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Forum 2 – 2005 1 - Bkjpp

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Inhalt:<br />

<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 1<br />

Editorial: 395 Störungen und 1000 Kriterien<br />

Ingo Spitczok von Brisinski ……..……..……………………………. 2<br />

Ärztlich-ethische Leitlinie zur körperlichen und<br />

neurologischen Untersuchung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie<br />

und –psychotherapie ………………………………………………..…. 5<br />

Bipolare affektive Störungen im Kindes- und Jugendalter<br />

– eine Übersicht<br />

Hellmuth Braun-Scharm, Jörg Leeners, Janet Schmidhauser ….. 11<br />

Lese-Rechtschreib-Störung - was kann eine systemische Sichtweise<br />

zur Behandlung beitragen?<br />

Bodo Pisarsky, Manfred Mickley …………………………….……… 51<br />

Die stationäre Behandlung von Kindern mit ADHS<br />

in Wohngruppen der Jugendhilfe<br />

Nicole Bach, Regina Freisberg, Ulrich Preuss ……………………. 76<br />

Buchbesprechungen:<br />

Kampfesspiele machen Spaß und unterstützen Jungen in ihrer persönlichen<br />

Entwicklung …………….………………………..……...... 88<br />

Autorität durch Beziehung. Die Praxis des gewaltlosen Widerstands<br />

in der Erziehung ………………………………………………………. 90<br />

ADHS bei Klein- und Vorschulkindern …………..…………………. 93<br />

Autismus, Sprache, Kommunikation: sprachliche<br />

Besonderheiten von Menschen mit Autismus dargestellt<br />

anhand autobiographischer Texte ………………………………….. 97<br />

Hinweise für Autoren ..…………………...………………………… 100


Editorial:<br />

395 Störungen und 1000 Kriterien<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 2<br />

die Etablierung von ICD und DSM hat zweifellos große Fortschritte<br />

hinsichtlich der Reliabilität von Diagnosen mit sich gebracht und<br />

auch hinsichtlich der Ergebnisse Diagnose bezogener Behandlungen.<br />

Oft erleichtern uns im Alltag Klassifikationsschemata die Arbeit:<br />

Syndrom-Erstverdacht – Abfragen des zugehörigen Kriterienkomplexes<br />

- Diagnose (wieder-)erkannt – passende Leitlinie berücksichtigt<br />

– Behandlungskonzept ausgewählt.<br />

Heute hatte ich es jedoch mal wieder mit einem kleinen Patienten<br />

zu tun, der sich nicht so recht einer der vielen amtlichen Kategorien<br />

– DSM-IV-TR zählt immerhin 395 Störungen und ca. 1000 Kriterien<br />

auf, ICD-10 unterscheidet sich quantitativ auch nicht um Zehnerpotenzen<br />

– guten Gewissen zuordnen ließ: Vorgestellt wurde er mir<br />

mit dem Verdacht auf ein Asperger-Syndrom, und tatsächlich fanden<br />

sich auch eine Reihe von Symptomen, die für dieses Syndrom<br />

typisch sind: mangelnder Blickkontakt, Schwierigkeiten im Umgang<br />

mit neuen Situationen, motorische Ungeschicklichkeit, ist in einigen<br />

Dingen überraschend gut und in anderen überraschend schwach,<br />

nimmt nur eine sehr begrenzte Anzahl verschiedener Speisen zu<br />

sich und lehnt es ab, neue wenigstens zu probieren. Andererseits<br />

liebt Andreas (Name geändert) Kuscheln „bis zum Abwinken“, ist<br />

mittlerweile gut in seiner Kindergartengruppe (5-6 Kinder) integriert<br />

und hat zwei gleichaltrige Freundinnen in der Nachbarschaft, mit<br />

denen er auch außerhalb der Kindergartenzeiten stundenlang zusammen<br />

spielt. Besondere Gewohnheiten wurden nicht berichtet,<br />

zwanghafte Wiederholungen oder Stereotypien auch nicht. Es bestand<br />

nicht der Eindruck, dass er in seiner eigenen Welt mit eingeschränkten<br />

sonderbaren Interessen lebt, und er zeigt keine mangelnde<br />

Empathie. F84.5 bzw. 299.80 passen daher meines Erachtens<br />

nicht. Im Gespräch bekam ich anfangs keinerlei Antworten,<br />

und die Mutter berichtete, dass dieses Verhalten ganz typisch sei<br />

für Andreas: Während er ihr zu Hause „ein Ohr ablabere“, bekomme<br />

er bei Fremden kein Wort heraus. In der seit zwei Jahren laufenden<br />

logopädischen Behandlung wegen F80.0 mache er gut mit, bis in


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 3<br />

den letzten 10 Minuten eine andere Logopädin mit einem weiteren<br />

Patienten hinzukomme zwecks Kleingruppenbehandlung: Ab da<br />

bleibe er stumm. Aha, dachte ich, wie wäre es mit F94.0? Allerdings<br />

äußerte sich Andreas im weiteren Verlauf der kinderpsychiatrischen<br />

Untersuchung dann spontan mehrfach und war schließlich auch gut<br />

in der Lage, auf meine Fragen laut und deutlich zu antworten, solange<br />

sie etwas mit Malen oder Rechenaufgaben zu hatten. Im Kindergarten<br />

mache er im Stuhlkreis mit und auch alle anderen Gruppenspiele,<br />

solange er sich in seiner vertrauten Gruppe aufhalte.<br />

Werde aber eine Gruppe aufgeteilt und komme es so zu einer<br />

Gruppenzusammensetzung, blockiere er völlig. Vielleicht doch eher<br />

F93.2? Ich war schon fast dabei, Andreas einzuordnen, als er „einen<br />

Fehler machte“: Obwohl Andreas erst 6 Jahre alt ist und noch<br />

den Kindergarten besucht, löst er im Kopf Multiplikationsaufgaben,<br />

die dem Niveau der 3. Klasse entsprechen. Immer wieder forderte<br />

er mich auf, ihm eine weitere Rechenaufgabe zu stellen, die er korrekt<br />

aufschrieb. Fünfzehn Mal präsentierte er mir stolz ein richtiges<br />

Ergebnis, so dass ich mir die Frage stellte, ob möglicherweise eine<br />

Hochbegabung vorliegt. Dann kam aber plötzlich ein falsches Ergebnis<br />

und es wurde deutlich, dass Andreas „anders“ rechnet als<br />

wir es gewohnt sind. Wie, konnte er bisher weder seiner Mutter<br />

noch mir erklären. Nur auswendig gelernt waren die Aufgabenergebnisse<br />

aber anscheinend auch nicht. Doch ein wenig F84? Der<br />

zuvor durchgeführte CFT1 hatte im Testteil „Wahrnehmungsumfang<br />

/ -tempo einen Wert von 99 erbracht, im Testteil „Erkennen von regeln<br />

und Gesetzen / Grundintelligenz“ einen Wert von 136. Ist alles<br />

durch Wahrnehmungsstörungen zu erklären? Krankengymnastik<br />

aufgrund von F82 war bereits durchgeführt worden und Ergotherapie<br />

aufgrund von F88 auch. Ich entschied mich, zunächst Verdacht<br />

auf F93.2 ins KIS einzutragen, ganz wohl war mir dabei allerdings<br />

nicht, zumal bei näherer Nachfrage die Mutter berichtet, dass es<br />

Andreas am Anfang seiner Kindergartenzeit schwer fiel, Kontakt zu<br />

Gleichaltrigen aufzubauen und zu pflegen trotz eines nur wenig älteren<br />

Bruders…<br />

Auf der vierten Achse MAS gab es außer rezidivierenden Bronchitiden<br />

in der Vergangenheit nicht viel zu holen, auf der fünften Achse<br />

immerhin 5.1 (was nach meinem Empfinden heutzutage gar nicht<br />

mehr so ganz durchgängig als „abnorm“ einzustufen ist).<br />

Entscheidungen bzgl. formaler Diagnoseneinträge könnte man ja<br />

zur Not noch für zweitrangige Problematik halten, aber was sage ich


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 4<br />

der Mutter und was sage/schreibe ich dem überweisenden Kinderarzt?<br />

In solchen Situationen hätte ich gern die Möglichkeit, mir einen<br />

eigenen Mix zusammenzustellen. Sagte da jemand, das ist<br />

doch gar kein Problem, schließlich gibt es doch F98.8? Schaue ich<br />

mir die in der ICD-10 unter F98.8 aufgezählten „dazugehörigen<br />

Begriffe“ an (Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität, Daumenlutschen,<br />

exzessive Masturbation, Nägelkauen, Nasebohren)<br />

wird mir nicht gerade wohler…<br />

Da es mir widerstrebt, hier eine weitere „Anleitung zum Unglücklichsein<br />

mit psychiatrischen Klassifikationen“ (Spitczok von Brisinski,<br />

1999) zu veröffentlichen, fand ich ausgerechnet Trost im DSM-IV-<br />

TR, denn da heißt es auf Seite XXII: „Mit zunehmender Erhöhung<br />

der Übereinstimmung psychiatrischer Diagnosen stellt sich jedoch<br />

weiterhin die Frage nach deren Gültigkeit. Birley (1990) hat hierzu<br />

gefragt, ob man nicht Gefahr läuft, mit wachsender Anzahl und Vielschichtigkeit<br />

der Kriterien ‚etwas Vages wie etwas Präzises’ zu behandeln,<br />

ohne sich der Unbestimmtheit bewußt zu sein.“<br />

Ihr<br />

Ingo Spitczok von Brisinski<br />

Literatur<br />

Birley, J.L.T. (1990) DSM-III: From left to right or from right to left? British Journal<br />

of Psychiatry, 157, 116-118<br />

Remschmidt, H., Schmidt, M., Poustka, F. (Hg.) (2001) Multiaxiales Klassifikationsschema<br />

für psychische Störungen des Kindes- und Jugendalters nach ICD-10<br />

der WHO. 4., vollst. überarb. u. erw. Aufl. Bern: Hans Huber Verlag<br />

Saß, H., Wittchen, H.-U., Zaudig, M., Houben, I. (2003) Diagnostisches und Statistisches<br />

Manual Psychischer Störungen.Textrevision - (DSM-IV-TR). Göttingen:<br />

Hogrefe-Verlag<br />

Spitczok von Brisinski, I. (1999) Zur Nützlichkeit psychiatrischer Klassifikationen<br />

in der systemischen Therapie - DSM, ICD und MAS als Hypothesenkataloge dynamischer<br />

Systemkonstellationen. Zeitschrift für systemische Therapie 17, 43-51<br />

Weltgesundheitsorganisation (2004) Internationale Klassifikation psychischer Störungen.<br />

ICD-10 Kapitel V (F) Klinisch-diagnostische Leitlinien. 5., durchges. u.<br />

erg. Aufl. Bern: Hans Huber Verlag


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 5<br />

Ärztlich-ethische Leitlinie zur körperlichen<br />

und neurologischen Untersuchung<br />

in der Kinder- und Jugendpsychiatrie<br />

und -psychotherapie<br />

Ethik-Kommission der 3 Fachgesellschaften für<br />

Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie<br />

Einleitung<br />

Die Untersuchung von Patienten in der Kinder- und Jugendpsychiatrie<br />

und -psychotherapie ist eine ärztliche Untersuchung, die die körperliche<br />

Untersuchung zusammen mit Befunderhebungen in anderen<br />

Bereichen als unabdingbaren Bestandteil enthält. Sie erfolgt mit<br />

der Zielsetzung, seelisches und körperliches Leiden zu erkennen, in<br />

dem sie Befunde erhebt, die zur Erklärung krankhafter Störungen<br />

dienen. Sie beinhaltet grundsätzlich die Untersuchung aller Körperteile<br />

sowie die neurologische Untersuchung. Voraussetzung für ihre<br />

Durchführung sind das Vertrauen der Untersuchten und ihrer Sorgeberechtigten<br />

in das ärztlich-ethische Handeln untersuchender<br />

Ärztinnen und Ärzte, sowie der achtungsvolle Umgang der Untersucher<br />

mit dem Untersuchten.<br />

Ethische Grundsätze<br />

Die Entwicklung des Vertrauensverhältnisses macht die Beachtung<br />

von Grundsätzen erforderlich, die für das gesamte diagnostische<br />

und therapeutische Handeln gelten. Ihre Beachtung engt die körperliche<br />

Untersuchung nicht ein, sondern sichert ihre Durchführung gegen<br />

Zweifel ab.


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 6<br />

Das Vertrauensverhältnis eröffnet den privilegierten ärztlichen Zugang<br />

zum Körper, der ethisch eine besondere Verantwortung bedingt<br />

(Fegert 2002). Gegebenenfalls wird die Übertragung auf einen<br />

anderen Untersucher erforderlich, weil die körperliche Untersuchung<br />

eine nachfolgende therapeutische Beziehung beeinträchtigen<br />

kann.<br />

Vier Prinzipien ärztlich-ethischen Handelns sind in der „Berufsordnung<br />

für Ärzte“ der Bundesärztekammer festgelegt (Wiesing 2000).<br />

Sie beinhalten:<br />

1. Die Selbstbestimmung des Patienten zu respektieren<br />

2. Im besten Interesse des Patienten zu handeln<br />

3. Nicht zu schaden<br />

4. Begrenzte Mittel gerecht zu verteilen<br />

Um Verletzungen der Integrität von Patienten vorzubeugen, hat die<br />

gemeinsame Ethikkommission der drei Deutschen Fachgesellschaften<br />

für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie folgenden<br />

Grundsatz für ethisches Handeln formuliert (Z. Kinder-<br />

Jugendpsych. 29, 150-151 (2001):<br />

„Unvermeidbar ist der therapeutischen Beziehung ein Ungleichgewicht<br />

zu eigen, das den Kinder- und Jugendpsychiater und Therapeuten<br />

mit Macht ausstattet. Die sich daraus ergebende besondere<br />

Schutzbedürftigkeit der Patienten sowie die Loyalitätspflichten gegenüber<br />

dem Kind bzw. Jugendlichen und grundsätzlich auch gegenüber<br />

seinen Eltern erfordern die Beachtung sowie die Einhaltung<br />

ethischer Normen.“<br />

Im Einzelnen beinhalten die ethischen Grundsätze Regeln für das<br />

ärztlich-diagnostische und therapeutische Handeln, darunter als oberstes<br />

Gebot, die Abhängigkeit des Patienten nicht auszunutzen,<br />

die besondere therapeutische Beziehung zu schützen sowie die eigene<br />

berufliche Kompetenz zu erhalten und zum Wohle des Patienten<br />

zu nutzen.


Praktische Durchführung<br />

a) Einwilligung in die Untersuchung<br />

<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 7<br />

Diagnostik und Therapie setzen die Einwilligung des Patienten voraus.<br />

Bei Minderjährigen erfolgt die Einwilligung stellvertretend durch<br />

die Eltern bzw. Sorgeberechtigten. Im Einzelfall kann diese grundsätzliche<br />

Regelung zum Problem werden (Warnke, Fegert, Wewetzer,<br />

Remschmidt 2003), wenn Eltern die Erkrankung des Kindes<br />

absichtlich erzeugt haben oder vortäuschen (artefizielle Störung),<br />

die Untersuchung verweigern und/oder Misshandlung/Miss-brauch<br />

vorliegen. Das elterliche Einverständnis kann durch Einschaltung<br />

des zuständigen Gerichtes ersetzt werden.<br />

Dem Kind soll grundsätzlich Einwilligungsfähigkeit zugestanden<br />

werden; es steht aber im persönlichen Ermessen des Arztes, es in<br />

die Entscheidung einzubeziehen. Jugendliche sollen in der Regel<br />

mit entscheiden.<br />

b) Die körperliche Untersuchung<br />

Die körperliche Untersuchung folgt in der Regel auf die Erhebung<br />

der Anamnese und die Exploration, die den für die Untersuchung<br />

notwendigen Kontakt herstellen. Sie soll in einer ruhigen Atmosphäre<br />

bei unverschlossener Tür stattfinden. Patienten und Angehörige<br />

sind über Zweck und Ablauf der Untersuchung aufzuklären Bei jungen<br />

Kindern ist die Anwesenheit eines Elternteils erforderlich, bei älteren<br />

Kindern und Jugendlichen ist die Untersuchung durch gleichgeschlechtliche<br />

Untersucher in Anwesenheit von gleichgeschlechtlichen<br />

Dritten zu empfehlen. Die Untersuchung im unbekleideten Zustand<br />

erfolgt am Besten fraktioniert, so dass jeweils nur ein Körperteil<br />

unbekleidet ist; bei bestimmtem Krankheitsbildern, z.B. Anorexie,<br />

kann jedoch die Untersuchung im vollständig unbekleideten Zustand,<br />

auch wiederholt, notwendig werden. Andererseits kann sich<br />

die körperliche Untersuchung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie<br />

und -psychotherapie je nach Vorgeschichte und Fragestellung auf<br />

die Inspektion und eine orientierende neurologische Untersuchung<br />

beschränken. Grundsätzlich sollen immer ein allgemeiner Körperstatus<br />

erhoben, Körpergröße und Gewicht, Kopfumfang und Blut-


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 8<br />

druck gemessen, sowie Sehvermögen und Gehör geprüft werden.<br />

Die vollständige körperliche Untersuchung eines akut psychotischen<br />

und verwirrten Patienten darf zurückgestellt werden, bis ein besserer<br />

Kontakt möglich ist, es sei denn, eine organische Ursache für<br />

das Zustandsbild muss ausgeschlossen werden. Untersuchungsergebnisse<br />

sind schriftlich in der Krankenakte zu dokumentieren.<br />

Foto-Video<br />

Fotografische und Videoaufnahmen des Körpers und von Körperregionen<br />

bedürfen der vorherigen Genehmigung durch die Sorgeberechtigten.<br />

Sie stellen Befunddokumente dar, die für klinische<br />

und/oder wissenschaftliche Zwecke nutzbar sind. Ihre Aufbewahrung<br />

erfolgt entweder in der Krankenakte oder in einem gesicherten,<br />

ausgewählten Personen zugänglichen Archiv.<br />

Die Untersuchung des Genitale und die rektale Untersuchung<br />

Die Untersuchung des Genitale im Rahmen der Kinder- und jugendpsychiatrischen<br />

Untersuchung erfolgt durch Inspektion am stehenden<br />

oder liegenden Patienten. Sie ermöglicht die Einschätzung<br />

des Reifungszustandes und beim männlichen Patienten eine Orientierung<br />

über Hodengröße, Hodenhochstand und den Zustand der<br />

Vorhaut. Eine detaillierte Untersuchung soll nur dann erfolgen,<br />

wenn sich aus der Inspektion Hinweise auf Anomalien ergeben. Ein<br />

Hodenhochstand lässt sich durch Palpation rasch diagnostizieren.<br />

Die Untersuchung des weiblichen Genitale erfolgt durch Inspektion.<br />

Die vaginale Untersuchung muss durch Spezialisten erfolgen.<br />

Die neurologische Untersuchung in der Genital- und Gesäßregion<br />

erfordert ebenfalls nur kurzfristig die unbekleidete Exposition zur<br />

Prüfung von Sensibilität, Reflexen und Motorik, falls sich aus Symptomatik<br />

und Vorgeschichte Hinweise auf Störungen in diesem Bereich<br />

ableiten lassen.<br />

Die rektale Untersuchung erfolgt nicht als Routine, sondern nur,<br />

wenn Symptomatik und Vorgeschichte Hinweise auf Störungen ergeben.<br />

Weitergehende apparative Untersuchungen (Uroflow-<br />

Diagnostik, rektale Manometrie) sind hierfür spezialisierten Untersuchern<br />

vorbehalten.


Untersuchung bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch<br />

<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 9<br />

Kinder und Jugendliche, bei denen der Verdacht auf sexuellen<br />

Missbrauch besteht, müssen unter den besonderen Vorzeichen dieser<br />

Fragestellung körperlich untersucht werden. Da das Ergebnis<br />

dieser Untersuchung die Aufdeckung von Handlungen sein kann,<br />

die die gestörten Familienbeziehungen zusätzlich belasten und ggf.<br />

legale Konsequenzen nach sich ziehen, sind Misstrauen von Angehörigen<br />

und Ängste der Betroffenen groß. Entsprechend hoch sind<br />

die Anforderungen an die Fähigkeit der Untersuchenden zur Vertrauensbildung.<br />

Die Untersuchung soll deshalb durch Ärztinnen und<br />

Ärzte erfolgen, die über spezielles Wissen verfügen und im Umgang<br />

mit dem Problem erfahren sind.<br />

Die Leitlinien der American Academy of Child and Adolescent Psychiatry<br />

(1988) enthalten detaillierte Vorschläge für die körperliche<br />

Untersuchung unter dieser Fragestellung:<br />

1. Das zu untersuchende Kind soll entscheiden, ob es von einer<br />

Ärztin oder einem Arzt untersucht werden möchte.<br />

2. Anwesenheit einer zweiten, erwachsenen Vertrauensperson<br />

während der Untersuchung .<br />

3. Untersuchung sobald wie möglich, um Beweismaterial zu sichern,<br />

möglichst innerhalb von 72 Stunden.<br />

4. Untersuchung vorzugsweise in einer Praxis und nicht in einer<br />

Notfallambulanz.<br />

5. Untersuchung des Genitale als Teil einer körperlichen Gesamtuntersuchung,<br />

begleitet von Erklärungen des Arztes über das,<br />

was geschieht und warum es geschieht.<br />

6. Vaginale und rektale Untersuchung, deren Durchführung und<br />

Zuverlässigkeit jedoch durch affektive Spannung bei den Untersuchten<br />

beeinträchtigt sein kann.<br />

7. Bei Verweigerung der Untersuchung soll die Untersuchung aufgeschoben<br />

und nach eingehender Vorbereitung bei Kooperationsfähigkeit<br />

wiederholt werden. Ergänzend wird von Fegert<br />

(1993) empfohlen, dass Mädchen von der Kinderpsychiaterin,<br />

die das Kind bereits kennt, zur gynäkologischen Untersuchung<br />

als Vertrauensperson begleitet werden.


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 10<br />

Die amerikanischen Richtlinien, für die es im deutschen Schrifttum<br />

noch keine Entsprechung gibt, sollen ohne Einschränkung übernommen<br />

werden.<br />

Literatur<br />

Berufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte der Bundesärztekammer.<br />

In: Wiesing U. (Hrsg.) Ethik in der Medizin, S. 63-75, Philipp<br />

Reclam jun., Stuttgart 2000<br />

Ethische Grundsätze in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -<br />

psychotherapie. Gemeinsame Ethikkommission der Deutschen Gesellschaft<br />

für Kinder- und Jugendpsychiatrie, der Bundesarbeitsgemeinschaft<br />

der leitenden Ärzte in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und des Berufsverbandes<br />

für Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie. Z.<br />

Kinder-Jugendpsychiat. 29, 150-151 (2001)<br />

Fegert, J.M. Sexuell missbrauchte Kinder und Recht, Bd. II, Die körperliche<br />

Untersuchung. Volksblatt Verlag, Köln 1993, S.22<br />

Fegert, J.M. Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen und Abhängigen<br />

in Krankenbehandlung, Therapie und Pädagogik. In: J.M. Fegert und M.<br />

Wolff (Hrsg.) Sexueller Missbrauch durch Professionelle in Institutionen.<br />

Votum Verlag, Münster 2002<br />

Guidelines for The Clinical Evaluation of Child and Adolescent Sexual<br />

Abuse. Position Statement of the American Academy of Child and Adolescent<br />

Psychiatry. J. Am. Acad. Child Adolesc. Psychiat. 27, 655-657, 1988<br />

Warnke, A., Fegert, J., Wewetzer, C. Remschmidt, H. Ethische Fragen in<br />

der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie. In: Entwicklungspsychiatrie,<br />

B. Herpertz-Dahlmann, F. Resch, M. Schulte-Markwort, A.<br />

Warnke (Hrsg.) S. 358-372 Schattauer, Stuttgart New York 2003<br />

Herausgeber:<br />

Ethikkommission der drei Kinderpsychiatrischen Fachgesellschaften,<br />

Federführung: J. Martinius


Bipolare affektive Störungen<br />

im Kindes- und Jugendalter<br />

– eine Übersicht<br />

<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 11<br />

H. Braun-Scharm, J. Leeners, J. Schmidhauser<br />

Einleitung<br />

Die bipolaren Störungen haben in der deutschsprachigen Kinder-<br />

und Jugendpsychiatrie der zurückliegenden Jahre - von Ausnahmen<br />

abgesehen (Marcus, 2002) - nur geringe Beachtung gefunden. Dies<br />

wurde für frühere Jahre von Nissen (1975) gleichermaßen konstatiert.<br />

Amerikanische Arbeitsgruppen haben zwar den bipolaren Störungen<br />

des Kindes- und Jugendalters als potentieller Differentialdiagnose<br />

zum ADHS (Aufmerksamkeits-Defizit- und Hyperaktivitäts-<br />

Syndrom) eine gewisse Popularität verschafft, ansonsten führen die<br />

bipolaren Psychosen im deutschsprachigen Raum aber, sowohl in<br />

klinischer als auch in wissenschaftlicher Hinsicht, ein Schattendasein.<br />

Im Kindesalter ist im europäischen Raum die Diagnose bipolarer<br />

Störungen derart ungewöhnlich, dass sie vielerorts bislang überhaupt<br />

nicht vorkommt. Auch im Erwachsenenalter sind gemäß<br />

bibliometrischer Analysen die bipolaren Störungen weniger intensiv<br />

bearbeitet als die schizophrenen Psychosen (Clement et al., 2003).<br />

Eine Auswertung der Publikationen zeigt, dass die Publikationen zu<br />

den bipolaren Störungen in den letzten Jahren eher abgenommen<br />

haben. Eine Änderung dieser Situation ist erst in allerletzter Zeit zu<br />

beobachten.<br />

Neue, aus dem Erwachsenenbereich stammende Konzepte zu den<br />

bipolaren Störungen sind in der Kinder- und Jugendpsychiatrie nur<br />

unzureichend rezipiert worden, obgleich sie für Früherkennung,<br />

Frühbehandlung und Differentialdiagnose der im Jugendalter beginnenden<br />

bipolaren Störungen von großer Bedeutung sind (Carlson &<br />

Kashani, 2002; Conus & McGorry, 2002). Im Folgenden sollen des-


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 12<br />

halb kurz die bisherige Entwicklung und der aktuelle Stand des<br />

Wissens über bipolare Psychosen wiedergegeben werden.<br />

Geschichte<br />

Bipolare Störungen, synonym auch manisch-depressive Störungen<br />

genannt, zählen zu den klassischen psychiatrischen Krankheitsbildern.<br />

In Analogie zu den schizophrenen Psychosen werden sie<br />

auch als bipolare Psychosen bezeichnet, in den Klassifikationssystemen<br />

sind sie unter den affektiven Störungen subsumiert.<br />

Im europäischen Kulturraum finden sich erste Beschreibungen in<br />

den hippokratischen Schriften (Angst & Marneros, 2001; Glovinsky<br />

2002). Neuzeitliche Konzeptionen zyklischer oder zirkulärer psychischer<br />

Störungen sind erstmals in der französischen Psychiatrie am<br />

Ende des 19. Jahrhunderts (Falret, 1854; Baillarger, 1854) anzutreffen.<br />

Diese Ansätze wurden von Kahlbaum 1863 und 1882 ins Deutsche<br />

übertragen. Kraepelin (1893, 1896) berücksichtigte die dann<br />

lange Zeit als „manisch-depressiv“ gekennzeichneten Störungen als<br />

eine Hauptgruppe in dem wesentlich von ihm selbst konzipierten dichotomen<br />

System der affektiven und schizophrenen Psychosen.<br />

Die Schule von Kleist (1911), Leonhard und Neele führte nicht nur<br />

die Begrifflichkeit der uni- und bipolaren Psychosen ein, sondern<br />

vertrat in Opposition zum System Kraepelins die Auffassung, dass<br />

sich innerhalb der Psychosen mehrere, auch genetisch unterscheidbare<br />

Krankheitsgruppen verbergen.<br />

Die Kinder- und Jugendpsychiatrie hat sich jeweils an den Konzepten<br />

des Erwachsenenalters orientiert und keine eigene Nosologie<br />

entwickelt. In den frühen Arbeiten von Ziehen (1917) und Homburger<br />

(1926) ist dies gut erkennbar. Vielfach wird auch darauf hingewiesen,<br />

dass phasische (zirkuläre, manisch-depressive, bipolare)<br />

Störungen im Kindesalter sehr selten zu beobachten seien (Kasanin,<br />

1931; Lurie et al., 1936; Cruz, 1972). Das Vorkommen rascher<br />

Phasenwechsel (rapid cycling) und die damit verbundene Erschwerung<br />

einer vollkommenen Remission im Intervall (Remschmidt et al.,<br />

1973) ist in diesen Arbeiten bereits mehrfach beschrieben.<br />

Nachdem die fachliche Diskussion lange Zeit stagniert hatte, gelten<br />

die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts als Renaissance der bipolaren<br />

