern. Der Seelsorger von Mareit<br />
las im Kirchlein Mariä Heimsuchung nahe dem<br />
Jaufenhaus eine hl. Messe und hielt anschließend<br />
eine kurze Ansprache vor dem aus Ratschinger<br />
Marmor geschlagenen Gedenkstein, der dereinst<br />
in goldenen Lettern die Namen der Erbauer der<br />
<strong>Straße</strong> trug. Leider sind diese der 1924 einsetzenden<br />
Aufschriftenjagd der Faschisten zum Opfer<br />
gefallen. Die Musikkapelle Wiesen spielte flotte<br />
Weisen und Karl Riedmann aus Sterzing hielt<br />
die Festrede. Er erinnerte in seiner Ansprache<br />
an den ersten Spatenstich am Beginn der <strong>Straße</strong>nbauarbeiten,<br />
an die ersten mit Tannengrün<br />
geschmückten Automobile, die am 15. Juni 1912<br />
Vertreter der Regierung und der Behörden des<br />
Geschichte der Jaufenstraße<br />
20
Um 1954 erhielt die Passstraße auf der Nordseite<br />
eine Asphaltdecke. 1957 wurde die Passeirer Seite<br />
asphaltiert, so dass diese Arbeiten bis Ende der<br />
1950er <strong>Jahre</strong> vollendet werden konnten.<br />
Im September 1962 erfolgte am Jaufen das 50.<br />
Jubiläumsfest der Jaufenstraße. Das Fest begann<br />
wieder am Vormittag mit einer hl. Messe in<br />
der Jaufenkapelle. Die Festlichkeiten fanden im<br />
Jaufenhaus statt, wo der damals 85-jährige Altstraßenbaumeister<br />
Alois Righi aus St. Leonhard,<br />
der noch bei der Eröffnung der herrlichen Alpinstraße<br />
im Frühsommer 1912 dabei sein durfte,<br />
von den Bauarbeiten erzählte. Die Musikkapelle<br />
Ratschings begleitete mit ihrem flotten Spiel den<br />
frohen Tag und der Pächter Rudolf Stötter lud die<br />
Honoratioren zu einem Mittagessen ein.<br />
Am <strong>Jaufenpass</strong>, um 1960<br />
Römerkehre, 1973<br />
21
Unter der Verwaltung des<br />
Landes sind Instandhaltungsund<br />
Sicherungsarbeiten dem<br />
Landesstraßenbezirk „Eisack-<br />
Wipptal“ unterstellt.<br />
Eine bedeutende Wende in der Wartung der Jaufenstraße<br />
trat nach dem Inkrafttreten des zweiten<br />
Südtiroler Autonomiestatutes ein. In dessen<br />
Umsetzung ging auch die Jaufenstraße am 1. Juli<br />
1998 in die Verwaltung des Landes Südtirol über.<br />
Die Jaufenstraße Süd wurde nun dem Bereich<br />
Landesstraßen „Burggrafenamt“, der nördliche Teil<br />
dem Landesstraßenbezirk „Eisack- Wipptal“ zugeordnet.<br />
Ab nun wurden verstärkt Verbreiterungen<br />
an Teilstücken sowie Ausbesserungsarbeiten an<br />
der Passstraße vorgenommen, Leitplanken ausgetauscht<br />
und neu gesetzt, Unterbausanierungen<br />
durchgeführt und die Asphaltdecke, besonders im<br />
oberen Bereich, immer wieder erneuert.<br />
Dem <strong>Straße</strong>ndienst gelang es in den letzten <strong>Jahre</strong>n,<br />
den Passübergang mit kurzen Unterbrechungen<br />
offen zu halten, ein Ansinnen, das man mit weiteren<br />
Schneesicherungsarbeiten das ganze Jahr<br />
hindurch möglich machen möchte. Im Oktober<br />
2011 sicherte Bautenlandesrat Florian Mussner<br />
Vertretern der Gemeinden St. Leonhard<br />
und Ratschings zu, bis 2015 die Lawinen- und<br />
Steinschlagschutzbauten zu verbessern und im<br />
Bereich des Lawinenhanges „Pircher Mader“ eine<br />
Galerie zu bauen.<br />
Geschichte der Jaufenstraße<br />
22
Der <strong>Jaufenpass</strong> - Ein Schauplatz der Geschichte<br />
Von Heinrich Hofer<br />
In einer Festschrift zur Jaufenstraße<br />
sollten wir auch jener Männer und Frauen<br />
gedenken, die im Lauf der Jahrhunderte<br />
den Weg über den Jaufen gefunden<br />
haben und die für Tirol sowie das<br />
Passeier- und das Wipptal Bedeutung<br />
erlangt haben. Autoren wie Arbeo von<br />
Mais, Beda Weber, Joseph Ennemoser,<br />
Karl Paulin, Rudolf Trenkwalder, Karl Gruber,<br />
Alfred Toth u. a. haben von diesen<br />
Persönlichkeiten berichtet. Tausende von<br />
Bauern, Händlern, Soldaten, Kaufleuten<br />
und Pilgern haben den Saumpfad über<br />
den Jaufen begangen.<br />
Wir denken nur an die legendären Jahrmärkte<br />
