Lesen - Golf Dornseif
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Als unsere Baster-Freunde die Fronten wechselten<br />
von <strong>Golf</strong> <strong>Dornseif</strong><br />
Die ethnische Minderheit der sogenannten Rehoboth Baster (Mischlinge) fühlte sich in<br />
Südwestafrika der deutschen Kolonialmacht viele Jahre eng verbunden und genoss allerlei<br />
Privilegien als angesehene „Zwischenrasse“ mit Bildungsstreben und Kultur.<br />
Als 1915 die Niederlage der deutschen Gönner abzusehen war, wendete sich das Blatt<br />
und die Baster liefen heimlich zum Buren-Gegner über, begleitet von einer Mordserie an<br />
deutschen Farmern und deren Familien, bestialisch vollzogen...<br />
Rund 100 Jahre danach sind die Baster wiederum von allen guten Geistern verlassen<br />
und fristen in Namibia unter Ovambo-Herrschaft ein ärmliches Dasein (als ewige<br />
Querulanten).<br />
Am 26. Juli 1895 kam in Deutsch-Südwestafrika ein Vertrag zum Abschluss zwischen dem<br />
Landeshauptmann von SWA (von Lindequist) und dem Kapitän (Oberhaupt) des Rehoboth Baster<br />
Volks (van Wijk), betreffend „die Wehrpflicht der Rehobother Bastarde“.<br />
Paragraph 1. Um die in den §§ 1 und 4 des Schutzvertrages vom 15. September 1885 vorgesehene<br />
gegenseitige Unterstützung der Deutschen und der Baster gegen alle Feinde wirksam zu gestalten,<br />
verpflichtet sich der Kapitän Hermanus von Wijk für sich und seine Nachfolger, der Kaiserlichen<br />
Landeshauptmannschaft alljährlich eine bestimmte Zahl waffenfähiger Baster der Rehobother<br />
Gemeinde behufs militärischer Ausbildung zu gestellen.<br />
Aus dem Inhalt<br />
Die Wehrpflicht der Rehobother Baster<br />
Landespolizei als Kontrollorgan<br />
Wer war die Seele des Aufstands?<br />
Endlose Verzögerungstaktik der Baster<br />
Eine Serie von Ermordungen Wehrloser<br />
Strafanzeigen wegen Anstiftung zum Mord<br />
Jämmerlicher NIedergang eines Volks<br />
Paragraph 2. Im laufenden Kalenderjahr sollen 40 bis 50, von da ab in jedem Jahr 15 bis 20 Baster<br />
Soldaten ausgebildet werden.<br />
Paragraph 3: Der Kapitän reicht am 1. Januar jeden Jahres durch die Polizeibehörde in Rehoboth eine<br />
Liste der waffenfähigen und neu auszubildenden Baster ein, welche von der Landeshauptmannschaft<br />
endgültig bestätigt wird. Je ein Exemplar dieser Liste ist von der Landeshauptmannschaft und der<br />
Polizeibehörde in Rehoboth weiter zu führen und stets auf dem Laufenden zu halten. Für die richtige<br />
Gestellung der Rekruten und der Übungspflichtigen an dem vom Landeshauptmann bezeichneten Ort<br />
ist der Kapitän verantwortlich.<br />
Paragraph 4. Bewaffnung und Verpflegung wird von der Kaiserlichen Schutztruppe geliefert. Die<br />
Waffen sind nach Beendigung der Übung zurück zu geben. Für Kleidung haben die Militärpflichtigen,<br />
welche ein bestimmtes Abzeichen vom Truppenkommando erhalten, selbst zu sorgen.
Paragraph 5. Die Ausbildungszeit beträgt sechs Wochen, die jährlichen Wiederholungsübungen<br />
betragen zwei bis vier Wochen, Die Einberufung zur Dienstleistung und die Anordnung der Übungen<br />
erfolgt auf Vorschlag des Truppenkommandos durch den Kaiserlichen Landeshauptmann. Das<br />
Truppenkommando ist berechtigt, die Tüchtigsten im Lauf der Zeit zu Vormännern zu ernennen.<br />
Paragraph 6. Die einmal ausgebildeten Baster sind während der Dauer von 12 Jahren wehrpflichtig.<br />
Während dieser Zeit stehen sie unter Kontrolle, welche von der Polizeibehörde in Rehoboth ausgeübt<br />
wird. Jeder Wehrpflichtige hat eine Verlegung seines Wohnsitzes binnen 24 Stunden der Polizeibehörde<br />
in Rehoboth anzuzeigen, ebenso jede 14 Tage voraussichtlich übersteigende Abwesenheit<br />
vom Wohnort. Im Kriegsfall hat sich jeder umgehend bei der nächsten Ortspolizeibehörde zu melden<br />
und sich, falls er dort keinen anderen Befehl erhält, ungesäumt nach Rehoboth zu begeben.<br />
Paragraph 7. Sold wird nur im Krieg gewährt und beträgt monatlich 30 Mark, für die Vormänner<br />
(Unteroffiziere) 40 Mark. Die Auslöhnung erfolgt durch die Truppe.<br />
Paragraph 8. Während ihrer Dienstzeit stehen die Baster unter den Bestimmungen der Kriegsartikel.<br />
Dem Truppenkommando bleibt überlassen, die wichtigsten für die Baster Anwendung findenden Artikel<br />
besonders zu bezeichnen. Strafen werden während der Dienstzeit vom Truppenkommando, nach<br />
der Beendigung derselben auf Requisition desselben vom Kapitän von Rehoboth in Verbindung mit<br />
der Polizeibehörde daselbst vollstreckt.<br />
Paragraph 9. Die Kaiserliche Regierung verspricht, für die Versorgung der Witwen und Kinder der<br />
außerhalb des Rehobother Gebiets im Krieg gefallenen Baster nach Kräften beizutragen.<br />
Paragraph 10. Für die gewissenhafte Durchführung der Bestimmungen dieses Vertrages sowie der<br />
deutschen Gesetze und Verordnungen innerhalb des Gebietes der Rehobother Baster erhält der Kapitän<br />
Hermanus van Wijk ein jährliches Gehalt von 1.000 Mark, das er in halbjährlichen Raten postnumerando<br />
(zum ersten Mal am 1. Januar 1896) in Windhuk erheben kann, gezahlt aus der Kasse der<br />
Kaiserlichen Landeshauptmannschaft.<br />
Das Gebiet um Rehoboth 1914 und 1964
Rehoboth, am 26. Juli 1895. Für die Kaiserliche Landeshauptmannschaft:<br />
Der stellvertretende Landeshauptmann, gezeichnet von Lindequist.<br />
Der Kapitän der Baster von Rehoboth, gezeichnet H. von Wijk.<br />
Als Zeugen: gezeichnet von Estorff, gezeichnet von Burgsdorff.<br />
Als Dolmetscher: Vahlkampf, Heidtmann.<br />
Die Landespolizei als Kontrollorgan<br />
Der Bezirk Rehoboth der deutschen Landespolizei umfasste die Wohnsitze der 1871 aus Südafrika<br />
hierher verschlagenen Baster (Bastarde, Mischlinge), Nachkommen von Buren und Hottentotten. Sie<br />
waren aus ihren Stammessitzen südlich des Oranje Flusses (Pella und de Tuin), wo sie von Missionaren<br />
der Rheinischen Mission betreut wurden, von Buren, die ihnen das Weideland der Rinder<br />
wegnahmen, und von Buschmännern sowie Hottentotten, die ihr Vieh raubten und sie ständig drangsalierten,<br />
verdrängt worden.<br />
Unter Führung ihres Missionars Heidemann brachen die Baster nordwärts auf und überschritten 1868<br />
den Oranje. Der Treck bewegte sich über Warmbad nach Bethanien und Berseba. 1869 sammelte<br />
man sich unentschlossen nahe Chamis. Nach Verhandlungen mit den Zwartboi-Hottentotten bot sich<br />