Störungen im Erwachsenenalter. Die Monographien von Angst


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 13<br />

(1966), Perris (1966) und Winokur et al. (1969), und das sich daran<br />

anschließende vermehrte wissenschaftliche Interesse brachten<br />

neues Leben in die Diskussion um Definition, Abgrenzung und Differentialdiagnose<br />

der bipolaren Störungen.<br />

Klassifikation<br />

Während ICD-10 auf konventionelle Art die verschiedenen Episoden<br />

einer bipolaren Störung deskriptiv klassifiziert (depressiv, manisch,<br />

remittiert), sind im DSM-IV bereits neuere konzeptionelle Ansätze<br />

vertreten (Tab. 1), die in der europäischen Kinder- und Jugendpsychiatrie<br />

bislang kaum zur Kenntnis genommen worden<br />

sind. DSM-IV unterscheidet die klassische Bipolar I-Störung mit<br />

manischen und manisch-depressiven Zuständen von der Bipolar II-<br />

Störung, die als schwere depressive Störung mit hypomanen Episoden<br />

gekennzeichnet wird. Auch Angst (1966) hatte als wichtiges<br />

Ergebnis der Zürich-Studie beschrieben, dass ein erheblicher Anteil<br />

der initial als depressiv diagnostizierten Patienten im längeren Verlauf<br />

hypomane Phasen aufweist, die häufig übersehen werden oder<br />

wegen zu kurzer Dauer nicht als diagnosebestimmende Symptomatik<br />

verwertet werden können. Ein ähnlicher, aktueller Befund stammt<br />

von Goldberg et al. (2001).<br />

Tab. 1: ICD-10 und DSM-IV<br />

ICD-10 DSM-IV<br />

F 30 Manische Episode 296.0x Bipolar I Störung<br />

(incl. Hypomanie)<br />

manische/depressive Episoden manisch/manisch/depressiv<br />

F31 Bipolare affektive Störung 296.89 Bipolar II Störung<br />

MDD und Hypomanie<br />

F 34.0 Zyklothymie 301.13 Zyklothyme Störung<br />

Eine luzide Aufarbeitung der unterschiedlichen Klassifikationen der<br />

bipolaren Störungen findet sich bei Erfurt und Arolt (2003).


Klinische Symptomatik<br />

<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 14<br />

Bipolar I-Störungen sind rezidivierende, episodische Störungen mit<br />

symptomarmen Intervallen. Während die akuten Phasen von unipolaren<br />

Depressionen oder Manien nicht zu unterscheiden sind, liegt<br />

das eigentliche Wesen der Bipolarität in der phasischen Schwankung<br />

der Symptomatik. Diese kann über eine gewisse Zeit regelmäßig<br />

sein, weist jedoch über die Zeit große intra- und interindividuelle<br />

Schwankungen und wechselhafte Ausprägungen im Verlauf<br />

auf. Bipolar I-Störungen sind tendenziell chronisch und vorwiegend<br />

depressiv (Judd et al., 2002). Hierzu gibt es aber auch kontroverse<br />

Befunde (Ghadirian, 1995).<br />

Bipolar II-Störungen und das erweiterte bipolare Spektrum umfassen<br />

depressive und manische (hypomane) Zustände, die bei konservativer<br />

Klassifikation zum Teil als subsyndromal gewertet würden.<br />

Die klinische Herausforderung besteht vor allem darin, hypomane<br />

Phasen durch genaue Exploration zu erfassen.<br />

Als BIP III-Störungen werden von Akiskal (2003) diejenigen maniformen<br />

Auslenkungen eingeordnet, die durch die Gabe von Antidepressiva<br />

ausgelöst werden.<br />

Manische Phasen sind durch eine euphorische Stimmungslage, erhebliche<br />

Antriebssteigerung und verschiedene andere Symptome<br />

gekennzeichnet (s. Tab. 2);<br />

Tab. 2: Kriterien Manie (DSM-IV)<br />

Mindestens eine Woche gehobene, euphorische Stimmung oder Irritierbarkeit<br />

Drei der folgenden Symptome:<br />

Erhöhtes Selbstgefühl oder Größenideen<br />

Vermindertes Schlafbedürfnis<br />

Erhöhter Redefluss<br />

Ideenflucht oder Gedankenrasen<br />

Ablenkbarkeit<br />

Erhöhtes Aktivitätspotential in Arbeit oder Sexualität oder psychomotorische<br />

Agitation<br />

Erhöhte Geldausgabe oder andere lustbetonte Tätigkeiten


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 15<br />

Kontroversen bestehen zu den verschiedenen „Mischzuständen“<br />

(mixed states) der bipolaren Störungen. Die verschiedenen Definitionen<br />

umfassen das gleichzeitige Auftreten manischer und depressiver<br />

Symptome, die Mischung von Dysphorie und Manie, die Mischung<br />

von bipolaren Symptomen und komorbiden Persönlichkeitsstörungen,<br />

etc..<br />

Bei Frauen wird die affektive Symptomatik durch den menstruellen<br />

Zyklus beeinflusst, allerdings in verschiedene Richtungen (Rasgon<br />

et al. 2003).<br />

Diagnostische Besonderheiten im Jugendalter<br />

Es liegt in der Natur einer episodischen Störung polarer Ausprägung,<br />

dass bei der Erstmanifestation die Polarität des Geschehens<br />

bisweilen noch nicht erfasst werden kann. Aus diesem Grunde werden<br />

gelegentlich depressiv beginnende bipolare Störungen als Depressionen,<br />

maniform beginnende bipolare Störungen als Schizophrenien<br />

fehldiagnostiziert. Diese Fehldiagnosen sind im gewissen<br />

Ausmaß vermutlich nicht vermeidbar, andererseits muss bei rezidivierenden<br />

depressiven und schizophrenen Störungen auch die<br />

Möglichkeit einer bipolaren Natur der Problematik erwogen werden.<br />

Bei juvenilen Depressionen sollte dann an bipolare Störungen gedacht<br />

werden, wenn zusätzlich zur depressiven Symptomatik noch<br />

dysthyme, cyclothyme und hyperthyme Züge hinzukommen (Akiskal,<br />

1995). Bei juvenilen Schizophrenien sollte an bipolare Störungen<br />

gedacht werden, wenn Größenideen und Größenwahn im<br />

Vordergrund des klinischen Bildes stehen.<br />

Vermeidbare Fehldiagnosen entstehen vor allem durch mangelnde<br />

Exploration. Bei vielen beginnenden bipolaren Störungen lassen<br />

sich bei genauer Exploration der Patienten und ihrer Angehörigen<br />

prodromale subklinische episodische Verstimmungen eruieren. Diese<br />

können, müssen aber nicht vom gleichen Typ wie die Erstmanifestationssymptomatik<br />

sein. Eine weitere, meist aufwändige Aufgabe<br />

ist die Eruierung von hypomanen Phasen, weil diese nahezu<br />

immer von den Patienten und ihren Angehörigen als normale, nichtpathologische<br />

Zustände deklariert werden. Bei depressiven<br />

Schwankungen wiederum neigen die meisten Menschen dazu, von


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 16<br />

lebensgeschichtlichen Belastungen als alleiniger Ursachen der Verstimmung<br />

auszugehen.<br />

Es ist deshalb in der Regel eine ausführliche Aufklärung und Information<br />

der Familie über die Natur bipolarer und hypomaner Zustände<br />

erforderlich, um die Aufmerksamkeit der Familie überhaupt auf<br />

derartige phasische Abläufe zu lenken. Es ist anzunehmen, dass<br />

bei intensiver Exploration deutlich mehr beginnende bipolare Zustände<br />

diagnostiziert werden können als bisher.<br />

Der Hypothese z.B. der Biederman-Gruppe, dass irritierbares, impulsives,<br />

aufmerksamkeitsgestörtes, hyperaktives oder aggressives<br />

Verhalten von Kindern nicht immer und nicht automatisch ein ADHS<br />

sein muss, ist durchaus zuzustimmen; hier ist eine kinderpsychiatrische<br />

Einengung des diagnostischen Sichtfeldes vermutlich vorhanden.<br />

Gleichzeitig klafft eine große Lücke zwischen bisherigen klinischen<br />

Erfahrungen und empirisch ermittelten Diagnosehäufigkeiten<br />

bipolarer Störungen bei Kindern und Jugendlichen (Nissen, 1975),<br />

den sehr hohen Prävalenzdaten einzelner Arbeitsgruppen und ebenfalls<br />

sehr hoch wirkenden eigenanamnestischen Angaben vieler<br />

Patienten, die berichten, dass sie bereits im Kindes- und Jugendalter<br />

erste bipolare Symptome erlebt hätten. Hier scheinen noch etliche<br />

Glieder in der Beweiskette zu fehlen, die es erlauben würde,<br />

von einem wesentlich häufigeren Auftreten bipolarer Störungen im<br />

Kindes- und Jugendalter zu sprechen, als dies bislang üblich war.<br />

Symptomatische Besonderheiten im Jugendalter<br />

Wie auch bei den schizophrenen Psychosen ist bei den bipolaren<br />

Störungen davon auszugehen, dass es sich bei der Manifestation<br />

im Jugendalter um klassische bipolare Störungen und nicht um eine<br />

gesonderte Krankheitsgruppe handelt. Insofern bestehen keine kategorialen,<br />

sondern eher dimensionale Unterschiede im Jugendalter.<br />

Das häufigste und am besten beschriebene Phänomen bei jungen<br />

Patienten ist das rapid cycling, das in unterschiedlicher Frequenz<br />

auftreten kann. Während im Erwachsenenalter die depressiven<br />

oder manischen Phasen häufig mehrere Wochen und Monate<br />

dauern, ist die Episodenfrequenz bei Jugendlichen oft höher und die<br />

Episodendauer kürzer (Nissen, 1975). Die Frequenzerhöhung der<br />

Episoden führt zu einer Verkürzung der Intervalle und mitunter dazu,<br />

dass symptomfreie Intervalle kaum noch auftreten (Findling et


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 17<br />

al., 2001; Geller & Luby, 1997; Jones & Berney, 1987). Die gegenwärtig<br />

vorgeschlagenen Definitionen schneller Affektschwankungen<br />

sind Tab 3 zu entnehmen.<br />

Tab. 3: rapid cycling<br />

Rapid cycling > 4 Episoden/Jahr<br />

Ultrarapid cycling > 4 Episoden/Monat<br />

Ultradian cycling täglich (mehrfach) wechselnde Episoden<br />

Ähnlich wie bei den depressiven Störungen sind auch bei den bipolaren<br />

Störungen des Jugendalters sowohl die depressiven als auch<br />

die manischen Phasen häufiger durch dysphorische Ausprägung<br />

gekennzeichnet. Insgesamt sind untypische und uncharakteristische<br />

Erkrankungsformen bei jungen Patienten häufiger als bei Erwachsenen.<br />

Die Mischung manischer Episoden mit psychotischen (schizophreniformen)<br />

Symptomen, die bei Jugendlichen zur Fehldiagnose einer<br />

Schizophrenie führen kann (Ballenger et al., 1982; Carlson et al.,<br />

2000; Joyce, 1984), ist ebenfalls bei früher Erstmanifestation gehäuft<br />

(Coryell et al., 2001; Shiratsuchi et al., 2000).<br />

Genetik<br />

Bei den Nachkommen bipolarer erkrankter Patienten finden sich<br />

gehäuft klassische bipolare Psychosen (Coryell et al., 1984; Laroche<br />

et al., 1987), Symptome aus dem bipolaren Spektrum (Akiskal<br />

et al., 1985; Klein et al., 1985) sowie untypische, aber eher „stürmische“<br />

Verhaltensauffälligkeiten (Chang et al., 2000; DelBello & Geller,<br />

2001). Eine erhöhte Belastung der Nachkommen affektiv erkrankter<br />

Eltern ist vielfach beschrieben (Hammen et al., 2001,<br />

Reichart et al., 2004; Strober et al., 1988), aber nicht unwidersprochen<br />

(Wals et al., 2001). Ein bislang ungelöstes Problem der genetischen<br />

Forschung besteht darin, dass die Klassifikation der klinischen<br />

Phänotypen zu ungenau bzw. zu uneinheitlich ist (Merikangas<br />

et al., 2002). Die genaue Genlokalisation steht noch aus<br />

(Blackwood et al., 2001; Craddock et al., 2001).


Epidemiologie<br />

<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 18<br />

Die Lebenszeitwahrscheinlichkeit für bipolare Störungen liegt bei<br />

konventioneller Schätzung - ähnlich wie bei den schizophrenen<br />

Psychosen – bei etwa 1%, beide Geschlechter sind gleich häufig<br />

betroffen (Bebbington & Ramana, 1995; Weissman et al., 1996).<br />

Das Manifestationsmaximum liegt zwischen dem 20. und 35. Lebensjahr.<br />

Bipolare Patienten erkranken etwas später als schizophrene<br />

und deutlich früher als unipolar depressive Patienten. Die<br />

bipolaren Störungen sollen bei Frauen früher auftreten als bei Männern.<br />

Die erweiterte Definition des bipolaren Spektrums unter Einbeziehung<br />

kürzerer hypomaner Phasen würde zu einer wesentlich<br />

höheren Prävalenz von etwa 5% führen, wobei die epidemiologischen<br />

Daten eine gewisse Streuung aufweisen (Baldwin et al.,<br />

2002). Dieser Anstieg ginge jedoch zu Lasten der depressiven Störungen<br />

und würde keinen Anstieg der Gesamtprävalenz der affektiven<br />

Störungen bedingen (Akiskal et al., 2000; Judd & Akiskal,<br />

2003).<br />

Hirnmorphologische Befunde<br />

Die im Vergleich zu den schizophrenen Psychosen geringere Publikationsdichte<br />

bei den bipolaren Störungen ist besonders bei hirnmorphologischen<br />

Studien auffallend. Baumann und Bogert (2001)<br />

haben in einer Übersichtsarbeit zu Erwachsenen zusammengefasst,<br />

dass bei bipolaren Patienten vor allem Substanzminderungen im<br />

Bereich der Basalganglien gefunden wurden, wobei die unterschiedlichen<br />

polaren Ausprägungen der Symptomatik nicht mit signifikanten<br />

morphologischen Befunden korrelierten. Besondere Bedeutung<br />

hat dabei der locus coeruleus (dorsaler Raphekern), in<br />

dem eine höhere Neuronenzahl gefunden wird. Strakowski et al.<br />

(2002) beschreiben Erweiterungen der Seitenventrikel bei multiepisodischem<br />

und überwiegend manischem Verlauf sowie ein vergrößertes<br />

Striatum. Auch Funktionsstörungen im Frontallappen (Cecil<br />

et al., 2002) und subcorticale Läsionen der weißen Substanz (Moore<br />

et al., 2001) werden berichtet. Todd und Botteron (2002) ergänzen<br />

folgende Auffälligkeiten für das Kindes- und Jugendalter: Verlust<br />

der präfrontalen Asymmetrie, Hypotrophie von Temporallappen


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 19<br />

und Thalamus, Größenabweichungen von Hippocampus und Amygdala<br />

sowie generelle Cortex-Hypotrophien. Die Autoren betonen,<br />

dass die Übereinstimmungen mit Befunden aus dem Erwachsenenalter<br />

überzeugend sind.<br />

Neurotransmitter<br />

In den depressiven und euthymen Phasen einer bipolaren Störung<br />

ist die Serotonin-Aktivität erniedrigt; Befunde zu den manischen<br />

Phasen bleiben vorerst widersprüchlich (Mahmood & Silverstone,<br />

2001; Sobczak et al., 2002). Zudem wurden erniedrigte Prolactinspiegel<br />

in depressiven und manischen Phasen sowie erniedrigte<br />

Cortisolspiegel in euthymen Phasen gefunden.<br />

Komorbidität und Differentialdiagnose<br />

Das komorbide Spektrum der bipolaren Störungen ist breit. Am häufigsten<br />

beschrieben sind Angststörungen, Zwangsstörungen, Persönlichkeitsstörungen<br />

(insbesondere Borderline), Substanzmissbrauch,<br />

Essstörungen, Störungen des Sozialverhaltens und ADHS<br />

(Bieling et al., 2003; Birmaher et al., 2002; Brieger et al., 2003;<br />

Frank et al., 2002; Johnson et al., 2000; Kay et al., 2002; Kovacs &<br />

Pollock, 1995; Masi et al., 2001; Wozniak et al., 2001). Zusätzlich<br />

bestehen fließende Übergänge bzw. Abgrenzungsprobleme zu den<br />

schizoaffektiven und den schizophrenen Psychosen.<br />

Besondere Beachtung verdient die Suizidalität (Parasuizide bis zu<br />

50%), die bei den bipolaren Psychosen am höchsten unter allen<br />

psychischen Störungen sein dürfte (Dalton et al., 2003; López et al.,<br />

2001; Ösby et al., 2001; Rihmer & Kiss, 2002). Dabei ist die Suizidalität<br />

ausgeprägter, wenn der Verlauf schwerer ist und mehr Alloaggressivität<br />

und Substanzmissbrauch vorliegen (Oquendo et al.,<br />

2000; Oquendo & Mann, 2001).<br />

Die Arbeitsgruppe Biederman hat mit zahlreichen Publikationen auf<br />

die Überschneidungsmöglichkeit von ADHS und kindlicher Manie<br />

hingewiesen, wobei vorwiegend untypische, eher kontinuierliche<br />

manische Syndrome beschrieben wurden, die mit den CBCL-Skalen


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 20<br />

von reinen ADHS-Formen unterscheidbar seien (Biederman et al.,<br />

1995; Biederman et al., 2000; Faraone et al., 1997a, b). Auffallend<br />

ist der hohe Anteil manischer Syndrome bei insgesamt kleiner Fallzahl<br />

im Klientel Biedermans. Andere Studien sind zu wesentlich<br />

niedrigeren Prävalenzzahlen der Manie im Kindesalter gekommen<br />

(Lewinsohn, 2000), so dass die Haltbarkeit der Hypothesen von<br />

Biederman offen bleibt (Kim & Miklowitz, 2002; Kent & Craddock,<br />

2003).<br />

Die in diesem Kontext interessante Frage der Differentialdiagnose<br />

zwischen ADHS und bipolarer Störung wurde von Geller et al.<br />

(2002a) aufgegriffen und folgendermaßen beantwortet: Bipolare<br />

Störungen des Kindesalters lassen sich aufgrund der Symptome<br />

gehobene Stimmung, Größenvorstellungen, Ideenflucht/Gedankenrasen,<br />

vermindertes Schlafbedürfnis und Hypersexualität<br />

unterscheiden. Gemeinsame Symptome von ADHS und bipolarer<br />

Störung sind Irritierbarkeit, Hyperaktivität, erhöhtes Sprechtempo<br />

und Ablenkbarkeit.<br />

Eine retrospektive Studie bei bipolaren Jugendlichen erbrachte außerdem,<br />

dass eine vorangegangene Stimulantienbehandlung im<br />

Kindesalter mit erhöhter Symptomatik im Jugendalter korreliere.<br />

Über eine ähnliche Konstellation hatten Strober et al. (1998) berichtet.<br />

Manische Jugendliche mit ADHS-Diagnose im Kindesalter zeigten<br />

geringere Besserungen nach Lithium-Behandlung als manische<br />

Jugendliche ohne ADHS-Anamnese; die Bedeutung einer evtl. Stimulantienbehandlung<br />

wurde allerdings nicht evaluiert. Einerseits<br />

könnten die Symptome, die zum Einsatz der Stimulantien geführt<br />

haben einer Manie entsprechen, andererseits könnte die Stimulantienbehandlung<br />

das Entstehen einer Manie begünstigt haben.<br />

Maniforme Zustände, die durch organische Grunderkrankungen oder<br />

die damit verbundenen medikamentösen Behandlungen ausgelöst<br />

werden, sind eher selten. Eine Zusammenstellung von Medikamenten,<br />

die manische Reaktionen auslösen können, findet sich bei<br />

Spitczok von Brisinski (2002). Am bekanntesten sind die Steroid-<br />

bzw. Steroidentzugspsychosen, die auch schon im Kindes- und Jugendalter<br />

auftreten können. Ähnlich wie bei anderen schweren psychischen<br />

Störungen sollte aber bei der Erstmanifestation einer bipolaren<br />

Psychose eine gründliche organmedizinische Abklärung


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 21<br />

durchgeführt werden. Auch bei späteren Episoden sind interkurrente<br />

Behandlungen und Erkrankungen zu explorieren.<br />

Tab. 4: komorbide Störungen<br />

• Angststörungen<br />

• Zwangsstörungen<br />

• Persönlichkeitsstörungen (insbesondere Borderline)<br />

• Substanzmissbrauch<br />

• Essstörungen<br />

• Störungen des Sozialverhaltens<br />

• ADHS<br />

Tab. 5: Differentialdiagnosen<br />

• schizoaffektive Psychosen<br />

• schizophrene Psychosen<br />

• Substanzmissbrauch (speziell Kokain und Amphetamine oder<br />

Ecstasy)<br />

• Störungen des Sozialverhaltens<br />

• ADHS<br />

• Angststörungen<br />

• Posttraumatische Belastungsstörung<br />

• Persönlichkeitsstörungen (insbesondere emotional instabile<br />

Persönlichkeitsstörung)<br />

• Entzündliche Hirnerkrankungen<br />

• Endokrine Störungen (z.B. Steroidentzug)<br />

• Schädelhirn Traumata<br />

• Tumoren<br />

• Epilepsien<br />

• Heredodegenerative Erkrankungen<br />

Prämorbide Auffälligkeiten und Symptomatik im Intervall<br />

Im Vergleich zu Kontrollpatienten hatten bipolare Patienten mehr<br />

Schwangerschaft- und Geburts-Belastungen, allerdings weniger als<br />

schizophrene Patienten (Verdoux & Bourgeois, 1993).


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 22<br />

Bereits Kraepelin betonte, dass manisch-depressive Störungen – im<br />

Vergleich zu den Schizophrenien – weniger prämorbide Auffälligkeiten<br />

sowie weniger klinische Symptomatik im Intervall, zumindest<br />

kein zunehmendes Residuum aufweisen. Auch in neueren Untersuchungen<br />

finden sich bei den bipolaren Störungen signifikant weniger<br />

prämorbide Auffälligkeiten und Intervallsymptome (Cannon et<br />

al., 1997; Hollis, 2003; Kutcher et al., 1998; Quackenbush et al.,<br />

1996; Reddy et al., 1992). Dies heißt jedoch andererseits, dass<br />

auch bei bipolaren Patienten derartige Auffälligkeiten vorhanden<br />

sein können (Kupka et al., 2001) und dass erhöhte prämorbide Auffälligkeiten<br />

mit ungünstiger Prognose korrelieren. Bipolare prämorbide<br />

Auffälligkeiten unterscheiden sich von den eher schizoiden<br />

prämorbiden Auffälligkeiten schizophrener Patienten und bestehen<br />

vor allem aus Hyperkinetik, Irritierbarkeit, Impulsivität, Ärger, Aggressivität<br />

und erhöhter affektiver Labilität (Carlson et al., 2002;<br />

Swann, 2003). Auch vorhergehende Episoden mit untypischer psychotischer<br />

Symptomatik können in bipolare Verläufe übergehen (Nicolson<br />

et al., 2001).<br />

Die bipolaren Intervallsymptome lassen sich nach Morriss (2002) in<br />

folgende Varianten gliedern (Tabelle 6):<br />

Tab. 6: Klassifikation der Intervallsymptomatik<br />

• Prodromi der nächsten Episode<br />

• Komorbididtät mit anderen psychiatrischen Störungen (Achse<br />

I DSM-IV)<br />

• Komorbidität mit Persönlichkeitsstörungen (Achse II DSM-IV)<br />

• Zyklothyme Störung<br />

• Residualsymptomatik der vorhergehenden Episoden<br />

• Belastende Lebenssituation<br />

• Nebenwirkungen der Medikation<br />

Nach Manifestation der Störung korrelieren anhaltende subsyndromale<br />

Depressionen und komorbide Persönlichkeitsstörungen mit<br />

ungünstigem Verlauf (Altshuler et al., 2002; Brieger et al., 2003;<br />

Dunayevich et al., 2000). Neuropsychologische Defizite wie Störungen<br />

von Aufmerksamkeit, Gedächtnis und exekutiven Funktionen<br />

sind vor allem während der akuten Episoden, in geringerem Schwe-


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 23<br />

regrad auch im Intervall beschrieben (Ferrier & Thompson, 2002;<br />

Quraishi & Frangou, 2002; Wilder-Willis et al., 2001).<br />

Verlauf und Prognose<br />

Bipolare Störungen sind psychische Störungen mit einer Neigung<br />

zur Chronizität (Koukopoulos et al., 2003). Insbesondere die chronischen<br />

und häufig rezidivierenden Formen beginnen – zumindest<br />

nach eigenanamnestischen Angaben - zu einem erheblichen Anteil<br />

im Kindes- und Jugendalter, werden jedoch meistens erst wesentlich<br />

später erkannt und diagnostiziert. Der größere Teil der Erstmanifestationen<br />

ist depressiver Art (Lish et al., 1994).<br />

Strehlow und Piesiur-Strehlow (1985) erfassten 22 Jugendliche mit<br />

bipolarer Psychose, konnten jedoch nur bei 13 Patienten ein katamnestisches<br />

Interview führen. Verglichen mit schizophrenen Jugendlichen<br />

war der Verlauf etwas günstiger, jedoch durch häufige<br />

Rehospitalisierungen und vier Suizide gekennzeichnet.<br />

Thomsen et al. (1992) beschreiben eine Gruppe von jungen bipolaren<br />

Jugendlichen (Durchschnittsalter 12.7 Jahre) und eine ungünstige,<br />

von zahlreichen Wiederaufnahmen gekennzeichnete Entwicklung.<br />

Geller et al. (1994) finden einerseits eine hohe switch-Rate von<br />

kindlichen Depressionen hin zu bipolaren Störungen in 31.7% der<br />

untersuchten Patienten. Andererseits wird der Verlauf der diagnostizierten<br />

bipolaren Störungen des Kindesalters (Durchschnittsalter<br />

bei Diagnosestellung 10.9 Jahre) als ungünstig beschrieben, da innerhalb<br />

einer prospektiven 2 Jahresperiode 55.2% der zuerst remittierten<br />

Patienten einen Rückfall erlitten. 77.5% der Kinder hatten ein<br />

rapid cycling vom Ultradian-Typ, also ein kontinuierliches zyklisches<br />

Bild (Geller et al., 2002a).<br />

Strober et al. (1995) untersuchten 54 konsekutiv aufgenommene bipolare<br />

Jugendliche (Durchschnittsalter 16 Jahre) und fanden den<br />

ungünstigsten Verlauf bei gemischter oder rapid cycling-<br />

Aufnahmesymptomatik. Manische Aufnahmesymptomatik war mit<br />

rascher, depressive mit eher verzögerter Remission verbunden.