von Meran, die von weit her Mensch<br />
und Vieh angezogen haben. Keine Namen<br />
kennen wir von den tausenden Pilgern, die<br />
nicht nur den Marienwallfahrtsort Trens aufsuchten,<br />
sondern auch den Jakobsweg von<br />
Innsbruck über Thuins zum Jaufen und von<br />
dort nach Meran und St. Jakob/Grissian über<br />
den Gampenpass nach Santiago de stela<br />
Compogingen.<br />
Die Ruhe der Maultiertreiber auf dem Jaufenberge in Tyrol<br />
23
Das heutige Pfarrhaus von<br />
St. Leonhard in Passeier war<br />
ursprünglich ein Hospiz für<br />
die Jaufenwanderer.<br />
Stellvertretend für alle bekannten Persönlichkeiten<br />
seien einige Jaufenreisende erwähnt:<br />
Der hl. Korbinian<br />
Der hl. Korbinian, dessen Leben wir aus der Biographie<br />
seines Nachfolgers auf dem Bischofsstuhl<br />
von Freising, Arbeo von Mais, sehr gut kennen,<br />
wird zwar als Pilger über den <strong>Jaufenpass</strong> nie namentlich<br />
erwähnt, wohl aber ist in den Schriften<br />
festgehalten, dass seine Reliquien von seiner<br />
Ruhestätte in der Schlosskapelle der Zenoburg/<br />
Meran über den <strong>Jaufenpass</strong> in das Hochstift Freising<br />
gebracht wurde.<br />
Wer war der hl. Korbinian?<br />
Der bei Melun südlich von Paris um 670 n. Chr. ge-<br />
borene fränkische<br />
Adelige wurde in<br />
Rom von Papst Gregor<br />
II. zum Priester<br />
geweiht und als<br />
Missionsbischof in<br />
seine Heimat gesandt.<br />
Auf einer weiteren<br />
Romreise kam Korbinian<br />
nach Mais,<br />
Das Bärenwunder:<br />
der Vorgängerstadt<br />
Der hl. Korbinian von<br />
von Meran, wo er<br />
Freising auf dem Weg<br />
auf der Zenoburg<br />
nach Rom im Jahr 710<br />
das Grab seines verehrten<br />
hl. Valentin<br />
aufsuchte. Bei dieser Gelegenheit entdeckte der<br />
für einsiedlerische Züge bekannte Kirchenmann<br />
die Ortschaft Kuens, wo er sich bei der heutigen<br />
Pfarrkirche eine Einsiedelei errichtete. Der Bayernherzog<br />
Grimoald berief Korbinian zwar als<br />
ersten Bischof nach Freising, schenkte aber dem<br />
Hochstift Freising die Weidegründe von Ulfas im<br />
Hinterpasseier. Es ist nicht überliefert, welchen<br />
Weg über die Alpen Korbinian gewählt hat, jedoch<br />
wissen wir, dass die Reliquien des Heiligen nach<br />
seinem Tod in die Krypta der Zenokapelle gelegt<br />
worden und vom Nachfolgerbischof Arbeo von<br />
Mais um das Jahr 770 über den <strong>Jaufenpass</strong> ins<br />
bischöfliche Hochstift nach Freising gebracht<br />
worden sind. Somit ist der hl. Korbinian der erste,<br />
der von der Geschichtsschreibung als Reisender<br />
über den <strong>Jaufenpass</strong> – allerdings als Reliquie –<br />
erwähnt wird.<br />
Kaiser Ludwig IV. „der Bayer“<br />
Als nächster Jaufenreisender scheint in den Annalen<br />
der Wittelsbacher Fürst Ludwig (1287–1347)<br />
auf, der im Jahr 1314 von den deutschen Kurfürsten<br />
zum römisch-deutschen Kaiser gewählt<br />
worden ist und nach seiner Kaiserkrönung 1328<br />
in Rom auf dem Heimweg das Kloster Ettal im<br />
Ammertal gegründet hat. Er war danach bestrebt,<br />
seine Hausmacht zu erweitern, und warf deshalb<br />
einen Blick auf Tirol, wo die Landesfürstin Margarethe<br />
im Jahr 1341 ihren ungeliebten Gatten<br />
Johann Heinrich von Luxemburg aus Schloss Tirol<br />
vertrieben hatte. Kaiser Ludwigs Sohn Ludwig,<br />
Markgraf von Brandenburg, wurde zur Heirat mit<br />
der nun freien Tiroler Gräfin Margarethe Maultasch<br />
bestimmt. Am 28. Jänner 1342 ließen sich Tiroler<br />
Adelige in München von Kaiser Ludwig und seinem<br />
Sohn, dem Markgrafen Ludwig, die alten Tiroler<br />
Rechte verbriefen, worauf einer Ehe zwischen dem<br />
Kaisersohn und der Gräfin von Tirol nichts mehr<br />
im Wege stand, außer die Wut des vertriebenen<br />
Böhmenkönigs Johann und der Zorn des Papstes<br />
Benedikt XII. in Avignon, der seinen Bannstrahl<br />
nach Tirol warf. Daher war es schwierig, einen<br />