die Möglichkeit, in Rehoboth Fuss zu fassen. Jene Zwartboi-Hotentotten waren nach ihrer fast<br />
vollständigen Ausrottung durch die vom Oranje vordringenden Afrikaner Hottentotten weiter nordwärts<br />
gezogen, um sich in Fransfontein anzusiedeln.<br />
Neu erworbenes Land verteilten die Baster jetzt unter den einzelnen Familien des kleinen Volks mit<br />
etwa 3.000 Köpfen. Jeder hatte alsbald ein gutes Auskommen. 1881 zog sich der größere Teil der seit<br />
1873 nahe Grootfontein ansässigen Baster ebenfalls nach Rehoboth zurück, um den aggressiven<br />
Buren auszuweichen.<br />
Inzwischen vermehrten sich die Rehobother Baster voller Zuversicht, doch die Farmanteile wurden<br />
immer kleiner in der Erbfolge. Zuletzt entstand ein Baster-Proletariat ohne Landbesitz und auf<br />
Arbeitsplätze bei den Wohlhabenden angewiesen. In Rehoboth durfte man immerhin seinen kleinen<br />
Rinderbesitz auf der Gemeindewiese unterbringen.<br />
Anfang 1914 zählte der engere Kreis der Besitzenden im Bezirk Rehoboth ungefähr 3.000 Personen,<br />
ergänzt durch 5.000 Eingeborene anderer Stämme in der näheren Umgebung. Nur einige hundert<br />
Baster-Familien saßen auf eigenem Grund und Boden, während die übrigen Ansiedler von der Hand<br />
in den Mund zu leben gezwungen waren.<br />
Inspektion der Baster-Kompanie um 1900
Die erste militärische Besetzung Rehoboths bzw. des Stammesgebiets der Baster erfolgte 1893 durch<br />
den Aufbau einer Station: ein Offizier, zwei Unteroffiziere und 20 Reiter gehörten dazu. Nach der Niederlage<br />
und Vertreibung Hendrik Witboois aus Hornkranz am 12. April 1893 verblieb ein Posten der<br />
Schutztruppe an diesem Platz. Im Jahr darauf entstand auch in Hoachanas eine Station. Es folgten<br />
Wiese, Schaffluss, Slip, Tsorromas, Nauchas, Aub und Kub.<br />
Bereits 1875 hatten sich europäische Händler in Rehoboth niedergelassen, die Grundbesitz erwerben<br />
wollten, was zu Streitigkeiten zwischen den Parteien führte. Nach Regelung der Besitzverhältnisse<br />
durch das deutsche Gouvernement kauften als erste ausgediente Angehörige der Schutztruppe Farmund<br />
Weideland in den nicht zum Stammesgebiet der Baster gehörenden Teilen des Bezirks Rehoboth<br />
von der Regierung in Windhuk. Einige Baster-Farmen gelangten durch Kauf in den Besitz von<br />
Europäern. Anfang 1914 waren im Bezirk Rehoboth fas 100 Farmbetriebe bewirtschaftet, zur Hälfte<br />
von Europäern. Es lebten dort 605 Weiße.<br />
Das bis dahin dem Bezirksamt Windhuk unterstellte Distriktsamt Rehoboth wurde 1907 mit einem<br />
selbständigen Verwaltungsdistrikt betraut und 1909 zum Bezirksamt erklärt. Die politischen Lebensumstände<br />
der Baster im Bezirk Rehoboth ließen sich allerdings nicht mit den sonstigen Bezirken im<br />
Schutzgebiet vergleichen, weil die Baster auf einer „deutlich höheren Kulturstufe“ standen als etwa<br />
Herero und Hottentotten.<br />
Als Leutwein das Gebiet militärisch besetzte, ließ er die politische Selbständigkeit der Mischlinge<br />
(stets Baster genannt) unangetastet. Sie blieb langfristig erhalten aus wohlüberlegten Rücksichten.<br />
Nach Einsetzung der deutschen Verwaltung und Zunahme der europäischen Bevölkerung konnte<br />
nicht ausbleiben, dass die bis dahin unbeschränkte Herrschaft des Baster-Kapitäns über Land und<br />
Volk sich allmählich in eine beratende Funktion des Verwaltungs-Chefs verwandelte.<br />
Der Einfluss der Stammesregierung schwand dahin bis zur Bedeutungslosigkeit. 1905 kam es zur<br />
Aufhebung der Kapitän-Administration im Einverständnis mit dem Volk. Der jeweilige deutsche<br />
Distrikt-Chef oder Bezirksamtmann fungierte nun als Oberhaupt des Stammes. Alle Angelegenheiten<br />
regelte jetzt ein Gemeinderat der Baster unter dem Vorsitz des Chefs der Verwaltung<br />
Die drei Verordnungen des Gouverneurs für Eingeborene in DSWA hatten (mit Ausnahme der<br />
Verordnung über die Pass- und Passmarkenpflicht) auch für die Baster Gültigkeit, unterzeichnet durch<br />
Herrn von Lindequist. Die Baster wurden folglich registriert, und ihre Dienst- sowie Arbeitsverträge<br />
Kaptein Cornelius van Wijk und sein Rat 1915
ichteten sich nach den neuen Bestimmungen. Passmarken blieben den Rehobothern erspart. Die<br />
Prügelstrafe durfte nur in Ausnahmefällen verhängt werden bei schweren Straftaten. Für das zivilrechtliche<br />
Verfahren waren die deutschen Gesetze verbindlich.<br />
Von der ersten Landespolizei erhielt Rehoboth 1905 einen Wachtmeister und drei Polizei-Sergeanten<br />
zugeteilt, zuvor in Hoachanas stationiert. Die übrigen Stationen blieben durch abkommandierte Angehörige<br />
der Schutztruppe besetzt. 1909 wurde die Ortspolizei auf sechs Beamte verstärkt, weil sie<br />
sonst den großen Landbezirk nicht hätte überwachen können.<br />
Die Baster Soldaten<br />
Albertus Koopman<br />
und Willem Morkel<br />
haben sich für den<br />
Fotografen fein<br />
gemacht und wandern<br />
ins Familien-Album...<br />
Wer war die Seele des Aufstands?<br />
Im Vorfeld des Aufstands der Baster war gerüchtweise oft von einer „Kriegspartei“ die Rede, einer<br />
Untergrundbewegung aus jüngeren Männern im Rehobother Milieu. Sie scharten sich um den nach<br />
außen hin deutschfreundlichen Kapitän Cornelius (Neels) van Wijk. Die älteren und besonneren<br />
Ratsmitglieder sowie andere Repräsentanten des Stammes distanzierten sich zwar halbherzig von<br />
den rebellischen Reden der Junioren, ließen aber alle Hitzköpfe gewähren und zeigten insgeheim ihre<br />
Sympathien. Sogar die östlich angrenzenden Nachbarn der „Roten Nation“ (Hottentotten) bekamen<br />
Wind von der schleichenden Revolte und zeigten Verständnis.<br />
Es erscheint nicht übertrieben, wenn man rückblickend den alten Dirk van Wijk als „Seele des<br />
Aufstands“ an den Pranger stellt. Später entdeckten die deutschen Soldaten im Basterland Massen<br />
von Patronen in zahlreichen Verstecken, vor allem unter den landesüblichen Strohdächern.<br />
Es wäre weitblickend und klug gewesen auf deutscher Seite, wenn man die offensichtlich<br />
unzuverlässige Baster-Kompanie sofort nach der Mobilmachung in die Nord-Etappe verlegt hätte, also<br />
weit entfernt von potentiellen britisch-südafrikanischen Feinden. Dazu hatte jedoch kein Verantwortlicher<br />
in Windhuk den Mut, weil „die Gefühle der lieben Baster nicht verletzt werden durften“.