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 24<br />

In der Verlaufsuntersuchung von Lewinsohn et al. (2000, 2002) ergeben<br />

sich andere Proportionen, die z.T. dem höheren Alter der<br />

Stichprobe zuzuschreiben sind. Ausgehend von einer randomisierten<br />

Gruppe von 1709 Jugendlichen (Durchschnittsalter 16.6 Jahre)<br />

wurden nach einem Jahr, sowie im Alter von 24 und 30 Jahren<br />

Nachuntersuchungen durchgeführt. Patienten mit ultradianem,<br />

hochfrequenten rapid cycling wurde in dieser Stichprobe nicht gefunden.<br />

Bipolare Störungen des Kindesalters waren sehr selten. Eine<br />

subsyndromale bipolare Symptomatik im Jugendalter war ein<br />

signifikanter Risikofaktor für die Entwicklung einer Depression im<br />

Erwachsenenalter, aber nicht für die Entwicklung einer konstanten<br />

bipolaren Symptomatik. Der Verlauf ist mehrheitlich chronisch oder<br />

rezidivierend. Intelligenzminderungen haben ungünstige Auswirkung<br />

auf den Verlauf (Werry et al., 1992).<br />

Neue Konzeptionen<br />

An der Existenz und Eigenständigkeit der klassischen manischdepressiven<br />

oder Bipolar I-Störung besteht kein Zweifel. Neuere<br />

Ansätze gehen jedoch vor allem der Frage nach, wie die Bipolar II-<br />

Störung und verwandte klinische Formen klassifiziert werden können.<br />

Insbesondere Akiskal und Angst vertreten dabei die empirisch<br />

gestützte Auffassung, dass diese Formen in erheblichem Umfang<br />

unterdiagnostiziert und als depressive Störungen verkannt werden.<br />

Eine der Konsequenzen einer ausbleibenden Bipolar-Diagnose ist,<br />

dass Patienten, die von dem Behandlungsrepertoire der bipolaren<br />

Psychosen profitieren könnten, unzureichend therapiert werden.<br />

Dies ist auch deshalb von Interesse, als das Alter der Erstmanifestation<br />

bei den Bipolar II-Störungen niedriger ist als bei den Bipolar I-<br />

Störungen (Benazzi 2001), so dass die Bipolar II-Störungen im Jugendalter<br />

etwas häufiger auftreten sollten. Es geht also um eine differenzierte<br />

Diagnostik sowohl der depressiven als auch der bipolaren<br />

Störungen, die bislang in der kinder- und jugendpsychiatrischen<br />

Praxis nicht ausreichend umgesetzt worden ist (Benazzi, 2003; Benazzi<br />

& Akiskal, 2003).<br />

Die bisherige Klassifikation schreibt vor, dass hypomane Phasen<br />

mindestens vier Tage dauern müssen, bevor sie diagnostischen


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 25<br />

Status erhalten. Zahlreiche Autoren plädieren dafür, dass die zeitliche<br />

Limitierung der Hypomanie aufgehoben wird. Dadurch würde<br />

ein Teil der depressiven Störungen zu bipolaren Störungen wechseln,<br />

und außerdem würden einige Formen, die bisher den diagnostischen<br />

Schwellenwert nicht überschritten hatten („subthreshold“)<br />

und subsyndromal geblieben waren, den Stellenwert einer klinischen<br />

Diagnose erhalten. Auch die Zyklothymien würden in dem bipolaren<br />

Spektrum ihren Platz finden. Um dieses erweiterte Spektrum<br />

bipolarer Störungen zu kennzeichnen, sind verschiedene Bezeichnungen<br />

vorgeschlagen worden (soft bipolar spectrum, minor<br />

bipolar disorder, etc.). Die Hypothese ist, dass es keine strenge,<br />

manisch-depressive Polarität, sondern ein bipolares Kontinuum mit<br />

diversen Zwischenstufen und klinischen Ausprägungen gibt (Akiskal,<br />

2003; Angst & Gamma, 2002; Perugi et al., 2001; Perugi &<br />

Akiskal, 2002).<br />

Hintergrund für diese Überlegungen sind Befunde der Verlaufsforschung<br />

und Genetik. Aus Longitudinal-Studien haben sich Belege<br />

ergeben, dass unter den depressiven Störungen etliche Bipolar-<br />

und Bipolar-Spektrum-Störungen aufzufinden sind. Ausserdem sind<br />

unter den Angehörigen von Bipolar II-Störungen vermehrt maniforme<br />

Syndrome anzutreffen, während dies bei den depressiven Patienten<br />

signifikant seltener der Fall ist. Bipolar II-Patienten sprechen<br />

zudem weniger gut auf eine antidepressive Medikation an.<br />

Eine interessante Hypothese wird u.a. von Benazzi (2002) vertreten,<br />

der neben den bisher bekannten psychopathogenen Mechanismen<br />

einen eigenen „Phasen-Faktor“ postuliert, der letztlich dafür<br />

verantwortlich ist, ob eine Störung dem unipolar-affektiven oder<br />

dem bipolaren Spektrum angehört.<br />

Therapie<br />

Neben Psychoedukation, Angehörigenarbeit, Rückfallprophylaxe<br />

und allgemeiner Beratung bei der Lebensführung (Perry et al.,<br />

1999) vermag vor allem eine spezifische psychopharmakologische<br />

Behandlung die Lebensqualität der betroffenen Menschen zu<br />

verbessern und die Symptomatik einzugrenzen. Auch Suizidalität<br />

kann durch eine suffiziente medikamentös-psychotherapeutische<br />

Behandlung reduziert werden (Rucci et al., 2002; Sachs et al.,


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 26<br />

2001). In schweren Fällen und vor allem bei Erwachsenen wird vereinzelt<br />

eine Elektrokrampftherapie eingesetzt.<br />

Medikation<br />

Obgleich wie bei anderen potentiell chronischen Störungen die medikamentöse<br />

Behandlung nicht der einzige Zugang zur Problematik<br />

darstellen kann, möchten wir uns im Folgenden schwerpunktmäßig<br />

auf die psychopharmakologische Behandlung der bipolaren Störungen<br />

beschränken. Wie bereits beschrieben, muss zwischen Akut-<br />

und Dauerbehandlung unterschieden werden. Bei der Akutbehandlung<br />

dominiert eine symptomatisch orientierte Vorgehensweise, deren<br />

Ziel die Desaktualisierung akuter Krisen ist.<br />

Das wichtigste Element einer Dauerbehandlung ist die Verhinderung<br />

bzw. Reduzierung von Häufigkeit und Ausprägung der bipolaren<br />

Episoden. Dies geschieht durch Phasenprophylaktika bzw.<br />

mood stabilizer (Davanzo & McCracken, 2000; Montgomery & Keck,<br />

2000). Ähnlich wie bei den Neuroleptika und den Antidepressiva<br />

gibt es auch bei den Phasenprophylaktika ältere, erprobte Substanzen<br />

sowie neuere Präparate, deren differentielle Wirksamkeit noch<br />

nicht abschließend beurteilt werden kann. Außerdem ist zu beachten,<br />

dass im europäischen Bereich andere Algorithmen gelten als<br />

im amerikanischen Bereich, so dass divergierende Behandlungsempfehlungen<br />

vorliegen.<br />

Das grundlegende Problem bei Indikation und Anwendung von Psychopharmaka<br />

bei bipolaren Störungen ist das Fehlen eines verbindlichen<br />

und handlungsleitenden ätiologischen Modells. Es ist zwar<br />

nahe liegend, dass bei bipolaren Psychosen vor allem das Serotonin-System<br />

betroffen ist; zuverlässige, handlungsleitende Erkenntnisse<br />

über die kausalen Abläufe liegen jedoch nicht vor. Weiterhin<br />

erfordern die wechselnden psychopathologischen Zustände, wie sie<br />

für bipolare Psychosen typisch sind, unterschiedliche Vorgehensweisen<br />

und verschiedene Psychopharmaka zu unterschiedlichen<br />

Zeitpunkten.


Lithium<br />

<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 27<br />

Seit den Arbeiten von Schou werden Lithiumpräparate (Lithiumsalze)<br />

mit großem Erfolg als Antimanika und Phasenprophylaktika eingesetzt<br />

(Botteron & Geller, 1995; James & Javaloyes, 2001; Schou,<br />

2001). Die verschiedenen galenischen Zubereitungsformen unterscheiden<br />

sich nicht grundsätzlich. Von vielen Autoren wird Lithium<br />

nach wie vor als wichtigste und zuverlässigste phasenprophylaktische<br />

Substanz eingeschätzt (Burgess et al., 2003). Der Wirkmechanismus<br />

ist nicht geklärt, Hypothesen fokussieren auf den Inositol-Stoffwechsel<br />

und diverse andere Mechanismen (Agam et al.,<br />

2002; Lenox & Hahn, 2000). Bekannte Probleme der Lithiumbehandlung<br />

sind die geringe therapeutische Breite sowie einige, teilweise<br />

irreversible Nebenwirkungen bei Überdosierung. Lithiumbehandlungen<br />

müssen daher relativ frequent laborchemisch und klinisch<br />

überwacht werden. Die Dosis wird über den Blutspiegel bestimmt,<br />

der bei akuten manischen Phasen bis auf 1,2 mmol/l, zur<br />

Prophylaxe auf 0.6 bis 0.9 mmol/l einstellt wird. Mittlerweile ist gut<br />

nachgewiesen, dass mit Lithium behandelte Patienten eine wesentlich<br />

niedrigere Suizidalität aufweisen.<br />

Die häufigsten Lithium-Nebenwirkungen (meist bei höheren Blutspiegeln)<br />

sind initiale Muskelschwäche, Initialtremor, gastrointestinale<br />

Störungen, Übergewicht, Polydipsie und Polyurie, euthyreote<br />

Struma oder Hypothyreose, EKG-Veränderungen, Nierenschäden<br />

sowie die Aktivierung von vorbestehenden Dermatosen und Anfallsleiden.<br />

Aufgrund der geringen therapeutischen Breite ist der<br />

Compliance gerade im Jugendalter große Bedeutung zuzumessen<br />

Valproat<br />

In den letzten Jahren sind vor allem aus dem amerikanischen Bereich<br />

zahlreiche Studien veröffentlicht worden, in denen vor allem<br />

die Wirksamkeit des Antikonvulsivums Valproat auch für Kinder und<br />

Jugendliche belegt wird (Wagner et al., 2002). Valproat kann als<br />

generelles Phasenprophylaktikum verwendet werden, wirkt jedoch<br />

besonders günstig bei maniformen Zuständen, bei akuten Manien<br />

und bei rapid cycling (Barrios et al., 2001; Post et al., 2000). Ein<br />

spezifischer Vorteil von Valproat liegt darin, dass es weniger interaktionsfreudig<br />

als Carbamazepin ist und daher für Kombinationsbe-


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 28<br />

handlungen besser geeignet ist. Da Valproat bereits seit langem als<br />

Antikonvulsivum eingesetzt wird, liegen ausführliche Kenntnisse<br />

über die Nebenwirkungen vor. Bei längerfristiger Medikation sind<br />

regelmäßige Laborkontrollen anzuraten. Tagesdosis bei Jugendlichen<br />

500 – 1000 mg, Blutspiegel (Akutbehandlung) 50-120 µg/ml.<br />

Zuverlässige Vorgaben zur Erhaltungstherapie liegen nicht vor.<br />

Die häufigsten Nebenwirkungen sind Hautreaktionen, Haarausfall,<br />

Leberfunktionsstörungen, gastrointestinale Störungen (z.B.<br />

Pankreatitis) und Übergewicht, Störungen von Blutbild und Blutgerinnung,<br />

Störungen von Appetit und Gewicht, Sedierung und andere<br />

cerebrale Störungen sowie eine benigne Hyperammonämie. Bei<br />

weiblichen Jugendlichen ist auf die evtl. Ausbildung eines polycystischen<br />

Ovars zu achten (McIntyre et al., 2003).<br />

Carbamazepin<br />

Carbamazepin ist ebenfalls ein bekanntes Antikonvulsivum und<br />

Phasenprophylaktikum und wird mit ähnlich großem Erfolg eingesetzt<br />

wie Lithium und Valproat (Greil & Kleindienst, 1999a, b; Kowatch<br />

et al., 2000). Eine spezifische Wirkung auf manische Zustände<br />

ist bislang nicht gesichert. Das Nebenwirkungsspektrum ist ebenfalls<br />

gut bekannt, differiert jedoch etwas vom Valproat. Ein Einsatz<br />

bei akuten Zuständen ist auch insbesondere deswegen weniger<br />

empfehlenswert, als es besonders bei schneller Aufdosierung<br />

zu Nebenwirkungen kommen kann. Carbamazepin kann zahlreiche<br />

(potentielle) Interaktionen mit anderen Medikamenten entwickeln;<br />

dazu zählen auch Kontrazeptiva. Regelmäßige Laborkontrollen und<br />

– bei Gabe weiterer Substanzen – Blutspiegelbestimmungen sind<br />

zu empfehlen. Die Dosis bei jugendlichen beträgt 600 bis 1600 mg,<br />

Blutspiegel (Akutbehandlung) 6-12 µg/ml, Erhaltungstherapie 4<br />

µg/ml. Eine weniger interaktionsfreudige, aber nah verwandte Substanz<br />

ist das neuere Präparat Oxcarbazepin.<br />

Die potentiellen Nebenwirkungen von Carbamazepin sind, ähnlich<br />

wie beim Valproat sehr zahlreich, treten aber durchaus nicht bei jedem<br />

Patienten auf. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Sedierung,<br />

allergische Hautveränderungen, Veränderungen von Leberfunktionswerten<br />

und Blutbildveränderungen.


Neue Antikonvulsiva<br />

<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 29<br />

Grundsätzlich kommen alle neuen Antikonvulsiva als Phasenprophylaktika<br />

in Frage (Keck et al., 2000; Yatham et al., 2002), wobei<br />

bislang nur für Lamotrigin befriedigende Untersuchungsbefunde<br />

vorliegen (Bowden & Karren, 2002; Calabrese et al., 2002a; Ichim<br />

et al., 2000; Keck et al., 2000; MacDonald & Young, 2002; Zerjav-<br />

Lacombe & Tabarsi, 2001). Lamotrigin ist zum einen in phasenprophylaktischen<br />

Kombinationsbehandlungen, z.B. zusammen mit Olanzapin<br />

einsetzbar, scheint aber auch zur Behandlung der bipolaren<br />

Depression geeignet, ohne unerwünschte Komplikationen wie<br />

rapid cycling hervorzurufen (Calabrese et al., 2002b; Grunze & Walden,<br />

2002). Die seltenen Nebenwirkungen (dermatologisch, hepatotoxisch)<br />

legen regelmäßige Laborkontrollen nahe (Overstreet et al.,<br />

2002).<br />

Auch Topiramat scheint zumindest als Zusatzmedikation und auf<br />

Grund seiner geringen Gewicht steigernden Nebenwirkungen eine<br />

interessante Substanz in der Phasenprophylaxe darzustellen<br />

(Chengappa et al., 2001; Ghaemi et al., 2001; Guille & Sachs, 2002;<br />

Suppes, 2002). Für Oxcarbazepin und Gabapentin liegen nur wenige<br />

und zum Teil widersprüchliche Befunde vor (Carta et al., 2003;<br />

Hamrin & Bailey, 2001; Hellewell, 2002; Maidment, 2001; Pande et<br />

al., 2000; Wang et al., 2002). Die Befundlage der neuen Antikonvulsiva<br />

für das Kindes- und Jugendalter ist noch sehr unergiebig, sodass<br />

vorläufig noch die Befunde aus dem Erwachsenenalter maßgeblich<br />

sind.<br />

Tab. 7: neue Antikonvulsiva<br />

Wirkstoff Handelsnamen<br />

Oxcarbazepin Trileptal<br />

Gabapentin Neurontin<br />

Lamotrigin Lamictal<br />

Tiagabin Gabitril<br />

Topiramat Topamax


Neuroleptika<br />

<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 30<br />

Im europäischen Raum ist die Gabe von Neuroleptika insbesondere<br />

bei manischen Zuständen üblich und bewährt. Diese Gepflogenheit<br />

ist durch die Existenz der neuen (atypischen) Neuroleptika noch<br />

verbreiteter geworden (Miller et al., 2001). Zum einen können neue<br />

Neuroleptika auf Grund ihrer im unteren Dosisbereich verminderten<br />

Nebenwirkungen freizügiger verordnet werden als die konventionellen<br />

Neuroleptika. Zum anderen haben die neuen Neuroleptika ein<br />

anderes Wirkungsspektrum und sprechen vermehrt Rezeptoren an,<br />

die auch affektive Prozesse positiv beeinflussen können. Folglich<br />

werden einige neue Neuroleptika als feste Zusatzmedikation, bisweilen<br />

sogar als Prophylaxemedikation propagiert. Die meisten Befunde<br />

liegen für Olanzapin, Quetiapin und Risperidon vor (Chengappa<br />

et al., 2003; DelBello et al., 2002; Frazier et al., 2001; Khouzam<br />

& El-Gabalawi, 2000; Tohen et al., 2000; Vieta et al., 2002b).<br />

Neuroleptika bieten vielversprechende Möglichkeiten der Zusatz-<br />

und möglicherweise auch Hauptmedikation. Dies scheint in ähnlicher<br />

Weise für die anderen neuen Neuroleptika zu gelten (Guille et<br />

al., 2000; Yatham, 2002). Angesichts der modifizierten Rezeptorprofile<br />

neuer Antipsychotika ist es nicht erstaunlich, dass diese Substanzen<br />

vereinzelt auch manische und hypomane Nebenwirkungen<br />

provozieren können (Aubry et al., 2000; Baldassano et al., 2003;<br />

Benazzi, 1999). Allerdings ist noch nicht vollständig geklärt, wie lange<br />

eine optimale neuroleptische Zusatzmedikation aufrechterhalten<br />

werden soll (Kafantaris et al., 2001).<br />

Die unangenehmste Nebenwirkung einiger Neuroleptika ist die Induktion<br />

von Übergewicht. Bei höherer Dosis können die meisten<br />

Neuroleptika zu einem Parkinson-Syndrom führen. Spezielle Konditionen<br />

bestehen nach wie vor bei Clozapin (Blutbildveränderungen,<br />

EEG-Veränderungen, Interaktionsproblematik).<br />

Antidepressiva<br />

Zur Behandlung klassischer bipolarer Syndrome sind Antidepressiva<br />

in der Regel nicht geeignet. Antidepressiva kommen üblicherweise<br />

dann zum Einsatz, wenn es sich um depressive Episoden


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 31<br />

handelt oder wenn sich trotz einer bereits bestehenden Medikation<br />

(z.B. mood stabilizer, Neuroleptika) depressive Symptome ausbilden.<br />

Vor allem die traditionellen trizyklischen Antidepressiva können<br />

jedoch maniforme Schwankungen („switching“), und schnell wechselnde<br />

Stimmungsschwankungen („rapid cycling“) anstoßen, die<br />

vorhandene Episoden-Frequenz erhöhen und dadurch eine Verschlechterung<br />

der Prognose hervorrufen (Geller et al., 1993;<br />

Ghaemi et al., 2001; Henry et al., 2001; Joffe et al., 2002). Substanzmissbrauch<br />

soll diese Tendenz noch verstärken (Goldberg &<br />

Whiteside, 2002). Die neuen Antidepressiva sind wesentlich seltener<br />

für die Auslösung oder Verstärkung von rapid cycling verantwortlich,<br />

bei allerdings geringerer Zahl vorliegender Studien (Nolen<br />

& Bloemkolk, 2000; Post et al., 2001; Vieta et al., 2002a).<br />

Die häufigsten Nebenwirkungen der neuen Antidepressiva sind Antriebssteigerung,<br />

Schwitzen, gastrointestinale Beschwerden,<br />

Schlafstörungen, sexuelle Funktionsstörungen sowie Appetit- und<br />

Gewichtsstörungen. Auch hier gibt es eine Vielzahl weiterer potentieller<br />

Nebenwirkungen, die allerdings meistenteils geringer ausgeprägt<br />

sind als bei den älteren, trizyklischen Substanzen.<br />

Sonstige Medikamente<br />

Zwei Gründe sind hauptsächlich dafür verantwortlich, dass bei bipolaren<br />

Störungen auch eine Vielzahl anderer Medikamente verwendet<br />

wird. Der erste liegt in der Vielgestaltigkeit der klinischen Symptomatik,<br />

die aus pragmatischen und situativen Gründen den Einsatz<br />

zusätzlicher oder anderer Medikamente nahelegen kann. Zu<br />

diesen Medikamenten gehören z.B. Schilddrüsenhormone, Benzodiazepine,<br />

Bupropion, Nimodipin und MAO-Hemmer.<br />

Der zweite Grund liegt darin, dass es gerade bei bipolaren Psychosen<br />

eine gewisse Anzahl von Non-Respondern gibt, die bei klassischer<br />

Medikation keine ausreichende Besserung zeigen. In dieser<br />

Situation muss man auf andere Medikationen oder Kombinationen<br />

ausweichen. Beide Effekte zusammen führen dazu, dass die medikamentöse<br />

Einstellung von bipolaren Patienten von allen Beteiligten<br />

eine gewisse Flexibilität erfordern kann.


