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Lesen - Golf Dornseif

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Kaiser Wilhelm I. bot Paul Krüger den Bruderkuss<br />

von <strong>Golf</strong> <strong>Dornseif</strong><br />

Paul Krüger, viele Jahre Präsident der burischen Bevölkerung Südafrikas in mehreren<br />

Freistaaten, besser bekannt als OHM KRÜGER, brachte es fertig, (rund gerechnet) 100<br />

Jahre die Vorherrschaft seiner Blutsbrüder am Kap der Guten Hoffnung zu sichern,<br />

vielfach bekämpft von den britischen Kolonialmächten.<br />

Als Krüger verbittert und kraftlos im schweizerischen Exil starb, hatte er es sich gewiss<br />

nicht träumen lassen, dass eines nicht zu fernen Tages ganz Südafrika unwiderruflich in<br />

schwarze Hände fallen würde ab 1990.<br />

Wie verlief das Leben dieses christlichen Fundamentalisten voller Toleranz gegenüber<br />

Menschen anderen Glaubens? Genau das soll hier erzählt werden, gestützt auf alte und<br />

neue Dokumentationen vieler Experten.<br />

Zwischen Deutschland und den Buren-Republiken gab es trotz der riesigen Entfernung schon<br />

während der Gründerjahre ungewöhnlich enge Beziehungen. Im Jahr 1869 warnte der Generalpostmeister<br />

der Vereinigten Staaten von Amerika jedermann vor den Transvaaler Briefmarken, weil er<br />

dieses rätselhafte Land auf keiner Landkarte entdecken konnte, während das Königreich Preußen die<br />

Republik der Buren längst diplomatisch anerkannt hatte. Friedrich Dahme von Groß-Langerwische bei<br />

Pritzwaldt übernahm das Amt eines Konsuls in Preußen.<br />

Die Initiative ging von Südafrika aus, weil man sich dort mit den Deutschen blutsverwandt fühlte und<br />

Unterstützung erhoffte. König Wilhelm I. von Preußen und Kanzler Bismarck standen dem jungen<br />

Burenstaat wohlwollend gegenüber. Allerdings achtete Bismarck auch darauf, dass Preußen (und<br />

nach 1871 das Deutsche Reich) die Engländer bei guter Laune hielt angesichts der zornigen<br />

Separatisten niederländischer Herkunft.<br />

Aus dem Inhalt<br />

Kanzler Bismarck übersetzte Plattdeutsch<br />

Krügers Ahnherr war ein Berliner Preuße<br />

Mit 14 Jahren erster Löwenabschuss<br />

Wie lebten die Krüger Familien daheim?<br />

Der Burenkrieg gegen die Briten: Fiasko<br />

Flucht mit dem komfortablen Sonderzug<br />

Königin Wilhelmina rettet Krüger<br />

Einsamer Tod in der Schweiz im Exil<br />

Im Verlauf des Freiheitskrieges von 1880 beteiligten sich Richard Wagner und andere prominente<br />

Deutsche an Geldsammlungen und Sympathiekundgebungen für die Buren, wobei sich die Preußen<br />

diplomatisch eher zurückhielten. Dann trat im Jahr 1884 plötzlich eine Wende ein: Lüderitz sicherte<br />

dem Reich Kolonialgebiete in Südwestafrika und dachte dabei sogleich an freundschaftliche<br />

Beziehungen mit den ehrgeizigen burischen Pionieren.<br />

Zufällig hielt sich zur gleichen Zeit eine Transvaaler Deputation in Europa auf, der im einzelnen<br />

angehörten: Präsident Paul Krüger, General Smit, der Geistliche S.J. du Toit sowie der deutsche<br />

Missionar Ewald Esselen als Sekretär und Dolmetscher. Diese Delegation konnte in London die<br />

britische Anerkennung ihrer politischen Unabhängigkeit erreichen (mit geringen Abstrichen).


Außerdem fanden Verhandlungen in den Niederlanden und in Portugal statt, um wirtschaftliche und<br />

kulturelle Fragen von gemeinsamen Interesse zu klären. Kaum hatte Kanzler Bismarck die<br />

Annektierung Südwestafrikas durch den Kaufmann Lüderitz mit einem Telegramm an den deutschen<br />

Botschafter in Kapstadt bekräftigt, als er kurzerhand die Buren-Delegation nach Berlin einlud. Erfreut<br />

folgten die Herren der Aufforderung zu einem Besuch und weilten vom 7. bis 10 Juni 1884 in der<br />

Hauptstadt.<br />

Sie wurden mit allen Ehren empfangen, die hohen Staatsgästen zukam gemäß dem Protokoll. Der<br />

Herrscher legte genau so großen Wert wie Bismarck auf eine herzliche Atmosphäre. Am Samstag,<br />

dem 7. Juni, traf die Burengruppe mit der Eisenbahn ein und wurde von hohen Beamten des Auswärtigen<br />

Amtes am Bahnhof begrüßt. Kaiserliche Hofkutschen brachten die Herren in ein Luxushotel.<br />

Am folgenden Tag besuchten die Buren (Sonntagmorgen) einen protestantischen Gottesdienst und<br />

fuhren anschließend zum kaiserlichen Schloss. Galakutschen mit berittener Eskorte bildeten den<br />

äußeren Rahmen der Ereignisse. Fürst Bismarck erwartete die Gäste vor dem Portal des Schlosses<br />

und schüttelte ihnen strahlend die Hand. Dann geleitete er die Herren zum Kaiser.<br />

Präsident Paul Krüger richtete sogleich das Wort an den Herrscher. Es sei ihm eine Ehre und Freude,<br />

von seiner Kaiserlichen Majestät empfangen zu werden, zumal ein großer Teil der südafrikanischen<br />

Bevölkerung im Freistaat aus Deutschland stamme. Auch er habe deutsche Wurzeln aufzuweisen.<br />

Krüger bedauerte, den Kaiser nicht in deutscher Sprache anreden zu können.<br />

Als die kurze Ansprache danach übersetzt werden sollte, winkte der Kaiser lächelnd ab. Er hatte jedes<br />

Wort verstanden und antwortete: „Ich freue mich sehr, in Ihnen, Herr Präsident, den Vertreter eines<br />

durch alte Stammesgenossenschaft mit Deutschland verbundenen Gemeinwesens zu begrüßen. Ich<br />

habe an dem Aufblühen und Gedeihen Ihres jungen Staates lebhaft Anteil genommen und freue mich<br />

umso mehr, weil die freundschaftlichen Beziehungen Deutschlands mit der Republik Transvaal jetzt<br />

vertraglich geregelt worden sind.“<br />

Kaiser Wilhelm I.


Es folgte ein Bankett, in dessen Verlauf Prinz Heinrich den Orden des Goldenen Vlieses erhielt. Beim<br />

Festmahl saß Krüger neben Bismarck, der den plattdeutschen Dialekt beherrschte und sich deshalb<br />

mühelos mit den Buren austauschen konnte. Beim Trinkspruch auf den Kaiser dankte Krüger mit<br />

bewegten Worten für die deutsche Gastfreundschaft. Krüger wurde mit einem Bruderkuss ausgezeichnet.<br />

In Südafrika trugen die Zeitungsberichte über den Empfang in Berlin viel dazu bei, das Ansehen<br />

Krügers und seiner Begleiter im Volk zu fördern. DE ZUID-AFRIKAANER meldete: „Paul Krüger und<br />

Bismarck nebeneinander am Tisch und miteinander, der eine im kapholländischen und der andere im<br />

plattdeutschen Dialekt, im vertraulichen Gespräch! Welch ein Anblick! Es erfüllt uns mit Stolz, dass der<br />

Präsident unserer Buren-Republik mit dem großen deutschen Staatsmann in solch nahen Kontakt<br />

gekommen ist. Wir stellen uns vor, dass die beiden wirklich aneinander Gefallen gefunden haben“.<br />

Am Montag und Dienstag der Buren Visite erschien eine Abordnung der Deutschen Kolonial-Gesellschaft<br />

bei den Ehrengästen unter Führung des ehemaligen Transvaaler Missionars Merensky, um die<br />

„heldenhaften Freiheitskämpfer wegen ihres Widerstands gegen die Engländer“ zu beglückwünschen.<br />

Krüger antwortete mit dem später oft zitierten Ausspruch, dass der noch junge Freistaat Transvaal,<br />

ähnlich einem Kind, das bei seinen Eltern Schutz und Unterstützung sucht, jetzt bei dem mächtigen<br />

Mutterland Deutschland Bestand erhoffe.<br />

Besonders warmherzig verlief der Empfang im Berliner Missionshaus. In der Zeitschrift DER<br />

REICHSBOTE war zu lesen: „In einem königlichen Wagen kamen der Präsident und sein Erziehungsminister<br />

Du Toit an. General Smit wurde unterdessen durch eine Parade erfreut und lernte die<br />

preußischen Soldaten kennen...<br />

Der junge P. Krüger um 1870


Die Missionszöglinge bliesen beim Erscheinen der Ehrengäste mit ihren Posaunen das herrliche Lied<br />

„Jerusalem, du hochgebaute Stadt, wollt Gott, ich wär in dir“. Sichtlich erfreut und bewegt durch<br />

diesen Gruß folgten die beiden Afrikaaner dem Ehrengeleit in das Zimmer des Direktors, wo Dr.<br />