Geistlichen zu finden, der bereit war, Margarethes<br />
nie vollzogene Ehe auf Schloss Tirol zu lösen<br />
und eine zweite Ehe zu segnen. Bischof Heinrich<br />
von Freising fand sich dazu bereit. Doch als der<br />
kaiserliche Zug 1342 über den Jaufen wanderte,<br />
stürzte das Pferd des Bischofs Heinrich und der<br />
Kirchenfürst erlitt dabei tödliche Verletzungen. Den<br />
kaiserlichen Zug begleiteten u. a. die beiden Söhne<br />
Ludwig und Stephan, Herzog Konrad von Teck,<br />
Ein Schauplatz der Geschichte<br />
24
Hochgrab Kaiser Ludwigs IV. im Frauendom von<br />
München<br />
die Bischöfe von Freising und Regensburg, die<br />
Grafen von Görz, Württemberg, Schwarzenberg,<br />
Katzenellenbogen, Kirchberg und Werdenberg.<br />
Die gescheiterte Ehe wurde von einem Ersatzpriester<br />
auf Schloss Tirol geschieden und die zweite<br />
Ehe gesegnet, doch das Volk hielt den Todessturz<br />
vom Jaufen für ein böses Omen, das sich bald in<br />
aller Härte einstellte: Es folgten Kriege, Erdbeben<br />
(1344) und schließlich die Pest (1348).<br />
Kaiser Ludwig IV. hat im Frauendom von München<br />
seine letzte Ruhestätte gefunden; an seinem<br />
prachtvollen Hochgrab erinnern wir uns gern an<br />
den ehemaligen Brautwerber und Jaufenreisenden.<br />
Paracelsus, Arzt und Naturforscher<br />
(1493–1541)<br />
Das in Einsiedeln geborenen Genie kam schon<br />
als Kind nach Villach und studierte in Ferrara<br />
Medizin. Er litt unter der Wirklichkeitsferne der<br />
damaligen vom Patienten abgehobenen Schulmedizin,<br />
der es vor allem um lateinische gelehrte<br />
Streitgespräche zu medizinischen Themen ging.<br />
Als Feldarzt an verschiedenen Kriegsfronten erlebte<br />
er die wahren Bedürfnisse kranker und<br />
leidender Menschen und deren Heilung, die damals<br />
den Badern überlassen worden war.<br />
Er durchreiste nahezu alle europäischen Länder.<br />
Von seinen Fachkollegen war er gefürchtet und<br />
gehasst, von tausenden von Patienten vergöttert.<br />
Seine geniale Veranlagung, sein akademisches<br />
Wissen und seine Erfahrung im Kriegsalltag ließen<br />
ihn zum großen Revolutionär der Medizin werden.<br />
Als Universitätsprofessor führte er die deutsche<br />
Sprache statt des bisherigen Latein bei den Vorlesungen<br />
ein. Seiner Zeit weit voraus, schrieb<br />
er zahlreiche theologische, philosophische und<br />
pharmazeutische Werke wie die<br />
„Große Wundarznei“, deren volle<br />
Bedeutung erst im 20. Jahrhundert<br />
erkannt wurde.<br />
Eine Ausnahme bildete der Arzt<br />
und Wissenschaftler Dr. Joseph<br />
Ennemoser aus Rabenstein<br />
(1787–1854), der in seiner<br />
„Geschichte der Magie“ den<br />
großen Meister aus Einsiedeln in<br />
seiner Genialität begriff und ihn<br />
Paracelsus (Theophrast von Hohenheim)<br />
in einem Gemälde von Quentin Massys<br />
als eigentlichen Begründer des „tierischen<br />
Magnetismus“ würdigte.<br />
Paracelsus wurde von den Bürgern<br />
von Sterzing, wo die Pest<br />
wütete, um Hilfe gerufen.<br />
Im Sommer 1534 verließ<br />
er Sterzing und zog<br />
über den <strong>Jaufenpass</strong><br />
nach Meran, wo er<br />
sein „Büchlein von der<br />
Pest“ schrieb, das der<br />
aus Sterzing stammende<br />
Humanist Michael Schütz<br />
posthum 1576 in Druck<br />
gab.<br />
Nach weiterer schriftstellerischer<br />
und ärztlicher<br />
Tätigkeit, vorwiegend in<br />
Österreich, berief ihn 1540<br />
der Fürstbischof von<br />
Salzburg an seinen<br />
Hof, wo er 1541<br />
starb.<br />
Paracelsus-Denkmal<br />
in Einsiedeln<br />
25
Erzherzog Johann (1782–1859),<br />
Andreas Hofer (1767–1810) und<br />
Joseph Ennemoser (1787–1854)<br />
Erzherzog Johann, Bruder des österreichischen<br />
Kaisers Franz und Freund Tirols, kam auf seinem<br />
Weg über den <strong>Jaufenpass</strong> erstmals in Kontakt<br />
mit dem Sandwirt Andreas Hofer und blieb ihm<br />
ein Leben lang gewogen. Man kann wohl sa-<br />
gen, dass diese anfängliche Bekanntschaft und<br />