Kombinationsbehandlungen<br />

<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 32<br />

Etwa ein Drittel der bipolaren Patienten lässt sich mit reiner Phasenprophylaxe<br />

und symptombezogenen Zusatzmedikationen zufriedenstellend<br />

einstellen. Bei den anderen Patienten sind medikamentöse<br />

Umstellungen und langfristige Kombinationsbehandlungen<br />

erforderlich, was allerdings in der klinischen Praxis noch zu wenig<br />

berücksichtigt wird; Monotherapien sind hier noch weit in der Überzahl<br />

(Ahmed & Anderson, 2001). Dies ist möglicherweise einer der<br />

Gründe, warum von vielen Patienten die medikamentöse Behandlung<br />

als nicht zufriedenstellend eingeschätzt wird (Have et al.,<br />

2002).<br />

Aus klinischer und pharmakologischer Sicht lassen sich vor allem<br />

Neuroleptika gut mit den anderen Substanzgruppen kombinieren<br />

(Sachs et al., 2002; Sajatovic et al., 2001; Tohen et al., 2002). Bei<br />

entsprechender Indikation eignet sich aber auch Lithium zu vielfältigen<br />

Kombinationen. Weitere Kombinationsmöglichkeiten sind den<br />

inzwischen zahlreichen Therapiemanualen zu entnehmen.<br />

Pharmakologische Empfehlungen<br />

Mittlerweile liegt eine beachtliche Anzahl von umfangreichen Richtlinien<br />

zur Diagnostik und Therapie von bipolaren Störungen vor.<br />

Diese Empfehlungen sind unterschiedlich differenziert und stimmen<br />

nicht in allen Details, aber doch weitgehend überein und sind die<br />

Grundlagen für die folgenden Angaben (APA Practice Guidelines,<br />

1994; Grunze et al., 2002; Sachs et al., 2000). Dabei stehen viele<br />

dieser Empfehlungen noch auf unsicheren empirischen Beinen und<br />

sind unverbindlich. Psychopharmakologie ist und bleibt außerdem<br />

einzelfallorientiert.<br />

Bipolar I-Störung: Lithium, Carbamazepin und Valproat können als<br />

Standardpräparate mit erwiesener Wirksamkeit angesehen werden<br />

(Kowatch et al., 2000), deren Schwerpunkt in der Dauerbehandlung<br />

(Phasenprophylaxe) liegt. Bei der Akutbehandlung sind Lithium und<br />

Valproat überlegen, weil sie schneller aufdosiert werden können als<br />

Carbamazepin. Reicht die Wirkung eines dieser drei Mittel nicht<br />

aus, können sie miteinander kombiniert werden; vor allem bei Car-


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 33<br />

bamazepin ist auf pharmakologische Interaktionen und Spiegelveränderungen<br />

zu achten.<br />

Bipolare Manie: Insbesondere bei manischen Episoden reicht eine<br />

reine Phasenprophylaxe oft nicht aus. Reicht bei der typischen euphorischen<br />

Manie eine Monotherapie nicht aus, wird die Kombination<br />

von Lithium oder Valproat als besonders sinnvoll angesehen.<br />

Zusätzliche Gaben von Benzodiazepinen oder niedrigpotenten Neuroleptika<br />

sind möglich. Bei psychotischen Manien hat Valproat den<br />

Vorrang vor Lithium, kombiniert mit atypischen Neuroleptika. Auch<br />

bei den gemischten Manien (Manie und Depression, Dysphorie etc.)<br />

scheint Valproat besser zu wirken; die Gabe von Schilddüsenhormonen<br />

(T4) kann einen zusätzlichen günstigen Effekt haben.<br />

Bipolare Depression: Die Empfehlungen für bipolare Depressionen<br />

sind noch vorläufiger Art. Vorzugsweise ist die Medikation mit Phasenprophylaktika<br />

zu beginnen oder zu optimieren (Thase & Sachs,<br />

2000; Winsberg et al., 2001). Wenn eine antidepressive Medikation<br />

gegeben werden muss, sollten neue Antidepressiva verabreicht<br />

werden. Die Gabe von trizyklischen Antidepressiva gilt wegen des<br />

switching- und rapid cycling-Risikos weitgehend als obsolet. Weitere<br />

Kombinationmöglichkeiten bestehen mit Lamotrigin und Bupoprion.<br />

Rapid cycling: Bei dieser Verlaufsform, die bei Kindern und Jugendlichen<br />

häufig ist, liegen für Valproat bessere Ergebnisse vor als für<br />

Lithium und Carbamazepin. Hier bestehen Kombinationsmöglichkeiten<br />

mit Lamotrigin und Nimodipine (Goodnick, 2000), die allerdings<br />

noch nicht gut abgesichert sind.<br />

Zusammenfassung<br />

Bipolare Psychosen werden mit hoher Wahrscheinlichkeit unter-<br />

und fehldiagnostiziert und sind auch wissenschaftlich wesentlich<br />

weniger bearbeitet als z.B. schizophrene Psychosen. Dieses Missverhältnis<br />

gilt verstärkt für das Jugendalter, da beginnende bipolare<br />

Störungen offensichtlich schwerer zu erkennen sind als andere<br />

Psychoseformen. Gerade aus diesem Grunde sollte sich die fachliche<br />

Aufmerksamkeit der Kinder- und Jugendpsychiater vermehrt<br />

den bipolaren Störungen zuwenden, da die bisherigen Ergebnisse<br />

dafür sprechen, dass unbehandelte bipolare Störungen zu schwer-


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 34<br />

wiegenden Beeinträchtigungen der Lebensqualität und der psychosozialen<br />

Kompetenzen führen können, die quantitativ den psychosozialen<br />

Auswirkungen schizophrener Psychosen nicht nachstehen.<br />

Diese Auswirkungen können durch eine adäquate Medikation und<br />

psychotherapeutische Begleitung wesentlich gebessert werden, sodass<br />

auch bei diesen Störungen eine angemessene Früherkennung<br />

und Frühbehandlung besonders indiziert sind. Besondere Aufmerksamkeit<br />

verdienen die „weicheren“ bipolaren Spektrumdiagnosen<br />

mit kurzen hypomanen Schwankungen, deren Bedeutung in der<br />

Kinder- und Jugendpsychiatrie noch nicht genügend gewürdigt wird.<br />

Die aktuellen Diskussionen um die Bedeutung bipolarer Störungen<br />

im Kindes- und Jugendalter gehen von folgenden gemeinsamen<br />

Positionen aus:<br />

• Im Kindes- und Jugendalter gibt es bipolare Störungen.<br />

• Die Symptomatik bipolarer Störungen differiert von der Symptomatik<br />

bei Erwachsenen.<br />

• Die Therapie bipolarer Störungen im Kindes- und Jugendalter<br />

richtet sich – von den Dosierungen abgesehen - weitgehend<br />

nach den gleichen Kriterien wie im Erwachsenenalter<br />

Gleichzeitig sind in verschiedenen Studien sehr unterschiedliche<br />

Ergebnisse beschrieben worden, die zu einer Polarisierung der<br />

„scientific community“ führen. Dabei geht es um folgende strittigen<br />

Punkte:<br />

• Bipolare Störungen sind im Kindesalter viel häufiger als bisher<br />

angenommen<br />

• Bipolare Störungen werden häufig durch andere psychische Störungen<br />

maskiert, wie z.B. ADHS oder Depressionen.<br />

• Ein großer Teil der bipolaren Störungen bei Kindern und Jugendlichen<br />

weist ultradianes rapid cycling auf.<br />

Eine Entscheidung über die strittigen Punkte ist derzeit aufgrund der<br />

vorliegenden Studien nicht möglich. Als Erklärung der Unterschiede<br />

kommen im Wesentlichen zwei Punkte in Frage:<br />

• Die Methodik der Studien differiert mehr, als dies in den Publikationen<br />

erkennbar ist.<br />

• Die Selektivität einzelner Studien ist größer, als dies in den Publikationen<br />

erkennbar ist.


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 35<br />

Unabhängig von diesen (und sicher einigen anderen) Kontroversen<br />

bestehen vor allem dort noch Unklarheiten, wo zu wenige altersbezogene<br />

Untersuchungsergebnisse vorliegen. Ein besonderes Problem<br />

ist die große Zahl neuer Substanzen, zu denen teilweise auch<br />

aus dem Erwachsenenalter noch wenige sichere Befunde vorliegen.<br />

Andererseits sind in den letzten Jahre einige interessante psychopharmakologische<br />

Varianten geprüft worden, infolge derer die therapeutische<br />

Flexibilität erheblich gewachsen ist.<br />

Anschrift der Autoren:<br />

PD Dr. med. Hellmuth Braun-Scharm<br />

Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie<br />

Virngrund-Klinik<br />

Dalkinger-Str. 8-12<br />

73479 Ellwangen<br />

Telefon: 07961/881-2601<br />

Dr. med. Jörg Leeners, Janet Schmidhauser<br />

Zentrum für Kinder- und Jugendpsychiatrie Universität Zürich<br />

Neumünsterallee 3<br />

CH-8032 Zürich<br />

Telefon: 01 921 22 66<br />

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<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 51<br />

Lese-Rechtschreib-Störung<br />

- was kann eine systemische Sichtweise<br />

zur Behandlung beitragen?<br />

Zusammenfassung<br />

Bodo Pisarsky, Manfred Mickley<br />

Die Lese-Rechtschreib-Störung wird als ein Konstrukt beschrieben,<br />

das die zunehmende Bedeutung der Schriftsprache und deren Beherrschung<br />

in der modernen Gesellschaft reflektiert. Sowohl die Kriterien<br />

entsprechend ICD-10 als auch Epidemiologie, Ätiologie, Diagnostik,<br />

Differentialdiagnostik sowie Interventionsstrategien werden<br />

erläutert. Die wenigen Publikationen, die sich diesem Konstrukt aus<br />

systemischer Sicht nähern, werden dargestellt. Die besondere Bedeutung<br />

der Modelle, die positive Feedbackschleifen beschreiben<br />

und die allmählich zu sekundären Störungen führen können, wird<br />

hervorgehoben. Der strukturelle Ansatz betont die Rolle der Eltern<br />

als Trainer und Förderer des Kindes. Die systemische Perspektive<br />

eignet sich vorzüglich als Metatheorie und Ausgangsbasis für den<br />

Entwurf individuell zugeschnittener multimodaler Behandlungskonzepte.<br />

Die postmodernen konstruktionistischen und linguistischen<br />

Modelle reflektieren kritisch die Rolle des Therapeuten als Teil des<br />

Problemsystems. Sie beschreiben seine Aufgabe als ressourcenorientierten<br />

und konstruktive Dialoge fördernden Kooperationspartner.<br />

1. Lese-Rechtschreibstörung als Konstrukt<br />

Die Sprache befindet sich in einem permanenten und zeitweise<br />

auch sprunghaften Entwicklungsfluss. Die Entwicklung der Schriftsprache<br />

gehört zu den eher noch jungen Kulturerrungenschaften<br />

unserer Zivilisation (ca. 5000 Jahre). Die Entzifferung der ältesten


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 52<br />

Schriftzeichen, d.h. der ägyptischen Hieroglyphen als auch der babylonischen<br />

Keilschrift im letzten Jahrhundert, gilt als wichtiger<br />

Schritt zum heutigen Verständnis der damaligen Welt. Über viele<br />

Jahrhunderte waren die Menschen nicht in der Lage zu lesen und<br />

zu schreiben. Die Beziehungen zwischen Zeichen und Bedeutungen<br />

waren nur für eine kleine Kaste der Schriftkundigen bekannt<br />

und bewirkten somit einen viele Jahrhunderte dauernden „Analphabetismus“<br />

für große Teile der Bevölkerung. In vielen Kulturen spielt<br />

die mündliche Überlieferung bis heute eine wichtige Rolle. Die Orthographie<br />

stellt eine dynamische Entwicklung der Sprache dar.<br />

Erst im Jahre 1902 wurde die deutsche Orthographie amtlich festgelegt.<br />

Davor gab es in Deutschland keine einheitliche Rechtschreibung.<br />

Die individuelle Wahrnehmung und regionale Unterschiede<br />

spiegelten sich unverkennbar in der jeweiligen Schreibweise. Erst<br />

gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde ein Störungsbild eingehender<br />

beschrieben, das der heutigen Lese-Rechtschreib-Störung<br />

nahe kommt. Morgan sprach 1896 von „congenital word blindness“.<br />

Im Jahre 1916 wurde von Ranschburg der Begriff der „Legasthenie“<br />

eingeführt (vgl. Rosenkötter, 1997). Die Bedeutung, die der Sprache,<br />

der Schriftsprache und Bildern beigemessen wird, wächst in<br />

der Zeit elektronischer Medien, Geräte und Automaten ständig.<br />

Neue Informations- und Kommunikationstechnologien mit E-Mail-<br />

Korrespondenz und Internet erfordern eine neue Form von Kompetenzen<br />

und eine gute Kenntnis und sicheren Umgang mit der<br />

Schriftsprache als externen Wissensspeicher. „Aber wie ragt über<br />

alle staunenswerten Erfindungen die Geisteshöhe dessen hervor,<br />

der das Mittel ersann die Gedanken jedwedem Anderen mitzuteilen,<br />

wie weit entfernt er durch Raum und Zeit sein mag?... Und mit welcher<br />

Leichtigkeit durch verschiedene Verbindungen einiger zwanzig<br />

lächerlicher Zeichen auf einem Blatt Papier?“ (Galilei, 2002, S. 159).<br />

2. Definition und Klassifikation<br />

Die Lese-Rechtschreib-Störung oder Legasthenie wird nach ICD-10<br />

(Dilling et al., 2004) den umschriebenen Entwicklungsstörungen zugeordnet<br />

und gehört zu den am häufigsten auftretenden in dieser<br />

Sparte. Diese Störung wird eigenständig auf der zweiten MAS-<br />

Achse (Remschmidt et al., 2001) verschlüsselt. Das Hauptmerkmal<br />

dieser Störung ist eine umschriebene Beeinträchtigung der Lese-


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 53<br />

und Rechtschreibfertigkeiten. Diese darf nicht durch eine unangemessene<br />

Beschulung, eine allgemein beeinträchtigte geistige Entwicklung<br />

oder durch eine spezifische Sinnesbeeinträchtigung erklärbar<br />

sein. Nach den Leitlinien ist sie eine im Zusammenhang mit<br />

der Entwicklung der Hirnfunktionen stehende Teilleistungsstörung.<br />

Nach ICD-10 wird eine Lese-Rechtschreib-Störung (F81.0) von einer<br />

isolierten Rechtschreibstörung (F81.1) unterschieden. Nicht<br />

ausdrücklich berücksichtigt bleibt dort die manchmal auftretende isolierte<br />

Lesestörung. Im DSM-IV entspricht die unter 315.00 verschlüsselte<br />

Lesestörung der Lese-Rechtschreib-Störung. Die isolierte<br />

Rechtschreibstörung findet dort im Gegensatz zu der in Europa<br />

gebräuchlichen ICD-10 keine Berücksichtigung. Im deutschsprachigen<br />

Raum werden Störungen der Rechtschreibung stärker gewichtet<br />

als Lesestörungen. Es stehen weit mehr Rechtschreibtests als<br />

Lesetests zur Verfügung. Eine ausgeprägte Lesestörung führt zu<br />

einer stärkeren Beeinträchtigung der Lebensqualität. Im englischsprachigen<br />

Raum steht das Konzept der Dyslexie mehr im Fokus<br />

der Aufmerksamkeit. Zu den kennzeichnenden Symptomen gehört<br />

bei der Rechtschreibstörung eine hohe Anzahl von Fehlern bei ungeübten<br />

Diktaten sowie beim Abschreiben von Texten. Fehler beim<br />

mündlichen Buchstabieren und Schwierigkeiten beim Schreiben von<br />

Buchstaben, Wörtern und Sätzen kommen hinzu. Kinder mit Lese-<br />

Rechtschreib-Störungen haben meist Schwierigkeiten, die gesprochene<br />

Sprache gegliedert zu erfassen. Oftmals werden ähnlich<br />

aussehende oder klingende Buchstaben verwechselt. Rechtschreibregeln<br />

oder –strategien werden nicht richtig beherrscht oder nicht<br />

angemessen auf neue Sachverhalte übertragen. Beim Lesen werden<br />

vielfältige Schwächen beobachtet. Die betroffenen Kinder können<br />

Schwierigkeiten haben Buchstaben wiederzuerkennen, sie zu<br />

benennen, das Alphabet aufzusagen sowie den Inhalt gelesener<br />

Texte wiederzugeben. Zusammenhänge werden aus dem Gelesenen<br />

selten erkannt und manchmal ist es nicht möglich daraus<br />

Schlussfolgerungen zu ziehen. Worte oder Wortteile werden<br />

manchmal ausgelassen, ersetzt, verdreht oder hinzugefügt. Manche<br />

Wörter können durch ein anderes, in der Bedeutung ähnliches Wort<br />

ersetzt werden. Die Lesegeschwindigkeit ist meist unterdurchschnittlich.<br />

Es kommt häufig zu Startschwierigkeiten, langem Zögern<br />

oder Verlieren der Zeile beim Lesen und Vorlesen. Häufig treten die<br />

Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten auch bei den Textaufgaben im<br />

Fach Mathematik sowie in den Fremdsprachen auf und verschärfen


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 54<br />

die schulischen Leistungsprobleme. Bei manchen betroffenen Kindern<br />

entsteht ein massiver Leidensdruck, der häufig durch die chronischen<br />

Misserfolge und negativen Reaktionen der Umwelt verstärkt<br />

wird.<br />

3. Epidemiologie und Verlauf<br />

Die unterschiedlichen Untersuchungen ergeben je nach der gewählten<br />

Untersuchungsmethodik und den diversen diagnostischen Kriterien<br />

eine Prävalenz zwischen 3 und 20 Prozent. Aus dem Vergleich<br />

internationaler Studien kann eine Häufigkeit der Lese-<br />

Rechtschreibstörung von ca. 4-5 Prozent angenommen werden.<br />

Nach einer Studie von Esser (1991) liegt die Punktprävalenz (Prävalenz<br />

zu einem Untersuchungszeitpunkt für Lese-Rechtschreib-<br />

Störungen) bei 2,7 %. In der Fachdiskussion werden Teilleistungsstörungen<br />

wie die LRS neben widrigen familiären Sozialisationsbedingungen<br />

als die bedeutsamsten Risikofaktoren für spätere psychiatrische<br />

Auffälligkeiten betrachtet. Mittelfristig könne nicht mit einem<br />

günstigen Verlauf gerechnet werden (vgl. Schulte-Körne,<br />

2003a). Ohne gezielte Interventionen müsse von einem chronifizierenden<br />

Verlauf ausgegangen werden. Schulte-Körne et al. (2003b)<br />

fanden bei einer kleinen Gruppe von Internatsschülern eine recht<br />

positive psychische und soziale Entwicklung bis ins Erwachsenenalter.<br />

Wichtige Einflussfaktoren scheinen dabei die Höhe des IQ,<br />

das Berufsprestige der Väter sowie die Länge und Qualität der Förderung<br />

zu sein.<br />

4. Ätiologie<br />

Entsprechend der Komplexität der Störung und der zugrunde liegenden<br />

Entwicklungsprozesse bedarf es differenzierter ätiologischer<br />

Sichtweisen. Die eine basale Ursache der Lese-Rechtschreib-<br />

Störung, die für alle Kinder mit LRS zutrifft, ist recht unwahrscheinlich.<br />

Als häufigste kognitiv-neuropsychologische Ursachen-<br />

Hypothese werden heute Störungen im Prozess der phonologischen<br />

Informationsverarbeitung, d.h. Störungen auf der Ebene der<br />

auditiven Verarbeitung sprachlicher Reize, angesehen (vgl. Shaywitz<br />

& Shaywitz, 2001). Störungen auf der Ebene der basalen audi-


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 55<br />

tiven Verarbeitung nichtsprachlicher Reize differenzieren nicht zwischen<br />

lese-rechtschreib-schwachen und „normalen Kindern“ (vgl.<br />

von Suchodoletz et al., 2004). Das Sprachsystem wird dabei hierarchisch<br />

konzipiert. Auf höheren Ebenen werden Semantik und Syntax<br />

angenommen. Phonologische Prozesse werden unteren Ebenen<br />

zugeordnet. Derzeit wird – unabhängig von den Sprachsystemen<br />

in unterschiedlichen Ländern (vgl. Paulesuet al., 2001) - die<br />

Ausbildung von phonologischen Repräsentationssystemen und von<br />

Kodierungsprozessen als eine wesentliche Voraussetzung für das<br />

Erlernen des Lesens und Schreibens angesehen. Die Fähigkeit,<br />

Wörter z.B. in Phoneme gliedern zu können, Phoneme wahrnehmen<br />

zu können und mit ihnen operieren zu können, wird als grundlegend<br />

für die schriftsprachliche Entwicklung betrachtet. Damit ist<br />

die phonologische Bewusstheit gemeint, d.h. lautsprachliche Fähigkeiten<br />

und Fertigkeiten unterhalb der Bedeutungsebene der Sprache,<br />

insbesondere die Sensitivität für Klänge, Reime, Alliterationen<br />

und Phoneme. Die Zuordnung von gesprochener Sprache zu geschriebener<br />

Schrift auf der Phonemebene sowie ein entsprechend<br />

differenziertes (orthographisches) Gedächtnissystem müssen gemeistert<br />

werden (vgl. Klicpera & Gasteiger-Klicpera, 1999). Dabei<br />

scheinen eher phonologische Speicherungs- und Abrufprozesse<br />

und weniger Wahrnehmungs- und Beurteilungsprozesse beeinträchtigt<br />

zu sein (Mayringer & Wimmer, 1999; vgl. auch Warnke &<br />

Roth, 2002). Es besteht eine hohe Korrelation zwischen dem Wortschatz<br />

im Alter von 2 Jahren, der Qualität des phonologischen Arbeitsgedächtnisses<br />

für „Pseudowörter“ mit 5 Jahren und der späteren<br />

Leseleistung (Grimm, 2003).<br />

Als zweite neuropsychologische Ursachen-Hypothese werden visuell-räumliche<br />

Wahrnehmungsschwierigkeiten bei einem kleineren<br />

Teil der LRS-Kinder erörtert (vgl. Warnke & Roth, 2002). McCandliss<br />

et al. (2003) diskutieren die Rolle linkshemisphärischer Strukturen,<br />

die sie „visual word form area“ nennen. Mittels dieser Struktur<br />

wird zunächst nur die visuelle Kerngestalt eines Buchstaben oder<br />

eines Wortes unabhängig von der inhaltlichen Bedeutung erfasst<br />

(vgl. Dehaene et al., 2002). Kontrovers wird die Bedeutung einer<br />

Störung der Blickbewegungen diskutiert (vgl. Schulte-Körne 2003).<br />

Zwischen Lateralitätsentwicklung und Rechtschreibleistung zeigen<br />

sich entgegen früheren Vermutungen nur sehr schwache und uneinheitliche<br />

Beziehungen (Strehlow, 2002).


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 56<br />

Bei der Entwicklung der für den Lese- und Schreibprozess relevanten<br />

Fähigkeiten und Funktionen spielen genetische Faktoren eine<br />

Rolle. Die Heritabilität wird für die Lesefähigkeit um 50%, für die<br />

Rechtschreibfähigkeit um 60% eingeschätzt (vgl. Petermann, 2003;<br />

Schulte-Körne, 2002). Dabei geht es nicht um eine direkte chromosomale<br />

Steuerung der LRS sondern um die Determiniertheit basaler<br />

neurophysiologischer und neuropsychologischer Funktionen (vgl.<br />

Schulte-Körne & Remschmidt, 2003; Warnke & Roth, 2002).<br />

Postmortemstudien, Studien mit bildgebenden Verfahren und Studien<br />

des Hirnstoffwechsels ergeben verschiedene neuroanatomische<br />

Korrelate einer Lese-Rechtschreib-Störung (vgl. Warnke et al.<br />

1999; Schulte-Körne, 2002; Schulte-Körne & Remschmidt, 2003).<br />

Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Korrelationen, die in<br />

diesen Studien gefunden wurden, nicht einseitig und nicht kausal<br />

zu interpretieren sind. Die Spannbreite von Anomalien, die bei funktionstüchtigen<br />

Gehirnen vorkommen können (vgl. Kolb & Whishaw,<br />

1996) sollte miteinbezogen werden.<br />

Zusammenfassend kann die Lese-Rechtschreibstörung nicht auf eine<br />

Ursache zurückgeführt werden. Es handelt sich um ein noch<br />

nicht hinreichend geklärtes multifaktorielles Geschehen, bei dem<br />

genetische, neurophysiologische sowie psychosoziale Faktoren beteiligt<br />

sind.<br />

5. Diagnostik und Differentialdiagnostik<br />

Für die Lese-Rechtschreib-Störung als Entwicklungsstörung ist eine<br />

sorgfältige Anamnese für die Erstellung der Diagnose besonders<br />

wichtig. Auf diesem Wege lassen sich oft bereits im Vorfeld Symptome<br />

einer Entwicklungsstörung des Sprechens und/oder visuelle<br />

und/oder visuo-motorische Symptome identifizieren. Die gesamte<br />

Diagnostik sollte genutzt werden, um die Fähigkeiten und Ressourcen<br />

des Kindes oder Jugendlichen zu erfassen und nicht nur die<br />

Defizite zu dokumentieren. Die Ergebnisse der nachfolgend genannten<br />

psychometrischen Verfahren eignen sich dazu, sowohl die<br />

Stärken als auch Schwächen eines Kindes besser sichtbar zu machen.


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 57<br />

Als minimale Standards einer psychometrischen Abklärung werden<br />

die Durchführung einer allgemeinen Intelligenzuntersuchung sowie<br />

die testdiagnostische Erfassung der Lese- und Rechtschreibfertigkeiten<br />

gefordert. Bei der Intelligenzuntersuchung sollten individuell<br />

durchgeführte Verfahren eingesetzt werden. Diese sollten gut zwischen<br />

sog. sprachfreien und sprachgebundenen Aufgaben differenzieren<br />

können. In der Regel sollten eher sprachfreie Indizes genutzt<br />

werden (z.B. Handlungs-IQ im HAWIK III, nonverbale Skala im K-<br />

ABC). Zur Operationalisierung des IQ-Diskrepanzkriteriums sollte<br />

die gestörte Teilleistung mindestens 1,5 (vgl. DGKJP-Leitlinien,<br />

2003) bzw. 2,0 Standardabweichungen (vgl. ICD-10) unter dem<br />

Wert der allgemeinen Intelligenz liegen. Das entspricht einer T-<br />

Wert-Diskrepanz zwischen IQ und Lese- bzw. Rechtschreibleistung<br />

von mehr als 12 Punkten. Im Internet unter www.kjp.unimarburg.de/kjp/legast/leg/diagnose.htm<br />

veröffentlichte die Arbeitsgruppe<br />

Lese-Rechtschreibstörung der Kinder- und Jugendpsychiatrie<br />

Marburg eine mit Hilfe eines Regressionsmodells erarbeitete Tabelle.<br />

Dort finden sich kritische Prozentrang-Werte in Rechtschreibtests<br />

(vgl. Deimel, 2002a). Zur Operationalisierung des sog. Alters-<br />

Diskrepanzkriteriums wird vorgeschlagen, dass die Teilleistung unter<br />

einem Prozentrang von 10 liegen sollte. Als weitere klinische<br />

Richtlinie gilt, dass der schulische Leistungsstand des Kindes eindeutig<br />

unter dem zu erwartenden Intelligenzalter liegen muss. Es<br />

gibt keine eindeutigen diagnose-spezifischen Fehlerarten (vgl. auch<br />

Warnke & Roth, 2002).<br />

Nach ICD-10-Kriterien ist für die Feststellung dieser Entwicklungsstörung<br />

ein IQ > 70 vorauszusetzen. Die meisten Rechtschreibtests<br />

erfassen Rechtschreibleistungen auf der Basis von Lückentexten.<br />

Dort soll jeweils nur ein einziges Wort ergänzt werden. Eine vollständigere<br />

Beurteilung sollte Zeugnisse, Noten und Einschätzungen<br />

des Lehrers einbeziehen. Anamnestisch bedeutsam können auch<br />

Hinweise auf ein deutliches Absinken der Lernmotivation nach anfänglich<br />

guter Lerneinstellung sein.<br />

Erste Hinweise auf auditive Wahrnehmungs- und Verarbeitungsprobleme<br />

können der Mottier-Test und der PB-LRS (Phonologische<br />

Bewusstheit bei Kindergartenkindern und Schulanfängern von Barth<br />

und Gomm, 2004) als Gruppentest zur Früherkennung von Lese-<br />

und Rechtschreibschwierigkeiten als Screening-Instrumente liefern<br />

(vgl. auch Rosenkötter, 2003, S. 104). Pathologische Ergebnisse


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 58<br />

im Mottier-Test und anamnestische Hinweise auf Sprachentwicklungsstörungen<br />

sollten immer im Rahmen einer pädaudiologischen<br />

Untersuchung geklärt werden. Bei dem Verdacht auf eine Lese-<br />

Rechtschreib-Störung werden eine fachärztliche Untersuchung der<br />

Sehschärfe, des räumlichen Sehens (vgl. Mühlendyck und Schäfer,<br />

2004) sowie eine pädaudiologische Vorstellung zur Abklärung der<br />

Hörfähigkeit empfohlen.<br />

Als Screeningmethode der Lesefähigkeit ist die Würzburger Leiseleseprobe<br />

(WLLP, Küspert & Schneider, 2000) geeignet. Ergänzend<br />

kann der Leseteil des Salzburger Lese- und Rechtschreibtests<br />

(Landerl et al., 2000), der KNUSPEL-L (Marx, 2000) oder der Züricher<br />

Leseverständnistest (Grissemann & Baumberger, 2000)<br />

durchgeführt werden. Eine aktuelle Übersicht findet sich bei Herpertz-Dahlmann<br />

et al. (2003, S. 419). Die Lese- und Rechtschreib-<br />

Leistungen in den ersten Schuljahren sind stark von Tempo, Didaktik<br />

und Methodik des Unterrichts abhängig. Deshalb sind klassengebundene<br />

Normierungen für die Testverfahren besser als altersgebundene<br />

Normierungen geeignet. Bei der Auswahl der Rechtschreibtests<br />

muss darauf geachtet werden, dass sie nur für bestimmte<br />

Zeiträume geeicht und normiert sind. Für den deutschsprachigen<br />

Raum stehen weitaus mehr Rechtschreibtests als Lesetests<br />

zur Verfügung, die standardisiert und ökonomisch sind sowie differenziertere<br />

