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<strong>Konzept</strong> Berufspraktische Ausbildung<br />
FÜR JUGENDLICHE MIT<br />
BESONDEREN LERNBEDÜRFNISSEN<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
1. Ausgangslage<br />
2. Zielsetzung<br />
3. Berufsschule<br />
4. Arbeitgeber<br />
5. Öffentlichkeitsarbeit<br />
6. Anhang<br />
1. Ausgangslage<br />
Die Eingliederung von jungen Menschen mit einer Lernbehinderung in die freie<br />
Wirtschaft ist schwierig. Den Deregulierungs- und Rationalisierungsmassnahmen<br />
fallen gerade jene Arbeitsplätze zum Opfer, die für diese Zielgruppe geeignet<br />
wären. Die Anwendung von immer verfeinerten Qualifikationssystemen führt<br />
dazu, dass Arbeitnehmende mit einer Behinderung den stets wachsenden Anforderungen<br />
nicht genügen können. Dazu kommt der Einsatz von neuen, komplexen<br />
Technologien, denen Menschen mit einer Lernbehinderung nicht mehr<br />
gewachsen sind. Das neu eingeführte Berufsbildungsgesetz bildet weitere Erschwernisse.<br />
Durch diese erschwerten Rahmenbedingungen sind die Berufseinstiegschancen<br />
in der freien Wirtschaft für Menschen mit besonderen Lernbedürfnissen begrenzt.<br />
Trotzdem gehen wir davon aus, dass es noch Nischen gibt und geben<br />
soll, in denen auch diese Arbeitnehmenden/Lernenden ihre beruflichen Fähigkeiten<br />
sowie ihre persönlichen Kompetenzen einbringen und entfalten können.<br />
Jungen Menschen mit einer Lernbehinderung sollen Berufsausbildung offen stehen.<br />
Dazu gibt es zwei Möglichkeiten.<br />
1. Eine Berufspraktische Ausbildung in der freien Wirtschaft mit dem Besuch<br />
der Berufsschule Giuvaulta (2 Jahre).<br />
2. Eine interne Berufspraktische Ausbildung in einer von der Invalidenversicherung<br />
anerkannten Ausbildungsstätte (geschützte Ausbildungsstätte) über 1<br />
Jahr. Den Berufsschultag absolvieren auch diese Lernenden im Giuvaulta.<br />
Die Berufspraktische Ausbildung kann um 1 Jahr verlängert werden, wenn<br />
die Vermittelbarkeit des Lernenden in die freie Wirtschaft besteht und im 2.<br />
Ausbildungsjahr ein Praktikum von mindestens 3 Monaten in der Privatwirtschaft<br />
absolviert werden kann.<br />
<strong>Konzept</strong> Berufspraktische Ausbildung MB 11.06.13 1
Grundsatz bei der Ausbildungsplatzsuche<br />
Erst wenn trotz allen Vermittlungsbemühungen aufgrund der behinderungsbedingten<br />
Leistungseinschränkungen kein Ausbildungsplatz in der freien Wirtschaft<br />
gefunden werden konnte, soll die 2. Variante im geschützten Rahmen als Ergänzung<br />
des Ausbildungsplatz-Angebotes genutzt werden. Oberstes Ziel ist die<br />
berufliche Integration in die freie Wirtschaft.<br />
Einstieg ins Berufsleben<br />
Der Einstieg in das Berufsleben ist von prägender Bedeutung. Gelingt dieser<br />
Einstieg, kann mit grosser Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass auch<br />
Arbeitsverhältnisse in der freien Wirtschaft möglich sind. Ebenso muss beachtet<br />
werden, dass missglückte oder „unglückliche“ Berufseinstiege negative Folgen<br />
nach sich ziehen können. Deshalb ist es von grosser Wichtigkeit, vor dem Eintritt<br />
in die Berufsausbildung eine realistische Eignungsabklärung vorzunehmen und<br />