Wangemann in niederländischer Sprache die Herren willkommen hieß...<br />

Sie sollten sich hier wie zuhause fühlen, denn das Missionshaus sei bekanntlich eng mit Südafrika<br />

verbunden. Tief gerührt erwiderte der Präsident in holländischer Sprache, übersetzt von Missionar<br />

Howe-Anhalt-Schmidt, es sei für ihn eine große Freude, mit den christlichen Brüdern in Berlin zusammen<br />

zu kommen und das Haus kennen zu lernen, von dem schon so viele christliche Lehrer nach<br />

Transvaal ausgereist seien“.<br />

Beim Imbiss entwickelte sich eine ungezwungene Unterhaltung. Die Gäste berichteten, wie großartig<br />

Fürst Bismarck auf Plattdeutsch zu plaudern vermochte. Es folgte ein Rundgang durch das Gebäude.<br />

Im Betsaal und Unterrichtszimmer verweilten die Buren am längsten. Dort sangen die Zöglinge vierstimmig:<br />

„Nun lob mein Seel den Herrn“ unter Posaunenklang.<br />

Erziehungsminister Du Toit, einst Prediger der Niederländisch-Reformierten Kirche in Paarl, betonte in<br />

seiner Ansprache, wie zwei Bänder ihr Vaterland Südafrika mit Deutschland verknüpften: das Band<br />

der deutschen Abstammung und Eigenart und das Band des religiösen Glaubens. Dieses Band sei<br />

gewiss am stärksten durch den Protestantismus.<br />

Die Berliner Missionare hätten auf die rechte Weise den Frieden Gottes auf den Weg gebracht, ohne<br />

sich in die südafrikanische Politik einzumischen. Der Präsident redete daraufhin die Zöglinge an:<br />

Cartoon: Krüger empfängt Bittsteller


„Meine jungen Brüder! Ich bitte und beschwöre Euch, predigt und wisset nichts anderes als unseren<br />

Herrn Jesum Christum, den Gekreuzigten. Ich habe ihn nicht gesucht, aber er hat mich gefunden. Seit<br />

dieser Zeit hatte ich den Wunsch, selbst ein Prediger zu werden und meinen Landsleuten das Evangelium<br />

zu verkünden...“<br />

Gott hat mich auf andere Wege geführt. Mein Herz aber lacht mir im Leib, wenn ich Euch hier vor mir<br />

sehe, von denen so manche nach Transvaal kommen werden, dort den Heiland zu verkünden, und ich<br />

denke an das Wort: „Wie lieblich sind die Füße der Boten, welche den Frieden verkünden.“ Eure<br />

Brüder draußen sind meine Freunde. Zwei meiner Kinder sind in den deutschen Missionsschulen<br />

unterrichtet worden, bei den Hermannsburgern nahe meiner Farm...<br />

Wir haben großen Segen von den Berliner Missionaren empfangen. Ich versichere Euch, dass meine<br />

Regierung die Mission kraftvoll unterstützen wird, um alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Gott<br />

segne Euch! Auf Wiedersehen in Afrika!“ ---<br />

Zum Abschied spielten die Posaunisten: „So nimm denn meine Hände“. Auf Krüger und dessen<br />

Begleiter machte der Empfang in Berlin einen starken Eindruck. Im Empfangszimmer der Wohnung<br />

des Präsidenten zu Pretoria hing später ein Bild von Kanzler Bismarck, das deutsche Besucher immer<br />

wieder überraschte.<br />

Das Ehepaar Krüger (zuletzt)


Ahnherr war ein Berliner Auswanderer<br />

Die familiäre Vergangenheit der Krüger Sippe ist mit großer Sorgfalt im Lauf der Jahre erforscht<br />

worden. Es steht zuverlässig fest, dass ein Jacob Krüger (1690 – 1749), zuvor ansässig in Berlin, im<br />

Jahr 1713 als Söldner der Dutch East India Company angeworben wurde und 1718 Johanna Kemp<br />

(unbekannter Herkunft) am Kap heiratete. Im gleichen Jahr erwarb Jacob Bürgerrechte unter<br />

bevorzugten Umständen: vielleicht deshalb, weil er durch Unfall eine Hand einbüßte.<br />

Der Halb-Invalide erwarb eine Farm nordwestlich von Kapstadt im sogenannten Sandveld Gebiet. Das<br />

Ehepaar zählte acht Kinder. Sohn Hendrik ehelichte Francina Cloete und zeugte mit ihr 18 (!!!)<br />

Nachkommen, darunter 10 Jungen. Gerrit Krüger, 1750 geboren, erwies sich als weit blickender<br />

„Entwicklungshelfer“ seiner Zeit, weil er es verstand, mit den Buschmann Viehräubern auf originelle<br />

Weise Frieden zu schließen.<br />

Mit Engelsgeduld brachte Gerrit den kleinwüchsigen Ureinwohnern bei, dass jedermann den<br />

Unterschied zwischen privatem Rinderbestand und frei verfügbarem Wild respektieren sollte, um<br />

Machtkämpfe und Blutvergießen zu vermeiden. In Zusammenarbeit mit den benachbarten Farmern<br />

verabredete Gerrit Krüger folgende Problemlösung:<br />

Die notorischen Viehdiebe (ohne Unrechtsbewusstsein, weil ihnen Privateigentum unverständlich<br />

erschien) erhielten 238 Schafe als Geschenk, verteilt unter 118 Buschmann-Familien, um ihnen die<br />

Vorteile der Weidewirtschaft nahe zu bringen (an Stelle von Raubzügen). Tatsächlich glückte es auf<br />

diese Weise, eine friedliche Atmosphäre zu schaffen, und viele andere Buren folgten diesem Beispiel<br />

mit großem Erfolg.<br />

Krüger verteidigt seinen Freistaat<br />

(John Bull drängelt<br />

frech an der Hintertür)


Im Jahr 1769 heiratete Gerrit Suzanna Buys, und ihre Nachkommen besiedelten das nordöstliche<br />

Kap, wo heute noch zahllose Krüger Clans existieren. Gerrits vierter Sohn hieß Stephanus Johannes.<br />

1798 kam es zur Eheschleßung mit Sophia Margaretha Steenkamp auf der Farm Grootfontein. Deren<br />

Sohn Casper Jan Hendrik Krüger, geboren am 10. November 1801, war später der Vater des Präsidenten<br />

Paul Krüger.<br />

In jener Zeit durfte man die Krüger Sippe als relativ wohlhabend ansehen, denn sie verfügten über<br />

umfangreiche Weidegründe und Rinderbestände in einem Gebiet, das sich ungefähr zwischen Graaff-<br />

Reinet und Colesberg erstreckte bzw. bis nach Steynsburg. Die Krüger Männer galten als prominente<br />

Expeditionsleiter, Verbandsfunktionäre, Abgeordnete und Vorbilder. Einerseits zählten die Krüger<br />

Familien zu den Großgrundbesitzern, andererseits aber auch – parallel hierzu – zum Typus der Treckburen<br />

im Interesse ihrer „Wechselweide-Landwirtschaft“. Heuschrecken und schrumpfender Wildbestand<br />

bereiteten mancherlei Sorgen.<br />

Im Alter von 17 Jahren schaute sich Casper Krüger am Brak Fluss um, südlich vom Suurberg. Er<br />

liebte die Farm Bullhoek, wo Douw Gerbrand Steyn seit 1809 Wurzeln geschlagen hatte, wenige<br />

Meilen von der Stadt Steynsburg entfernt (benannt nach der Steyn Sippe). Das war aber erst 1872.<br />

Die Vorfahren der Steyns lassen sich bis 1668 zurück verfolgen. Sie gehörten auch zu den<br />

Gründervätern von Swellendam. Douw Gerbrand Steyn wurde Schafzüchter in Graaff-Reinet und<br />

heiratete Alida Barendina van der Walt im Jahr 1795 als Achtzehnjähriger. Solche frühen Eheschließungen<br />

waren in jenen Jahren nicht ungewöhnlich (in spärlich bevölkerten Regionen abseits<br />

attraktiver „Heiratsmärkte“). Das Paar brachte 13 Kinder zur Welt!<br />

Landkarte Südafrikas kurz vor dem Burenkrieg


Tochter Elsie Francina wurde am 6. Mai 1806 geboren auf der Farm Gannavlakte nahe der (späteren)<br />

Stadt Aberdeen. Elsie Steyn kam als Kleinkind mit den Eltern nach Bullhoek an der Nordgrenze der<br />

Kolonie und lernte dort als Teenager den Casper Krüger kennen, einen Nachbarjungen. Nachdem ihr<br />

Entschluss zu heiraten gereift war, freuten sich alle beteiligten Familien, die zuvor einander schon<br />

lange gut kannten.<br />

Braut und Bräutigam waren minderjährig und brauchten schriftliche Einverständniserklärungen der<br />

Eltern am 1. August 1820. Die formale Eheschließung fand in Cradock am 3. September 1820 statt,<br />

eingesegnet durch den Reverend John Evans. Casper zählte noch keine 19 Jahre und Elsie war 15.<br />

Auch Elsies ältere Schwester Johanna heiratete dort am gleichen Tag zur gleichen Zeit neben der<br />

Fünfzehnjährigen.<br />

Casper, Elsie, Johanna und deren Bräutigam Casper Jan Hendrik Steenkamp zogen in das Haus der<br />