Normen haben (vgl. Deimel, 2002b, auch Hasselhorn et<br />

al., 2000). Für die ersten 15 Wochen der Beschulung liegen keine<br />

normierten Verfahren vor. Erst gegen Ende der 2. Klasse ist eine<br />

zuverlässigere psychometrische Untermauerung der Lese-<br />

Rechtschreib-Störung möglich. Hasselhorn et al. (2000, S. 3) kritisieren,<br />

„dass die traditionelle Lese-Rechtschreib-Diagnostik vermutlich<br />

viel zu spät zu einer Identifizierung von LRS-Kindern führt“. Lediglich<br />

das Bielefelder Screening, das allerdings für den Vorschulbereich<br />

konzipiert ist, scheint geeignet, zuverlässig Risiko-Kinder zu<br />

identifizieren. Für die erste Klasse sollten die HSP 1 oder der WRT<br />

1 eingesetzt werden. Anhand der Richtig- bzw. Falschschreibungen<br />

der Wörter in den Rechtschreibtests werden objektive quantitative<br />

Werte erhoben. Bestimmte Fehlertypen sind in unterschiedlichen<br />

Phasen der schriftsprachlichen Entwicklung durchaus angemessen<br />

(vgl. Daum 2003, S. 261). Lediglich die Hamburger Schreibprobe<br />

berücksichtigt dies derzeit angemessen (Deimel, 2002b, S. 151).<br />

Unklar bleibt die Interpretation unterschiedlicher Werte in Lese- und


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 59<br />

Rechtschreibtests zur diagnostischen Abgrenzung von isolierter<br />

Rechtschreibstörung (F81.1) und Lese- und Rechtschreibstörung<br />

(F81.0) (vgl. Deimel, 2002a, S. 125). Die theoretisch denkbare und<br />

klinisch durchaus bekannte isolierte Lesestörung wird nach ICD-10<br />

nicht berücksichtigt.<br />

Differentialdiagnostisch sind neurologische Erkrankungen (z.B. zerebrale<br />

Bewegungsstörung, Epilepsie oder Sinnesfunktionsstörung),<br />

der Verlust einer bereits erworbenen Lesefähigkeit (ICD-10 Dyslexie<br />

R48.0) oder Rechtschreibfähigkeit (R48.8) aufgrund einer erworbenen<br />

neurologischen zerebralen Schädigung, Intelligenzminderung<br />

sowie Analphabetismus als Folge von mangelnder Unterrichtung<br />

auszuschließen. Die Lese- und Rechtschreibstörung wird häufig von<br />

anderen Entwicklungsstörungen (z.B. der motorischen Funktionen,<br />

des Sprechens und der Sprache sowie des Rechnens) begleitet. Als<br />

weitere wichtige komorbide Störungen treten häufig die Aufmerksamkeitsdefizitstörung,<br />

Anpassungsstörungen, depressive Symptome,<br />

emotionale Störungen, Schulangst sowie Störungen des<br />

Sozialverhaltens auf. Alle durchgeführten Untersuchungen (neurologische<br />

Untersuchung, EEG, psychometrische Verfahren) werden<br />

in einem gemeinsamen Auswertungsgespräch angeschaut und analysiert.<br />

Häufig geschieht es in einem ersten Schritt mit den Eltern allein<br />

und dann in einem zweiten Schritt unter Einbeziehung des Kindes<br />

oder Jugendlichen. Neben Teilleistungsschwächen können<br />

häufig Teilleistungsstärken bestehen, die dann eine wichtige Grundlage<br />

für die Erstellung eines individuellen Therapieplans liefern können.<br />

6. Interventionen<br />

Aufgrund der Komplexität des Störungsbildes ist ein multimodaler<br />

Behandlungsansatz angezeigt (vgl. Schulte-Körne & Remschmidt<br />

2003). Im Rahmen eines individuell gestalteten Therapieplans können<br />

verschiedene Interventionsrichtungen bzw. -ebenen unterschieden<br />

werden: 1. schulische wie außerschulische Interventionen,<br />

die direkt auf die Fertigkeiten und Fähigkeiten des Kindes zielen<br />

(z.B. spezifische Rechtschreibprogramme, Lerntherapie). 2. schulische<br />

Maßnahmen im Sinne eines Nachteilsausgleiches (z.B. Befreiung<br />

von der Rechtschreibbenotung, Zeitzuschläge, mündliches<br />

Abfragen, Vorlesen von Aufgaben, Zulassung besonderer Hilfsmittel


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 60<br />

– vgl. Warnke et al., 2002) 3. familienorientierte Maßnahmen (z.B.<br />

Elterntraining).<br />

Eine gute Übersicht über die große Breite Fertigkeiten zentrierter<br />

Behandlungsmöglichkeiten gibt von Suchodoletz (2003). Er beschreibt<br />

Trainingsmaßnahmen auditiver, visueller und motorischer<br />

Grundfunktionen sowie der Lateralitätsentwicklung. Daneben werden<br />

körperorientierte Verfahren, spezielle Lernmethoden, pharmakotherapeutische<br />

Behandlung einschließlich der Homöopathie dargestellt<br />

und bewertet. Entsprechend den Kriterien einer evidenzbasierten<br />

Medizin sollten mehrere unabhängige, randomisierte Kontrollgruppenstudien<br />

mit schulpraxisrelevanten Wirksamkeitsparametern<br />

Interventionseffekte nachweisen.<br />

Diese strengen Kriterien erfüllen am ehesten symptomorientierte,<br />

systematisch übende Trainingsverfahren (Kossow, 1991; Mannhaupt,<br />

1999; Schulte-Körne & Mathwig, 2001).<br />

Förderansätze, die basale kognitive und neuropsychologische Faktoren<br />

beeinflussen und trainieren, haben keinen nachweisbaren<br />

spezifisch fördernden Effekt auf Lese- und Rechtschreibprozesse<br />

(vgl. Schulte-Körne & Remschmidt, 2003).<br />

Im deutschsprachigen Raum wurden eher Trainingsprogramme für<br />

die Rechtschreibung und weniger für den Leselernprozess entwickelt<br />

und evaluiert. Außerschulische LRS-Behandlung wird nur in<br />

Ausnahmefällen von den Krankenkassen finanziert. Allein hat sie<br />

bislang noch nicht den Status einer nach RVO-Kriterien behandlungspflichtigen<br />

Störung. Die Therapie begleitender Aufmerksamkeits-,<br />

Wahrnehmungs- und Gedächtnisstörungen wird hingegen<br />

von den Kassen übernommen. Im Rahmen des KJHG können außerschulische<br />

Förderung und Lerntherapie übernommen werden,<br />

wenn eine begabungsadäquate Beschulung und soziale Eingliederung<br />

des Kindes gefährdet ist.<br />

Alle Therapien, auch die Lerntherapie und die Rechtschreibprogramme,<br />

sollten als eine wirksame Möglichkeit zur Linderung und<br />

Bewältigung eines leidvollen Lebensproblems gesehen werden (vgl.<br />

Ludewig, 2002). Sie können auch als ein Weg betrachtet werden,<br />

der ein besseres Funktionieren des Einzelnen in der Gesellschaft<br />

ermöglicht und deren Organisation stützen kann.


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 61<br />

7. Lese-Rechtschreibstörung aus systemischer Perspektive<br />

Die systemische Perspektive in der Elternberatung als wichtiger Bestandteil<br />

der Behandlung wird hervorragend von Spitczok von Brisinski<br />

(2004) dargestellt. Reinhard (2001, 2002) versucht mit einem<br />

an den Ressourcen der Kinder und Jugendlichen orientierten systemischen<br />

Blick die LRS als eine sinnvolle Lösung im jeweiligen<br />

Kontext zu sehen. Sie wird als eine andere Form von „Richtigkeit in<br />

der Welt zu sein“ und weniger als Defekt interpretiert (vgl. 2002, S.<br />

53). Symptome der Lese-Rechtschreibstörung werden als provokative<br />

sensible Teilleistungsfähigkeiten konstruiert. Kinder werden als<br />

Vertreter einer „Künstlerlogik“ den Eltern als Vertreter einer „Beamtenlogik“<br />

gegenübergestellt. Daum (2003) begreift Lese-<br />

Rechtschreib-Schwierigkeiten als gestörte Beziehungsmuster zwischen<br />

dem Individuum und der Umwelt. Er kritisiert die unverhältnismäßige<br />

Forcierung des orthographisch richtigen Schreibens. Er<br />

betont, dass bestimmte Arten von Fehlern in bestimmten Phasen<br />

des Schriftsprachlernens wichtig und notwendig sind (S.261). Er<br />

weist auf die Gefahr hin, dass sekundäre psychische Probleme entstehen<br />

können. Betz & Breuninger (1998) entwarfen bereits 1982<br />

ein Modell der Entwicklung von strukturellen Lern- und Leistungsstörungen.<br />

Sie unterscheiden zwischen Umweltvariablen, Leistungsvariablen<br />

und Selbstwertvariablen des Kindes. Es entstehen 3<br />

verschiedene „Teufelskreise“ im Sinne von reflexiven Wirk-<br />

Mechanismen. Mittels positiver Feedbackmechanismen verfestigen<br />

sie sich und drohen zu chronifizieren. So können 1. Umweltvariablen<br />

- wie elterlicher Druck - zu Kompensationen auf Seiten des Kindes<br />

führen (z.B. Aufmerksamkeit erheischendes Verhalten in anderen<br />

Bereichen). Dies kann wiederum zur Verschärfung des elterlichen<br />

Drucks führen. 2. Leistungsmisserfolge können zu Beeinträchtigungen<br />

des Selbstwertgefühls und in der Folge zu Leistungsvermeidungen<br />

führen. Diese begünstigen wiederum weitere Misserfolge.<br />

3. Schlechte Lernleistungen können zu erhöhten Leistungsanforderungen<br />

auf Seiten der Eltern führen. Die dabei auftretenden<br />

Überforderungen können in nachfolgend schlechte Lernleistungen<br />

münden. Betz & Breuninger beschreiben, dass positive Feedbackschleifen<br />

zu stabilen, kreisförmigen Mustern führen können. Diese<br />

kreisförmigen Strukturen können sich unabhängig von der ursprünglichen<br />

Eingangsgröße entwickeln, sich selbst aufrechterhalten und<br />

verstärken.


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 62<br />

Schiepek (1999) wertet dieses Modell als ein „anschaulich geschildertes<br />

Netzwerkmodell“. Es veranschaulicht plastisch, wie aus „belanglosen<br />

Leistungsschwankungen Problemsysteme entstehen“<br />

können. Dieses Modell eignet sich nach Schiepek „gut als erste Einführung<br />

in systemisch-vernetztes Denken und als Handreichung für<br />

Eltern, die damit auch erkennen können, welche Ansatzpunkte für<br />

Veränderungen es im jeweiligen Problemsystem geben könnte“.<br />

Der Fachverband für integrative Lerntherapie organisiert Tagungen,<br />

die die Relevanz des systemischen Ansatzes thematisieren (persönliche<br />

Mitteilung von Joachim Hackler – z.B. Neu, 2001; Hackler<br />

1994). In der Zeitschrift „Sprachrohr Lerntherapie“ werden immer<br />

wieder Themen mit familientherapeutischen und systemischen Akzenten<br />

aufgegriffen (z.B. Stienen, 2003, Heft1/2004 Schwerpunkt:<br />

Lerntherapie im System). Vereinzelt spiegeln Audio- und Videobänder<br />

Theorie und Praxis systemischer und hypnotherapeutischer<br />

Praktiker wider (z.B. Schmidt, 1997; Bierbaum-<br />

Luttermann/Mrochen, 1998).<br />

Zum Thema Lese-Rechtschreib-Störung aus systemischer Sicht<br />

gab es bisher nur wenige Publikationen. Von systemischen Therapeuten<br />

wurde dieses Thema eher vernachlässigt und erst in den<br />

letzten Jahren vereinzelt entdeckt. Dies mag damit zusammenhängen,<br />

dass (medizinische) Diagnosen allgemein aus systemischer<br />

Sicht grundsätzlich sehr kritisch und oft einseitig betrachtet worden<br />

sind (vgl. Tomm, 1994, S. 210-215). Medizinische Diagnosen wurden<br />

als Etiketten begriffen, die den Aspekt der Dysfunktionalität einseitig<br />

hervorgehoben haben. Therapeutische Erfolge wurden in der<br />

Familientherapie in der Behandlung von psychischen Störungen oft<br />

dadurch erzielt, dass Diagnosen in Frage gestellt, hinterfragt oder<br />

auch „dekonstruiert“ wurden. Die Therapien waren dann erfolgreich,<br />

wenn es gelungen war, das problematische Verhalten in einem anderen<br />

Kontext zu sehen und ihm alternative Bedeutungen zu geben.<br />

In den letzten Jahren wurde von systemischen Praktikern zunehmend<br />

auch die Nützlichkeit von Diagnosen erkannt (vgl. Spitczok<br />

von Brisinski, 1999; Pisarsky & Mickley 2003). Erst die medizinische<br />

Diagnose einer anerkannten und neuropsychiatrisch begründeten<br />

Entwicklungsstörung könnte in Zukunft die Inanspruchnahme funktioneller,<br />

von der Krankenkasse finanzierter Behandlungen im


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 63<br />

Rahmen der RVO ermöglichen. In diese Richtung zielt auch die<br />

Empfehlung der DGKJP (vgl. Warnke & Lehmkuhl, 2003).<br />

8. Was kann die systemische Therapie zur Behandlung der Lese-Rechtschreibstörung<br />

beitragen?<br />

Die Wurzeln des systemischen Denkens können auf die Allgemeine<br />

Systemtheorie des österreichischen Biologen Ludwig von Bertalanffy<br />

(1901-1972) zurückgeführt werden. In deren Zentrum wird die<br />

Bedeutung der Homöostase hervorgehoben. Als andere wichtige<br />

Wurzeln des systemischen Denkens sind u.a. die Psychoanalyse,<br />

die Erickson’sche Therapie, der ökologische Ansatz nach Bateson,<br />

die Kybernetik, die Kommunikationstheorie (vgl. Watzlawick, 1969),<br />

der biologische Ansatz von Maturana sowie in der neueren Zeit die<br />

unterschiedlichen postmodernen Denkansätze zu betrachten (vgl.<br />

auch Pisarsky, 1995).<br />

Verschiedene Aspekte der Kybernetik (vgl. Wiener, 1948) im Sinne<br />

einer allgemeinen Steuerungs-, Kontroll- und Kommunikationstheorie<br />

haben in unterschiedlichen Kontexten eine große Bedeutung<br />

gewonnen. Die Kybernetik erster Ordnung wendet sich Prozessen<br />

und Phänomenen wie z.B. Steuerung, Regulation, Interaktionen,<br />

Selbstorganisation, Adaptation zu und geht von der Grundannahme<br />

aus, dass objektive Beschreibungen möglich sind. Nach dieser Annahme<br />

gibt es also Muster und Regeln, die überprüfbar und auch im<br />

Experiment reproduzierbar sind. Auf dieser Grundlage wurden z.B.<br />

die unterschiedlichen psychodynamischen, strukturellen, kontextuellen<br />

und strategischen Modelle entwickelt. Aus struktureller Sicht<br />

kommt den Eltern als Trainer und Unterstützer des Kindes bei dessen<br />

Lernprozessen eine entscheidende Bedeutung zu (vgl. Born et<br />

al., 2002). Wichtige Faktoren dabei sind: 1. das Interesse der Eltern<br />

am Lernprozess des Kindes; 2.ihre Fähigkeit das Kind kompensatorisch<br />

und protektiv zu unterstützen, sowie 3. die Fähigkeiten der Eltern,<br />

ihr Kind während des Lernprozesses angemessen mittels positiver<br />

Verstärkung und Grenzsetzung zu steuern. Die besondere Situation<br />

eines teilleistungsgestörten Kindes besteht darin, dass einzelne<br />

Leistungen vom gewohnten, zumeist höheren Niveau abweichen.<br />

Es zeigt sich dann oft ein zwiespältiges, verwirrendes Erscheinungsbild<br />

im Leistungsbereich. Lehrer und Eltern tendieren oft


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 64<br />

dazu, die eintretenden Leistungseinbrüche als Indikatoren für mangelnde<br />

Motivation zu interpretieren. Sie reagieren häufig mit Abwertungen,<br />

Strafreizen und gesteigertem Aufforderungsverhalten (vgl.<br />

Betz & Breuninger, 1998). Auch aus systemischer Perspektive ist<br />

es manchmal ratsam, die Eltern-Kind-Beziehung durch den Einsatz<br />

professioneller Nachhilfe oder Lerntherapie zu entlasten. Auch auf<br />

diese Weise lassen sich manchmal Teufelskreise entschärfen.<br />

Viele schulische Lerninhalte entsprechen nicht unseren natürlichen<br />

intuitiven, kognitiven Fähigkeiten. Der Prozess ihrer Aneignung ist<br />

nicht immer leicht und angenehm. „Eine Familie, eine Gruppe<br />

Gleichaltriger und eine Kultur, die Schulleistungen hohen Status zuschreiben,<br />

sind da oft vonnöten, um Kinder zu veranlassen, sich<br />

dem mühsamen Geschäft des Lernens zu widmen, dessen Belohnungen<br />

oft lange auf sich warten lassen“ (Pinker, 2003, S .313).<br />

Lernen setzt also persönliche Bindungen voraus und ist in diese<br />

eingebunden. Innerhalb dieser Bindungen steuern positive Gratifikationen<br />

und Verstärkungen entscheidend den Lernprozess. Die wichtigste<br />

Belohnung für ein Kind ist die Zuwendung und der Stolz seiner<br />

Eltern oder anderer wichtiger Bezugspersonen exakt in dem<br />

Moment, in dem das Kind sich für dieses oft langweilige Lernen engagiert.<br />

Die Häufigkeit der positiven Verstärkung, ihre Intensität und<br />

Variabilität sowie ihre zeitliche Platzierung rücken in den Vordergrund<br />

struktureller familientherapeutischer Betrachtung. Die Verstärker<br />

sollen möglichst direkt, prozess- und anstrengungsorientiert<br />

platziert werden. Gezielte psychoedukative Interventionen können<br />

Eltern einladen ihr Kind während des Lernprozesses optimal zu unterstützen<br />

(vgl. Jansen & Streit, 1992, sowie Born & Oehler, 2002).<br />

Begleitend zu der empfohlenen Lektüre des Buches von Born und<br />

Oehler „Lernen mit ADS-Kindern“ finden z.B. in unserer kinderpsychiatrischen<br />

Praxis Elterntreffen statt, um die Umsetzung der dort<br />

beschriebenen Lernstrategien und Übungen zu erleichtern. Die Diagnose<br />

der Lese-Rechtschreib-Störung kann dazu beitragen, dass<br />

Eltern eher bereit sind therapeutisch begründete neue Umgangsformen<br />

zu erproben. Somit kann ein Störungskonzept dazu beitragen<br />

Konflikte bewusst zu externalisierten und neue Lösungsstrategien<br />

zu entwickeln. So können auch bessere Voraussetzungen für<br />

notwendige Übungen der Lernvorgänge geschaffen werden. Nur eine<br />

ausreichende Anzahl von Wiederholungen führt zu einer Automatisierung<br />

des Lese- und Schreiblernprozesses.


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 65<br />

Seit den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurden neue Konzepte<br />

einer Kybernetik zweiter Ordnung entwickelt, die ihre Aufmerksamkeit<br />

auf die Rolle und den Einfluss des Beobachters auf<br />

das beobachtete System fokussieren. Dieser Prozess kann exemplarisch<br />

an der Entwicklung der Heidelberger und der Mailänder<br />

Schule (vgl. Pisarsky, 2000) sehr gut nachvollzogen werden.<br />

Die auf der Grundlage der Kybernetik zweiter Ordnung entwickelten<br />

Konzepte, z.B. des Konstruktivismus, Konstruktionismus, Sozialkonstruktionismus<br />

und anderer postmoderner linguistischer Ansätze,<br />

betrachten einen Therapeuten nicht mehr als eine neutrale und<br />

außerhalb des Systems stehende Person. In dieser Perspektive<br />

konstruiert der Beobachter seine Wirklichkeit selbst. Der Therapeut<br />

wird als Bestandteil eines Problemsystems betrachtet. In der Arbeit<br />

mit Klienten kann es vorteilhafter sein von verschiedenen Kooperationsformen<br />

statt von Therapie zu sprechen.<br />

Die von Maturana geprägte These der Unmöglichkeit einer instruktiven<br />

Interaktion ergänzt und relativiert die lineare Sichtweise eines<br />

lerntherapeutischen Wirksamkeitsmodells, das der ersten Kybernetik<br />

zugeordnet werden kann. Interventionen können nur wirksam<br />

sein, wenn sie innerhalb eines Systems sinnvolle Unterscheidungen<br />

auslösen. Dabei sollten sie den Operationsmodus des Systems berücksichtigen<br />

(vgl. Simon et. al., 1999; Palmowski, 1997). „Ich bin<br />

verantwortlich dafür, was ich sage, und nicht dafür, was Sie hören“<br />

(Maturana, persönliche Mitteilung).<br />

Die Konzepte der lösungsorientierten Kurztherapien auf der Grundlage<br />

der Kybernetik zweiter Ordnung stellen nicht die Schwächen<br />

und Defizite in den Vordergrund, sondern orientieren sich an den<br />

Ressourcen und Kompetenzen der Klienten (vgl. auch Schmidt,<br />

1997).<br />

Das moderne Denken wird von den Vertretern des Sozialkonstruktionismus<br />

in einem geschichtlichen und gesellschaftlichen Kontext<br />

gesehen. Der Sprache wird dabei eine zentrale Bedeutung beigemessen.<br />

Alle gesellschaftlichen Bedeutungen, auch die sprachlichen,<br />

werden in Gemeinschaften erzeugt und entstehen in Beziehungen.<br />

Auf diesem Hintergrund werden das Konzept des Selbst


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 66<br />

sowie die Kategorien der Wissenschaftlichkeit, der Vernunft und der<br />

Effektivität gesehen. Die Sprache nimmt in dem permanenten gesellschaftlichen<br />

Entwicklungsprozess eine Schlüsselrolle ein. Das<br />

Erlernen der Sprache bei einem Kind kann weitgehend mit dem<br />

Beibringen von „Realität“ gleichgesetzt werden. Die Bedeutungen<br />

einzelner Wörter sind für das Kind noch nicht festgelegt. So ist z.B.<br />

die Idee des Selbst und der Vernunft im feudalistischen Mittelalter<br />

kaum denkbar gewesen und konnte erst durch die Struktur und<br />

Sprache einer modernen Gesellschaft entstehen. Die Bedeutungen<br />

einer Handlung oder eines Verhaltens werden immer durch den<br />

Kontext einer Gemeinschaft geprägt, in dem sie stattfinden. Eine<br />

„Wahrheit“ ohne („Glaubens-“) Gemeinschaft ist nicht möglich. In<br />

der postmodernen Gesellschaft gibt es nur „Wahrheiten“, die meist<br />

für kleinere Gemeinschaften gelten. Nach dieser Erkenntnis ist es<br />

wenig sinnvoll zu fragen, was wahr oder unwahr ist. Die wichtigere<br />

Frage lautet deshalb: „Was ist nützlich?“ Dem Begriff der Diagnose<br />

liegen das Denken des Modernismus und das Korrespondenzdenken<br />

der Sprache zugrunde. Diagnosen könnten z.B. Etiketten darstellen<br />

um eine bestimmte Ordnung aufrechtzuerhalten. Eine Diagnose<br />

ist demnach eine sprachliche Übereinkunft, die dazu dient auf<br />

bestimmte Weise irgendein Verhalten oder Ereignis sinnvoll zu machen<br />

und zu kategorisieren (vgl. auch Gergen et al., 1997). In der<br />

Regel führen Diagnosen dazu, dass das betroffene Individuum behandelt<br />

wird und eine Legitimation für die Therapie und Behandlungsmaßnahmen<br />

entsteht. Jedes Individuum befindet sich in Beziehungen<br />

und im Austausch mit unterschiedlichen Gemeinschaften.<br />

Der systemische Ansatz kann dabei helfen, die Koordination<br />

der Beziehungen funktionaler zu gestalten und zu ordnen. Als eine<br />

Metatheorie ist die systemische Sichtweise für einen besseren Umgang<br />

mit diesen multiplen (Beziehungs-)Realitäten, mit denen jedes<br />

Individuum umgeben ist, besonders geeignet. Ein guter Therapeut<br />

ist in der Lage, in verschiedene Theorien, Realitäts- und Sprachformen<br />

einzutauchen. Er ist ein wohlwollender Begleiter, der helfen<br />

kann, Bedeutungen zu kreieren. Er ist in dieser Weise an einer Rekonstruktion<br />

der Welt als interpersoneller Realität beteiligt. Die Beziehung<br />

hat eine zentrale Bedeutung, da wir als Individuen nicht in<br />

der Lage sind, aus Beziehungen heraustreten zu können. „Das Ding<br />

an sich“ mit einer „intrinsischen Wahrheit“ ist nicht existent, sondern<br />

es gibt nur die in Beziehungen gegebenen Bedeutungen. Die Bedeutung<br />

der Wörter entsteht erst durch den Zuhörer. Die Gefühle


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 67<br />

als wichtiger Bestandteil von Beziehungen sind als ein wichtiger Teil<br />

eines relationalen Flusses zu betrachten.<br />

Die Konzepte der zweiten Kybernetik können dazu beigetragen, den<br />

auch aus systemischer Sicht sinnvollen multimodalen Behandlungsansatz<br />

um eine ressourcenorientierte Sichtweise und lösungsorientierte<br />

Beratungspraxis zu bereichern und einen lösungsorientierten<br />

Dialog mit den Betroffenen zu fördern. Dazu gehören z.B.<br />

das reflektierende Team, lösungsfokussierte Beratung sowie das<br />

Coaching.<br />

Das Reflektierende Team (vgl. Andersen, 1990) könnte als ein nützliches<br />

sozialkonstruktionistisches Arbeitsinstrument in der Arbeit mit<br />

den Eltern und Helfern eingesetzt werden. Es handelt sich dabei um<br />

eine durch Tom Andersen initiierte Weiterentwicklung der Teamberatung,<br />

die durch die Mailänder Gruppe eingeführt wurde (vgl. Pisarsky,<br />

2000). Während in Mailand das therapeutische Team, das<br />

aus dem Interviewer und der reflektierenden Gruppe besteht, unsichtbar<br />

und unhörbar hinter dem Einwegspiegel in einem Nebenraum<br />

den Verlauf des Familiengespräches diskutiert, wurde nun im<br />

Beisein der übrigen Gesprächsteilnehmer über das bis dahin stattgefundene<br />

Gespräch reflektiert. Die Kommunikation zwischen den<br />

Therapeuten wird dadurch für alle am Gespräch Beteiligten transparent.<br />

Dieses Vorgehen trägt durch seine Transparenz bei und stärkt<br />

den Prozess eigene Sichtweisen zu entwickeln. Durch dieses offene<br />

Setting wird wirksam verhindert, dass die Idee einer „geheimen Expertenkonferenz“,<br />

deren Inhalte der Familie nur teilweise bekannt<br />

gemacht werden, entstehen kann.<br />

Einige Grundregeln haben sich für die Arbeit eines Reflecting Team<br />

(persönliche Mitteilung von Tom Andersen, 1991) als hilfreich erwiesen:<br />

- Der Teil des Teams, der dem Gespräch des Interview-<br />

Systems zuhört und anschließend spricht, während das Interview-System<br />

zuhört, wird das Reflektierende Team genannt<br />

- Die Kommentare des Reflecting Team sollen sich direkt auf<br />

das von dem „nach Lösungen suchenden System“ Gesagte<br />

beziehen<br />

- Differenzierungen sind wichtig, dabei sollten negative Urteile<br />

gemieden werden.