spätere Freundschaft der eigentliche Grund für<br />
den Aufstieg des Sandwirts zum Oberkommandanten<br />
der Tiroler Schützen sein könnte. Neben<br />
Andreas Hofer hat Erzherzog Johann noch einen<br />
Passeirer aus der Zeit der Freiheitskriege kennen<br />
und schätzen gelernt, nämlich Andreas Hofers<br />
Adjutant in den Kämpfen am Sterzinger Moos,<br />
Joseph Ennemoser aus Rabenstein. Dieser hat sich<br />
mit Andreas Hofer und den Passeirer Schützen<br />
über den Jaufen nach Kalch begeben, wo eine<br />
Marmortafel am Gasthof Jägerheim heute noch<br />
an die Abhaltung des Kriegsrates erinnert:<br />
„In diesem Hause hielt Andreas Hofer am Vorabend<br />
des siegreichen Gefechtes zu Sterzing am<br />
9. Mai 1809 Kriegsrath mit seinen Getreuen“.<br />
Erzherzog Johann blieb zeit seines Lebens mit<br />
Andreas Hofer und dem später berühmt gewordenen<br />
Dr. Joseph Ennemoser in freundschaftlicher<br />
Verbindung, was u. a. ein Brief von Erzherzog<br />
Johann an Ennemoser vom 16. Dezember 1849<br />
beweist, in dem dieser als erster vom Rücktritt<br />
Johanns als deutscher Reichsverweser erfuhr.<br />
Johann erwarb auf Empfehlung des Meraner Bürgermeisters<br />
Josef Valentin Haller aus dem Schildhof<br />
Saltaus 1845 Schloss Schenna im Passeiertal<br />
und 1852 den nahen Thurnerhof.<br />
Marmortafel beim Gasthof Jägerheim in Kalch<br />
Erzherzogin Maria Louise von Österreich<br />
(1791–1847)<br />
Andreas Hofers Gegner, Kaiser Napoleon I. von<br />
Frankreich, litt unter dem Makel des Emporkömmlings<br />
– er stammte aus einer bürgerlichen Familie<br />
in Korsika. Er war danach bestrebt, seiner Familie<br />
hochadeliges Blut zuzuführen, und warb deshalb<br />
um die Hand der österreichischen Kaisertochter<br />
Maria Louise.<br />
Die Ehe wurde im Tiroler<br />
Schicksalsjahr<br />
1810 eingegangen<br />
und Maria Louise<br />
zog nach Paris, wo<br />
sie Napoleon 1811<br />
einen Sohn schenkte.<br />
Nach der Verbannung<br />
Napoleons<br />
aus Paris zog Maria<br />
Louise wieder nach<br />
Wien. Auf dem Wiener<br />
Kongress 1815 erhielt sie die Herzogtümer<br />
Parma, Piacenza und Guastalla in Oberitalien<br />
zugesprochen. Napoleon starb 1821 in der Verbannung<br />
auf der Insel St. Helena, worauf die<br />
verwitwete Kaiserin ihren Obersthofmeister, den<br />
Grafen Neipperg, heiratete. Im Jahr 1823 reiste<br />
die Herzogin nach Wien und wählte dabei von<br />
Bozen aus den Weg durch das Passeiertal und<br />
über den <strong>Jaufenpass</strong>, wo sie am 31. Mai unter<br />
ungeheurem Jubel der herbeigeeilten Bevölkerung<br />
mit einem Tross von Dutzenden von Pferden und<br />
entsprechendem Hofstaat ankam. Die Partschinser<br />
Ein Schauplatz der Geschichte<br />
26
Musikkapelle spielte beim Passeirer Jaufenhaus<br />
auf Leiteben passende Weisen vor und es wurde<br />
ein „Bewillkommungslied“ vorgetragen:<br />
Tirol hast du zur Reis erwählt,<br />
Und auf des Jaufens Höh , n<br />
Willst Du, von hohem Muth beseelt,<br />
Die Kaiser-Tochter – steh , n<br />
Dort klingt des Saumpferds Schelle nur,<br />
Sein Gipfel nährt kein Holz;-<br />
Nun trägt er Deines Fußes Spur,<br />
Ha! Jaufen, sey nun stolz!<br />
Josef Horack<br />
Vergolder u. Fassmalerlehrling, Praefekt der<br />
mar. Kongregation der Lehrlinge u. Fähnrich<br />
des Arbeiter-Jugendheims in Innsbruck<br />
Gebor. Zu Hötting am 12. Febr. 1883.<br />
Eine anbetungswürdige Fügung Gottes<br />
entriss ihn am Jaufen, bei der Rückkehr von<br />
der Einweihung der Hofer-Herz Jesu Kapelle<br />
am Sand den 22. Sept. 1899 dem<br />
Kreise seiner Kameraden.<br />
Er ruhe im Frieden!<br />
Marmor-Gedenktafel<br />
am Kirchturm von<br />
St. Leonhard<br />
In Gasteig empfing neben den Schützen die Stadtjugend<br />
und die Stadtmusikkapelle von Sterzing<br />
den hohen Gast, um ihn in einem wahren Triumphzug<br />
in die festlich geschmückte Stadt zu begleiten.<br />
In Parma, einer der schönsten Städte Norditaliens,<br />