Steyns in Bullhoek. Das erste Kind von Casper und Elsie, ein Mädchen, erblickte dort das Licht der<br />

Welt. Caspers Vater, Stephanus Krüger, ein klassischer Treckbure, ließ sich dann in der näheren<br />

Umgebung nieder, in Renosterberg. Casper und Elsie zogen vorübergehend dorthin. Ihr erster Sohn<br />

wurde hier geboren.<br />

Wegen einer verheerenden Dürreperiode verließen die Krügers Renosterberg und wählten Zoutpansdrift<br />

als neuen Wohnsitz. Zuletzt beschloss die Familie doch wieder mit ihren beiden Kleinkindern<br />

nach Bullhoek zurück zu kehren. Man schrieb das Jahr 1825 und Elsie erwartete ihr nächstes Kind,<br />

das am 10. Oktober geboren wurde: Stephanus Johannes Paulus Krüger.<br />

Paul Krügers engere Familie zählte nicht so viele Köpfe wie bei anderen üblich, denn seine Mutter<br />

starb bereits im Alter von 27 Jahren. Seltsamerweise kennt niemand die Lage der Grabstätte. Die<br />

Kinder, drei Jungen und ein Mädchen, empfingen die Taufe in Colesberg. Als die junge Mutter starb,<br />

Commissioner Street Johannesburg um 1895


war Paul Krüger nicht älter als acht Jahre. Da weit und breit keine Schule zur Verfügung stand, bemühten<br />

sich die Erwachsenen um eine notdürftige Unterrichtung ihrer Buben und Mädchen im <strong>Lesen</strong>,<br />

Schreiben und Rechnen, gestützt (als einziges Lehrbuch) auf die Bibel.<br />

Biographen und Chronisten fanden bisher keine Erklärung dafür, weshalb die Krüger Familie sich von<br />

dem charismatischen Treckburen Andries Hendrik Potgieter verleiten ließ, das beschauliche Landleben<br />

zugunsten einer riskanten Treck-Gefolgschaft aufzugeben. Paul wuchs allmählich als Rinderwächter<br />

und Schafhirte auf. Bei genauerer Betrachtung war Potgieter eher ein Voortrekker als ein<br />

normaler Treckbur, besessen vom Ehrgeiz attraktive Weidegründe in der Ferne zu entdecken.<br />

Potgieter hatte aber auch politische Ambitionen im Sinn: Neuland gewinnen und staatlich unabhängig<br />

werden! Andries Hendrik Potgieter stammte aus dem Bezirk Graaff-Reinet und besaß ursprünglich<br />

eine Farm am Tark Fluss östlich Cradock. Er hatte schwarze Sklaven, 400 Rinder und 5.000 Schafe.<br />

Ende 1835 setzte er sich in den Kopf, neue Horizonte zu erkunden und Staatsmann zu werden. Seine<br />

antibritische Orientierung diente ihm als Ansporn zur Gründung eines Buren Staats in absehbarer Zeit.<br />

Im Februar sammelte Potgieter als Treck-Partner die Familien Krüger, Steyn, Liebenberg, Botha und<br />

andere zu einer Floßquerung auf dem Oranje an der Stelle, wo Oranje und Caledon River zusammen<br />

strömen. Potgieter führte ein energisches Regiment und erwartete von allen Unterordnung. Ein Beschluss<br />

kam zustande: Niemand darf den Eingeborenen gewaltsam Land oder Vieh wegnehmen und<br />

keiner darf Sklaven beschäftigen. Paul Krüger marschierte damals als Zehnjähriger neben dem<br />

Ochsenkarren nordwärts.<br />

Nachts loderten die Lagerfeuer, knallte man immer wieder mit den Peitschen, denn der Gebrauch von<br />

Schusswaffen gegen Löwen und andere wilde Tiere wäre zu kostspielig gewesen wegen der<br />

Munitionsbedarfs. Kleine Zirkel der gebildeten (wenigen) Erwachsenen sorgten für etwas Schulunterricht<br />

von Fall zu Fall. Unterwegs schlossen sich weitere Trecks an.<br />

Mit 14 Jahren schoss er seinen ersten Löwen<br />

Um das Jahr 1840 hatten sich die Voortrekker so oft und wacker geschlagen, dass sie nach friedlichen<br />

Verhandlungen mit verschiedenen Häuptlingen endlich sesshaft werden durften. Potgieter gründet die<br />

Siedlung Potchefstroom am Mooi Fluss. Familie Krüger ließ sich am Fuß des Magaliesbergs nieder.<br />

Paul interessierte sich für zwei Farmgebiete, einmal Weideland und einmal Kulturland.<br />

Zweite Ehefrau Gezina du Plessis


1839 mit 14 Jahren erlegte der Jüngling seinen ersten Löwen, später immer wieder beachtliches<br />

Großwild. Casper und Gert Krüger verfolgten aufmerksam Potgieters nächste poltische Schachzüge.<br />

Er „beanspruchte“ ein Gebiet zwischen dem Vet Fluss im Freistaat und in Transvaal, zumindest Teile<br />

davon. Um 1840 – bevor die Briten auftauchten – schloss sich Potgieters „Republik“ mit „Natalia“<br />

zusammen, wo Andries Pretorius „regierte“ (kurze Zeit). Paul Krüger hatte mittlerweile alle nötigen<br />

Bürgerrechte erworben und konnte auf beachtlichen Farmer-Wohlstand zurück blicken als Voraussetzung<br />

für den soliden Stand der Ehe.<br />

Krüger heiratete Maria du Plessis, Tochter des Voortrekkers Casper du Plessis. Die Familien kannten<br />

einander seit Kindesbeinen. Die Plessis wohnten südlich vom Vaal Fluss nahe Kroonstad. Die Braut<br />

war erst 14 Jahre alt, der Bräutigam kaum älter, nämlich 17. Die Trauung fand 1842 in Potchefstroom<br />

statt, dokumentiert vom zuständigen Landdrost (Beamter eines Magistrats). Über Maria Krüger weiß<br />

man nur wenig in der Überlieferung. Mit 19 Jahren ließ Paul einen stattlichen Bart wachsen als Zier<br />

seiner Männlichkeit. Um 1880 stolzierten fast alle Buren mit üppigen Vollbärten durch die Gegend,<br />

gekrönt von einem breitkrempigen Schlapphut.<br />

Ohne Zweifel betätigte sich Krüger als passionierter Großwildjäger, denn seine Abschussliste verzeichnete<br />

ungefähr 40 Elefanten. Während einer Expedition im nordwestlichen Transvaal büßte<br />

Krüger seien linken Daumen ein, als er auf ein Rhinozeros feuerte und ein Rohrkrepierer das Gewehr<br />

(und den Daumen) zerfetzte. Später setzte lebensgefährlicher Wundbrand ein und der Verletzte ergriff<br />

kurzerhand sein Taschenmesser, um den ganzen Daumen (rest) zu amputieren. Zuletzt steckte er die<br />

Hand in den noch heißen Magen einer gerade geschlachteten Ziege und die Blutung ging zurück.<br />

Krüger Denkmal Pretoria


Der Heilungsprozess dauerte sechs Monate, was Krüger keineswegs hinderte, bald wieder auf die<br />

Jagd zu pirschen. Insgeheim wollte er die Verkrüppelung jedoch nicht wahr haben: Sobald Fotografen<br />

auftauchten, verbarg Krüger die verstümmelte Hand stets blitzschnell im Jackenärmel. Dass dieser<br />

Mann ziemlich unempfindlich gegen Schmerzen war, zeigt ein Vorfall auf der Reise durch Europa in<br />

späteren Jahren: Krüger bekam Zahnschmerzen, ein Dentist ließ ich nicht so schnell finden. Wieder<br />

griff Krüger zum Taschenmesser und bohrte damit den entzündeten Backenzahn auf gut Glück aus<br />

seinem Bett!<br />

Im Jahr 1842 wurde Krüger als Siebzehnjähriger zum Feldkornett (veldcornet) ernannt, vergleichbar<br />

mit der Position einen Fahnenjunkers beim europäischen Militär. 10 Jahre später stieg er in der<br />

Rangordnung weiter auf. 1846 kam der erste harte Schicksalsschlag: Ehefrau und Kind, erst wenige<br />

Wochen alt, starben im Januar an den Folgen einer Malaria-Infektion.<br />

Buren trauern nicht allzu lange und nehmen den Tod als Gottes Wille. Krüger entschloss sich, um die<br />

Hand einer Cousine seiner verstorbenen Frau anzuhalten. Gezina Susanna Frederika Wilhelmina du<br />

Plessis, geboren am 6. Mai 1831 und dem Freier seit frühester Jugend vertraut. 1847 heiratete der<br />

Witwer erneut. Die Ehe hielt 54 Jahre und brachte 16 (!!!) Jungen und Mädchen hervor. Einige starben<br />

sehr früh. Als Calvinist gehörte Krüger zu einer strengen Linie der Niederländisch-Reformierten Kirche<br />

(Gereformeerde Kerk). Tanzvergnügungen und leichtlebiges Tun war ihnen zuwider, ebenso Alkoholgenuss<br />

und modische Kleidung.<br />

Denkmal für Andries Pretorius


Krüger lebte überwiegend im Waterkloof westlich Rustenburg bis 1873. Ab und zu hielt er sich in<br />

seinen übrigen Farmhäusern auf. Wie so viele andere damalige Großgrundbesitzer besaß Krüger<br />