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 68<br />

- Hilfreich während der Reflexionsphase ist es, wenn die Mitglieder<br />

des Reflecting Teams den Blickkontakt mit den „Mitgliedern<br />

des nach Lösungen suchenden Systems“ meiden.<br />

- „Das nach Lösungen suchende System“ sollte immer die Gelegenheit<br />

haben das letzte Wort zu sagen („Möchten Sie dazu<br />

etwas sagen?“)<br />

- Es ist wichtig, dass ein Therapeut bei der Familie bleibt<br />

Die Fragen: „Wofür sollten wir die Sitzung nutzen?“ und „Wer sollte<br />

mit wem darüber reden und in welcher Weise und wann?“ können<br />

helfen das Gespräch auf relevante Inhalte zu fokussieren. Information<br />

entsteht immer dann, wenn es jemanden gelingt, in der Gesprächssituation<br />

sich zu äußern und eine Position zu beziehen.<br />

Folgende Rahmenbedingungen für Reflektierende Teams haben<br />

sich als nützlich erwiesen:<br />

- Das Team kann aus einem (nur dem Interviewer) oder bis zu<br />

vier oder sogar fünf Mitgliedern (dem Interviewer plus drei bis<br />

vier Teammitgliedern) zusammengesetzt sein.<br />

- Ist der Interviewer allein, äußert er ab und zu seine auch<br />

„spekulativen“ Ideen.<br />

- Ist außer dem Interviewer nur eine zunächst zuhörende Person<br />

anwesend, sollte sie meistens im Interview-Raum, seltener<br />

hinter einer Einwegscheibe sitzen. In einem solchen Fall<br />

tauschen beide nach einem Interviewteil ihre Reflexionen<br />

aus.<br />

- Es gibt nicht nur einen Weg, ein Reflektierendes Team zu organisieren.<br />

Es gibt viele Möglichkeiten und Arten es zu bilden,<br />

je nach den praktischen Umständen, den Wünschen<br />

und den Vorlieben der Teilnehmer.<br />

In Anlehnung an das Reflektierende Team und Balintgruppen kann<br />

auch die stärker strukturierte lösungsfokussierte Beratung (vgl. auch<br />

das Konzept von Jutta Rothenburg, persönliche Mitteilung 2004) mit<br />

einem Moderator und einem Komoderator für die Arbeit mit Eltern<br />

sinnvoll eingesetzt werden.


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 69<br />

Dieses Konzept sieht vor, dass ein bis zu 60 Minuten dauernder Beratungsdurchgang<br />

sich dabei aus fünf Abschnitten zusammensetzt:<br />

1. In der Präsentationsphase stellt der Ratsuchende sein Anliegen<br />

vor.<br />

2. In der Informationsphase stellen die anwesenden Gruppenmitglieder<br />

Verständnisfragen.<br />

3. In der Bestätigungsphase teilen die anderen Gruppenmitglieder<br />

mit, was sie am meisten (positiv) beeindruckt hat.<br />

4. In der Reflektionsphase soll jedes Gruppenmitglied zu Wort<br />

kommen und Ideen, Lösungen, Ratschläge generieren.<br />

5. Schließlich folgt die Auswertungsphase, in der der Ratsuchende<br />

wiedergibt, welche Anregungen für ihn bedeutsam waren. Er bedankt<br />

sich bei der Gruppe.<br />

Das Coaching ist eine ressourcenorientierte Suche nach individuell<br />

zugeschnittenen Lösungen und kann sich sowohl an das betroffene<br />

Kind, den Jugendlichen oder an die Eltern wenden. In einem ersten<br />

Schritt wird auf eine Analyse der Stärken fokussiert, die dann ausgebaut<br />

und erweitert werden. Verschiedene Frageformen (zirkuläre<br />

Fragen, reflexive Fragen, Verschlimmerungsfragen, Wunderfrage)<br />

können sinnvoll eingesetzt werden. Die Externalisierung kann als<br />

sprachliche Unterscheidung helfen, ein Problem als ein äußeres<br />

Ding zu betrachten, z.B. „Welchen Einfuß hat die Rechtschreibstörung<br />

auf dein Leben?“ oder „Wer kann wie dazu beitragen, dass der<br />

Rechtschreibfehlerteufel nicht mehr so viel Macht in deinem Leben<br />

hat?“. Durch die Einführung einer Außenperspektive können Entwicklungen<br />

angestoßen und begleitet werden. Auch Metaphern und<br />

Umdeutungen können im Rahmen des Coaching dazu beitragen,<br />

neue Sichtweisen zu entwickeln.<br />

Die systemische Perspektive bewährt sich vorzüglich als eine Art<br />

Metatheorie und Ausgangsbasis, um effiziente multimodale Behandlungskonzepte<br />

zu schaffen. Ihre Nützlichkeit und ihre Stärken<br />

liegen darin, einen ressourcen-, lösungsorientierten und partnerschaftlichen<br />

Dialog mit den Betroffenen zu fördern. Die bereits bewährten<br />

spezifischen Verfahren zur Förderung sowie die Übungsbehandlungen<br />

werden im Rahmen eines ganzheitlichen Therapie-


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 70<br />

plans genutzt und die systemübergreifende Zusammenarbeit mit<br />

dem Kind, Familie, Schule und anderen Helfern effektiver gestaltet.<br />

Anschriften der Autoren:<br />

Dr. med. Bodo Pisarsky<br />

Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie<br />

Tempelhofer Damm 138<br />

D-12099 Berlin<br />

Tel. 030/6946320<br />

Dipl.Psych. Manfred Mickley<br />

Sozialpädiatrischen Zentrum des Krankenhauses im Friedrichshain<br />

Landsberger Allee 49<br />

D-12049 Berlin<br />

Literatur:<br />

Andersen, T. (Hrsg) (1990) Das reflektierende Team. Dialoge und Dialoge über<br />

die Dialoge. Dortmund: verlag modernes lernen.<br />

Balgo, R., Werning, R. (Hg.), (2003) Lernen und Lernprobleme im systemischen<br />

Diskurs. Dortmund: Borgmann.<br />

Barth, K., Gomm, B. (2004) Gruppentest zur Früherkennung von Lese- und<br />

Rechtschreibschwierigkeiten. Phonologische Bewusstheit bei Kindergartenkindern<br />

und Schulanfängern (PB-LRS). München: Ernst Reinhard Verlag.<br />

Bertalanffy, L.v. (1968) General Systems Theory. New York: George Braziller.<br />

Betz,D, Breuninger, H. (1998) Teufelskreis Lernstörungen. Weinheim: PVU. 5.<br />

Auflage.<br />

Bierbaum-Luttermann, H., Mrochen, S. (1998) Hypnotherapeutische und systemische<br />

Interventionen bei Lern- und Leistungsstörungen, VCR.<br />

Born, A.; Oehler, C. (2002) Lernen mit ADS-Kindern. Ein Praxisbuch für Eltern,<br />

Lehrer und Therapeuten. Stuttgart: Kohlhammer.<br />

Daum, O. (2003) Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten – Perspektiven konstruktivistischen<br />

Denkens. In: Balgo, R., Werning, R. (Hg.), Lernen und Lernprobleme<br />

im systemischen Diskurs. Borgmann. Dortmund. S. 255-276.


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<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 76<br />

Neue Wege in der Jugendhilfe<br />

Die stationäre Behandlung von Kindern<br />

mit ADHS<br />

in Wohngruppen der Jugendhilfe<br />

ADHS in der Jugendhilfe<br />

Nicole Bach, Regina Freisberg, Ulrich Preuss<br />

Ausgangslage<br />

Es werden vermehrt Kinder mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-<br />

Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) in Jugendhilfeeinrichtungen aus<br />

verschieden Gründen platziert. In den meisten Fällen treffen die<br />

Kinder auf das Regelangebot der Jugendhilfe und der sonderschulischen<br />

Versorgung.<br />

ADHS ist eine Störung, die einer frühzeitigen Diagnose und kontinuierlichen<br />

Therapie bedarf. Ungefähr 7 % aller Schulkinder sind<br />

weltweit von ADHS betroffen, d. h., 1-2 Kinder pro Schulklasse und<br />

ihre Familien zeigen entsprechende Symptome bzw. erleben die<br />

Folgen im familiären und weiteren sozialen Umfeld (Barkley, 2002).<br />

Zusätzlich treten komorbide Störungen auf, die sich u. a. in dissozialen,<br />

kriminellen Verhaltensweisen oder durch psychische Erkrankungen<br />

äußern (z.B. Phobien, Suchterkrankungen, Depressionen).<br />

Neben den Einschränkungen im Bereich der Entwicklungsaufgaben,<br />

finden sich oft umfangreiche schulische Leistungsdefizite und Probleme<br />

im Umgang mit den Eltern oder Pflegeeltern, die allein mit dem<br />

Mitteln, die den Eltern und Regelschulen zur Verfügung stehen,<br />

nicht zu beheben sind. In diesem Bereich bedarf es jedoch einer<br />

spezifischen Betreuung der betroffenen Kinder, Jugendlichen und<br />

ihrer Eltern. Dazu müssen speziell ausgebildete Betreuer und ein<br />

besonderes schulisches Angebot zur Verfügung gestellt werden.<br />

Wissenschaftlich belegte Methoden sollten verwandt werden, die<br />

helfen die Möglichkeiten der Jugendhilfe optimal auszuschöpfen. El-


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 77<br />

tern oder Pflegeeltern sollen in den erzieherischen Prozess integriert<br />

werden. Methode der Wahl ist hierbei nicht eine jugendhelferische<br />

Regelbetreuung, sondern ein intensives und vielfältiges Angebot,<br />

das die Ressourcen der Kinder und ihrer Eltern entwickelt.<br />

Der Aufnahmegrund in eine Jugendhilfeeinrichtung ist nicht ausschließlich<br />

eine diagnostizierte ADHS, weil diese in der Regel am<br />

besten ambulant behandelt wird. Viele Kinder haben über lange Zeit<br />

hinweg als Folge der ADHS-Problematik die unterschiedlichsten<br />

auffälligen Verhaltensweisen ausgebildet. Deshalb sind die primären<br />

Aufnahmegründe Störungen des Sozialverhaltens, dissoziale<br />

und aggressive Auffälligkeiten (z.B. Stehlen, Lügen, Streunen, Wutausbrüche,<br />

Sachbeschädigung, eigen- und fremd gefährdendes<br />

Verhalten, oppositionelles Verhalten, Probleme im Kontakt zu<br />

Gleichaltrigen usw.). Häufig wird dabei nicht anerkannt, dass diese<br />

Auffälligkeiten Resultat eines unzureichenden oder ungeeigneten<br />

Umgangs mit den Kindern sind. Deshalb ist es nicht verwunderlich,<br />

dass diese Kinder oft eine „lange Odyssee“ durch verschiedene Angebote<br />

der Jugendhilfe hinter sich haben, weil eine speziell auf ihre<br />

Störung abgestimmte Betreuung trotz geeigneter medizinischer<br />

Therapie bisher nicht erfolgte. Konventionelle Erziehungsmethoden,<br />

die nicht die Besonderheiten des Störungsbildes berücksichtigen,<br />

erzielen eher negative oder keine pädagogischen Effekte und sind<br />

zur Förderung der Kinder und Jugendlichen nicht geeignet. Im Bereich<br />

der Schule benötigen die Kinder ein spezielles Förderangebot,<br />

das die erworbenen Defizite ausgleicht, das sich am Alter und dem<br />

individuellen kognitiven und schulischen Entwicklungstand der Kinder<br />

orientiert und das durch ein schulisches Zusatzangebot auf den<br />

betreuenden Gruppen ergänzt werden muss. Weiterhin ist ein Training<br />

sozialer Kompetenzen zu gewährleisten, um die Interaktionsprobleme<br />

der Kinder aufzugreifen. Dies hat zum Ziel, alterstypische<br />

Freundschaften und Kooperation unter den Kindern und Jugendlichen<br />

zu verbessern. Das schulische Angebot muss schulintern, aber<br />

im Gruppenalltag durch ein Sportangebot ergänzt werden (Frölich,<br />

2000), das motorische Defizite kompensiert und Fähigkeiten<br />

verbessert, wodurch sowohl das Unfallrisiko gesenkt wird und<br />

gleichzeitig auch der erlebte Selbstwert verbessert wird.


Möglichkeiten einer Behandlung in der Heimerziehung<br />

<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 78<br />

Seit September 2004 wird im Jugendhilfezentrum Bernardshof in<br />

Mayen eine spezifische Intensivgruppe für Kinder und Jugendliche<br />

mit ADHS und ihre Eltern angeboten, für die ein auf die Probleme<br />

dieser Kinder zugeschnittenes Konzept entwickelt wurde. Diese<br />

Gruppe entwickelte sich aus einem Angebot, dass sich an den Bedürfnissen<br />

extrem verhaltensauffälliger und/oder lernbehinderter<br />

Kinder ausrichtete, die einen hohen Betreuungsaufwand benötigen.<br />

Vermehrt wurden aufgrund der Nachfrage Kinder mit einer diagnostizierten<br />

ADHS mit komorbiden Störungen aufgenommen, die bereits<br />

verschiedene Stationen der Jugendhilfe durchlaufen hatten.<br />

Sehr schnell stellte sich heraus, dass diese Kinder zusätzlich zum<br />

konsequenten, hoch strukturierten Tagesablauf eine weitergehende<br />

Betreuung und Versorgung benötigten. Die Gruppe „Die Marienburg“<br />

wurde dadurch zu einer Intensivgruppe für Kinder und Jugendliche<br />

mit einer Aufmerksamkeits- und/oder Hyperaktivitätsstörung<br />

umstrukturiert. Aufgrund dieser Veränderung wurde das Konzept<br />

der Gruppe überarbeitet und vollständig auf die Betreuung von<br />

Kindern mit ADHS ausgerichtet, die schwere Erziehungsprobleme,<br />

ausgeprägte Defizite der sozialen Integration und umfangreiche zusätzliche<br />

Störungen aufwiesen. Ein wesentliches Merkmal der Belastung<br />

dieser Kinder ist, dass mit den üblichen Methoden im Elternhaus<br />

diese Kinder trotz erfolgreicher psychiatrischer Behandlung<br />

weder die erzieherische Reaktion noch die schulische Situation<br />

positiv gefördert werden konnte. Dadurch kommt es zu schweren<br />

Beeinträchtigungen der Lebensqualität von Eltern und Kindern, eine<br />

Entwicklungsgefährdung kann nicht ausgeschlossen werden bzw.<br />

hat sich schon durch z. B. Weglaufen, Gewalt, Schulverweigerung<br />

und Kriminalität manifestiert.<br />

Zur personellen Ausstattung dieser Intensivgruppe gehören 3 Erzieher/<br />

innen, 2 Sozialpädagogen/ innen, 1 Diplom-Pädagogin, eine<br />

interne Beschulung durch die Unesco-Projekt-Schule sowie 1 Diplom-Sportlehrer.<br />

Zusätzliche Angebote sind Psychologischer Dienst,<br />

Heilpädagogischer Dienst, Therapeutisches Reiten und Erlebnispädagogik.<br />

Die konzeptionellen Neuerungen für diese Intensivgruppe enthalten<br />

ein multimodales, integratives pädagogisches Behandlungskonzept


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 79<br />

für schulpflichtige Kinder und Jugendliche im Alter von 6 bis 16 Jahren.<br />

Global sollen folgende Ziele im Sinne der Pädagogik realisiert werden:<br />

Durch gezielte, der Störung des Kindes angemessene pädagogische<br />

Interventionen wird versucht, Einschränkungen aufzuheben<br />

oder zumindest zu kompensieren oder ihrer weiteren Verschlechterung<br />

entgegenzuwirken.<br />

Die Maßnahmen im Einzelnen sind:<br />

• Nachentwicklung von Basisfertigkeiten wie Lernen, Wahrnehmen,<br />

Konzentrieren, Denken, Handeln in vielen kleinen<br />

überschaubaren Schritten<br />

• Training der Motorik (Turnen, Schwimmen, etc.)<br />

• Kognitionen und Emotionen entwickeln und stützen<br />

• Selbstwert, Gefühl der Angemessenheit, Kontaktfähigkeit<br />

fördern<br />

• Erziehung zur Selbständigkeit<br />

• Entwicklung von sozialen Fertigkeiten und sozialem Verständnis<br />

Stunden; 36<br />

Stundenverteilung Erziehungsgruppe<br />

(Angaben in Zeitstunden / Woche)<br />

Stunden; 1<br />

Stunden; 2<br />

Stunden; 1,5<br />

Stunden; 4<br />

Stunden; 5,5<br />

Stunden; 6<br />

Abbildung 1: Wochenplan Zeitaufteilung<br />

Therapeutisches Reiten<br />

Marburgerverhaltenstraining<br />

Lauth- Training<br />

THOP<br />

Gruppensport<br />

Individualsport<br />

Freizeitangebote


Ablauf der Betreuung auf der Intensivgruppe<br />

<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 80<br />

Vor Beginn der Aufnahme werden Anamnese, medizinische und<br />

psychodiagnostische Vorbefunde ausgewertet und geprüft, ob weitere<br />

Diagnostik zur Vorbereitung der Planung der Jugendhilfemaßnahme<br />

erforderlich ist. In dieser Phase wird in Abstimmung mit den<br />

behandelnden Ärzten und Psychologen oder Psychotherapeuten<br />

das weitere Vorgehen entwickelt. Ziel ist, soweit dies räumlich möglich<br />

ist, eine Kontinuität der Behandlung bei den betreuenden Therapeuten<br />

aufrecht zu erhalten.<br />

Eine zentrale Bedingung zur Aufnahme ist, dass eine wissenschaftlich<br />

anerkannte und nach ärztlicher Einschätzung notwendige und<br />

geeignete Behandlung der ADHS durchgeführt wird (Purdie et al.,<br />

2002) und die Behandlung in Absprache und bei regelmäßigen Kontrollen<br />

während des gesamten Zeitraums der Jugendhilfemaßnahme<br />

durchgeführt wird. Grundsätzlich wird von einer Behandlungsdauer<br />

von einem Jahr ausgegangen, die durch die Zustimmung der<br />

Eltern und der Kostenträger garantiert werden muss.<br />

Sollten die Eltern eigenmächtig Teile der Behandlung (z.B. die Medikation)<br />

beenden wollen, obwohl aus ärztlicher Sicht eine weitere<br />

Behandlungsnotwendigkeit besteht, stellt dies die Aufnahme oder<br />

den Verbleib in der Maßnahme zunächst in Frage. Medizinische,<br />

psychotherapeutische und jugendhelferische Maßnahmen sollen<br />

über die gesamte Zeit eine Einheit bilden, deren zentrale Eckpfeiler<br />

nur in gegenseitiger Abstimmung verändert werden dürfen. Sinnvolle<br />

Modifikationen der Behandlung werden in gegenseitiger Absprache<br />

von Eltern und Fachpersonen durchgeführt. Das Gruppenteam<br />

behält sich jederzeit bei Problemen, die durch mangelnde Einhaltung<br />

des Behandlungsprogramms hervorgerufen wurden, vor, einen<br />

zeitlich begrenzten oder endgültigen Abbruch der Maßnahme vorzunehmen.<br />

Die Aufnahmediagnostik, die dazu dient, die speziellen Bedürfnisse<br />

des Kindes zu identifizieren, wird vom Psychologen des Jugendhilfezentrums<br />

Bernardshof durchgeführt. Die individuelle Diagnostik<br />

umfasst ebenfalls psychometrische Testverfahren zur Messung der<br />

Intelligenz, des Antriebs, der Wahrnehmung, der Konzentration und


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 81<br />

der Merkfähigkeit sowie von Persönlichkeitsstörungen und spezifischen<br />

Problemen.<br />

Bei allen Schritten werden die Eltern eingebunden, um Offenheit<br />

und eine allgemeine familiäre Zustimmung für die geplanten Maßnahmen<br />

zu erreichen. Weiterhin werden zur Evaluation des Erfolgs<br />

der Maßnahmen verschiedene empirische Methoden für eine angemessene<br />

Diagnostik angewendet. Das Jugendhilfezentrum Bernardshof<br />

beteiligt sich an der Evaluation, die durch das Institut für<br />

Kinder- und Jugendhilfe (1999), Projekt-Design EVAS (Evaluationsstudie<br />

erzieherischer Hilfen) durchgeführt wird.<br />

Neben den Gesprächen mit Familienangehörigen, ehemaligen Lehrern<br />

und Betreuern werden situationsabhängige Verhaltensbeobachtungen<br />

durchgeführt.<br />

Während der gesamten Behandlung wird eine enge interdisziplinäre<br />

Zusammenarbeit zwischen Pädagogen, Psychologen, Therapeuten<br />

und Ärzten durchgeführt. Die Zustimmung der Eltern oder Sorgeberechtigten<br />

zu dieser Zusammenarbeit und dem Fachgruppen übergreifenden<br />

Informationsaustausch ist eine Grundbedingung für die<br />

Aufnahme der Kinder auf die Intensivgruppe.<br />

Nach Abschluss der Diagnostikphase wird für jedes Kind und dessen<br />

Eltern ein individueller Behandlungsplan erstellt. Eine weitere<br />

unabdingbare Vorraussetzung für eine Aufnahme des Kindes ist<br />

neben der diagnostizierten ADHS die Bereitschaft der Eltern zur aktiven<br />

Mit- bzw. Zusammenarbeit. Die Elternarbeit ist ein zentraler<br />

Baustein des pädagogischen Konzeptes. Es findet im festen<br />

Rhythmus ein obligatorisches Elterntraining in der Jugendhilfeeinrichtung<br />

statt. Die Eltern werden über die Störung ADHS aufgeklärt<br />

und für die Probleme ihrer Kinder sensibilisiert. Sie lernen in<br />

Workshops und bei begleiteten Elternwochenenden neue Erziehungspraktiken<br />

und Kommunikationsmethoden und deren praktische<br />

Umsetzung in das Familienleben zusammen mit ihren Kindern<br />

oder unter sich kennen. Neben dem psychoedukativen Aspekt wird<br />

auch auf Hilfe zur Selbsthilfe besonderer Wert gelegt. Die Eltern<br />

haben Gelegenheit gleichzeitig durch das Training und voneinander<br />

zu lernen. Sie bilden eine Art Selbsthilfegruppe mit fachlicher Unterstützung.<br />

Ein Appartement für Eltern ist für das Übungsprogramm an die<br />

Gruppe angegliedert. Unterstützende Hilfe erfahren die Eltern beim<br />

Aufstellen von Verstärker- bzw. Punkteplänen. Beim Elterntraining


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 82<br />

werden bewährte Methoden des THOP-Programms („Therapieprogramm<br />

für Kinder mit hyperkinetischen und oppositionellem<br />

Problemverhalten“) angewendet (Döpfner et al., 1998, 2002). Nur<br />

durch eine intensive, regelmäßige Zusammenarbeit mit den Eltern<br />

und deren Bereitschaft, das Erlernte konsequent bei der Erziehung<br />

anzuwenden, ist eine dauerhafte Verhaltensänderung bei den Kindern/Jugendlichen<br />

und somit eine Rückführung ins Elternhaus möglich.<br />

Dies ist die zentrale Botschaft, die während der gesamten<br />

Maßnahme den Eltern und Kindern vermittelt werden soll.<br />

Neben der Elternarbeit werden verschiedene anerkannte Behandlungsmethoden<br />

zur Therapie von ADHS eingesetzt. Einmal wöchentlich<br />

werden das Marburger Verhaltenstraining und das Lauth-<br />

Programm durchgeführt. Während das Marburger Verhaltenstraining<br />

eher auf spielerische Art zur Förderung sozialverträglicher Verhaltensweisen<br />

beiträgt (Krowatschek, 2003), wird das Lauth-<br />

Programm gezielt als therapeutisches Angebot zum Erwerb altersentsprechender<br />

Kompetenzen genutzt (Lauth, 2002).<br />

Weitere feste Bestandteile des Behandlungsplanes liegen in der<br />

täglichen sportlichen Förderung der Kinder, in erlebnispädagogischen<br />

Angeboten und einer gesunden, ausgewogenen Ernährungsweise,<br />

die einen möglichen Zusammenhang zwischen ADHS<br />

und täglichem Essverhalten berücksichtigt. Neben einer sozial<br />

strukturierten Nahrungsaufnahme, soll auch die Menge und Qualität<br />

kontrolliert werden. Dabei wird auf vielfältige und wertvolle Nährmittelauswahl<br />

geachtet, um eine Monodiät durch „Junk-Food“ zu vermeiden.<br />

Die Ernährung erfolgt Gewichts- bzw. Body Mass Index orientiert,<br />

um Unter- oder Übergewichtsprobleme zu verhindern und<br />

die körperliche Entwicklung und Gesundheit zu fördern.<br />

Die Interessenentwicklung der Kinder soll gefördert werden und Ziel<br />

ist es, dass die Kinder mit der Zeit Neigungen im sportlichen und<br />

anderen Bereichen entwickeln und ausbauen. Interesse an Sportvereinen<br />

oder anderen Hobbys wird gezielt gefördert, wobei neben<br />

dem Angebot der Jugendhilfeeinrichtung auch die Möglichkeiten der<br />

lokalen Vereine und Angebote genutzt werden können, wenn die<br />

Kinder dazu bereit sein sollten.