erinnern neben vielen Bauten besonders<br />
das herrschaftliche Teatro Regio an die beliebte<br />
Herzogin Maria Luigia d , Austria.<br />
Josef Horack (1883–1899)<br />
An dieser Stelle muss auch ein Mann erwähnt<br />
werden, der bei der Feierlichkeit anlässlich der<br />
Einweihung der Herz-Jesu-Kapelle am Sand 1899<br />
teilgenommen hat und der auf dem Rückweg<br />
nach Innsbruck am Jaufen tödlich verunglückt<br />
ist. Es handelt sich um den Innsbrucker Josef<br />
Horack, dem seine Freunde 1910 einen Marmor-<br />
Gedenkstein am Kirchturm von St. Leonhard setzen<br />
ließen, der folgenden Wortlaut trägt:<br />
Für Gott u. Fürst u. Vaterland<br />
War hoch sein Herz in Lieb entbrannt.<br />
Drum brach es Gottes Vaterhand<br />
Noch eh‘ daraus dies Feuer schwand.<br />
O Heiligstes Herz des Göttlichen Bundesherrn<br />
bewahre die vaterländische Jungmannschaft<br />
in der feierlich beschworenen Treue für welche<br />
das Grab des Fähnrichs hier ein ewiges<br />
Denkmal sei u. Unterpfand.<br />
Gewidmet von seinen Kameraden.<br />
15. August 1910<br />
Zum 175. Gedenken an die Freiheitskriege Tirols<br />
von 1809 haben die Schützen von Walten<br />
des Schicksals des Fähnrichs Horack gedacht<br />
und an der Unglücksstelle bei der „Wurze“ ein<br />
würdiges Denkmal aus Bronze und Marmor errichten<br />
lassen.<br />
Gedenktafel in Bronze bei der „Wurze“<br />
27
Die <strong>Straße</strong>nmeister am Jaufen,<br />
Passeirer Seite<br />
Zur Passeirer Seite des <strong>Jaufenpass</strong>es gehört die<br />
Dynastie der Righi-Familie, die seit Jahrzehnten<br />
als <strong>Straße</strong>nmeister sich um diese einmalige<br />
Passstraße kümmert. Begonnen hat es mit Alois<br />
Righi, der aus Arco stammte und als gelernter<br />
Steinmetz in der k. k. Monarchie zuerst am Arlberg<br />
Arbeit erhielt und beim Bau der Jaufenstraße<br />
einem Arbeitstrupp von 60 Personen vorstand.<br />
Er diente noch als Kaiserjäger im Ersten Weltkrieg<br />
und wurde dann <strong>Straße</strong>nmeister unter der<br />
damaligen regionalen <strong>Straße</strong>nverwaltung „Genio<br />
Civile“, die später auf die neu gegründete staatliche<br />
<strong>Straße</strong>nverwaltung AASS und dann auf die<br />
ANAS überging.<br />
Nach dem Ausscheiden von Alois Righi wurde<br />
sein Sohn Josef 1968 mit der <strong>Straße</strong>nmeisterei<br />
beauftragt, nachdem er bereits 1948 in Kalch als<br />
<strong>Straße</strong>narbeiter eingesetzt worden war.<br />
Nach Angaben von <strong>Straße</strong>nmeister Karl Righi<br />
unterstand die Jaufenstraße ursprünglich bis<br />
St. Leonhard der <strong>Straße</strong>nverwaltung in Sterzing,<br />
dann bis Walten, bis endlich im Jahr 1985 die<br />
Passeirer Zuständigkeit bis zum <strong>Jaufenpass</strong> erweitert<br />
wurde.<br />
Josef Righi starb 1983 und es folgte sein Sohn<br />
Karl in der Führung der <strong>Straße</strong>nmeisterei, die<br />
er heute noch innehat und mit beispielhaftem<br />
Einsatz führt.<br />
Alois Righi (1878–1969) Josef Righi (1923–1983) Karl Righi<br />
Ein Schauplatz der Geschichte<br />
28
Der Jaufen als Touristenmagnet<br />
Von Josef Wilhelm<br />
Die <strong>Straße</strong> über den Jaufen war für die<br />
wirtschaftliche Entwicklung des Passeiertales<br />
von größter Bedeutung. Ab 1913<br />
gab es in den Sommermonaten eine Postautoverbindung<br />
und schon bald nach dem<br />
Ersten Weltkrieg errichtete die Trentiner<br />
Automobilgesellschaft STAT einen regelmäßigen<br />
sommerlichen Jaufenverkehr, allerdings<br />
unterbrochen durch die Wirtschaftskrise<br />
der 30er <strong>Jahre</strong> und durch die Geschehnisse<br />
des Zweiten Weltkrieges.<br />
Als zu Beginn der 60er <strong>Jahre</strong> der Tourismus<br />
florierte, wählten Busse und Autos die schöne<br />
<strong>Straße</strong> über den Pass und lernten so Land<br />
und Leute des Tales kennen. Gar manche<br />
blieben in den Gasthäusern und Gästezimmern<br />
und verbrachten hier ihren Urlaub.<br />