überdies ein Stadthaus in Pretoria (tuishuis genannt). Ab 1881 wohnt er dort ständig wie es sich für<br />

einen Politiker gehörte, für einen Nachwuchspolitiker bei kritischer Würdigung.<br />

Freund Pieter Potgieter war schon lange vorher im Kampf gegen rebellische Eingeborene gefallen,<br />

und Commandant General Stephanus Schoeman nahm dessen Stellung ein. Dieser Schoeman heiratete<br />

Potgieters Witwe. Paul Krügers Rang war der eines Commandanten (unter vielen anderen). Am<br />

6. Januar 1857 wurde Marthinus Wessel Pretorius als erster Staatspräsident der Südafrikanischen<br />

Republik vereidigt. Zum ersten Mal flatterte die neue Fahne im Wind, die sogenannte Vierkleur (Vierfarbige),<br />

und nicht jeder Bure war stolz darauf.<br />

Paul Krügers Aufstieg begann (aus heutiger Sicht) im Juni 1857, als die Splitterstaaten Transvaal und<br />

Oranje sich zusammenschlossen. Er wurde in zahllose Eingeborenenkriege verwickelt mit ständig<br />

wechselnden Bündnissen zwischen Buren und schwarzen Häuptlingen (auf die hier nicht näher eingegangen<br />

werden soll). Aber auch die Buren-Politiker stritten unentwegt miteinander um Vormacht-<br />

Positionen, beeinflusst durch religiöse „Abweichler“ einer sektiererisch zersplitterten Religionszugehörigkeit.<br />

Am 1. Juli 1972 wurde Thomas Francois Burgers (1834 – 1881) als Staatspräsident der Südafrikanischen<br />

Republik vereidigt, nachdem Krüger seine Nominierung abgelehnt hatte. Burgers<br />

amtierte zuvor als Geistlicher in der Kleinstadt Hanover am Kap und Krüger gratulierte ihm spontan<br />

und freimütig nach dem Staatsakt mit den Worten:<br />

„Euer Ehren! Ich habe alles unternommen, um Ihre Wahl zu verhindern, vor allem wegen Ihrer abwegigen<br />

religiösen Überzeugung. Nun sind sie jedoch von einer demokratischen Mehrheit gewählt<br />

worden, und als guter Republikaner respektiere ich den Volkswillen selbstverständlich. Ich gratuliere<br />

Ihnen von Herzen“. Der Präsident erwiderte nachdenklich: „Wer meine Wahl aus Gewissensgründen<br />

ablehnte, ist mir genau so lieb wie jeder Anhänger meiner Kandidatur“.<br />

Krüger plaudert mit einem englischen Boy


Der elegante und weltgewandte Burgers wurde im Bezirk Graaff-Reinet geboren, war neun Jahre<br />

jünger als Krüger und studierte an der Universität zu Utrecht im Jahr 1858. Er heiratete eine kluge<br />

Schottin, Mary Bryson. Im Mai 1873 legte Krüger alle seine Ämter nieder, zermürbt und enttäuscht von<br />

so vielen politischen Auseinandersetzungen, aber auch gesundheitlich angegriffen.<br />

Burgers ließ Goldmünzen mit seinem Abbild prägen, Burgerspond genannt, begrenzt in einer Auflage<br />

von 1.000 Stück, Die überlieferten Stücke sind heutzutage unbezahlbar wegen ihrer Rarität. Krüger<br />

entrüstete sich wegen solcher „Gotteslästerung“ mit Mammon und ahnte nicht, dass eines Tages auch<br />

sein Porträt zahllose südafrikanische Münzen zieren würde bis heute (Krüger Rand). Fred Jeppe<br />

entwarf die ersten Postwertzeichen für Transvaal und ließ sie in Deutschland drucken. Ab 1870 klebte<br />

sie auf allen Briefen und Postkarten.<br />

Präsident Burgers wünschte den Bau einer Eisenbahnstrecke nach Delogoa Bay in Portugiesisch-<br />

Mosambik. Er wollte nach Europa reisen und dort 300.000 Pfund als Anleihen auftreiben. 1874 überlegte<br />

sich Krüger, einigermaßen erholt, wieder in die Politik einzusteigen als Angehöriger des Executive<br />

Councils. Am 17 Februar 1875 ging Burgers an Bord eines Schiffs, um in Europa Kapital zu<br />

beschaffen.<br />

Im Alter von fast 56 Jahren häuften sich so viel politische Aufgaben auf Krügers Rücken, dass er seine<br />

Farm dem Sohn Piet übergab und mit Ehefrau Gezina endgültig in Pretoria Fuß fasste. Seine<br />

damalige Residenz im westlichen Teil der Church Street ist noch heute erhalten als Museum. Im<br />

Hinterhof hielt Gezina stets einige Milchkühe. Gemüse, Fleisch und Obst lieferte die alte Farm<br />

Boekenhoutfontein regelmäßig.<br />

Wie lebten die Krügers daheim?<br />

Wenn Krüger sich zuhause aufhielt, wurde stets vor und nach dem Mahl gebetet. Saßen weibliche<br />

Personen mit an der Tafel, die keine Kopfhauben trugen, forderte Krüger sie auf, das Haupt mit einer<br />

Serviette zu bedecken. Gezina wurde niemals ohne Haube gesehen. Der Hausvater sprach die Gebete<br />

in niederländischer Fassung, also nicht in Kap-Holländisch auf volkstümliche Weise. Serviert<br />

wurde oft Schmorbraten, gebackene Süßkartoffeln, Maisbrei und gekochte Pfirsiche mit Rosinen. Als<br />

Nachtisch gab es eingemachte Pfirsiche in Vanille-Creme und starken Kaffee.<br />

Staatspräsident Burgers


Die Familie ging früh zu Bett und rüstete sich bei Morgengrauen für das Tagewerk. Nach dem Kaffee-<br />

Trinken kümmerte sich Krüger in seiner Sprechstunde um zahlreiche Besucher, die mit ihren Sorgen<br />

und Problemen Rat suchten. Gezina bot ihnen immer Kaffee und Zwieback an. Im allgemeinen warteten<br />

bis zu 40 Männer geduldig, ihr Anliegen vorbringen zu dürfen.<br />

Anschließend traf sich die Familie zum Gebet und zum Singen von Psalmen, begleitet von einem Harmonium,<br />

mit dem die Kinder zu spielen verstanden. Die Kirche lag nur wenige Schritte vom Wohnsitz<br />

der Krügers entfernt und hatte reservierte Plätze für das Ehepaar. Gezinas Gesundheitszustand verschlechterte<br />

sich allmählich als Folge von Fettleibigkeit und Immobilität. Sie brauchte immer mehr<br />

Unterstützung und sorgte zugleich für viele Menschen in Not als Wohltäterin mit unerschütterlicher<br />

Zuversicht.<br />

Der Paul Krüger von 1881 war gewiss nicht mehr der gleiche wie 1877, denn sein Selbstbewusstsein<br />

wuchs von Jahr zu Jahr. Im Land entwickelte sich wirtschaftliche Krisenstimmung. Die Banken verweigerten<br />

Darlehen und setzten ihre Ansprüche an Schuldner rücksichtslos durch. Kapital wurde aus<br />

der Region abgezogen und Immobilien verloren ihren ursprünglichen Wert. Der Transvaal Regierung<br />

drohte Konkurs.<br />

Krüger konzentrierte sich auf Finanzfragen, Erziehungswesen und Eingeborene. Vier Jahre lang hatte<br />

sich niemand um die Förderung der Schulbildung gekümmert. Um die Staatsfinanzen war es so<br />

schlecht bestellt wie zu Burgers Zeiten. Während einer Sitzung des Volksrats am 21. September 1881<br />

forderte Krüger die Einsetzung einer Kommission, um die Not er Witwen und Waisen von 50<br />

gefallenen Buren zu lindern, die bei Gefechten mit britischen Truppen ihr Leben einbüßten. Das<br />

System der Besteuerung sollte revidiert werden. Außerdem wollte Krüger Monopole vergeben, um die<br />

Staatskassen wieder zu füllen. Man brauchte eine Staatsartillerie, die neu aufgestellt werden musste<br />

(überwiegend mit preußischen Kanonieren), einen Unterrichtsminister und andere Fachleute mit<br />

entsprechender Kompetenz.<br />

Der geeignete Pädagoge war schnell gefunden: Referend S.J. du Toit (1847 – 1911), ein Mann aus<br />

der Kap Kolonie. Im weiteren Verlauf der Geschichte brachte du Toit die erste Zeitung in der Afrikaans<br />

Sprache heraus, DIE PATRIOT, Verlagsort Paarl. Krüger war begeistert von diesem umfassend<br />

gebildeten Menschen, der alsbald den AFRIKANER BOND ins Leben rief und sich als Bibel-Übersetzer<br />

hervortat.<br />

Denkmal zu Ehren der Voortrekker


Was sollte im Jahr 1881 (nach Möglichkeit) verwirklicht werden? Die Vergabe von Monopolen, ein<br />

vorbildliches Erziehungsmodell, die Formierung der staatlichen Artillerie und der schon lange geplante<br />

Bahnbau nach Delagoa Bay (Portugiesisch-Mosambik). Nicht zu vergessen ein Netz von<br />