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 83<br />

Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der internen Beschulung der Kinder<br />

durch speziell geschulte Lehrerinnen und Lehrer. Alle Kinder<br />

werden zuerst nach einem individuellen Förderplan in der UNES-<br />

CO-Projekt-Schule des Jugendhilfezentrum Bernardshof beschult.<br />

Es wird Einzel- und Kleingruppenunterricht auf der Wohngruppe<br />

angeboten (Krowatschek, 2003). Der intensive Austausch zwischen<br />

der Wohngruppe und dem Lehrpersonal ermöglicht eine konsequente,<br />

kontinuierliche schulische und außerschulische Betreuung.<br />

Eine Re-Integration in den regulären Schulbetrieb in einer externen<br />

Schulform wird angestrebt. Dabei sollen die Kinder letztlich die für<br />

sie am besten geeignete Schule besuchen können, d.h. wenn ein<br />

Kind Potentiale für den Besuch eines Gymnasiums hat, dann wird<br />

dies gefördert, auch wenn dies für alle Beteiligten zu Beginn einen<br />

höheren Aufwand bedeuten kann.<br />

Unesco - Projekt - Schule<br />

Schulstundenverteilung<br />

Schulstunden; 6<br />

Schulstunden; 7<br />

Schulstunden; 2<br />

Schulstunden; 18<br />

Differenzierung<br />

Förderunterricht<br />

Sport<br />

Zusatzangebote<br />

Abbildung 2: Anteile des Sonderschulangebotes (Schule für Erziehungshilfe)<br />

Durch die stationäre Unterbringung wird eine intensive Arbeit und<br />

pädagogische Betreuung ermöglicht. Das Zusammenwohnen von<br />

insgesamt höchstens 7 Kindern und Jugendlichen in einer Wohngruppe<br />

bietet ein gutes Übungsfeld zur Einübung von sozialen<br />

Kompetenzen. Das Zusammenleben ist familiär und alltags orientiert.<br />

Ziel ist es Grundkompetenzen der alltäglichen Tätigkeiten altersgemäß<br />

zu entwickeln und zu fördern.


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 84<br />

Die Regeln der Gruppe sind kindgerecht und transparent, gezielte<br />

Verstärkerprogramme dienen als Ansporn und Ermutigung zu<br />

Einstellungs- und Verhaltensänderungen. Regeln und Verstärkerpläne<br />

werden mit jedem Kind einzeln durchgesprochen und vereinbart<br />

(Scheres et al., 2002). Die Kinder erleben es vielfach entlastend,<br />

mit Kindern und Jugendlichen mit ähnlichen Problemen zusammenzuleben.<br />

Durch die gegenseitige Akzeptanz wird ihr Selbstvertrauen<br />

gestärkt und positive soziale Erfahrungen geschaffen. Die<br />

gezielte, intensive und zeitlich begrenzte Therapie hilft, dauerhafte<br />

Verhaltensänderungen zu bewirken. Im elterlichen Haushalt werden<br />

die Regeln und Verstärkerprogramme weitergeführt. Überprüft wird<br />

die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen durch standardisierte<br />

Testverfahren, Standortbestimmungen, Modifikationen des Plans,<br />

Adaptation der vereinbarten Ziele an veränderte Bedingungen. Regelmäßige<br />

Gespräche mit den Eltern und den zuständigen Jugendämtern<br />

ergänzen das Angebot und dienen weiterhin zur Überprüfung<br />

und ggf. Revision der Behandlungsziele. Wie bereits oben erwähnt,<br />

findet die externe Evaluation durch die Teilnahme an der Effektivitätsstudie<br />

EVAS (Institut für Kinder- und Jugendhilfe) statt. Intern<br />

wird die Wirksamkeit durch multiple Erfolgkontrollen durch die<br />

Mitarbeiter durchgeführt.<br />

Ausblick<br />

Seit einiger Zeit besteht das Angebot der pädagogischen Intensivbetreuung<br />

der Kinder und Jugendlichen mit ADHS im Jugendhilfezentrum<br />

Bernardshof. Erste Effekte sind zu verzeichnen und das<br />

Konzept wird von den Kindern und Eltern sehr positiv gestimmt angenommen.<br />

Insbesondere die Integration der Eltern einschließlich<br />

Teilnahme am Gruppenleben findet positive Resonanz und scheint<br />

sehr wirksam zu sein. Die Eltern geben auch an, dass gerade das<br />

Elterntraining sich sehr positiv gestaltet und für sie besonders notwendig<br />

sei, da sie trotz vielfältiger Informationen einen Mangel an<br />

praktischen Hinweisen für den Umgang mit ihren Kindern haben,<br />

der dadurch behoben werden konnte.<br />

Die Konzeption scheint aufzugehen, dass nur erfahrene Betreuerinnen<br />

und Betreuer mit den Kindern das Behandlungsprogramm<br />

durchführen. Einerseits wird dadurch Kontinuität der pädagogischen<br />

Begleitung gewährleistet, andererseits können sich die Teammit-


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 85<br />

glieder kontinuierlich durch fachliche Fortbildung und durch die Erfahrungen<br />

bei der Arbeit mit den Kindern spezialisieren, so dass ein<br />

Angebot gewährleistet werden kann, dass in Jugendlichengruppen<br />

mit gemischten Problemlagen nicht möglich ist.<br />

Durch Konzentration von Kindern mit einer aktiven Symptomatik<br />

wurde erwartet, dass es ggf. zu mehr Konflikten und Störungen des<br />

Gruppenablaufes kommen könnte. Bisher konnte aber vermehrte<br />

Unruhe oder eine Steigerung der Konflikte nicht beobachtet werden.<br />

Es wird davon ausgegangen, dass bei angemessen behandelten<br />

Kindern durch die Zusammenfassung auf einer Gruppe die positiven<br />

Effekte der Spezialisierung überwiegen werden.<br />

Wesentlich werden jedoch die objektiven Ergebnisse der Evaluation,<br />

der Überprüfung der Effekte, der Schulerfolg und die Zufriedenheit<br />

der Eltern und Kinder sein, um die Wirksamkeit dieses neuartigen<br />

Gruppenangebotes zu erfassen.<br />

Eine intensive, individuelle stationäre Behandlung von Kindern und<br />

Jugendlichen mit einer ADHS ist eine viel versprechende Möglichkeit<br />

mit bewährten und neuen Behandlungsmethoden zielorientiert<br />

und in einem zeitlich überschaubaren Rahmen effektiv zu helfen.<br />

Den Kindern und Jugendlichen werden Methoden vermittelt, um mit<br />

ihrer Störung und ihren Problemen besser umgehen zu können. Sie<br />

lernen ihre Störung zu akzeptieren und selber Strategien zu entwickeln,<br />

Schwierigkeiten zu lösen. Durch das intensive Training werden<br />

dauerhafte Verhaltensänderungen erzielt und soziale Kompetenzen<br />

geschult, die den Kindern helfen, sich wieder störungsfrei in<br />

das gesellschaftliche Leben zu integrieren. Die Eltern lernen ebenfalls<br />

mit den Auffälligkeiten ihrer Kinder umzugehen und angemessen<br />

zu agieren. Ein Familienleben ohne primär durch ADHS bedingte<br />

Belastungen und schwere Konflikte wird wieder möglich. Im Hinblick<br />

auf die Zukunft der Kinder ist die stationäre Behandlung in Jugendhilfeeinrichtungen<br />

eine aussichtsreiche Möglichkeit, Kinder<br />

bzw. Jugendliche auf den „richtigen Weg zu bringen“ und sie mit<br />

neuem Selbstvertrauen ihr Leben selbständig meistern zu lassen.<br />

Die schweren Fälle von Kindern bzw. Familien mit ADHS müssen<br />

weiterhin entsprechend durch die Kinder- und Jugendpsychiatrie<br />

versorgt werden. Das Angebot in der Jugendhilfe stellt eine Ergänzung<br />

und notwendige Erweiterung der stationären Maßnahmen dar,<br />

um eine multimodale Behandlung bei ADHS zu gewährleisten.


Anschriften der Autoren:<br />

Nicole Bach, Regina Freisberg<br />

Jugendhilfezentrum Bernardshof<br />

Die Marienburg – Die Gruppe für Kinder mit ADHS<br />

Polcher Strasse<br />

56727 Mayen<br />

02651- 8008-22<br />

Email: info@jhz-bernardshof.de<br />

<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 86<br />

Dr. Ulrich Preuss<br />

Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie<br />

Diplom-Psychologe<br />

Forschungsabteilung<br />

Universitätsklinik für Kinder- und<br />

Jugendpsychiatrie Psychotherapie Bern<br />

Universitäre Psychiatrische Dienste Bern<br />

Effingerstrasse 12<br />

CH-3011 Bern<br />

Schweiz<br />

Literatur:<br />

Barkley, R. A. (2002). Das große ADHS-Handbuch für Eltern. Bern: Huber.<br />

Döpfner, M., Schürmann, S., Frölich, J. (1998). Therapie Programm für Kinder mit<br />

hyperkinetischem und oppositionellem Problemverhalten (THOP). Weinheim:<br />

Psychologie Verlags Union,<br />

Döpfner, M., Schürmann,, S., Lehmkuhl, G. (2002) Wackelpeter und Trotzkopf.<br />

Weinheim: Beltz.<br />

Frölich, J. (2000). Frühe Interventionen bei hyperkinetischem Problemverhalten.<br />

In: Praxis der Psychomotorik, Jg. 25/4, 212-219<br />

Institut für Kinder- und Jugendhilfe: Projekt-Design EVAS (Evaluationsstudie erzieherischer<br />

Hilfen). http://www.ikj-mainz.de/Frames/Haupt/EVAS.htm, Zugriff am<br />

13.5.<strong>2005</strong>.<br />

Krowatschek, D. (2002) Überaktive Kinder im Unterricht. Dortmund: borgmann<br />

Krowatschek, D. (2003). ADS und ADHS - Diagnose und Training. Dortmund:<br />

Borgmann, 2003.<br />

Lauth, G.W., Schlottke, P.F. (2002). Training mit aufmerksamkeitsgestörten Kindern.<br />

Weinheim: Beltz.


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 87<br />

Purdie, N., Hattie, J. & Carroll, A. (2002). A review of the research on interventions<br />

for attention deficit hyperactivity disorder: What works best? Review of Educational<br />

Research, 72, 61-99.<br />

Zimmer, R (1996): Die Entwicklung des Selbstkonzeptes für die Entwicklung hyperaktiver<br />

Kinder. In: Passolt, M (Hrsg.): Mototherapeutische Arbeit mit hyperaktiven<br />

Kindern, München: Reinhardt 1996, S. 29 - 44<br />

Scheres, A., Oosterlaan, J. & Sergeant, J.A. (2001). Response execution and inhibition<br />

with children with AD/HD and other disruptive disorders: The role of behavioral<br />

activation. Journal of Child Psychology and Psychiatry, 42, 347-357.


Buchrezensionen<br />

<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 88<br />

Riederle, Josef: Kampfesspiele, machen Spaß und unterstützen<br />

Jungen in ihrer persönlichen Entwicklung. Hrsg. Gewalt Akademie<br />

Villigst, Schwerte, 2003, www.gewaltakademie.de, 120 S., 5,-€.<br />

Es gibt sie noch die alten Spiele. In diesem Buch finden sich 84<br />

Spiele, in denen „gekämpft“ wird, nicht nur für Jungen. Der Titel ist<br />

etwas gewöhnungsbedürftig, versucht aber an das zentrale Anliegen<br />

des Buches, Methoden zur Gewaltprävention vorzustellen, anzuknüpfen.<br />

Wie der Autor erläutert regen Kampfesspiele einen positiven, fairen<br />

Umgang mit Aggression an. Sie stärken dadurch das Selbstvertrauen<br />

und die Handlungsfähigkeit. Im Handeln erfolgt eine Auseinandersetzung<br />

mit Gefühlen wie Scham, „Gesichtsverlust“ und Ehre.<br />

Ein fairer Gewinn wird von anderen geachtet, „Angstmacher“ werden<br />

gemieden.<br />

Das Buch ist kein Therapieratgeber für den Umgang mit dissozialen<br />

Jugendlichen, doch die Ideen lassen sich in eine Gruppentherapie<br />

aufnehmen. Vertreten wird ein jungenpädagogischer Ansatz, der mit<br />

Ritualen und Reflexion zu einer Verbesserung der Selbstbehauptung<br />

führt. Bei Auseinandersetzungen sind insbesondere bei<br />

Jungen zwei Schutzmechanismen möglich: der „unehrenhafte“<br />

Rückzug, oder der gewalttätige Angriff. Beiden zugrunde liegt eine<br />

Konfliktunfähigkeit, die sich mit Hilfe der „Kampfesspiele“ verbessern<br />

lässt.<br />

In der Einführung des Buches wird auf den Hintergrund der „Kampfesspiele“<br />

eingegangen und die Schwierigkeiten von Jungen auf ihrer<br />

Suche nach Männlichkeit beleuchtet. Kritisch wird die oft vorhandene<br />

Abwesenheit von männlichen Vorbildern in der Pubertätsphase<br />

gesehen und die daraus resultierende „Abgrenzungsidentität“<br />

(von den Frauen). Angst darf es nicht geben, so dass oft nur noch<br />

eine Angespanntheit und innere Unruhe „gefühlt“ wird.<br />

Nach der Betrachtung der Funktion von Ritualen werden die verschiedenen<br />

Rituale vor, während und nach den „Kampfesspielen“<br />

beschrieben.


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 89<br />

Wichtig sind die Hinweise auf einzurichtende „Handicaps“, wenn<br />

zwei oder mehr „Kämpfer“ unterschiedliche Vorraussetzungen mitbringen.<br />

Die Spiele werden unterteilt in eher bewegungs- und eher kampforientiert.<br />

Es wird zu jedem Spiel angegeben, ob es für drinnen oder<br />

draußen geeignet ist, die Anzahl der Teilnehmer, Dauer und benötigte<br />

Materialien.<br />

Viele Spiele sind aus eigener Kindheit bekannt, bzw. weit verbreitet,<br />

z. B. Schubkarrenrennen oder Reiterkampf. In diesem Buch wird<br />

man für die Arbeit in Gruppen ein schnelles Nachschlagewerk finden,<br />

um für unterschiedliche Teilnehmer „passende“ Spiele zu finden.<br />

Den Abschluss des Buches bilden vier Berichte von Pädagogen und<br />

ihre Erfahrungen mit den „Kampfesspielen“ in unterschiedlichen<br />

Settings, z. B. im Rahmen von Streetwork. U.a. werden auch die<br />

möglichen Auswirkungen auf Gewalt-Täter reflektiert.<br />

Insgesamt ein sehr gelungenes Buch, welches sich einem Aspekt<br />

der Schwierigkeiten in der Identitätsentwicklung insbesondere von<br />

Jungen widmet und der sich daraus eventuell resultierenden Gewaltbereitschaft<br />

„Kampfesspiele“ entgegensetzt.<br />

Dr. med. Uwe Scheffler, Münster


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 90<br />

Haim Omer, Arist von Schlippe (2004): Autorität durch Beziehung.<br />

Die Praxis des gewaltlosen Widerstands in der Erziehung. Göttingen:<br />

Vandenhoeck & Ruprecht. 262 S., 19.90 Euro<br />

Nach „Autorität ohne Gewalt“ im Jahr 2002 erschien nun das zweite<br />

Buch des israelisch-deutschen Autorenteams, von dem noch lange<br />

die Rede sein wird. Haim Omer ist Professor für Psychologie an der<br />

Universität in Tel Aviv, Arist von Schlippe ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

am Fachbereich Psychologie der Universität Osnabrück<br />

und Lehrtherapeut am Institut für Familientherapie in Weinheim.<br />

Mit dem Wandel der gesellschaftlichen Bedingungen haben sich die<br />

in früherer Zeit eindeutig definierten Rollen für Erwachsene, Eltern,<br />

Kinder und Jugendliche stark verändert. Viele Erwachsene verhalten<br />

sich tendenziell zunehmend jugendlicher und viele Jugendliche<br />

zunehmend erwachsener. Die Eltern verlieren in der heutigen Zeit<br />

immer mehr ihre Autorität und Dominanz in der Familie, sind oft<br />

verunsichert, fühlen sich inkompetent und fürchten sich sogar<br />

manchmal vor den eigenen Kindern. Auch unsere Vorstellungen<br />

von Erziehung sollten diesem Wandel Rechnung tragen. Die systemische<br />

Sichtweise betrachtet die Beziehungsdynamik zwischen<br />

Kindern und Eltern als selbst organisiert. Je stärker Eltern anfangen<br />

sich „pädagogisch“ und „strukturierend“ zu verhalten, desto künstlicher<br />

und unspontaner kann es wirken, da sich Selbstorganisationsdynamiken<br />

nicht erzwingen lassen. In der systemischen Sichtweise<br />

geht es nicht darum, den Eltern zu sagen, wie die richtige Erziehung<br />

geht, sondern darum, mit ihnen gemeinsam nach Rahmenbedingungen<br />

zu suchen, die konstruktive Selbstorganisationsprozesse in<br />

Gang bringen können, in denen sich Beziehungen entwickeln können.<br />

Eine eskalierende Beziehungsdynamik kann eine symmetrische<br />

und eine komplementäre oder Mischformen annehmen. Bei<br />

der symmetrischen Eskalation kommt es zu einem gegenseitigen<br />

Hochschaukeln von Feindseligkeiten, bei denen beide Seiten das<br />

Gefühl haben, sich gegen einen Aggressor verteidigen zu müssen.<br />

In der Eltern-Kind-Beziehung geschieht es, wenn Eltern auf die Aggressivität<br />

des Kindes auf gleiche Weise mit z.B. Drohen, Fluchen,<br />

Schreien und Schlagen reagieren und ihre Autorität durchsetzen<br />

wollen. Solche Verhaltensmuster können sich zu einer Spirale immer<br />

mehr verschärfender Konflikte und letztendlich zu physischer<br />

Gewalt entwickeln. Die komplementäre Eskalation ist asymmetrisch<br />

und wird von der Dynamik der Erpressung und des Nachgebens


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 91<br />

bestimmt. Je mehr die Eltern versuchen werden sich das Nachgeben<br />

und die Ruhe des Kindes zu erkaufen, desto schlimmer wird<br />

sich das Kind verhalten. Auf diese Weise kann es sich daran gewöhnen,<br />

dass es mit Druck Dinge bekommen kann, die es haben<br />

will. So können Teufelskreise entstehen, die die Eltern-Kind-<br />

Beziehung auf die Frage der Macht und Dominanz reduzieren. Hier<br />

kann das Konzept der elterlichen Präsenz helfen die Beziehung der<br />

Eltern und Kinder auf eine andere Bahn zu lenken. Die wichtigsten<br />

Grundhaltungen und zentralen Botschaften lauten: „Ich bin hier“,<br />

„Ich bin dein Vater/deine Mutter und werde es bleiben“, „Ich werde<br />

dir nicht nachgeben, aber ich werde dich auch nicht aufgeben“, „Ich<br />

kämpfe um dich und um meine Beziehung zu dir, nicht gegen dich!“<br />

Das Modell des gewaltlosen Widerstands, wie bereits von Mahatma<br />

Gandhi und Martin Luther King entwickelt, kann von den Eltern als<br />

eine Art „Notfallkoffer“ verwendet werden, da wo elterliche Präsenz<br />

verloren gegangen ist, verwendet werden. Es geht darum jede Art<br />

physischen Angriffs oder Gegenangriffs einzustellen. Jede Äußerung,<br />

die darauf abzielen könnte, den anderen zu beleidigen und zu<br />

erniedrigen sowie absichtliche Provokationen sollen unterbleiben.<br />

Eine wesentliche Grundlage dieser Haltung sind die Achtung und<br />

der Respekt, der dem anderen entgegengebracht wird. Die Effektivität<br />

dieser Haltung basiert auf einer Asymmetrie der Mittel, in der die<br />

Gewalt ihre Legitimation verliert, die Isolation überwunden wird.<br />

Durch die gewaltlose Einstellung wird ihr die Nahrung entzogen und<br />

sie veranlasst Dritte, eher die gewaltlose Seite zu unterstützen.<br />

Wichtig ist, dass die Eltern ein Gefühl des persönlichen Wertes und<br />

der Moral sowie eine Selbstdisziplin entwickeln, die sich aus der<br />

Gewaltlosigkeit speisen. Der Respekt gegenüber dem Kind oder<br />

Jugendlichen sowie der Wille zur Versöhnung sind dabei unverzichtbar.<br />

Der zentrale Punkt, aus dem Teufelskreis der Eskalation<br />

auszusteigen, ist der Vorsatz, den Provokationen zu widerstehen,<br />

auf Drohungen, Anschreien, Debattieren, Erklären u.Ä. zu verzichten.<br />

Meistens ist es sinnvoll auf Forderungen, Beschwerden, Anschuldigungen<br />

und Provokationen im Gegensatz zu einem verhaltenstherapeutischen<br />

Vorgehen verzögert zu reagieren und manchmal<br />

ist es sogar hilfreich zu schweigen. Die Reaktion kann in einem<br />

solchen Fall sinnvoll geplant werden, ohne dass die Eskalationsspirale<br />

in Gang kommt. Der gewaltlose Widerstand sollte zu einem relativ<br />

ruhigen Zeitpunkt in klaren Worten, aber ohne drohenden Ton<br />

angekündigt werden. Der Inhalt der Ankündigung sollte möglichst


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 92<br />

konkret sein, z.B. „Wir können nicht dulden, dass du deine Schwester<br />

und Mutter schlägst“. Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Herstellung<br />

einer Öffentlichkeit und das Brechen des Siegels der Geheimhaltung.<br />

So werden z.B. Verwandte, Freunde, Nachbarn, Lehrer<br />

und andere Bezugspersonen über die Vorgänge in der Familie<br />

informiert und um Unterstützung gebeten, gegebenenfalls auch als<br />

Vermittler. Das Sit-in, Telefonrunden, Nachgehen und Aufsuchen,<br />

verlängerte Sitzstreiks, Befehlsverweigerung sowie Versöhnungsgesten<br />

gehören zu dem Repertoire des gewaltlosen Widerstands.<br />

Einige häufige Annahmen der Eltern und Therapeuten sind kontraproduktiv<br />

und können zu einer weiteren Eskalation der Situation zu<br />

Hause führen. Dazu gehören etwa folgende Annahmen und Glaubenssätze:<br />

1. Eltern sind die Verursacher der Verhaltensstörung<br />

und die Symptome sind als Zeichen ihres Versagens zu werten. 2.<br />

Aggressive Verhaltensweisen sind nur Manifestationen tiefer liegender<br />

Probleme. 3. Die beste Reaktionsmöglichkeit auf aggressives<br />

Verhalten ist eine Einzeltherapie. 4. Alles, was das Kind benötigt,<br />

ist Wärme Akzeptanz und Freiheit von behindernden Forderungen.<br />

5. Die Unverletzlichkeit der Privatsphäre.<br />

Elternpräsenz kann auf einer physischen, systemischen und emotionalen<br />

Ebene verloren gehen. Der Gewalt gegen Geschwister im<br />

Sinne von physischer Gewalt sowie emotionalem und sexuellem<br />

Missbrauch wurde trotz des noch häufigeren Vorkommens als Gewalt<br />

der Eltern gegen Kinder bisher nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt.<br />