bedarfsorientierte Begleitmassnahmen mit Hilfe des Job Coaches zu gewährleisten.<br />
So können Missverständnisse, unterschiedliche Erwartungshaltungen, Konfliktsituationen<br />
etc. frühzeitig erkannt und aufgefangen werden.<br />
2. Zielsetzung<br />
A) in der Privatwirtschaft<br />
• Durch Förderung der beruflichen Eingliederung von jungen Menschen mit besonderen<br />
Lernbedürfnissen in die freie Wirtschaft soll ein Ausbildungsabschluss<br />
und die Integration in die Arbeitswelt erreicht werden.<br />
• Schaffung und Umsetzung einer integrativen Berufsausbildungsmöglichkeit<br />
für folgende Zielgruppen:<br />
⇒ Personen, die den Anforderungen einer Grundausbildung mit Attest nicht gewachsen<br />
sind<br />
⇒ Abgängerinnen von Sonderschulen, entsprechenden Berufswahlklassen,<br />
Kleinklassen oder integrativer Schulung<br />
⇒ Personen, die in geschützten Ausbildungsstätten eingegliedert sind und sich<br />
für eine Berufsausbildung in der freien Wirtschaft eignen<br />
• Erhalt und Verbesserung der Eingliederungsmassnahmen in der freien Wirtschaft<br />
• Junge Menschen mit besonderen Lernbedürfnissen sollen auch im Kanton<br />
Graubünden die Chance haben, eine ihren Neigungen und Fähigkeiten angepasste<br />
und begleitete Ausbildungsmöglichkeit wahrzunehmen.<br />
B) in einer von der IV anerkannten Ausbildungsstätte<br />
(geschützte Ausbildungsstätte)<br />
• Förderung der beruflichen Ausbildung von Jugendlichen mit besonderen<br />
Lernbedürfnissen im geschützten Rahmen<br />
• Schaffung und Umsetzung der beruflichen Ausbildung für folgende Zielgruppe:<br />
⇒ Abgänger von Sonderschulen oder integrativer Schulung, die keine Möglichkeit<br />
<strong>Konzept</strong> Berufspraktische Ausbildung MB 11.06.13 2
haben eine Ausbildung in der freien Wirtschaft zu absolvieren, jedoch die persönlichen<br />
Voraussetzungen für eine Berufspraktische Ausbildung mitbringen<br />
und die Mindestanforderungen der Berufsschule erfüllen<br />
• Aneignen und Entwickeln der Kompetenzen zum Erlangen der Fähigkeiten für<br />
eine Berufslehre in der freien Wirtschaft<br />
Im Vordergrund steht die Förderung der Selbstständigkeit von jungen Menschen<br />
mit besonderen Lernbedürfnissen. Die Betroffenen sollen lernen sich im Beruf,<br />
in der Freizeit, im Wohnen und in ihren Beziehungen ihren Fähigkeiten entsprechend<br />
so selbständig wie möglich zu organisieren.<br />
3. Berufsschule<br />
3.1 Zielsetzung<br />
Die Berufspraktische Ausbildung und somit auch die Berufsschule sind auf die<br />
besonderen Bedürfnisse der Lernenden ausgerichtet. Die Berufsschule unterstützt<br />
die Ausbildungsbetriebe mit dem Ziel die beruflichen, schulischen und lebenspraktischen<br />
Qualifikationen der Lernenden zu verbessern.<br />
3.2 Rahmenbedingungen<br />
Organisation, Unterricht und Lerninhalte stützen sich auf das Schulkonzept und<br />
eine Schul- und Disziplinarordnung.<br />
Einstieg:<br />
Die berufliche Eignungsabklärung erfolgt in der Regel in den Abschlussklassen<br />
und in Zusammenarbeit mit der IV-Berufsberatung.<br />
Die Suche nach einem geeigneten Ausbildungsplatz erfolgt in Absprache<br />
mit der IV-Berufsberatung durch diese selbst, die Lernenden und<br />
deren Bezugspersonen, die Lehrpersonen der Abschlussklassen<br />