Telegraphenlinien.<br />

Am 9. Mai 1883 betrat Paul Krüger ein Podium vor dem Regierungsgebäude in der Church Street zu<br />

Pretoria. An den Fahnenmasten wehten die Flaggen der Buren (Vierkleur), Großbritanniens, der<br />

Niederlande sowie der Vereinigten Staaten von Amerika. Ehrenwachen der Infanterie und Kavallerie<br />

flankierten den Auftritt.<br />

Dann nahmen die Mitglieder des Parlaments (Volksraad) Platz zum gemeinsamen Gebet. Pastor<br />

Bosman regelte die kirchliche Ordnung, während Tausende von Neugierigen die Straßen säumten.<br />

Krüger sprach langsam und deutlich zu seinen Leuten, feierlich in niederländischer (nicht Afrikaans)<br />

Ausdrucksweise, sodass manche Zeitzeugen später „über diesen Sprachfehler“ spotteten.<br />

Paul Krüger in seiner Stellung als Erster Präsident der Buren stieß bei außenstehenden Beobachtern<br />

auf mancherlei Misstrauen: Wollte dieser christliche Fundamentalist einen Gottesstaat, also eine<br />

Theokratie, verwirklichen? Wie sollte man am besten mit ihm umgehen auf demokratische Weise?<br />

Trotz alledem hatte er eine sympathische Ausstrahlung und erntete Vorschuss-Lorbeeren.<br />

Zwei bedeutende Ereignisse markierten die Amtseinführung des originellen Präsidenten: die Entdeckung<br />

von Gold bei Barberton und die Ermordung des Häuptlings Sekhukhune durch dessen<br />

Halbbruder Mampuru. Die Goldfunde lockten Scharen ausländischer Glücksritter ins Land. Im Juli<br />

1883 gelang es schließlich, die Mörder des Häuptlings zu fassen und hinzurichten.<br />

Zwergenhafte Buren fesseln das riesige England


Der Burenkrieg gegen die Briten<br />

„Gott der Allmächtige wird uns beschützen“ versicherte Präsident Krüger den Vertretern des Volksrats<br />

am 2. Oktober 1899. „Gott lenkt die Flugbahn aller Geschosse. Gott hat uns bisher bei allen Kämpfen<br />

zur Seite gestanden Er wird uns auch weiterhin schützen, selbst wenn Tausende von Kugeln auf uns<br />

zufliegen“.<br />

In Europa begeisterten sich alle Nationen für Krüger, die mit den Briten schlechte Erfahrungen gemacht<br />

hatten. Der Präsident war inzwischen zu alt und zu schwach geworden, um Truppen anführen<br />

zu können, aber auch General Joubert als Oberbefehlshaber wäre unter normalen Umständen nicht<br />

mehr felddienstfähig gewesen.<br />

Hunderte von Freiwilligen aus Europa und Amerika trafen jetzt in Südafrika ein, um den Buren gegen<br />

die Briten beizustehen, falls es zum Krieg kommen sollte. Es fehlte den militärisch ahnungslosen<br />

Farmern überall an Ausbildungsmöglichkeiten, sodass jeder erfahrene Krieger fremder Nationen<br />

willkommen war. Bald erkannten die Buren, dass sie nur mit einer Guerilla-Taktik Erfolge erzielen würden.<br />

General Christiaan de Wet (1834 – 1922) erfasste rasch die Lage, und Louis Botha ergänzt ihn<br />

ausgezeichnet. Trotzdem spielte auch ein Senior brillant mit: General Jacobus Herculaas De la Rey<br />

(1847 – 1914). Die Engländer wurden vielfach in die Flucht getrieben; Colenso, Magersfontein,<br />

Stormberg, Spioenkop hießen die ersten Gefechte voller Bravour.<br />

Krügers Leute hatten im Westen, Osten und Süden ihren Mann zu stehen. Vier Söhne des Präsidenten<br />

rückten zur Front aus, dazu sechs Schwiegersöhne und 33 Enkelsöhne!<br />

Krüger begrüßt amerikanische Kriegsfreiwillige


General Joubert, stets begleitet von seiner Frau, schätzte sie als sachkundige Ratgeberin in allen Lebenslagen.<br />

Als „Frontfrau“ unterstützte sie sogar die Artillerie mit Richtungsanweisungen. Hendrina<br />

begeisterte die Soldaten! Krüger entschloss sich eines Tages, trotz seiner Beschwerden, zur Front zu<br />

reisen und den Männern Mut zu machen. Zwar waren die Buren vier Monate lang siegreich zu Beginn<br />

des Krieges, doch dann wendete sich das Schicksal gegen sie.<br />

General Piet Cronjé geriet in arge Bedrängnis mit der Truppe und musste sich mit 4.000 Buren bei<br />

Paardeberg ergeben gegenüber der Streitmacht von General Lord Roberts. Cronjé blieb keine andere<br />

Wahl als zu kapitulieren, nachdem die brititsche Artillerie tagelang seine Männer zermürbt hatte. Diese<br />

Niederlage führte die Moral der Guerilla-Schützen ins Verderben und zahllose Soldaten flohen kopflos<br />

heimwärts auf ihren Gäulen.<br />

Es ist kein Geheimnis, dass Paul Krüger seit etwa 1897 von schweren Depressionen heimgesucht<br />

wurde, die ihn schubweise quälten und verzagen ließen. Er redete hastig und wenig konzentriert,<br />

verfiel zwischendurch in übertriebene Zuversicht und konnte seine Stimmungsschwankungen nicht<br />

mehr in den Griff bekommen. Hinzu kamen häufige Wutausbrüche, Rechthaberei und andere<br />

Dissonanzen eines früher so ausgeglichenen Charakters. Allein gegenüber Gezina verhielt sich der<br />

Familienvater sanftmütig und tolerant.<br />

Ein sogenanntes Commando der Buren Milizen


Deutschland, Frankreich oder Russland würden keine rettenden Truppen schicken, denn mit den<br />

Briten wollte es niemand verderben. Stattdessen verfügten die Engländer jetzt über gewaltige militärische<br />

Konzentrationen dank ihrer kolonialen Reserven. Wie realistisch schien nun die Hoffnung auf<br />

einen ehrenvollen Friedenschluss?<br />

Krüger schickte voller Verzweiflung Telegramme an die Regierungen in Deutschland, Frankreich,<br />

Russland und den USA mit der dringenden Bitte um Vermittlung eines Friedens. In London verbat<br />

man sich jedoch jegliche Einmischung in kolonialen Streit. Mit einem Sonderzug reiste Krüger nach<br />

Bloemfontein, um dort Präsident Steyn zu treffen und neue Pläne zu schmieden. Zur Begleitung<br />

zählten Dr. Heymans, Enkelsohn Frikke Eloff als Privatsekretär und einige andere Getreue.<br />

Krüger litt unter einer Erkrankung seiner Augen und brauchte ständig fachärztliche Betreuung. Dr.<br />

Heymans bemühte sich vergeblich, seinem Patienten den Tabakgenuss zu verbieten oder wenigstens<br />

auf eine Pfeifenfüllung täglich zu beschränken. Krüger überlistete den Doktor und besorgte sich die<br />

größte verfügbare neue Pfeife mit entsprechender Füllmenge!<br />

Steyn wusste, dass die Briten bald Bloemfontein erobern würden, und verlegte seinen Amtssitz nach<br />

Kroonstad, wo man erneut Kriegsrat hielt. 50 Offiziere und Politiker nahmen daran teil. „Vertraut auf<br />

Gott und auf Eure Mausergewehre“ hieß jetzt die Parole für den intensiveren Guerillakampf. Fortan<br />

sollten nur noch Berittene eingesetzt werden und zwar in kleinen Formationen. Man verzichtete<br />

konsequent auf Wagenkolonnen wegen ihrer Schwerfälligkeit. „Verpflegung aus der Satteltasche“<br />

lautete die Devise ab sofort.<br />

Danie Theron und Gideon Scheepers bildeten eine Kundschafter-Einheit, die eine Radfahrer-<br />

Kompanie sowie andere originelle Einfälle umfasste. Telegraphische Verbindungslinien gab es nicht<br />

mehr, denn sie waren fast überall durchtrennt von Feind und Freund je nach Gefechtslage. Vielen<br />

Gefolgsleuten missfiel, dass Krüger mehrmals Delegationen nach Europa entsandte, um dort<br />

Unterstützung in die Wege zu leiten.<br />

Zuletzt schifften sich ein: A.D.W. Wolmarans (Transvaal Politiker), C.H. Wessels, Vorsitzender des<br />

Freistaat-Volksrats und Abraham Fischer. Sie sollten über Portugiesisch-Mosambik per Schiff<br />

Westeuropa ansteuern und in Brüssel ihr Standquartier beziehen. Mittlerweile mobilisierten die Briten<br />

nahezu 500.000 Soldaten, um die Buren zu schlagen, obwohl man zum Kriegsbeginn mit 40.000<br />

Bewaffneten auszukommen glaubte: ein verhängnisvoller Irrtum.<br />

Der erste Krieg mit begleitenden Reportern


Der Aufwand des britischen Militärs betrug bis zur Kapitulation der Buren 205.000.000 Pfund Sterling.<br />