Auch die verschiedenen Formen von Geschwistergewalt<br />

können durch gewaltlosen Widerstand bekämpft werden. Schulprobleme<br />

werden als „Inter-System-Probleme“ angesehen und das<br />

Anstreben einer Eltern-, Erzieher- und Lehrerallianz als unerlässlich<br />

betrachtet.<br />

Trotz des Fachbuchcharakters ist die Lektüre durchgehend sehr<br />

kurzweilig. Dazu tragen sicher auch die ausgewogene Mischung<br />

aus altbekannten Ideen und Konzepten mit neuen Aspekten bei sowie<br />

die vielen Fallvorstellungen, die den Leser zu einer baldigen Erprobung<br />

in der Praxis ermutigen. Es würde mich freuen, wenn dieses<br />

Buch auch die Neugierde der Kinder- und Jugendpsychiater<br />

wecken und als Anstoß für Effektivitätsstudien dienen könnte. Die<br />

Lektüre des Buches kann uneingeschränkt Eltern, Jugendlichen<br />

sowie in der Jugendarbeit tätigen Fachleuten wärmstens empfohlen<br />

werden.<br />

Dr.med. Bodo Pisarsky, Berlin


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 93<br />

Brandau, Hannes; Pretis, Manfred; Kaschnitz, Wolfgang (2003):<br />

ADHS bei Klein- und Vorschulkindern. München, Basel: Ernst<br />

Reinhardt Verlag. 191 S., 19.90 Euro<br />

Dr. phil. Hannes Brandau ist Klinischer Psychologe und Systemtherapeut<br />

an der Psychosomatischen Abteilung der Universitätsklinik<br />

für Kinder- und Jugendheilkunde, Graz sowie Supervisor und Professor<br />

für Förder- und Integrationspädagogik in der Lehrerausbildung,<br />

Lehrbeauftragter für Sozialpädagogik an der Universität Graz.<br />

Dr. phil. Manfred Pretis ist ebenfalls Klinischer Psychologe, Integrationspädagoge<br />

sowie Leiter der Abteilung Wissenschaft des Sozial-<br />

und Heilpädagogischen Förderungsinstituts Steiermark. Dr. med.<br />

Wolfgang Kaschnitz ist Kinderarzt, Kinder- und Jugendpsychiater<br />

sowie Leiter der Ambulanz für lebhafte und hyperaktive Kinder an<br />

der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Graz.<br />

Das Werk leitet aus Forschungsergebnissen praktisch Hilfen für<br />

Prävention und frühe Förderung ab und wendet sich vor allem an<br />

pädagogische und therapeutische Fachkräfte.<br />

Im ersten Kapitel „Was ist ADHS?“ werden zunächst alte Bekannte<br />

wie Conners-Fragebogen und DSM-IV-Kriterien referiert, die Autoren<br />

kommen jedoch rasch auf die Problematik bei der Einschätzung<br />

im Altersbereich der Vorschulkinder und Kleinkinder: Viele „Symptome“<br />

sind in diesem Alter noch normal und etliche in den diagnostischen<br />

Instrumenten beschriebenen Verhaltensweisen beziehen<br />

sich auf das Schulalter. Dem entsprechend wird vor zu schneller Etikettierung<br />

gewarnt, aber auch vor dem Fehler, verzweifelte Eltern<br />

mit dem Hinweis zu trösten, dass sich „das alles schon auswachsen“<br />

werde.<br />

Hingewiesen wird auch darauf, dass neben Defiziten oft durchaus<br />

positiv zu interpretierende Eigenschaften wie ständiges Suchen<br />

nach neuen Möglichkeiten, hohe Kreativität, Sichhinwegsetzen über<br />

Regeln der Normalität sowie schnelle Auffassung von ganzheitlichen<br />

Gestalten zu beobachten sind. Es wird angemahnt, dass Kinder<br />

mit ADHS oft viele Fähigkeiten und Talente haben: „Eine Diagnose<br />

der Schwierigkeiten und Defizite sollte nicht den Blick auf<br />

diese Ressourcen verstellen. Lieber die Stärken nutzen, als nur an<br />

den Schwächen arbeiten! Häufig lassen die Probleme der ADHS-<br />

Symptomatik diese Stärken der Kinder nicht zur Geltung kommen.“<br />

Auch auf die Bedeutung der gesellschaftlichen Anforderungen weisen<br />

die Autoren eindringlich hin: „Im Mittelpunkt der Störung stehen


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 94<br />

mangelnde Selbststeuerung, Geduld und Ausdauer, wobei immer<br />

zu berücksichtigen ist, wie viel unsere westliche Kultur von Kleinkindern<br />

(ab frühester Kindheit) erwartet. Erwarten heißt „ein Bild haben<br />

vom Kind" und seinem Funktionieren in einer immer komplexer<br />

werdenden Umgebung. Es hat - um einen Vorwurf vieler Großmütter<br />

zu entkräften - früher wahrscheinlich genauso viele Kinder mit<br />

ADHS gegeben. Geändert haben sich jedoch in hohem Maße die<br />

Erwartungen an die Kinder. Erwartet wird Selbststeuerung, Geduld<br />

und Ausdauer; vorgelebt von Seiten der Erwachsenen werden: a)<br />

fremdgesteuerte Zeitstrukturen (vor allem vom Arbeitsalltag geprägt);<br />

b) immer kürzere Zeitzyklen der Informationsverarbeitung; c)<br />

geringe Planbarkeit bzw. Vorhersehbarkeit von Veränderungen“.<br />

Die Autoren „sehen jedenfalls ADHS nicht nur defizitorientiert und<br />

einzig im „Kopf des Kindes" verankert, sondern ganzheitlich als Reaktionsmuster<br />

in sozialer Interaktion, als Versuch einer Anpassung<br />

auf die Anforderung eines immer kleiner werdenden ökologischen<br />

und entwicklungsgemäßen „Spielraums" unserer Kinder in der zivilisierten<br />

(?) Leistungsgesellschaft.“<br />

Enthalten ist auch eine Tabelle zu Differentialdiagnosen und notwendigen<br />

Schritten, diese ggf. auszuschließen oder zu bestätigen.<br />

Im zweiten Kapitel „Ursachen und Einflussfaktoren“ werden zunächst<br />

genetische Ursachen kurz referiert und darauf hingewiesen,<br />

dass zwar einige Studien für eineiige Zwillinge Konkordanzraten<br />

von 80 bis 90 % fanden, in einer weiteren Studie sich aber lediglich<br />

eine ca. 60 %ige Übereinstimmung ergab, was für einen erheblichen<br />

Umweltanteil spricht. Was bedeutet die vermutete genetische<br />

Basis für die Eltern und für die Fachkräfte nach Meinung der Autoren?<br />

„Ein Appell an mehr Verständnis: Der Hinweis auf eine wahrscheinliche<br />

genetische Basis erleichtert manchen Eltern und Fachkräften<br />

die Akzeptanz des teils „anstrengenden" Verhaltens, da eine<br />

mögliche interpretierte „böse Absicht" der Kinder wegfällt. Daraus<br />

ergibt sich auch für die Umwelt eine veränderte Ursachenzuschreibung:<br />

Das Kind mit ADHS ist nicht das „böse, schlimme, ungezogene"<br />

Kind, das nicht ruhig sitzen will (wie es z. B. noch im Struwwelpeter<br />

beschrieben wird), sondern ein Kind mit einem Neurotransmitterproblem,<br />

das sich schwer tut, ruhig zu sitzen. Zu vermeiden ist<br />

jedoch der Umkehrschluss, dass der vormalige „Täter" (das<br />

schlimme Kind) jetzt zum Opfer gemacht wird. Es wurden bereits<br />

Aussagen der Kinder und der Eltern beobachtet, dass die Kinder für<br />

ihr herausforderndes Verhalten „nichts dafür konnten" und jegliches


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 95<br />

Verhalten zu entschuldigen sei, da sie ADHS „hatten". Eine vermutete<br />

genetische Anlage führt häufig dazu, dass Kinder bei normalen<br />

Anforderungen Schwierigkeiten haben können. Altersgemäß normale<br />

Ressourcen (z. B. abwarten können) reichen möglicherweise<br />

nicht aus, mit herausfordernden Stimuli (Supermarktbesuch) umgehen<br />

zu können. Für Pädagoginnen und Eltern bedeutet dies, vorhersehbare<br />

Stressfaktoren für das Kind zu „portionieren" und nicht<br />

von falschen Vorstellungen einer entwicklungsgemäßen Normalität<br />

auszugehen“.<br />

Neben psychosozialen Einflüssen werden prä- und perinatale Einflüsse,<br />

Schadstoffe und Nahrungsmittelallergien, neuroanatomische<br />

und neurochemische Ursachen kurz abgehandelt. Positiv hebt sich<br />

hier von vielen anderen Publikationen ab, dass die Autoren einräumen,<br />

dass „ein Radiologe … diese Scannerergebnisse nicht als abnormal,<br />

sondern als unterschiedlich (zwischen ADHS und Kontrollgruppen)<br />

beurteilen (würde)." … „Biologische Korrelate sind für Eltern<br />

jedoch häufig eine hilfreiche Erklärung, wenn es z.B. in Richtung<br />

unterstützender medikamentöser Therapie geht. ADHS kann<br />

dann - wie jede andere Stoffwechselstörung, z. B. Diabetes oder<br />

Bluthochdruck - erklärt werden.“ Andererseits: „Die alleinige Wirkung<br />

von Psychopharmaka stellt keinen Beweis für eine rein biologische<br />

Basis dar, da diese Medikamente bei den meisten Personen<br />

leistungssteigernd wirken“ und „Offen bleibt, wie sehr diese Befunde<br />

eine Ursache, Folge oder Begleiterscheinung der Symptomatik<br />

sind.“<br />

Das dritte Kapitel diskutiert kurz als Erklärungskonzepte die Stoffwechselstörungshypothese,<br />

die Aktivierungshypothese, die Filtersystemhypothese,<br />

ein Defizit der Hemmungsregulation, unterdrückter<br />

Spieltrieb und evolutionstheoretische Hypothesen. Differenzierter<br />

wird auf die Nomadenhypothese eingegangen. Schließlich wird<br />

ein systemisch-evolutionäres Modell von ADHS kurz skizziert, das<br />

neurobiologische und psychosoziale Faktoren umfasst.<br />

Kapitel 4 erläutert Möglichkeiten und Probleme der Früherkennung<br />

von ADHS. Die Autoren weisen daraufhin, dass Früherkennung von<br />

ADHS wichtige präventive Schritte wie z. B. die Vermeidung von<br />

sekundärer Neurotisierung und Teufelskreisen ermöglicht. Nach einer<br />

Fallgeschichte werden ADHS-Merkmale im 1., 2. und 3. Lebensjahr<br />

aufgelistet. Es folgt die Darstellung der aus entwicklungspsychologischer<br />

Sicht altersgerechten Entwicklung von Aufmerksam-


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 96<br />

keit, Selbstkontrolle und Exekutivfunktionen, um altersgemäßes von<br />

auffälligem Verhalten sicherer unterscheiden zu können.<br />

Kapitel 5 widmet sich möglichen Begleiterscheinungen wie z. B.<br />

Probleme in der sozialen Interaktion, oppositionelles Trotzverhalten,<br />

Unfälle und Risikobereitschaft, aber auch Kompetenzen.<br />

Im 6. Kapitel werden Prinzipien einer systemischlebensweltorientierten<br />

Förderung von Klein- und Vorschulkindern<br />

mit ADHS erläutert: Prävention, ADHS aus der Lebenswelt des Kindes<br />

wahrnehmen, Alltagsnähe und konkrete Hilfen zur Lebendbewältigung,<br />

partnerschaftliche Kooperation mit den Eltern, soziale Integration,<br />

Bedeutung der Vaterbeziehung für die soziale Integration<br />

bei Jungen mit ADHS, Berücksichtigung von Autonomie und „Eigensinn“,<br />

Empowerment, Netzwerkarbeit und Regionalisierung, Beachtung<br />

von sozialräumlichen Angeboten und des Lebensraums der<br />

Medienwelt, ganzheitlich-interdisziplinäre Förderung.<br />

Am umfangreichsten fallen Kapitel 7 „Frühe Förderung von Kindern<br />

mit ADHS“ und 8 „Verhaltensmanagement bei Kleinkindern mit<br />

ADHS zwischen 3 und 6 Jahren“ aus. Eingegangen wird in Kapitel 7<br />

auf Verbesserung der Eltern-Kind-Interaktion, kindzentrierte Lernprogramme,<br />

interaktionstherapeutische Ansätze, spieltherapeutische<br />

Interventionen, Erziehungsberatung/lösungsorientiertes Coaching,<br />

systemische Interventionen, gruppenorientierte Interventionen,<br />

bewegungstherapeutische Maßnahmen, Interventionen bezogen<br />

auf das soziale Umfeld, Medikation und alternative Interventionen.<br />

In Kapitel 8 geht es um das Hervorheben der Stärken des Kindes<br />

mit ADHS, „kurz – klar – kongruent“, eigenständiges Spiel, „jedes<br />

Ding an seinem Platz“ und „Unfallgefahren ausschalten“. Eine<br />

Auswahl von Spielen für Kinder von 3 bis 6 Jahren zur Verbesserung<br />

der Selbstkontrolle, Aufmerksamkeitssteuerung, zum Einhalten<br />

von Regeln und zur Verbesserung der Konfliktfähigkeit wird jeweils<br />

kurz vorgestellt.<br />

Abgerundet wird das Buch durch ein Kapitel zur klinischen Differentialdiagnostik<br />

bzgl. Regulationsstörungen gemäß ZTT und ein Kapitel<br />

zum multiperspektivisch-sozialpädagogischen Fallverstehen und<br />

fallbezogener Reflexion im Team.<br />

Insgesamt ein sehr lesenswertes Buch, das komprimiert und dennoch<br />

umfassend und konkret das Thema darstellt, komplettiert<br />

durch ein umfassendes Literaturverzeichnis zur Vertiefung.<br />

Dr. med. Ingo Spitczok von Brisinski, Viersen


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 97<br />

König, Monika E. (2004): Autismus, Sprache, Kommunikation:<br />

sprachliche Besonderheiten von Menschen mit Autismus dargestellt<br />

anhand autobiographischer Texte. Aachen : Shaker Verlag.<br />

117 S., 19.80 Euro<br />

Dieses in der Reihe „Pädagogik“ erschienene Buch wird von der<br />

Autorin in sechs Teile gegliedert:<br />

Teil I erläutert die der Ausarbeitung zugrunde liegenden Modelle<br />

von Sprache und nichtsprachlicher Kommunikation. Sprache wird<br />

hier verstanden als nichtselbständige Leistung, die „mit vielen psychischen<br />

Teilbereichen verflochten“ ist, als „Fall von Handlung,<br />

Kommunikation, Interaktion, Emotion, Kognition, Sensorik und von<br />

Motorik“. Erstaunlicherweise konstatiert die Autorin: „Das Hauptaugenmerk<br />

der vorliegenden Ausarbeitung liegt auf der nonverbalen<br />

sprachlichen Kommunikation; alle ausgewerteten Texte sind solcher<br />

zuzuordnen“ und erläutert direkt im Anschluss Besonderheiten in<br />

der „nonverbalen nichtsprachlichen Kommunikation“ bei „Menschen<br />

mit autistischer Seinsform“ wie sie allseits definiert und bekannt sind<br />

in den Bereichen Gestik, Blickkontakt, Gesichtsausdruck, Stimmlage,<br />

und körperliches Distanzverhalten.<br />

Die zur Analyse herangezogenen Daten sind ausschließlich schriftsprachlicher<br />

Art. Von den 6 in der Auswertung berücksichtigten autistischen<br />

Autoren haben lediglich 2 ohne FC publiziert. Die Autorin<br />

hebt zudem hervor: „Dabei treten die Besonderheiten der Sprache<br />

insbesondere bei den Autoren hervor, die sich der FC bedienen“.<br />

Angesichts der wissenschaftlich nach wie vor stark in Zweifel stehenden<br />

Methode der „Facilitated Communication“ (FC) bei Autismus<br />

stellt sich daher die Frage, inwieweit die in diesem Buch referierten<br />

Ergebnisse tatsächlich Aussagen über Personen mit autistischen<br />

Störungen machen oder doch eher über ihre Angehörigen. Die Autorin<br />

jedenfalls geht „davon aus, dass es sich um authentische und<br />

valide Texte handelt“.<br />

Teil II führt in die Unterschiede zwischen Kanner-Syndrom, Asperger-Syndrom<br />

und High Functioning Autismus aus, wobei Kriterien<br />

von DSM-IV bzw. ICD-10 als von Nicht-Autisten wahrgenommene<br />

„Seinsformen“ teils der Sicht „von innen“ der Betroffenen gegenüber<br />

gestellt werden.<br />

Im Abschnitt „Sprachliche Besonderheiten bei Menschen autistischer<br />

Seinsform“ wird zu Beginn darauf hingewiesen, dass sprachli-


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 98<br />

che Besonderheiten bei autistischen Personen allzu oft rein Defizit<br />

orientiert betrachtet werden, statt im Vergleich auch die Beschränkungen<br />

zu berücksichtigen, denen „Menschen ohne Autismus in der<br />

Regel unterliegen“. Es folgt „eine knappe Aufzählung der in der einschlägigen<br />

Literatur auffindbaren sprachlichen Besonderheiten bei<br />

Menschen mit autistischer Seinsform“, u. a. Echolalie, Pronomenrevision,<br />

Wortfindungsstörungen, phonologische Besonderheiten,<br />

Syntax, Semantik und Pragmatik, Neologismen, Besonderheiten in<br />

der metaphorischen Sprache, Paraphrasie.<br />

Teil III referiert die Auswahlkriterien der untersuchten Autobiografien<br />

und stellt die Autoren und Autorinnen kurz vor. Es wurden nur deutsche<br />

Originaltexte zur Analyse herangezogen, die Autorin legte<br />

Wert darauf, dass weibliche und männliche Autoren vertreten sind,<br />

um geschlechtsspezifische Unterschiede des Sprachgebrauchs<br />

nicht als autismusspezifisch fehl zu interpretieren. Es wurde versucht,<br />

ein breites Spektrum autistischer Störungen zu berücksichtigen,<br />

und es sollten Menschen mit Mehrfachbehinderung und solche<br />

mit „ausschließlich autistischer Seinsform“ dabei sein. Schließlich<br />

sollten „mit und ohne FC produzierte Texte“ herangezogen werden.<br />

Teil IV erläutert die angewandten Methoden der Textanalyse. „Es<br />

sollte eine Methode zur Anwendung kommen, die es ermöglicht,<br />

sowohl Informationen aus der Art des Biografen, sich verbal auszudrücken<br />

zu gewinnen, als auch inhaltliche Angaben verarbeiten zu<br />

können ebenso wie Hinweise aus Umschlaggestaltung und andere<br />

Äußerlichkeiten“. Die verwendete Methode wird beschrieben als „eine<br />

hermeneutisch ausgerichtete erziehungswissenschaftliche Autobiografieforschung<br />

auf dem Hintergrund des subjektwissenschaftlichen<br />

Paradigmas“ (komparative Analyse). Auf zwei Seiten finden<br />

sich als Teil V Anmerkungen zum theoretischen Hintergrund.<br />

Teil VI präsentiert als Ergebnis folgende Thesen, die jeweils erläutert<br />

bzw. mit Originaltextzitaten belegt werden: 1. „Menschen mit autistischer<br />

Seinsform kommunizieren anders. Der Wunsch/das Bedürfnis<br />

nach Kommunikation besteht durchaus. Kommunikation/kommunikatives<br />

Verhalten liegt vor. Das vorliegende Kommunikationsverhalten<br />

ist qualitativ anders. Beispiele für ein qualitativ anderes<br />

Kommunikationsverhalten sind Kommunikation mit Dingen<br />

und bildhafte Kommunikation. Mögliche Gründe für dieses qualitativ<br />

andere Kommunikationsverhalten sind Wahrnehmungsverzerrung,<br />

Angstzustände und fehlende/qualitativ andere Rückmeldung auf<br />

Kommunikation bzw. Kommunikationsversuche.“ 2. „Menschen au-


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 99<br />

tistischer Seinsform kommunizieren auf konkretem Abstraktionsniveau“<br />

(Sprichwörter und Redewendungen werden wörtlich genommen.<br />

Werden Sprichwörter und Redewendungen als solche erkannt<br />

und in den aktiven Wortschatz übernommen, mutet die Benutzung<br />

derselben durch autistische Menschen seltsam an). 3. „Menschen<br />

autistischer Seinsform kommunizieren formelhaft.“ 4. „Menschen<br />

autistischer Seinsform kommunizieren singulär“ (Vieles ist nur für<br />

die Angehörigen verständlich, jedoch nicht für fremde Personen). 5.<br />

„Menschen autistischer Seinsform kommunizieren exakt“ (was<br />

nichtautistische Personen als übergenau bzw. pedantisch erscheinen<br />

kann).<br />

Im Fazit weist die Autorin darauf hin, dass sich in den von ihr analysierten<br />

Biografien Muster der Kommunikation feststellen lassen, die<br />

universell (also bei allen) auftreten, und dies trotz äußerst heterogener<br />

Voraussetzungen in Bezug auf die verschiedenen Syndrome<br />

der Autorinnen und Autoren als auch der unterstellten Ursachen des<br />

Autismus. Die referierten Thesen werden in Beziehung gesetzt zu<br />

aus der Literatur bekannten Theorien von Baron-Cohen, Frith, Duncan<br />

und Lawson.<br />

Eine verbesserte theoretische Kenntnis davon, wie autistische Menschen<br />

kommunizieren, könnte das Angebot von Kommunikationsmöglichkeiten<br />

verbessern. Mehr Wissen um die andere Qualität<br />

könnte dazu beitragen, auf den ersten Blick unverständliche Ausdrucksweisen<br />

zu interpretieren bzw. nicht die für nichtautistische<br />

Menschen naheliegenste Interpretationsmöglichkeit unhinterfragt<br />

anzunehmen, sondern auch auf den ersten Blick abwegige Möglichkeiten<br />

der Interpretation zu prüfen und damit dem Ausdruck des<br />

autistischen Menschen überhaupt eine Chance zu geben. Verbesserung<br />

und Ausweitung von Gelegenheiten zur Kommunikation zwischen<br />

autistischen und nichtautistischen Personen könnten zu verbesserter<br />

Lebensqualität für Betroffene und Angehörige führen.<br />

Dr. med. Ingo Spitczok von Brisinski, Viersen


Hinweise für Autoren<br />

<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 100<br />

1. Das <strong>Forum</strong> der für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie<br />

veröffentlicht Originalarbeiten, Übersichtsreferate, Fallberichte, aktuelle Mitteilungen,<br />

Buch- und Testbesprechungen.<br />

Die Zeitschrift erscheint in 4 Heften pro Jahr. Manuskripte nimmt entgegen: Dr.<br />

Ingo Spitczok von Brisinski, Horionstr. 14, D-41749 Viersen, Tel.: 02162/9631,<br />

Fax: 02162/965038, EMail: Ingo.SpitczokvonBrisinski@lvr.de<br />

2. Es werden nur Arbeiten angenommen, die nicht gleichzeitig einer anderen<br />

Redaktion angeboten wurden. In Ausnahmefällen kann ein Nachdruck erfolgen.<br />

Über Annahme, Ablehnung oder Revision des Manuskripts entscheiden<br />

die Herausgeber. Mit der Annahme eines Manuskripts geht das Verlagsrecht<br />

entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen an den Berufsverband der Ärzte<br />

für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie in Deutschland e. V.<br />

über. Der Autor bestätigt und garantiert, dass er uneingeschränkt über sämtliche<br />

Urheberrechte an seinem Beitrag einschließlich eventueller Bildvorlagen,<br />

Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen und Tabellen verfügt, und dass der Beitrag<br />

keine Rechte Dritter verletzt. Der Autor räumt - und zwar auch zur Verwertung<br />

seines Beitrages außerhalb der ihn enthaltenen Zeitschrift und unabhängig<br />

von deren Veröffentlichung - dem Verlag räumlich und mengenmäßig unbeschränkt<br />

für die Dauer des gesetzlichen Urheberrechts das ausschließliche<br />

Recht der Vervielfältigung und Verbreitung bzw. der unkörperlichen Wiedergabe<br />

des Beitrags ein. Der Autor räumt dem Verlag ferner die folgenden ausschließlichen<br />

Nutzungsrechte am Beitrag ein:<br />

a. das Recht zum ganzen oder teilweisen Vorabdruck und Nachdruck - auch<br />

in Form eines Sonderdrucks, zur Übersetzung in andere Sprachen, zu<br />

sonstiger Bearbeitung und zur Erstellung von Zusammenfassungen;<br />

b. das Recht zur Veröffentlichung einer Mikrokopie-, Mikrofiche- und Mikroformausgabe,<br />

zur Nutzung im Weg von Bildschirmtext, Videotext und ähnlichen<br />

Verfahren, zur Aufzeichnung auf Bild- und/oder Tonträger und zu deren<br />

öffentlicher Wiedergabe - auch multimedial - sowie zur öffentlichen<br />

Wiedergabe durch Radio- und Fernsehsendungen;<br />

c. das Recht zur maschinenlesbaren Erfassung und elektronischen Speicherung<br />

auf einem Datenträger (z.B. Diskette, CD-ROM, Magnetband) und in<br />

einer eigenen oder fremden Online-Datenbank, zum Download in einem<br />

eigenen oder fremden Rechner, zur Wiedergabe am Bildschirm - sei es<br />

unmittelbar oder im Weg der Datenfernübertragung -, sowie zur Bereithaltung<br />

in einer eigenen oder fremden Online-Datenbank zur Nutzung durch<br />

Dritte; das Recht zur Veröffentlichung im Internet;<br />

d. das Recht zu sonstiger Vervielfältigung, insbesondere durch fotomechanische<br />

und ähnliche Verfahren (z.B. Fotokopie, Fernkopie), und zur Nutzung<br />

im Rahmen eines sogenannten Kopienversands auf Bestellung;<br />

e. das Recht zur Vergabe der vorgenannten Nutzungsrechte an Dritte in In-<br />

und Ausland sowie die von der Verwertungsgesellschaft WORT wahrgenommenen<br />

Rechte einschließlich der entsprechenden Vergütungsansprüche.


<strong>Forum</strong> 2 – <strong>2005</strong> 101<br />

3. Manuskriptgestaltung:<br />

� Manuskripte müssen als Word-Datei (auf Diskette oder per E-Mail) und als<br />

Ausdruck auf Papier eingereicht werden. Schrifttyp: Arial. Überschrift: Fett,<br />

Schriftgröße Punkt 18. Autor/Autoren: Vorname ausgeschrieben, ohne akademischen<br />

Titel, kursiv, Schriftgröße Punkt 16. Text: Schriftgröße Punkt<br />

12, Blocksatz mit automatischer Trennung. Keine manuellen Trennzeichen.<br />

Hervorhebungen fett oder kursiv, nicht unterstrichen. Zwischenüberschriften:<br />

Fett. Aufzählungen: Einzug hängend. Literaturverzeichnis: Schriftgröße<br />

Punkt 10. Autorennamen im Literaturverzeichnis kursiv.<br />

� Vollständige Anschrift des Verfassers bzw. der Verfasser einschließlich akademischer<br />

Titel, Schriftgröße Punkt 12. Weitere Angaben zum Verfasser<br />

bzw. zu den Verfassern nach Wunsch.<br />

� Manuskriptlänge maximal 30 Seiten (max 45.000 Zeichen einschließlich<br />

Leerzeichen), für Buch- und Testbesprechungen maximal 3 Seiten (max.<br />

4.500 Zeichen einschließlich Leerzeichen). Seitenformat: Breite 17 cm,<br />

Höhe 24 cm, Seitenränder oben und unten je 1,5 cm, links und rechts je<br />

2,1 cm. Seitenabstand der Kopf- und Fußzeile je 1,25 cm.<br />

� Zitierweise im Text: Die Quellenangabe erfolgt durch Anführen des Nachnamens<br />

des Autors und des Erscheinungsjahrs. Namen erscheinen in<br />

Groß- und Kleinbuchstaben (keine Kapitälchen, nicht unterstrichen, nicht<br />

kursiv, nicht fett). Zitierregeln: Mickley und Pisarsky (2003) zeigten ... Weitere<br />

Untersuchungen (Frey & Greif, 1983; Bergheim-Geyer et al., 2003) ...<br />

Pleyer (im Druck) erwähnt ... Rotthaus (2001, S. 267) weist darauf hin ...<br />

� Literaturverzeichnis: Jede Quellenangabe im Text muss im Literaturverzeichnis<br />

aufgeführt sein und jeder Eintrag im Literaturverzeichnis muss im<br />

Text erwähnt werden. Jede Literaturangabe enthält folgende Angaben:<br />

Sämtliche Autoren (also im Literaturverzeichnis kein „et al.“ oder „u. a.“),<br />

Erscheinungsjahr, Titel, bei Zeitschriften: Name der Zeitschrift (ausgeschrieben,<br />

Verzeichnis der Abkürzungen z. B. unter<br />

http://home.ncifcrf.gov/research/bja/), Jahrgang, Seitenangaben; bei Büchern:<br />

Verlagsort, Verlag. Es können folgende Abkürzungen verwendet<br />

werden: Aufl. (Auflage); Hg. (Herausgeber); Vol. (Volume); Suppl. (Supplement);<br />

f. (folgende Seite); ff. (folgende Seiten). Beispiele:<br />

Heymel, T. (2002) Suizidversuche. In: Knopp, M.-L., Ott, G. (Hg.) Hilfen für<br />

seelisch verletzte Kinder und Jugendliche. Bonn: Psychiatrie-Verlag, 75-79<br />

Hohm, E., Schneider, K., Pickartz, A., Schmidt, M. H. (1999) Wovon hängen<br />

Prognosen in der Jugendhilfe ab? Kindheit und Entwicklung, 8, 73-82<br />

Imber-Black, E. (1997) Familien und größere Systeme im Gestrüpp der Institutionen.<br />

Ein Leitfaden für Therapeuten. 4. Aufl., Heidelberg: Carl-Auer-<br />

Systeme Verlag<br />

4. Die Autoren erhalten Belegexemplare kostenlos. Zusätzliche Sonderdrucke<br />

können gegen Bezahlung bestellt werden; diese Bestellung muss gleichzeitig mit<br />

der Rücksendung der Fahnenkorrekturen erfolgen.

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