und/oder mit Hilfe der Sozialberatung von Pro Infirmis oder anderen<br />
spezialisierten Stellen, die dies im Auftrag der IV ausführen.<br />
Die Berufspraktische Ausbildung in der freien Wirtschaft dauert zwei<br />
Jahre.<br />
Die Berufspraktische Ausbildung im geschützten Rahmen dauert in der<br />
Regel 1 Jahr.<br />
Sie kann um 1 Jahr verlängert werden, wenn die Vermittelbarkeit des<br />
Lernenden in die freie Wirtschaft besteht und im 2. Ausbildungsjahr ein<br />
Praktikum von mindestens 3 Monaten im ersten Arbeitsmarkt absolviert<br />
werden kann.<br />
Die Berufspraktische Ausbildung wird mit einem Vertrag nach Obligationenrecht<br />
geregelt.<br />
Die Lernenden absolvieren vor Ausbildungsbeginn mindestens einen<br />
Schnuppertag in der Berufsschule. Aufgrund der Beobachtungen am<br />
Schnuppertag werden die Lernenden provisorisch einer Niveaugruppe<br />
zugeteilt.<br />
Mindestanforderungen:Im Anhang sind die Mindestanforderungen definiert. So sollen<br />
die Lernenden minimale Grundkenntnisse im sprachlichen Bereich<br />
und im Zahlenverständnis haben und grundlegende Selbst- und Sozial-<br />
<strong>Konzept</strong> Berufspraktische Ausbildung MB 11.06.13 3
kompetenzen mitbringen. Ebenso werden minimale Lern- und Arbeitskompetenzen<br />
erwartet, damit im Unterricht ein Lernerfolg möglich wird.<br />
Lehrperson: Der Unterricht wird durch ein Team verschiedener Lehrpersonen erteilt<br />
(Berufsschullehrpersonen, Heilpädagogen).<br />
Unterrichtsdauer und Lektionenzahl: Die Berufsschule wird während der ein oder<br />
zwei Jahre dauernden IV-Anlehre besucht. Pro Woche sind mindestens<br />
7 Lektionen vorgesehen bei 38 Schulwochen im Jahr.<br />
Klassengrösse: Das Optimum liegt bei 5 bis 7 Lernenden.<br />
3.3 Basismodul/ Ergänzungsmodul<br />
Das erste Ausbildungsjahr ist als Basismodul konzipiert. Die Lerninhalte für den<br />
schulischen wie auch für den praktischen Bereich sind in Form einer Vernetzung<br />
mit der praktischen Ausbildung dargestellt. Das Basismodul wird nach einem<br />
Jahr abgeschlossen.<br />
Im zweiten Ausbildungsjahr werden Inhalte als Ergänzungsmodul unterrichtet.<br />
Diese Lerninhalte werden ebenfalls in einer Vernetzung mit der praktischen<br />
Ausbildung wiedergegeben. Das Ergänzungsmodul wird nach dem zweiten Ausbildungsjahr<br />
abgeschlossen.<br />
3.4 Niveauunterricht<br />
Um den Fähigkeiten und Fertigkeiten der einzelnen Jugendlichen besser gerecht<br />
zu werden, führt die Berufsschule den Unterricht in drei Niveaugruppen.<br />
Die Niveaugruppen sind im Anhang definiert. In den jeweiligen Niveaugruppen<br />
werden die Bewertungsformen und die Abschlussprüfungen angepasst.<br />
Entsprechend ergeben sich folgende Abschlussmöglichkeiten: Berufsschule<br />
besucht / Berufsschule abgeschlossen im entsprechendem Niveau (Niveau 3<br />
mit Noten) mit Diplom.<br />
In jedem Schuljahr wird mindestens ein Standortgespräch durchgeführt, um mit<br />
allen Beteiligten (Jugendliche, Eltern, gesetzliche Vertreter, Ausbildner, Lehrpersonen,<br />
Gruppenleitung, IV-Berufsberatung und je nach Bedarf Job Coach)<br />
die berufliche und persönliche Entwicklung des Lernenden gemeinsam zu besprechen.<br />
Am Schluss eines Schuljahres wird ein Schulbericht erstellt. Ein ausgefüllter<br />