Ursprünglich hatten die Engländer angenommen, dass ihr Feldzug innerhalb von drei Monaten beendet<br />

sein würde mit einem Kostenpunkt von nur 6.000.000 Pfund Sterling (zum Vergleich).<br />

Die Botschaft vom Tod des Generals Piet Joubert verdüsterte überall die Stimmung im Burenvolk.<br />

Krüger wirkte zunehmend hinfällig, seine Sehkraft ließ nach, Taubheit erschwerte die Kommunikation.<br />

Nachdem der Gegner immer näher gerückt war, überlegten die Buren in stiller Verzweiflung ihre<br />

Goldminen in die Luft zu sprengen. General Louis Botha protestierte energisch gegen solche Absichten,<br />

denn auch die Kohlengruben müssten nach seiner Auffassung für den späteren Frieden zum<br />

Wohl des Volks intakt bleiben. Krüger stimmte ihm zu.<br />

Im Mai erreichten die Engländer Pretoria. Ratgeber empfahlen Krüger, jetzt ins östliche Transvaal auszuweichen<br />

und Friedensverhandlungen anzubahnen. Dr. Heymans erklärte, dass Frau Krüger schwer<br />

krank sei und eine Umsiedlung nicht überleben würde. Am 7. Mai beschloss Krüger vor den Volksrat<br />

zu treten und eine Abschiedsrede zu halten. Alle Delegierten trugen dunkle Anzüge und weiße Krawatten.<br />

Viele Plätze blieben leer, weil diese Männer längst gefallen waren. Lorbeerkränze zierten die<br />

Sitze der Toten mit vierfarbigen Bändern (Symbole der Flagge).<br />

Die Sitzung wirkte wie ein feierliches Staatsbegräbnis für eine Nation. Militär-Attachés und Konsulatsvertreter<br />

befreundeter Staaten sammelten sich vereint: Frankreich, Russland, Deutschland, Italien,<br />

Belgien, Portugal, die Niederlande und die USA hatten Repräsentanten entsandt. Die Herren trugen<br />

ihre Gala-Uniformen mit Orden und Ehrenzeichen. Ein ebenso farbiges wie trostloses Szenarium.<br />

Krüger saß zusammengekauert und teilnahmslos auf seinem Sessel. Er war zu kraftlos, um reden zu<br />

können, sodass Frank Reitz seine Ansprache verlas. Es handelte sich formal um eine gemeinsame<br />

Sitzung beider Volksräte unter dem Druck der Verhältnisse. Louis Botha wurde zum Oberbefehlshaber<br />

(bis auf weiteres) provisorisch bestellt. Die Republiken dankten allen Staaten für deren bisherige<br />

medizinische Hilfe durch Sanitätsmaterial, Feldärzte, Pfleger und sonstiges Gerät.<br />

Karikatur aus einem Witzblatt 1900:<br />

Englische Prinzessinnen umlagern<br />

einen britischen Offiziersanwärter<br />

nach der Heimkehr vom Feldzug<br />

gegen die Buren:<br />

„Junger Mann, haben Sie tatsächlich<br />

ganz allein acht Burenmädchen<br />

vergewaltigt voller Heldenmut?“


Kaum glaubhaft, aber wahr:<br />

Sobald britische Soldaten in die<br />

Gefangenschaft burischer Truppen<br />

gerieten, die oft zerlumpt durch<br />

die Landschaft galoppierten,<br />

mussten die Engländer ihre fast<br />

neuwertigen Uniformhosen<br />

ausziehen und sie den Reitern<br />

überlassen...<br />

Die Karikatur demonstriert zwei<br />

jämmerliche Gefangene ohne Hosen<br />

in beklagenswerter Verfassung,<br />

aber sonst unversehrt..-<br />

So manche jagderfahrene Ehefrau<br />

begleitete ihren Ehemann in den<br />

Krieg als Scharfschützin oder<br />

mutige Artillerie-Beobachterin<br />

(wie diese Kämpferin im Bild).<br />

Die Buren besaßen keine Uniformen<br />

und führten Krieg in Räuberzivil<br />

(mit Ausnahme der Artillerie<br />

und Militärkapellen).


Überraschend erhob sich Krüger nach den Worten von Reitz, um allen Anwesenden ebenfalls seinen<br />

Dank auszusprechen während der großen Not. Seine Stimme festigte sich etwas. Der Ausgang des<br />

Krieges sei allein von Gott bestimmt und alle müssten sich fügen.<br />

Es zirkulierten Gerüchte, dass der britische Kommandeur Roberts die Bahnlinie nach Delagoa Bay<br />

(Portugiesisch-Mosambik) mit Hilfe eines Sonderkommandos unterbrechen wolle, um Präsident<br />

Krüger an der Flucht zum rettenden ausländischen Hafen (Kurs Europa) zu hindern.<br />

General Botha drängte Krüger zum Aufbruch, denn jetzt schien jede Minute kostbar. Am 29. Mai 1900<br />

hielt sich Krüger zuletzt in Pretoria auf. Man stellte einen Sonderzug für ihn und seinen Stab zusammen,<br />

der Schlafwagen und Speisewagen umfasste. Die Waggons enthielten auch einen Baderaum,<br />

eine Küche und ein Abteil für den Telegraphisten.<br />

Machadodorp sollte Zwischenstation werden, doch hielt man dieses Ziel geheim. Vor der Abfahrt des<br />

Sonderzugs überreichte ein amerikanischer Junge dem Präsidenten einen Lederkoffer, 47 Pfund<br />

schwer, mit Grüßen von 29.000 Schülern aus Philadelphia, New York und Boston, verbunden mit<br />

einem Treuegelöbnis. Der Boy hieß Jimmy Smith. Andere Amerikaner übergaben zum Abschied<br />

bestickte Burenflaggen, angefertigt in den USA. Krüger wirkte sichtlich gerührt mit Tränen in den<br />

Augen.<br />

In einer Pferdekutsche fuhr Krüger zum wartenden Eisenbahnzug, der an der Station Eerste<br />

Fabrieken unter Dampf stand. Die Strecke führte über Middelburg nach Machadodorp. Dort<br />

angekommen blieb der Zug längere Zeit in Abwartestellung, während Krüger im Salonwagen arbeitete<br />

und laufend Telegramme durch die Drähte jagte. Am 5. Juli marschierten die Briten in Pretoria ein.<br />

Lord Robert verkündete triumphierend, dass jetzt Frieden eingekehrt sei.<br />

Starrköpfig verteidigte Krüger seinen Realitätsverlust auf der einsamen Bahnstation und forderte<br />

telegraphisch „Durchhalten bis zum letzten Blutstropfen“. Und er fügte hinzu: „Kämpft im Namen<br />

Gottes, denn sonst erwarten Euch viele Jahre der Gefangenschaft auf der Insel Sankt Helena!“ Dort<br />

saß bereit General Cronjé fest.<br />

Inzwischen war der Winter eingekehrt und Machadodorp bekam die Kälte und Nässe zu spüren. Man<br />

empfahl Krüger, mit seinem Sonderzug weiter zu fahren Richtung Waterval-Onder am Elands Fluss,<br />

wo ein milderes Klima herrschte. Am 30. Juni konnte der Präsident den rollenden Amtssitz verlassen<br />

und in ein kleines Haus umziehen.<br />

Präsident Krügers Sonderzug zur Flucht nach Mosambik


Allerdings blieb sein Stab in Machadodorp zurück und Kuriere vermittelten täglich Botschaften<br />

zwischen Krügers neuer Residenz und der Bahnstation mit telegraphischer Ausstattung. Zu den<br />

engsten Vertrauten in jenen Tagen gehörte der Augenfacharzt Dr. Heymans, gewissermaßen sein<br />

Leibarzt für alle Gebrechen.<br />

In der letzten Residenz hielten sich noch sein Enkelsohn Frederik Christoffel Eloff (genannt Frikkie)<br />

und der Privatsekretär Hermanus Christiaan Bredell (1865 – 1953) auf, der liebevoll „Manie“ gerufen<br />

wurde. Bredell führte gewissenhaft ein Tagebuch bis zum bitteren Ende des Präsidenten, das erst<br />

1972 veröffentlicht wurde, bearbeitet von A.G. Oberholster.<br />

Bredell zeichnete sich als erfahrener Rechtsanwalt und diplomierter Dolmetscher aus für<br />

Niederländisch, Afrikaans und Englisch. Er diente dem Präsidenten seit Kriegsausbruch zuverlässig<br />

(nicht zuletzt auch als Leibwächter). Zuletzt tauchte Präsident Steyn auf neben General Smuts, um<br />

Abschied zu nehmen. Haupthaar und Bart Krügers färbten sich schneeweiß. Er war in großer Sorge<br />

um seine schwerkranke Frau in der Ferne.<br />

Präsident Krüger um 1900


Der Präsident musste jetzt eine Brille mit dicken Gläsern tragen, sodass seine Erscheinung einer Eule<br />

glich. In den Ohren steckten kleine Goldringe, weil Krüger glaubte, dass dadurch seine Sehkraft gestärkt<br />

werden könnte.<br />

Die britischen Streitkräfte hatten die Hoffnung noch nicht aufgegeben, den Erzfeind Krüger lebend<br />

einzufangen und rückten bedrohlich näher. General Botha drängte zur Fortsetzung der Flucht ohne<br />

weitere Verzögerungen und Einwände. Nun begab sich Krüger mit seinen Gefolgsleuten nach<br />