Anfang der 70er <strong>Jahre</strong> erlebte das Bauwesen<br />
einen Aufschwung. Gasthäuser wurden neu<br />
erbaut und jeder Familienvater, der ein Haus<br />
erbaute, hat mit Gästezimmern das Haus mitfinanziert.<br />
Kinder standen am <strong>Straße</strong>nrand und<br />
verkauften den Touristen Blumen oder winkten<br />
Busreisenden zu, damit diese ihnen Zuckerler<br />
herauswarfen.<br />
29
Auch die Stadt Meran hatte von der Jaufenstraße<br />
einen gewaltigen Profit. Viele Gäste ließen sich in<br />
Meran, Schenna oder Tirol nieder. Das Burggrafenamt<br />
entwickelte sich zur Touristenhochburg<br />
des Landes. In den Sommermonaten wurde eine<br />
direkte Buslinie Innsbruck–<strong>Jaufenpass</strong>–Meran<br />
errichtet, wo der gelbe österreichische Postbus<br />
fuhr.<br />
Auf der Jaufenstraße wurden sogar Autorennen<br />
ausgetragen. Die Kehren und Kurven waren dafür<br />
ideal gebaut und so manche Spur von schwarzem<br />
Gummi in den Kehren zeugte noch einige<br />
Wochen später vom Rennen.<br />
In den Wintermonaten war die <strong>Straße</strong> gesperrt.<br />
Lawinen und raue Stürme am Pass erlaubten<br />
keine Öffnung. Daher wurde die <strong>Straße</strong> für den<br />
Wintersport genutzt. Auf der Nordseite des Passes<br />
war im Winter eine Bobbahn vom Jaufenhaus bis<br />
nach Kalch, auf der Südseite entstand eines der<br />
ersten Skigebiete des Landes. Der Skilift am Jaufen<br />
wurde 1960 errichtet, 1970 wurde das Gebiet<br />
mit dem Panoramalift erweitert. Vom Panoramalift<br />
bis zum Skilift am Jaufen errichtete der Rodelklub<br />
St. Leonhard eine Rodelbahn und trainierte<br />
Linienbus „Meran–Jaufen–<br />
Sterzing u. Retour“,<br />
um 1930<br />
Der Jaufen als Touristenmagnet<br />
30
dort. 1987 hat der Verein auf dieser Strecke den<br />
„Großen Preis von Italien“ ausgerichtet.<br />
1986 wurden die zwei Skilifte am Südhang des<br />
Jaufens stillgelegt. Die sonnige Lage und so mancher<br />
schneearme Winter machten das Skigebiet<br />
unrentabel, zumal auf der Nordseite des Jaufens<br />
der Skilift Kalcheralm und das Skigebiet Ratschings<br />
entstanden. Nun drängten die Tourismusbetriebe<br />
in Walten und St. Leonhard auf eine ständige<br />
Öffnung der Jaufenstraße. Seither wird versucht,<br />
die <strong>Straße</strong> untertags offen zu halten, was dank<br />
des großen Einsatzes des <strong>Straße</strong>ndienstes auch<br />
gelingt. Jedoch gibt es immer wieder Tage, an<br />
denen eine Lawine die <strong>Straße</strong> verlegt.<br />
Viel Geld wurde in die Lawinenverbauungen am<br />
Jaufen investiert, die den Lawinen jedoch nicht<br />
standhielten. Jedes Jahr muss die <strong>Straße</strong> für einige<br />
Tage geschlossen werden, da die Sicherheit nicht<br />
gegeben ist. Daher hoffen die Passeirer, dass eine<br />
Galerie gebaut wird, die eine durchgehende Öffnung<br />
des Jaufens ermöglicht. Die <strong>Straße</strong> ist heute nicht<br />
nur für den Tourismus wichtig, sondern für die<br />
ganze Bevölkerung des Tales, die eine Verbindung<br />
nach Sterzing und Innsbruck braucht.<br />
31
Bedeutung und Zukunft der Passstraße<br />
<strong>Straße</strong>ndienst Burggrafenamt<br />
Wie hinlänglich bekannt, stellt die <strong>Jaufenpass</strong>straße<br />
eine Verkehrsverbindung zwischen dem<br />
Wipptal und dem Passeiertal sowie dem Burggrafenamt<br />
mit Meran dar. Damit hat diese Passstraße<br />
nicht nur für Touristen, die in den Sommermonaten<br />
häufig auch mit Motorrädern die<br />
Passhöhe queren, seine Bedeutung, sondern<br />
auch für Pendler, die täglich vor allem vom Passeiertal<br />
ins Wipptal zur Arbeit fahren. Auch für<br />
Fahrten ins Krankenhaus Sterzing, ins Skigebiet<br />
Ratschings, aber auch nach Österreich, vor allem<br />
nach Innsbruck an die Universität, ist die<br />
Route über den <strong>Jaufenpass</strong> für die Passeirer<br />
Bevölkerung die kürzeste und in vielen Fällen<br />