Die Baster-Kompanie bestand zunächst aus fünf Offizieren, 35 weißen Unteroffizieren sowie Reitern<br />
und 150 einfachen Baster-Rekruten, geführt von Hauptmann Freiherr Hiller von Gaertringen. Die Männer<br />
sollten erst einmal „beschäftigt“ werden, und zwar in Onauis und Kraaiport. Alle blieben nach<br />
Kriegsausbruch beritten und bewaffnet. Jeder Mann hatte drei Patronentaschen prall gefüllt.<br />
„Spannungen“ zwischen Soldaten und ihren Vorgesetzten entstanden, als die Baster-Einheit „ins<br />
Ausland“ verlegt werden sollte, das heißt nach Jakalswater mit einem vorgeschobenen Posten in<br />
Ururas an der Grenze zur britischen Enklave Walvis Bay. Zweck der Anordnung: die schwachen<br />
deutschen Küstenschutz-Truppen brauchten Entlastung beim Wachtdienst. Von Kampf gegen die<br />
Unionstruppen war keineswegs die Rede, aber das Misstrauen wucherte üppig.<br />
Was geschah nach der Zurückziehung der Kompanie? Das weiße Personal wurde zum größten Teil<br />
der Zweiten Reserve-Kompanie im Küstengebiet überantwortet, während man die Baster Soldaten<br />
nach Rehoboth in ihre Heimstätten entließ. Es fand sich allerdings doch noch eine sinnvolle Aufgabe<br />
statt Faulenzen: Das Kriegsgefangenenlager Uitdraai, gerade erst eingerichtet und vollgestopft mit<br />
Buren, hatte dringend Bewacher nötig. Warum nicht die Baster Männer damit beauftragen?<br />
Es war psychologisch ein fataler Fehlgriff! Angehörige der weißen Rasse sollten von heute auf morgen<br />
durch Mischlinge beaufsichtigt und diszipliniert werden: eine zivilisatorische Schande in den Augen<br />
fast aller Beobachter bei Freund und Feind. Noch schlimmer; die Baster Wachtmannschaften – ohne<br />
ausreichende deutsche Kontrolle – waren ja mit den Gefangenen bluts- und sprachverwandt, nahezu<br />
ein Herz und eine Seele...<br />
_________________________________________________________________________________<br />
Gliederung des Grundbesitzes rund um Rehoboth
Mitte Januar 1915 entstand die Etappe Rehoboth der Schutztruppe, um vor allem einen<br />
leistungsfähigen Fuhrpark mit genügend Gespannen aufzubauen. Die Bahnstrecke zwischen<br />
Mariental und Brukkaros war nicht befahrbar. Notgedrungen benötigte das Militär mindestens 80<br />
Ochsenwagen aus dem Bastergebiet, freiwillig oder zwangsweise. Die Eigentümer der Fahrzeuge und<br />
Zugtiere sträubten sich heftig und wollten in Ruhe gelassen werden, sei es im Krieg oder in<br />
Friedenszeiten.<br />
Während der folgenden Wochen zirkulierten erneut Gerüchte, dass bald „etwas passieren“ würde.<br />
Eine Mauer des Schweigens der Eingeborenen erboste die Deutschen mehr und mehr. Neels van<br />
Wijk entfernte sich aus Rehoboth Kuiseb-abwärts unter dem Vorwand, er wolle Buschtee und Salz<br />
beschaffen. Tatsächlich suchte er ein Gespräch mit den Briten. Am 1. April 1915 empfing General<br />
Botha den Baster Kapitän in Swakopmund zu Verhandlungen. Gleichzeitig ritt der Baster Posten<br />
Swartfontein über Tinkaneib feindwärts und ermordete zuvor den deutschen Polizei-Sergeanten<br />
Schubert.<br />
Hauptmann von Hiller und Oberleutnant von Kleist machten sich zu einer Patrouille auf, um die Lage<br />
auszukundschaften und konnten keine Klarheit gewinnen. Missionar Blecher wusste von nichts, der<br />
Rat von Rehoboth stellte sich dumm. Beim Etappen-Kommando herrschte Ahnungslosigkeit. Man<br />
musste sofort handeln, aber wie am besten?<br />
Das Gouvernement in Windhuk ließ sich mit Engelsgeduld auf Verhandlungen und Vertröstungen ein<br />
und griff erst durch, als bereits Deutsche jeden Alters und Geschlechts den mörderischen Anschlägen<br />
der Baster zum Opfer gefallen waren.<br />
Ungefähr am 10. April 1915 machte Oberstleutnant Franke während einer Reise nach Keetmanshoop<br />
kurzen Aufenthalt in Rehoboth, um einige Vertreter des Rates der Baster wegen der Kriegslage anzusprechen.<br />
Er wollte ihnen mitteilen, dass die Kompanie von Hiller „aus Gründen der eigenen Sicherheit“<br />
in den Norden des Schutzgebiets verlegt werden müsste. Die Ratsherren reagierten nicht mit<br />
Zustimmung oder Ablehnung und verhielten sich schweigend. Franke setzte seine Fahrt fort, und die<br />
Rehobother Baster schmiedeten unterdessen Pläne, um die Absichten der bisherigen Verbündeten zu<br />
durchkreuzen.<br />
Man benötigte Ochsenwagen für einen Treck, um sich von der Schutztruppe zu distanzieren, doch<br />
waren alle Fahrzeuge der Baster im Etappendienst auf Achse und somit nicht mehr verfügbar.<br />
Daraufhin dachten die Baster an die Ochsenkarren der deutschen Farmer in ihrer Nachbarschaft und<br />
an Waffen- sowie Munitionsvorräte, die dort greifbar sein konnten. Als die Ansiedler sich weigerten, ihr<br />
Hab und Gut abzugeben, wurden sie erbarmungslos ermordet.<br />