Nelspruit an der Bahnlinie Kurs Delagoa Bay auf halbem Weg zwischen Waterval-Onder und der<br />

portugiesischen Kolonialgrenze zu Mosambik. In Nelspruit war zu erfahren, dass der britische General<br />

Roberts eine Proklamation verkündet hatte: die South African Republic gehörte ab 1. September zum<br />

Empire, der Oranje Freistaat bereits ab 24. Mai.<br />

Krüger wollte und konnte das nicht einsehen, denn es standen nach wie vor zahllose Truppenteile der<br />

Buren verstreut im Feld, ohne aufzugeben. Der Präsident telegraphierte mit letzter Energie in alle<br />

Richtungen: „Diese Annektierung durch Großbritannien ist nicht rechtsgültig, denn unsere South<br />

African Republic wird nach wie vor von allen zivilisierten Staaten der Erde anerkannt. Wir bleiben ein<br />

freies und unabhängiges Volk und verweigern jegliche Kapitulation gegenüber der englischen Krone!“<br />

Nun war es allerhöchste Zeit, endlich auf portugiesisches Hoheitsgebiet zu flüchten. Inzwischen gab<br />

Lord Roberts höhnisch bekannt, dass Krügers todkranke Ehefrau sowie alle prominenten übrigen<br />

Burenfrauen, verheiratet mit Politikern, Offizieren, Beamten usw., verhaftet würden, um sie in offenen<br />

Güterwagen (!!!) irgendwohin an die Front zu entsenden, wo die Gatten gewiss sehnsüchtig ein<br />

Wiedersehen erhofften. Ein bequemerer Transport mit Pferdekutschen sei leider nicht möglich, weil es<br />

an passenden Fuhrwerken mangele. Eine derartige Demütigung hatte man zuvor noch nie erlebt.<br />

Königin Wilhelmina schickte ein Kriegsschiff


General Roberts stieß allerdings nur leere Drohungen aus, weil sein eigener Sohn in Natal im Gefecht<br />

gefallen war und er seinem Herzen Luft machen wollte. Gezina Krüger wurde in Pretoria respektvoll<br />

von den Briten behandelt. Das Militär stellte ständig eine Wache vor ihr Haus, um Zwischenfälle gleich<br />

welcher Art zu verhindern. Die Patientin ließ es sich nicht nehmen, den Posten regelmäßig Erfrischungen<br />

zukommen zu lassen aus Dankbarkeit. Ihr Glaube an die Nächstenliebe blieb unerschüttert.<br />

Offiziell bzw. formal hatte die Buren-Regierung dem Präsidenten Krüger „sechs Monte Urlaub“<br />

genehmigt, um nach Europa zu reisen und dort Unterstützung der Freistaaten zu suchen. Schalk<br />

Burger sollte den Präsidenten „während dessen Abwesenheit“ vertreten. Nach außen hin konnte und<br />

wollte man die Fluchtaktion „schön färben“, was jedoch überall auf Verständnislosigkeit stieß.<br />

Der Sonderzug rollte ungehindert durch bis Lourenco Marques und blieb auf einem Abstellgleis<br />

außerhalb der Bahnstation stehen. Inzwischen herrschte Dunkelheit, und Krüger fuhr unauffällig zum<br />

Wohnsitz des Transvaaler Generalkonsuls Gerhard Pott in einer Kutsche. Der britische Generalkonsul<br />

Cowe bekam aber Wind davon und bedrängte den portugiesischen Gouverneur Antonio José de<br />

Souza Machado einzuschreiten. Portugal war finanziell von England abhängig und saß in der<br />

Zwickmühle.<br />

Krüger wollte sich bei Pott solange aufhalten, bis es eine Chance zum Einschiffen Kurs Europa gab.<br />

Der nächste erreichbare Dampfer war die HERZOG der deutschen Ostafrika Linie. Der Gouverneur<br />

mischte sich überraschend ein und betrachtete Krüger als Staatsgast mit allen Ehren, um ihn anderweitig<br />

unter zu bringen. Mit anderen Worten: Krüger war gezwungen, seinen 75. Geburtstag wie ein<br />

Gefangener zu erleben.<br />

Kapitulation burischer Truppenteile


Die Portugiesen isolierten den Präsidenten vollkommen, getrennt von seinem Stab und den Angehörigen.<br />

Niemand durfte ihn aufsuchen. Endlich kam die Nachricht, dass er an Bord eines neutralen<br />

Schiffs ausreisen dürfe in Richtung Europa (und nur dorthin). Die junge Königin der Niederlande<br />

reagierte empört, als sie von der Behandlung Krügers erfuhr.<br />

Wilhelmina entschloss sich kurzerhand einige diplomatische Schachzüge vorzubereiten. Ein niederländisches<br />

Kriegsschiff, die GELDERLAND, kreuzte in afrikanischen Gewässern. England hatte keine<br />

Bedenken, falls die Holländer den Präsidenten retten wollten. Queen Victoria stimmte ebenfalls zu.<br />

Auf Weisung Wilhelminas bunkerte die GELDERLAND neue Kohlenvorräte in Delagoa Bay und nahm<br />

bei dieser Gelegenheit Präsident Krüger mit Gefolge diskret an Bord. Um die Briten nicht zu provozieren,<br />

verließ die Krüger Gruppe das Schiff in Marseille. Zwischendurch fand die Thronbesteigung<br />

der jungen niederländischen Herrscherin statt.<br />

Auf der Heimreise ankerte die GELDERLAND zuerst in Dar-es Salaam, also in Deutsch-Ostafrika, und<br />

blieb dort drei Tage. Die begeisterten Deutschen grüßten mit Salutschüssen ihrer Kanonen. Der<br />

Gouverneur kam an Bord, um Krüger willkommen zu heißen. Überall berichteten Zeitungen und Magazine<br />

über den Burenkampf, erschienen die ersten Bücher über den Anglo-Boer War. Am 22. November<br />

1900 kam Marseille in Sicht.<br />

Tragödie im Gegenlicht: Krügers Abschied


6.000 Franzosen jubelten am Hafen,. Der Oberbürgermeister gab sich die Ehre. Delegationen drängten<br />

an Bord zur Begrüßung. Sogar die Flagge der Buren stieg an einem Fahnenmast hoch. Eine Kapelle<br />

spielte die burische Nationalhymne am Kai. Das Volk rief „Vive Kruger! Vive les Boers!“ in<br />

Sprechchören. Dann stieg die Reisegesellschaft im Hotel NOAILLES ab. Die Hochrufe der Franzosen<br />

wollten kein Ende nehmen bis tief in die Nachtstunden.<br />

Am nächsten Morgen reiste man mit der Bahn nach Paris, und unterwegs winkten fast überall Sympathisanten<br />

in hellen Scharen längs der Strecke, warfen Blumensträuße. Nichts war organisiert, alles<br />

erfolgte spontan, um einen Helden zu ehren. Am Gare de Lyon hielt der Zug und eine berittene Ehrengarde<br />

eskortiere die Buren zum Hotel.<br />

Nach der Stippvisite auf französischem Boden ging die Fahrt weiter zu den deutschen Blutsbrüdern<br />

nach Köln. Überall wurden Souvenirartikel auf den Markt geworfen: Bierkrüge mit Krüger-Porträts (und<br />

andere Geschmacklosigkeiten) erfreuten sich zunehmender Beliebtheit. Der Gruppe um Krüger war<br />

jedoch keineswegs bewusst, dass der europäische Jubel lediglich „Volkes Stimme“ aus sentimentalen<br />

Motiven repräsentierte, nicht aber die Reaktion der politischen bzw. herrschenden Klasse. Kein<br />

Staatsmann wollte die Briten verärgern und Krüger irgendeine Unterstützung zukommen lassen!<br />

Krügers Sekretär Dr. Leyds fühlte am Kaiserhof bei Wilhelm II. vor, ob der Buren-Präsident demnächst<br />

mit einer Audienz rechnen dürfe, was den Hofstaat in große Verlegenheit versetzte. Man wollte<br />

einfach nach Berlin abdampfen und nicht länger zögern. Die kalte Dusche kam überraschend: Wilhelm<br />

II. ließ telegraphieren, dass „zur Zeit leider keine Begegnung opportun erscheine“. Seine Majestät sei<br />

zu einem schon lange vorgesehenen Jagdausflug aufgebrochen und deshalb verhindert.<br />

Das bedeutete mit anderen Worten: Krüger war zum weltpolitischen Ärgernis geworden und taugte<br />

jetzt nicht mehr als Busenfreund der lieben Deutschen. „Der Kaiser hat uns verraten“, murmelte<br />

Krüger betrübt. Nun blieben nur die Niederlande übrig als nächster Fluchtpunkt. Am 6. Dezember<br />

verließ die Buren-Deputation Köln und reiste über Arnheim und Utrecht nach Den Haag.<br />

Franzosen umjubeln Krüger in Marseille


Die Holländer riefen aus vollem Herzen Hurra und betrachteten Krüger wie Ihresgleichen. Königin-<br />

Mutter Emma schickte Boten zum Hotel DES INDES und lud zu einem Gespräch am folgenden Tag<br />

bei Hof ein, genauer gesagt zu einer diskreten Privat-Audienz. Königin Wilhelmina stand kurz vor ihrer<br />