die attraktivste Route. Aus diesen Gründen ist<br />
es für die Bevölkerung und den <strong>Straße</strong>nbetreiber<br />
wichtig, dass diese Verbindung das ganze Jahr<br />
hindurch befahrbar ist.<br />
Diese ganzjährige Befahrbarkeit kann nur mit<br />
einer maximalen Reduzierung der Lawinengefahr<br />
garantiert werden. Wie die von der Gemeinde St.<br />
Leonhard i. P. in Auftrag gegebene Studie „Maßnahmenkonzept<br />
zur Verbesserung der Lawinensicherheit“<br />
zeigt, ist der Passbereich auf Passeirer<br />
Seite stark lawinengefährdet und die heutige<br />
Verbauungssituation reicht bei weitem nicht aus,<br />
um die Sicherheit für die <strong>Straße</strong>nbenutzer, ohne<br />
Wintersperrungen, garantieren zu können.<br />
Dabei wird vor allem der Abschnitt von km 37 +<br />
178 bis km 37 + 370 als besonders gefährdet<br />
eingestuft. Der bestehende „starre Steinschlagschutzzaun“<br />
wird immer wieder durch Lawinen<br />
beschädigt bzw. zerstört und bietet unzureichenden<br />
Schutz. Um die Sicherheit für die Verkehrsteilnehmer<br />
im betreffenden Abschnitt garantieren<br />
zu können, wurden in Zusammenarbeit zwischen<br />
der Gemeinde St. Leonhard in Passeier und der<br />
Bedeutung und Zukunft der Passstraße<br />
32
Autonomen Provinz drei Varianten studiert:<br />
- Eine Untertunnelung der Passhöhe mit<br />
einem ca. 1 km langen Tunnel:<br />
Die Überquerung des Passes bzw. die Verbindung<br />
der beiden Täler, Passeier- und Wipptal, mittels<br />
eines Scheiteltunnels ist bereits mehrmals durch<br />
verschiedene Techniker untersucht worden.<br />
Mit diesem Projekt könnte die Befahrbarkeit<br />
der <strong>Jaufenpass</strong>straße das ganze Jahr hindurch<br />
mit einer nahezu hundertprozentigen Sicherheit<br />
garantiert werden. Allerdings wurde dieses<br />
Projekt bei einer genaueren Betrachtung der<br />
Kosten-Nutzen-Analyse nicht als die beste Variante<br />
bewertet.<br />
- Die Errichtung von Lawinenschutzbauten auf<br />
dem gesamten Lawinenhang:<br />
Die zweite untersuchte Variante ist die Verbauung<br />
des gesamten Anbruchhanges im Bereich<br />
zwischen km 37 + 178 und km 37 + 370.<br />
Diese Variante stellt in landschaftlicher Hinsicht<br />
den größten Eingriff dar; zudem sind bei dieser<br />
Variante die höchsten Nachfolgekosten zu erwarten<br />
und ein gewisses Restrisiko ist aufgrund<br />
möglicher Schneerutsche vorhanden.<br />
- Die Errichtung einer 180 m langen Lawinenschutzgalerie:<br />
Durch die Realisierung einer Lawinengalerie kann<br />
ein wirksamer und dauerhafter Schutz gegen<br />
Steinschlag und Lawinen geboten werden; zudem<br />
kann durch eine ansprechende architektonische<br />
Gestaltung der Stützen und Stützmauern eine<br />
gute Einpassung in das Landschaftsbild erzielt<br />
werden.<br />
Die Kosten für die vorgeschlagene Baumaßnahme<br />
sind in Hinblick auf die zu erwartende erhöhte<br />
Verkehrssicherheit gerechtfertigt.<br />
Verbauungsplan im betreffenden<br />
Abschnitt, der im<br />
Auftrag der Gemeinde<br />
St. Leonhard i. P. durch<br />
Dr. Matthias Platzer im<br />
Juni 2011 erstellt wurde<br />
Simulation der Lawinengalerie,<br />
die im Auftrag der<br />
Gemeinde St. Leonhard i. P.<br />
durch das Ingenieurteam<br />
Bergmeister im Dezember<br />
2011 erstellt wurde<br />
Lageplan des Scheiteltunnels, der im Auftrag der Gemeinde St. Leonhard i. P. durch<br />
das Ingenieurteam Bergmeister im September 2011 erstellt wurde<br />
33
<strong>100</strong> <strong>Jahre</strong> Jaufenstraße - Impressionen<br />
St. Leonhard<br />
i. P.,<br />
um 1912<br />
Gasteig bei<br />
Sterzing, um 1912<br />
Ansichtskarte aus dem Jahr 1912<br />
Impressionen<br />
34
1912<br />
1912<br />
Rechts: Gasthof Jägerheim in Kalch, 1960<br />
35
Winter am Jaufen in den 50er und 60er <strong>Jahre</strong>n<br />
Impressionen<br />
36
Verschiedene Ansichten von der Passeirer Seite<br />
Impressionen<br />
38
Ganz oben: <strong>Jaufenpass</strong> und Jaufenhaus, um 1955 Oben: Kehre VII vor dem Jaufenhaus, 1970<br />