Typische Baster Häuser der Kolonialzeit
Oberstleutnant Bethe<br />
Kriegserklärung durch das Kaiserliche Gouvernement<br />
Rehoboth, am 22. April 1915. – An den Rat der Bastards von Rehoboth. Den Befehl<br />
Seiner Exzellenz des Herrn Gouverneurs, wegen der Unzuverlässigkeit im Kriegsgefangenenlager<br />
von Uitdraai die Gewehre abzuliefern, haben die Bastard-Soldaten<br />
nicht befolgt.<br />
Trotz dreitägiger Verhandlung mit dem Bastardrat ist die Abgabe der Gewehre nicht zu<br />
erreichen gewesen. Die unter Versprechungen der Bereitwilligkeit verlangte Frist ist als<br />
Zeitgewinn für das heimliche Fortschaffen der Familien und ihres Besitzes benutzt<br />
worden.<br />
Während der zum Zweck friedlicher Lösung geführten Verhandlungen ist von den<br />
Bastards Raub und Mord an Weißen verübt worden. Durch dieses Verhalten und durch<br />
die Untaten an den Weißen ist von den Bastards der Schutz- und Freundschaftsvertrag<br />
vom 15. September 1885 gebrochen worden.<br />
Dieser durch ruchlose Verbrechen begleitete Treuebruch stellt sich als offene feindliche<br />
Handlung gegen die Kaiserliche Deutsche Regierung dar. Diese Regierung ist<br />
dadurch gezwungen, zur Wahrung ihrer Rechte, zur Aufrechterhaltung von Ruhe und<br />
Sicherheit im Schutzgebiet und zum Schutz von Leib und Leben der deutschen<br />
Reichsangehörigen in Deutsch-Südwestafrika und aller anderen ihrem Schutz unterstehende<br />
Personen die ihr notwendig erscheinenden Maßnahmen zu treffen, deren<br />
schwer wiegende Folgen die Gesamtheit der Bastards von Rehoboth zu tragen haben<br />
wird.<br />
Die bisher gepflogenen Verhandlungen erkläre ich hiermit für abgebrochen. Im Namen<br />
und im Auftrag des Kaiserlichen Gouvernements für Deutsch-Südwestafrika.<br />
BETHE, Oberstleutnant
Nach seiner Rückkehr von Keetmanshoop am 17. April 1915 bestätigte der deutsche Offizier den<br />
Baster Ratsherren nochmals sein Vorhaben und bat um Unterstützung. In der Nacht zum 18. April<br />
1915 flohen sämtliche 45 Baster-Soldaten aus Uitdraai und marschierten auf das nur mit 15 Gewehren<br />
besetzte Rehoboth zu. Hauptmann Müller forderte sogleich telefonisch aus Windhuk Verstärkung an.<br />
Am 18. April 1915 gegen acht Uhr früh traf die Vierte Ersatzkompanie mit Oberleutnant Bach am<br />
Bahnhof Rehoboth ein.<br />
Die rebellischen Baster hatten mittlerweile ebenfalls Zuzug erhalten, und 300 gut bewaffnete sowie<br />
berittene Schützen umlagerten die Stadt. Die Ratsherren wollten kein Blutvergießen, sondern lediglich<br />
verhandeln und Zeit gewinnen. Woanders war es jedoch schon zum Kampf gekommen: Die<br />
deutschen Mannschaften der Tiersammelstelle Sandpütz, etwa 15 Kilometer südwestlich Rehoboth<br />
gelegen, geleitet von Oberveterinär Bauer, hatten bei einem Fluchtversuch der kurz vorher entwaffneten<br />
Baster-Soldaten gefeuert und einen Mann getötet sowie mehrere verwundet.<br />
Am gleichen Tag nachmittags erschien Oberstleutnant Bethe in Windhuk, um den Oberbefehl der<br />
Schutztruppen zu übernehmen, wie vom Gouverneur erwünscht. Bethe hatte den Auftrag, so lange<br />
wie irgend möglich eine Schießerei zu vermeiden. Die bedrohliche Nähe der Unionstruppen zwang zu<br />
schnellem Handeln: was tun? Die zu jener Zeit verfügbare Vierte Ersatzkompanie (ohne Pferde)<br />
konnte allein nichts ausrichten. Das Kommando schickte deshalb die berittene 5. Reserve-Kompanie<br />
aus Windhuks Umgebung hinterher mit Oberleutnant Remanowsky. Sie erreichte am 23. April 1915<br />
gegen Abend Rehoboth.<br />
Oberstleutnant Bethe verhandelte vom 19. bis 22. April 1915 geduldig mit dem Rat der Baster und fuhr<br />
anschließend nach Windhuk zurück, um dem Gouverneur Bericht zu erstatten. Am 23. April 1915 zur<br />
Mittagszeit ließ er sich wieder in Rehoboth blicken und setzte die Besprechungen fort. Zuletzt kam es<br />
zum Abbruch der Verhandlungen, weil jeder Kompromiss verweigert wurde. Die Aufforderung zur<br />
Abgabe aller Handfeuerwaffen erwies sich als nahezu sinnlos, denn es kamen lediglich ein paar<br />
veraltete und unbrauchbare Gewehre zum Vorschein.<br />
Bezirksamt und Polizeistation Rehoboth 1914
Die Vierte Ersatz-Kompanie griff am gleich Nachmittag, vereint mit den Mannschaften der Etappe, die<br />
in den Klippen um Rehoboth liegenden Baster an und warf sie mit Verlusten Richtung Nauras zurück.<br />
Auf deutscher Seite gab es keine Gefallenen und Verwundeten. Weil die Schutztruppe keine Pferde<br />
greifbar hatte, wäre eine Verfolgung des Gegners aussichtslos gewesen. Die kaum felddienstfähigen<br />
Mannschaften (Reservisten) waren nicht mehr fähig, größere Marschleistungen zu vollbringen. Noch<br />
am gleichen Abend eilte die 5. Reserve-Kompanie beritten zur Unterstützung herbei und nahm die<br />