Hochzeit und hieß Krüger als Ehrengast willkommen. Man gab dem Gast aber überall zu verstehen,<br />

dass er „nur als Privatmann“ genehm sei, auf keinen Fall als politischer Bittsteller.<br />

Der Buren-Präsident verhielt sich fortan wie ein wissbegieriger Tourist, besuchte allerlei Sehenswürdigkeiten,<br />

bedeutende Kirchen, Ausstellungen usw. Zum Stab Krügers zählten zwei Sekretäre<br />

(Bredell und Eloff), der Berater Dr. Leyds, die Transvaaler Fischer, Wessels und Wolmarans sowie<br />

Cornelis van Boeschoten.<br />

Tote Burenkinder: die ersten historischen KZ-Opfer


Zur gleichen Zeit füllten sich in Südafrika die neuartigen Concentrations Camps mit Burenfamiiien und<br />

Schwarzen, wurden zahllose Buren-Farmhäuser abgefackelt und explosiv in die Luft gejagt. In den<br />

Lagern grassierten Seuchen und Hunger, starben vor allem kleine Kinder an den Folgen von Epidemien<br />

(Masern) und Unterernährung.<br />

Der sogenannte Anglo-Boer War dauerte mittlerweile zwei Jahre. Krüger versuchte diese Schreckensnachrichten<br />

irgendwie aus seinem Bewusstsein zu verdrängen, um Ruhe zu finden. Sein Realitätsverlust<br />

machte sich in der Umgebung bemerkbar. Die erkrankten Augen schmerzten und sollten<br />

operiert werden. Bronchitis plagte den alten Herrn jetzt chronisch. In Utrecht operierte Professor Dr. H.<br />

Snellen die Augen erfolgreich, assistiert von Dr. Heymans, dem Leibarzt. Auch die Bronchitis konnte<br />

auskuriert werden.<br />

An der Hochzeit von Königin Wilhelmina mit einem Hohenzollern-Prinzen konnte Krüger nicht teilnehmen<br />

wegen seiner Altersschwäche, doch einige Mitglieder des Stabs hatten vertretungsweise die<br />

Ehre. Die niederländische Regierung konnte und wollte Krüger auf längere Sicht nicht beherbergen.<br />

Um etwas aus dem Blickfeld der Politik abzurücken, reiste die Krüger Delegation im April 1901 nach<br />

Hilversum und mietete dort die Villa Casa Cara für acht Monte. Von hier aus unternahm der Präsident<br />

viele Ausflüge, um interessante niederländische Städte näher kennen zu lernen, etwa Rotterdam und<br />

Dordrecht sowie Kampen. Vor allem die Gotteshäuser wollte er im einzelnen besichtigen, großzügig<br />

angelegte Parks und die Küsten.<br />

Neben Burenfamilien gerieten viele Schwarze in KZ


Farmhäuser wurden systematisch abgefackelt<br />

Häufig benutzten die Briten Sprengstoff außer Feuer


Dann kam die Nachricht, dass seine Frau verstorben sei. Die Briten zeigten sich kurz vorher großmütig<br />

und entließen acht Enkelkinder des Präsidentenpaars aus dem Konzentrationslager Krügersdorp.<br />

Die Mutter der Enkel war im Camp umgekommen, dann starben fünf der acht entlassenen Kinder<br />

innerhalb weniger Tage an Infektionskrankheiten und Immunschwäche.<br />

Nachdem der Witwer diese furchtbaren Zusammenhänge im einzelnen erfahren hatte, versank er in<br />

stiller Verzweiflung und befasste sich nur noch mit der Bibel. Die letzten Getreuen sammelten<br />

Dokumente und sonstige Unterlagen, um die Memoiren Krügers für die Nachwelt zu sichern, vor allem<br />

Pieter Grobler und Manie Bredell. Allmählich löste sich Krügers Erstarrung und er zeigte Interesse,<br />

tatsächlich seine Erinnerungen zu diktieren für eine geplante Biographie.<br />

Es bleibt festzuhalten, dass Krüger im Verlauf seiner fluchtartigen Emigration finanziell in gesicherten<br />

Verhältnissen lebte und genügend Kapital zur Verfügung hatte, um seinen „Hofstaat“ über die Runden<br />

zu bringen. Sekretär Bredell äußerte freimütig, dass er „reichlich Goldbarren und anderes<br />

Fluchtkapital“ ab Pretoria unter seine Obhut nahm im Auftrag des Präsidenten.<br />

Krügers Sohn Tjaart starb am 30. September an Lungenentzündung. Die Tochter Elsje des Präsidenten<br />

und deren Ehemann Frederik Christoffel Eloff sowie die gemeinsamen acht Kinder schmiedeten<br />

Pläne, um den vereinsamten alten Herrn in Europa zu besuchen und trafen beizeiten zu dessen<br />

Geburtstag ein.<br />

Bahntransport Weißer in Concentration Camps


Präsident Krüger und sein Stab mit der Eloff Familie zogen am 11. Dezember nach Utrecht um und<br />

mieteten dort zwei villenartige Gebäude nebeneinander. Krügers Residenz hieß ORANJELUST, und<br />

er verbrachte dort 10 Monate. Eifrig arbeitete Krüger an seinen Memoiren und fand dadurch<br />

Ablenkung. Immer häufiger „nervte“ er seine Umgebung mit langatmigen Bibel-Kommentaren. Es<br />

überrascht andererseits, dass drei seiner engsten Mitarbeiter, Heymans, van Boeschoten und Happé,<br />

der römisch-katholischen Kirche angehörten, was jedoch Krüger zu keiner Zeit störte. Enkelsohn<br />

Frikkie Eloff heiratete eine Güttmann Tochter aus jüdischer Familie.<br />

1901 ging der Burenkrieg langsam zu Ende, wenn auch nur schrittweise. Die Mediziner empfahlen<br />

Krüger ein wärmeres Klima, am besten die Riviera, wegen seiner Altersschwäche, aber er lehnte ab.<br />

Königin Wilhelmina bemühte sich intensiv um eine Vermittlung zwischen England und den letzten<br />

kämpfenden Buren-Einheiten. Am 14. Juni ließ Sekretär Bredell die Burenflaggen von den Masten vor<br />

den beiden Villen entfernen.<br />

Krüger wollte auf keinen Fall nach Südafrika heimkehren, weil er davon überzeugt war, dass er seinem<br />

Land in Europa wesentlich nützlicher sein konnte. Die Generäle Botha, De la Rey und De Wet<br />

reisten inzwischen nach Europa, um dort Hilfsaktionen für das geschlagene Burenvolk anzuregen. Die<br />

Männer wurden wie Helden empfangen, wohin sie auch kamen. General Reitz hatte eine Vortragsreise<br />

quer durch die USA im Sinn, zu der man ihn einlud. Sohn Denys Reiz wanderte nach Madagaskar<br />

aus, um dort zu siedeln.<br />

Alle waren sich einig, dass Präsident Krüger „in seiner Märtyrer-Rolle“ auf Europaposten bleiben<br />

musste. Sogar sein Tod in der Emigration würde dem Burenvolk noch dienen. Heymans und Bredell<br />

wollten sich demnächst vom Haushalt lösen und neue berufliche Pläne verfolgen, änderten dann aber<br />

doch ihre Überlegungen und harrten weiter aus, finanziell gut ausgestattet.<br />

Vier Tage nach seinem Geburtstag reist Krüger mit Gefolge nach Mentone an die französische<br />

Riviera, um dort zu überwintern, und ließ sich erneut in einer komfortablen Prachtvilla unter Palmen<br />

nieder. Man blieb dort bis zum Mai 1903 als „Großfamilie“ vereint.<br />

Fazit des Burenkriegs offiziell: 34.116 tote Afrikaaner, darunter 26.000 Frauen und Kinder. Britische<br />

Verluste: 22.000 Soldaten. Die meisten gingen durch Krankheiten und Seuchen zugrunde, wenige kamen<br />

im Gefecht um.<br />

Im Sommer 1904 entschloss sich Krüger zur „Ausreise“ nach Clarens in der Schweiz, weil er den<br />

Holländern immer lästiger geworden war und die Franzosen gleichfalls Unbehagen erkennen ließen.<br />

Man mietete wiederum zwei Villen nebeneinander mit der Eloff Familie. Die Adresse lautete: VILLA<br />

DUBOCHET No. 17 und Madame Blancpain sorgte als tüchtige Wirtschafterin für das Wohlergehen<br />

der Ausländer.<br />

General Louis Botha rückte jetzt in den Mittelpunkt des internationalen Interesses, nachdem Krüger<br />

praktisch verstummt war. Er verkörperte die Wiedergeburt des Afrikaanertums, denn er war nach wie<br />

vor eine Heldenfigur, vor allem für die jüngeren Generationen.<br />

Am 9. Juli erkrankte Paul Krüger an Lungenentzündung. Am frühen Morgen des 14. Juli 1904 gegen<br />

drei Uhr tat Krüger seinen letzten Atemzug, neben sich die Bibel als Trost. Leibarzt Dr. Heymans<br />

fotografiert den Präsidenten noch einmal im Totenbett mit gefalteten Händen über der Brust.<br />

Quellen<br />

Meintjes, J.: President Paul Krüger (Biography)<br />

(London 1974)<br />

Fisher, J.: Paul Krüger – His Life und Times<br />

(London 1974)


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