Rechts: Alpenrosen am <strong>Jaufenpass</strong><br />
39
Impressionen<br />
40
Impressionen<br />
42
Impressum<br />
Herausgeber Gemeinde Ratschings, Marktgemeinde St. Leonhard i. P.<br />
MuseumPasseier – Gemeinde St. Leonhard in Passeier – <strong>Straße</strong>ndienst der Autonomen Provinz Bozen<br />
Koordination<br />
Texte<br />
Lektorat<br />
Komitee „<strong>100</strong> <strong>Jahre</strong> Jaufenstraße“, Karl Polig, Chronistenbezirk Wipptal,<br />
Verein für Kultur und Heimatpflege Passeier<br />
Günther Ennemoser, Heinrich Hofer, Josef Wilhelm, <strong>Straße</strong>ndienst Burggrafenamt<br />
Barbara Felizetti Sorg<br />
Fotos<br />
Klaus Amthor, Archiv Hilgertshausen, Bayern<br />
Fotoarchiv Passeier, Karl Righi<br />
Karl Mühlsteiger, Sterzing<br />
Isidor Plangger, St. Martin i. P.<br />
Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck<br />
Teßmann-Sammlung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Landesbibliothek<br />
Dr. Friedrich Teßmann<br />
Foto Staschitz, St. Leonhard i. P.<br />
Karl Righi, St. Leonhard i. P.<br />
Heinrich Hofer, St. Leonhard i. P.<br />
Berta Pichler, St. Leonhard i. P.<br />
Archiv Walter Hofer,<br />
Margit Stötter, Rudolf Stötter,<br />
Karl Polig, Hedwig Plattner<br />
Quellenverweis Stolz Otto: Geschichte des Landes Tirol, Tyrolia Verlag Innsbruck 1955, S. 247<br />
Stolz Otto: Festschrift zu Ehren Konrad Fischnalers, Schlernschriften 12, Universitätsverlag Wagner<br />
Innsbruck 1927, S. 127–171<br />
Mutschlechner Georg: Zur Landeskunde des Passeiertales, 48. Jahrgang 1974, Heft 7-8-9, S. 415 ff.<br />
Haller Sepp: Vom Saumpfad zur <strong>Straße</strong> durchs Passeier und über den Jaufen, Der Schlern 7/1988,<br />
S. 360–371<br />
Ennemoser Günther: <strong>100</strong> <strong>Jahre</strong> Jaufenstraße, Erker, Monatszeitschrift Wipptal, 6/2011, S. 22 ff.<br />
Gögele Judith: Transportwesen, Wirtschaft und Gesellschaft des Passeiertales in der Frühen Neuzeit,<br />
Diplomarbeit, Innsbruck 1998<br />
Schwarz Kaspar, Reinthaler Maria: Brenner und Jaufen, herausgegeben vom Landesverkehrsamt Tirol/<br />
Innsbruck 1914, Pötzelberger-Meran<br />
Beschreibung der Route Nr. 16 (Sterzing–Gasteig–<strong>Jaufenpass</strong>–-St. Leonhard-Meran), rekognosziert durch<br />
Oberleutnant Josef Edler von Lulic August 1911 K.u.K. Generalstab Tirol, Landesarchiv Nr. 333<br />
Alpenzeitung vom 13. November 1941, S. 2, „30 <strong>Jahre</strong> Giovostraße“<br />
Volksbote vom 19. Juni 1852, S. 10 „Vierzig <strong>Jahre</strong> Jaufenstraße“<br />
Alto Adige, 20 settembre 1962, S. 9 „Celebrato il cinquantennario della statale del Giovo”<br />
Layout<br />
Druck Druckerei ...<br />
freund grafic design, freund.bz<br />
Mit freundlicher Unterstützung<br />
AUTONOME PROVINZ BOZEN − SÜDTIROL<br />
- Ressort für Bauten, Vermögen, ladinische Schule und Kultur<br />
- Ressort für Denkmalpflege, Bildungsförderung, deutsche Kultur und Museen<br />
design .<br />
buero 05.2012<br />
1912<br />
—<br />
2012<br />
Abenteuer<br />
Jaufenstraße<br />
Sonderausstellung in den historischen Kellern des Sandwirts<br />
16. 6. – 31. 10. 2012<br />
Die Ausstellung ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet.<br />
Montags ist Ruhetag, ausgenommen im August und<br />
September. Führungen für Gruppen auf Anfrage.<br />
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03.indd 1<br />
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freund.bz<br />
Informationen<br />
Gemeinde Ratschings<br />
I-39040 Ratschings, Außerratschings / Stange 1<br />
Telefon +39 0472 756722 / 756778<br />
Fax +39 0472 756974<br />
Web www.ratschings.eu<br />
E-Mail info@ratschings.eu<br />
Marktgemeinde St. Leonhard in Passeier<br />
I-39015 St. Leonhard in Passeier, Kohlstatt, 72<br />
Telefon +39 0473 656 113/ 656 107<br />
Fax +39 0473 656 650<br />
Web www.gemeinde.stleonhardinpasseier.bz.it<br />
E-Mail info@gemeinde.stleonhardinpasseier.bz.it