Verfolgung in Richtung Neuras auf. Es kam zum Gefecht an der Wasserstelle, und die Baster erlitten<br />
Verluste an Menschen und Material, vor allem Fuhrwerke, obendrein Rinderherden. Die Baster verzeichneten<br />
acht Tote und viele Verwundete. Deutsche Einbußen: ein Toter, ein Schwerverletzter, ein<br />
Leichtverletzter.<br />
Beide Kompanien kehrten nach Rehoboth zurück, weil Verpflegung und Nachschub nicht länger<br />
ausreichten. Am 23. April 1915 fuhr die 3. Ersatz-Kompanie mit Hauptmann Seydel auf dem<br />
Schienenweg von Aus nordwärts durch das Baster-Gebiet. An der großen Kurve nahe dem Haltepunkt<br />
Uitdraai bemerkte der Kompanie-Chef einen langen Wagenzug, begleitet von berittenen Baster<br />
Leuten, der die Bahnstrecke von Osten nach Westen kreuzte. Hauptmann Seydel ließ sofort seinen<br />
Eisenbahnzug anhalten und den Treck angreifen. Zahlreiche Zugochsen wurden abgeschossen,<br />
ebenso viele Reiter. Die Fuhrwerke gingen in Flammen auf. Zu spät stellten die deutschen Soldaten<br />
fest, dass es sich um geraubte Wagen deutscher Farmer handelte. Wahrscheinlich waren sämtliche<br />
Eigentümer-Familien ermordet worden.<br />
Am 25. April 1915 sollte Oberstleutnant Bethe wieder in Windhuk Meldung machen, und an seine<br />
Stelle trat Hauptmann Graf von Saurma-Jeltsch, bisher Etappen-Kommandeur in der Hauptstadt. Er<br />
ordnete die weitere Verfolgung der Baster an über Neuras auf Kobus, wo der Rebellenführer Dirck van<br />
Wijk lebte. Es traf sich günstig, dass zur gleichen Zeit die Nachhut des Hauptmanns Hensel von<br />
Süden her näher rückte.<br />
Die Truppen hatten erhebliche Probleme mit der Orientierung, weil ihnen genauere Kenntnisse der<br />
Landschaften fehlten. Das Kartenmaterial erwies sich überwiegend als nutzlos und unzureichend, zum<br />
Teil sogar irreführend. Ein Verzeichnis und Lageplan der Heliographie-Stationen fehlte. Man konnte<br />
lediglich durch Meldereiter mit anderen Einheiten kommunizieren, zeitraubend und erschöpfend.<br />
Gouverneur von Lindequist
In Kobus glaubte Graf Saurma auf eine stärkere Ansammlung von Baster Kämpfern zu stoßen.<br />
Heckenschützen lauerten fast überall an den Pads. Die Baster verstanden meisterhaft ihren Guerilla<br />
Kampf zu praktizieren. Sie benutzten teilweise britische Gewehre, wie man akustisch registrieren<br />
konnte. Leutnant Freiherr von Milkau erlitt nahe Kobus eine schwere Verwundung durch Heckenschützen.<br />
Bevor ihn seine Kameraden bergen konnten, versetzte ihm ein anderer Baster den<br />
tödlichen Kopfschuss.<br />
Am 28. April 1915 erreichte die Truppe Kobus, wo lediglich einige kleine Banden in der Umgebung<br />
lagerten. Am 3. Mai intensivierten Graf Saurma und Hauptmann Hensel die Verfolgung des Gegners<br />
nahe Gosorobis und Klein-Aub. Die Baster wichen stets geschickt aus und waren nicht zu fassen.<br />
Kundschafter ermittelten schließlich, dass nahe der Wasserstelle Tsamkuibis, wenige Kilometer nordwestlich<br />
Klein-Aub, reges Leben im Gang war. Große Staubwolken verrieten umfangreiche Rinderherden.<br />
Beiderseits der Wasserstelle hatten die Baster stockwerkartig Schanzen angelegt mit einem<br />
Geschick, das jeder deutschen Pionier-Einheit zur Ehre gereicht hätte. Man musste mit einer erheblichen<br />
Überlegenheit des Gegners rechnen.<br />
Am 8. Mai 1915 stieß die deutsche Spitze auf den Feind. Die 5. Reserve-Kompanie rückte gegen die<br />
Wasserstelle vor sowie gegen den Berghang links davon, die 4. Reserve-Kompanie etwas nördlich<br />
ausholend gegen den linken Flügel des Gegners. Halb-Batterie von Liechtenstern fand eine gute Position<br />
auf einem Hügel gegenüber der Wasserstelle. Als Reserve diente der Pferdezug der 4. Ersatz-<br />
Kompanie (später noch eingesetzt).<br />
Die Attacke kostete auf deutscher Seite fünf Tote und neun Verwundete. Gegen Schluss des Gefechts<br />
ging die Meldung einer Offizierspatrouille ein, dass Neuchas von der Schutztruppe eilig geräumt<br />
werden musste, weil weit überlegende Unionstruppen näher kamen und bereits kurz von Windhuk<br />
standen. Es war damit zu rechnen, dass die Bahnstrecke zwischen Windhuk und Keetmanshoop den<br />
Briten schnell in die Hände fallen würde. Das hätte die Vernichtung der Abteilung Saurma bedeutet.<br />
Unverzüglich setzte der Graf seine Männer Richtung Rehoboth in Marsch und überließ die Baster vor<br />
Ort ihrem Schicksal unter dem Zwang der Verhältnisse. Am 11. Mai 1915 kam Rehoboth in Sicht,<br />
während General Bothas Reiter dicht vor Windhuk standen. Die Fußkompanie mit ihren Fahrzeugen<br />
wurde am 15. Mai 1915 von Unionstruppen eingeholt und gefangen genommen.<br />
Polizei-Wachtmeister Rudolf Rogge<br />
wurde am 18. April 1915 heimtückisch<br />
von aufständischen Baster Männern<br />
ermordet, weil er sein Gewehr nicht<br />
aushändigen wollte...
Eine Serie von Morden durch Baster<br />
Am 19. April 1915 schickte Kapitän Kornelius van Wijk eine Baster Patrouille unter Führung des<br />
ehemaligen Baster Soldaten Nikolaas van Wijk ins Feld, um den Kaiserlichen Polizei-Wachtmeister<br />
Rudolf Rogge in Bullspoort zu entwaffnen und notfalls zu töten. Die Männer erreichten am 20. April<br />
1915 ihr Ziel an der Polizeistation. Rogge wurde aufgefordert sein Gewehr auszuhändigen und<br />
weigerte sich logischerweise.<br />
Die Baster versuchten den Polizeibeamten zu ergreifen, doch er sprang zur Seite, um seine Waffe<br />
doch noch zu fassen, die an einer Tür lehnte. Niklaas van Wijk feuerte, Hendrik ebenfalls. Beide<br />
Schüsse fielen fast gleichzeitig und töteten den Deutschen sofort.<br />
Nach einer anderen Aussage war der Polizist in seinem Garten beschäftigt, als Eingeborene ihn<br />
ansprachen und vortäuschten einen wichtigen Brief überbringen zu müssen. Dabei sei Rogge<br />
hinterrücks erschossen worden. Es sollen drei Hottentotten gewesen sein.<br />
Die erste Schilderung des Tathergangs erscheint jedoch glaubwürdiger, weil die beiden van Wijks<br />
freimütig einräumten gegenüber den südafrikanischen Militärbehörden, wie sie den Wachtmeister<br />
getötet hatten.<br />
Von Bullspoort beorderte Niklaas van Wijk die beiden eingeborenen Polizeigehilfen Fritz und Karab<br />
nach Ababis, wo der Farmverwalter Adam Heine mit seiner Familie lebte. Angeblich wollte man den<br />
Deutschen nur verhaften. Die beiden Gehilfen ritten am 20. April 1915 nach Zais und ermordeten dort<br />
den Farmer Richard Putzier. Am Tag darauf gegen sechs Uhr früh erreichten die Täter Ababis, und<br />
Herr Heine ging ihnen zur Begrüßung (als Verwalter des Farmbesitzers Albert Voigts) einige Schritte<br />
arglos entgegen bis zur Wasserstelle. Der Polizeigehilfe Karab erschoss den Deutschen auf etwa zwei<br />
Meter Distanz wortlos. Frau Heine stellte bei den britischen Militärbehörden Strafantrag (wegen<br />
Anstiftung zum Mord) gegen den Kapitän Kornelius (Neels) van Wijk. Die de Waal Kommission (der<br />
Engländer) hat folgende Akten zur Untersuchung vorgelegt:<br />
Farmer Georg Eberhardt (Farm<br />
Weissenfels) und seine Familie<br />
fielen ebenfalls in die Hände<br />
der Aufständischen:<br />
Vater Eberhardt wurde erschossen,<br />
das Kind Georg schwer verletzt.<br />
Das in einem Atelier zu Windhuk<br />
1914 aufgenommene Foto zeigt<br />
den Vater mit seinen Kindern<br />
Georg, Frieda und Erna.
WINDHUK, am 20. Mai 1915. GEMEINDE WINDHUK.<br />
Frau Anna Heine, Ehefrau des ermordeten Farmverwalters Adam Heine aus Ababis, zur Zeit wohnhaft<br />
in Arris, erklärt hiermit:<br />
Am 21. April 1915 früh um sechs Uhr erschienen in Ababis auf unserem Hof zwei mir bekannte<br />
Hottentotten namens Fritz und Karab, die bisher Polizeidiener in Bullspoort waren.<br />
Sie sattelten ihre Pferde ab und kamen an die Tränke. Mein Mann trat aus dem Haus, ging auf dieselben<br />
zu und wurde hierauf von dem Hottentotten Karab auf zwei Meter Entfernung erschossen.<br />
Meine vierzehnjährige Tochter Luise war Augenzeugin dieses Verbrechens und benachrichtigte mich<br />
sofort von der Tat. Ich eilte aus dem Haus auf meinen erschossenen Mann zu, wurde aber von Karab<br />
gehindert näher zu treten, weil er mich mit seinem Gewehr bedrohte und dann ins Feld jagte.<br />
Inzwischen waren vier bewaffnete Baster angekommen, die ich zur Rede stellte, weshalb sie meinen<br />
Mann erschossen hätten. Sie antworteten mir: „Das ist auf Befehl des Kapitäns Neels van Wijk<br />
geschehen. Wir haben auf Befehl des Kapitäns den Polizei-Wachtmeister Rogge und den Farmer<br />
Putzier getötet. Jetzt reiten wir weiter, um noch den Farmer Plugge in Noab zu erschießen, ebenfalls<br />
auf Befehl des Kapitäns“.<br />
Die Baster trieben danach unsere 304 Pferde sowie sämtliches Groß- und Kleinvieh weg und befahlen<br />
mir, sofort nach Garris zu fahren, zum Platz des Kapitäns van Wijk, und unterwegs die Frau des im<br />
Auftrag von Kapitän Neels van Wijk ermordeten Farmers Putzier mit nach Garris zu bringen.<br />
In Garris hielten sich zahlreiche Bster auf, auch die Familie des Kapitäns, doch hat er sich nicht<br />
blicken lassen. Ich habe jedoch seine Stimme bei Nacht erkannt. Von Garris wurde ich nach Rehoboth<br />
gebracht und dann nach Arris.<br />
Polizeistation Bullsport 1914
Ich beantrage – auch namens meiner vier unmündigen Kinder – die Bestrafung des Baster Kapitäns<br />
Neels van Wijk wegen Anstiftung zur Ermordung meines Ehemanns.<br />
Unterschrift: Frau Anna Heine. / Als Zeugin Frau Hinze.<br />
Ergebnis einer Befragung: Die erwähnten vier Baster hießen Gert van Wijk und Hendrik van Wijk,<br />
beide Polizeidiener aus Bullspoort. Die anderen beiden Baster kannte ich nicht mit ihren Namen. Mein<br />
Mann war weder Soldat noch Polizist.<br />
Unterschrift: Peter Müller, Bürgermeister.<br />
Am gleichen Mittwoch, dem 21. April 1915, überfielen das Ratsmitglied Pieter Mouton und sechs<br />
andere Baster die Kaiserliche Polizeistation Schlip (Slip). Polizei-Sergeant Siegmann und dessen<br />
Ehefrau hatten Besuch von einem Deutschen aus Gras, Mouton erzählte, dass er Angst hatte, zum<br />
Haus zu gehen, weil sowohl der Sergeant als auch dessen Frau als treffsichere Schützen bekannt<br />
waren.<br />
Die sieben Baster warteten, bis die drei Deutschen das Haus verlassen hatten. Frau Siegmann und<br />
der Besucher bestiegen einen leichten Pferdewagen, während der Sergeant mit einem Handpferd an<br />
der Seite hinterher ritt. Als die Gruppe etwa 300 Meter vom Haus entfernt war, rief Mouton den<br />
Sergeanten an und forderte ihn auf sich zu ergeben als Gefangener. Daraufhin habe der Deutsche<br />
seinem Pferd die Sporen gegeben und sei davon galoppiert. Von zwei Schüssen getroffen sei<br />
Siegmann schwer verwundet worden. Seine Frau und ihr Begleiter mussten alle Waffen abgeben, die<br />
sie mitführten. Dann durften sie mit dem Verwundeten die Fahrt nach Gras fortsetzen.<br />
Eine andere Baster Abteilung hatte den Auftrag, Polizei-Sergeant Paul Ebermann zu entwaffnen, der<br />
auf Gosorobis lebte. Er wurde bei Auchas verfolgt und gefangen genommen. Am 24. April 1915<br />
brachten ihn die Baster bis fast nach Rehoboth und ließen ihn überraschend frei.<br />
Unterwegs begegnete Ebermann einer Baster-Abteilung von 60 Männern unter dem alten Dirck van<br />
Wijk und empfahl ihm dringend, mit nach Rehoboth umzukehren und friedfertig zu bleiben. Der<br />
Kapitän versicherte, es sei jetzt zu spät zur Umkehr und man müsse Krieg machen. Es sei ein Fehler<br />
gewesen (des Kapitäns Neels van Wijk), den Polizei-Wachtmeister Rogge und die Farmer in Zais<br />
sowie Ababis zu töten, denn die deutsche Schutztruppe würde sich nun furchtbar rächen.<br />
Vor dem schwer verständlichen<br />
Rache-Feldzug der Baster gegen<br />
unschuldige deutsche Farmer<br />
und ihre Familien herrschten<br />
freundschaftliche Beziehungen<br />
zwischen vielen Mischlingen und<br />
Kolonial-Deutschen...
Was in keinem Geschichtsbuch steht<br />
Viele Töchter der Rehobother Baster Familien waren nahezu weiß und (für Europäer)<br />
reizvoll anzuschauen. Davon abgesehen sprach es sich bei den deutschen Junggesellen<br />
bald herum, dass man bei einer erfolgreichen Brautwerbung häufig mit einer<br />
stattlichen Mitgift rechnen durfte in Form von Landbesitz und Rinderbeständen. Entlassene<br />
Angehörige der Schutztruppe bemühten sich deshalb eifrig um die Gunst der<br />
Töchter und waren meistens als Schwiegersöhne „rassisch willkommen“.<br />
Söhne aus derartigen Mischehen wurden von ihren Eltern gern nach Deutschland zur<br />
Berufsausbildung geschickt, so auch Ernst Dahms, dessen deutscher Vater mit einer<br />
Basterin die Ehe geschlossen hatte. Der junge Mann geriet unglücklicherweise in den<br />
Zweiten Weltkrieg, wurde als Soldat von der Wehrmacht einberufen und starb im<br />
Kampf vor Königsberg (Ostpreußen) gegen Ende 1944 oder etwas später. Sein Foto ist<br />
im Rehoboth Museum ausgestellt.<br />
Es meldeten sich aber auch Rehobother Baster im Zweiten Weltkrieg als Freiwillige zur<br />
britischen Armee auf dem Umweg über Südafrika. Ob sie alle überlebten, ist nicht<br />
dokumentiert.<br />
Ernst Dahms, Vater Deutscher, Mutter<br />
und Ehefrau Angehörige des Baster<br />
Volksstamms in Rehoboth, wurde<br />
während seiner Berufsausbildung<br />
in Deutschland wehrpflichtig und<br />
fiel als Soldat 1944 bei Königsberg<br />
in Ostpreußen im Kampf.<br />
Auf Swartfontein (Gestüt Nauchas Vorposten) wurde Sergeant Otto Schubert (Vierte Kompanie) durch<br />
unbekannte Täter ermordet, als er Pfeife rauchend vor seiner Station ausruhte. Eine Patrouille fand<br />
später noch am gleichen Ort die Leiche des Farmers Max Hefner, der als Unteroffizier der Landwehr<br />
bei der Schutztruppe diente.<br />
Am 20. April 1915 kam Frau Neumann (Farm Isabis) mit ihrem kleinen Sohn nach Weissenfels, wo<br />
Herr Eberhardt eine Farm unterhielt. Er war Witwer und hatte drei kleine Kinder: Georg (6), Frieda (5)<br />
und Erna (3). Unterstützung im Haushalt bot ihm Fräulein Luise Kirschenlohr seit wenigen Tagen.<br />
Sie berichtete, dass fünf bewaffnete Baster nach Isabis gekommen seien und sie entwaffnet hätten.<br />
Am 21. April 1915 abends teilte Polizei-Sergeant Hannemann (Hoornkrans) mit, dass Sergeant<br />
Schubert ermordet worden sei, ebenso Farmer Hefner. Am Tag darauf forderte Hannemann die<br />
Bewohner von Weissenfels dringend auf, sofort zur Polizeistation Hoornkrans zu flüchten.
Am 22. April 1915 vormittags begann die Fahrt der bedrohten Menschen. An der Spitze des Trecks<br />
rollte die Pferdekarre mit Vater Eberhardt und Sohn Georg an seiner Seite, hinter Ihnen Fräulein<br />
Kirschenlohr mit den beiden Mädchen. Auf dem zweiten Pferdefuhrwerk hockten Frau Neumann und<br />
ihr Sohn. Es folgte ein Ochsenkarren mit Gepäck und Proviant, gefahren von Eingeborenen. Zum<br />
Schluss trotteten die Rinder mit ihren Treibern.<br />
Plötzlich tauchten einige Bewaffnete aus Verstecken auf, unter ihnen der Baster Petrus Olivier (wie<br />
Fräulein Kirschenlohr erkannte). Petrus gab den ersten Schuss ab. Herr Eberhardt warf die Arme hoch<br />
und stürzte vom Wagen, während sein neben ihm sitzendes Kind von einer Kugel in der Schulter<br />
getroffen wurde.<br />
Die Gespanne scheuten und rannten blind drauflos. Alle Insassen wurden zu Boden geschleudert. Die<br />
Baster traten auf Herrn Eberhardt zu, quälten ihn mit den Füßen und schossen wiederholt tödlich<br />
drauflos. Frauen und Kinder wurden in die Naukluft verschleppt und danach nach Marienhof transportiert.<br />
Von dort brachte sie der Farmverwalter Adriaan von der Berg nach Rehoboth.<br />
Die umfangreiche Beute der Baster nach ihrem Überfall: 48 Pferde, 364 Rinder (mit 84 Kühen und<br />
Kälbern). 1600 Stück Kleinvieh, ein neuwertiger Ochsenwagen, 2300 Mark Bargeld aus der Brieftasche<br />
Eberhardts.<br />
Etwa am 20 April 1915 wurde der Farmer Hermann Hörmann auf seiner Besitzung Derm-West von<br />
drei Herero und einem Berg-Damara erschlagen. Auftraggeber waren die Baster. Auf der Farm<br />
Blumfelde bei Hoachanas büßten Unteroffizier der Landwehr (Reservist) Karl Bauer, seine Frau und<br />
der sechs Wochen alte Säugling ihr Leben ein, erschlagen durch Axthiebe und obendrein erschossen.<br />
Zu den Tätern zählten Bauers eigene eingeborene Landarbeiter. Das schreiende Baby blieb unversehrt<br />
liegen und wurde am 2. Mai 1915 von Polizei-Sergeant Alois Stallinger entdeckt.<br />
Baster Freiwillige in der britischen Armee um 1942
Die Rehoboth Baster und ihr Museum<br />
Das zehnjährige Bestehen des Rehobother Museums und das hundertjährige Jubiläum<br />
der amtlichen Post in Rehoboth fielen fast auf den gleichen Tag im Dezember 1996.<br />
Das junge Museum versucht vor allem, die einheimische Bevölkerung zu interessieren<br />
und mit fast 40 Schulen in der Umgebung eng zusammen zu arbeiten. Dadurch sind<br />
bereits viele historische Kultobjekte dem Museum zugute gekommen.<br />
Ein Teil der Exponate erläutert die Umwelt, also Fauna und Flora, um den Natur-schutz<br />
zu fördern. Man erfährt Wissenswertes über Mineralien im Basterland, über Fossilien<br />
und die Vorfahren des Menschengeschlechts. Zwei Abteilungen gehen auf die jüngste<br />
Kulturgeschichte ein, das heißt die hundertfünfzigjährige Tradition des Baster Volks.<br />
Was ereignete sich hier vor 200 oder 400 Jahren? Ausgrabungen geben Auskunft.<br />
Austauschprogramme zwischen Schulen in Deutschland und Baster-Schulen werden<br />
entwickelt. Der Akazienwald Rehoboths soll erhalten bleiben und braucht sowohl<br />
Pflege als auch Schutz. Recycling Projects befassen sich mit der sinnvollen Wiederverwertung<br />
von Abfällen wie Papier, Plastik und Glas.<br />
1995 setzten sich sechs namibische und deutsche Bildhauer mit der Arbeit des<br />
Museums auseinander während der REHO ART EXHIBITION. Dabei entstanden<br />
Skulpturen, die alle Generationen begeisterten. Jene Schöpfungen aus Altmetall, Holz<br />
und Stein sind in einem kleinen Park vor dem Museum ständig zu bewundern. Man<br />
plant dreimonatige Kunstkurse für Schüler, ART WORK SHOPS, um Kinder zwischen<br />
10 und 13 Jahren zu inspirieren.<br />
Tatkräftig unterstützt wurde der Aufbau und die Einrichtung des Museums durch Dr.<br />
Cornelia Limprecht, einer Kunsthistorikerin, und dem Ethnologen Dr. Hartmut Lang,<br />
beide Universität Köln.<br />
Im Freigelände des Baster Museums Rehoboth
Der Säugling hatte sich vor Hunger die Fingerspitzen abgelutscht, lag vertrocknet in einer Wiege, fast<br />
wie eine Mumie anzuschauen. Die Mörder hatten die Farm ausgeraubt und waren mit unbekanntem<br />
Ziel verschwunden. Es ist anzunehmen, dass die Tötungen zwischen dem 23. und 27. April 1915<br />
stattfanden, denn am 23. April war Bauer noch lebend gesehen worden. Der Polizist schätzte, dass<br />
die Ermordeten bei seinem Eintreffen bereits fünf Tage tot da lagen.<br />
Nach dem Rückzug der deutschen Truppen kehrten die Baster zögernd heim in ihr Kerngebiet: noch<br />
in Tsamkhubis gab Dirk van Wijk, einer der Führer, den Befehl aus, alle Deutschen zu ermorden.<br />
Dadurch kamen noch die Farmer Eduard Wenzel (Achaubmund) und Karl Hermann (Rothenstein)<br />
ums Leben.<br />
Ohne Zweifel war die Hauptursache des Baster Aufstands 1915 die Furcht dieser ethnischen<br />
Minderheit vor dem Verlust ihres Landes und ihrer Selbstverwaltung. Die britisch-südafrikanische<br />
Militär-Regierung sowie die anschließende Mandats-Regierung der Südafrikaner bis 1990 ermöglichten<br />
jedoch dem Baster Volk keineswegs, irgendeine Form von Unabhängigkeit (mit dem erhofften<br />
Segen der Krone) zu gewinnen.<br />
Nach der Unabhängigkeitserklärung Namibias im Jahr 1990 mussten die Baster zähneknirschend feststellen,<br />
dass sie es – genauer betrachtet – nie besser hatten als zur Zeit der deutschen Kolonialherrschaft,<br />
die ja eine beschränkte Selbstverwaltung bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs<br />
wohlwollend erlaubte.<br />
Der neu geborene Staat Namibia anno 1990, der anfangs zu den schönsten basisdemokratischen<br />
Hoffnungen der unterschiedlichen Ethnien Südwestafrikas berechtigte, erwies sich rasch als Alleinherrschaftsgebilde<br />
des übermächtigen Ovambo Volks (nach Kopf- und Stimmenzahl), woran sich bis<br />
heute nichts geändert hat. Es existieren keine Oppositionsparteien mehr nach zaghaften Gründungsversuchen<br />
zwischen 1990 und 2000.<br />
Baster Sippe vor ihrer Behausung um 1900
Sowohl die Rehoboth Baster als auch die Herero und Damara sowie andere ethnische Minderheiten<br />
des gegenwärtigen Namibia, die sich Hoffnungen auf „Selbstverwirklichung“ machten, wurden energisch<br />
zur Ordnung gerufen mit dem Hinweis, dass es seit 1990 nur noch Namibier (und keine<br />
„Außenseiter“) geben darf im Sinne eines „Einheitsstaates“ (mehr oder weniger marxistischer<br />
Keimzellen vor 1990).<br />
Was ist den Baster Ideologen geblieben? Ein ärmliches Museum in Rehoboth, dank deutscher<br />
Entwicklungshilfe aufgebaut und von niemand beachtet. Die Vergangenheit verblasst Tag um Tag<br />
immer mehr...<br />
Abgesehen vom Schicksalsweg des Baster Volks kann man in jüngster Vergangenheit noch vergleichbare<br />
Entwicklungen in Namibia verfolgen: auch die Herero zogen nach dem Ende der deutschen<br />
Kolonialherrschaft und dem Erlöschen des südafrikanischen Mandatsauftrags keinerlei Vorteile aus<br />
der neuartigen „Unabhängigkeit“ Namibias, weil die SWAPO-Regierung argwöhnisch alle Regungen<br />
eines wieder aufkeimenden „Separatismus“ im Keim erstickt. Oberstes Gebot der gegenwärtigen<br />
Ovambo-Autokratie lautet: es darf nur noch Namibier im Land geben und keine Splitter-Ethnien mit<br />
Sonderwünschen (Wiedergutmachungsansprüche gegenüber Deutschland wegen Völkermord am<br />
Waterberg usw.). Mit anderen Worten: wer nicht auf „Parteilinie“ kollaboriert, gerät ins schmerzhafte<br />
Abseits...<br />
Quellen<br />
Hennig, R.: Deutsch-Südwest im Weltkrieg<br />
(Berlin 1920)<br />
Budack, K.: Der Bastard-Aufstand in Deutsch-Südwestafrika<br />
(Windhoek 1974)<br />
Rosalski, H.: Vom Niemandsland zum Ordnungsstaat der Landespolizei<br />
(Berlin 1930)<br />
Oelhafen, H.: Der Feldzug in Südwest 1914 und 1915<br />
(Berlin 1923)<br />
Hesse, H.: Die Schutzverträge in Südwestafrika<br />
(Berlin 1905)<br />
Britz, R.: Kurze Geschichte der Rehoboth Baster bis 1990<br />
(Göttingen 1999)<br />
Sandelowsky, B.: 10 Jahre Museum Rehoboth<br />
(Windhuk 1998)<br />
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