Augenschein wird nach der praktischen Prüfung im Basis- und Ergänzungsmodul<br />
dem Schulbericht beigelegt.<br />
3.5 Bildungsziele des Unterrichts<br />
Wissen und Fähigkeiten<br />
Der Unterricht soll den Lernenden jenes Wissen und jene Fähigkeiten vermitteln,<br />
die sie/er benötigt, um in ihren Handlungsfeldern bestehen zu können.<br />
Realistische Selbsteinschätzung<br />
Der Unterricht soll dazu beitragen, dass die Lernenden ihre eigenen Möglichkeiten,<br />
Grenzen und Chancen realistisch einzuschätzen lernen.<br />
<strong>Konzept</strong> Berufspraktische Ausbildung MB 11.06.13 4
Zusammenarbeit<br />
Der Unterricht soll die sozialen Fähigkeiten fördern, die ein harmonisches Zusammenleben<br />
begünstigen.<br />
Selbständigkeit<br />
Der Unterricht soll die Lernenden befähigen, angepasste Aufgaben ohne fremde<br />
Hilfe übernehmen zu können.<br />
Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl sollen gefördert werden.<br />
3.6 Basis- und Ergänzungsmodul<br />
Die Lernziele der schulischen als auch der praktischen Ausbildung sind in den<br />
Vernetzungen Basismodul und Ergänzungsmodul festgehalten.<br />
Das Basismodul umfasst Themen wie Arbeit und Beruf, Kommunikation, Gesundheitsvorsorge,<br />
Ökologie, Geld etc.<br />
Ebenso werden Handlungsfähigkeiten wie Mathematik und Schätzen, Masseinheiten<br />
kennen, Lern- und Arbeitstechniken anwenden, Sprechen, Schreiben, Lesen<br />
etc. weiter gefördert. Dies erfolgt stets im Zusammenhang mit der beruflichen<br />
Ausbildung als themenzentrierter Unterricht.<br />
3.7 Berufskunde der verschiedenen Berufsfelder<br />
Verwandte Berufe werden in Berufskundegruppen zusammengefasst und fachspezifisch<br />
unterrichtet. Die Lernenden erhalten Fachkompetenzen im entsprechenden<br />
Niveau für ihren Beruf. In der Vernetzung sind die zu erreichenden Ziele<br />
der schulischen und praktischen Ausbildung aufgeführt.<br />
4. Arbeitgeber im ersten Arbeitsmarkt<br />
Eine spezielle Zielgruppe stellen die Arbeitgebenden dar. Vielfach fehlen Erfahrungswerte<br />
über die Einsatzmöglichkeiten von Menschen mit besonderen Lernbedürfnissen<br />
in der Praxis. Mögliche Arbeitsbereiche können in Zusammenarbeit<br />
mit der IV-Berufsberatung, mit den betreffenden Lehrpersonen der Sonderschulen<br />
und mit dem Job Coach aufgezeigt werden.<br />
Erfahrungen zeigen, dass die Aufnahme eines Menschen mit einer Behinderung<br />
in die Belegschaft eines Betriebes überaus positive Auswirkungen auf die Betriebskultur<br />
und somit auch auf die Produktivität haben kann. Aus diesem Grund<br />
sollen Arbeitgebende durch Vermittlung von geeigneten Informationen motiviert<br />
werden, ihren Betrieb in Bezug auf Ausbildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten<br />
von Menschen mit besonderen Lernbedürfnissen zu prüfen. Die Arbeitgebenden<br />
sollen vom eigenen Firmennutzen überzeugt werden.<br />
5. Öffentlichkeitsarbeit<br />
Interessierte Kreise wie Eltern, Schulen, Beratungsstellen, Behörden, Arbeitgebende,<br />
aber auch die allgemeine Öffentlichkeit, sollen regelmässig über die Berufspraktische<br />
Ausbildung orientiert werden.<br />
5.1 Massnahmen<br />
• Regelmässige Orientierung über die Berufspraktische Ausbildung in den Medien<br />
<strong>Konzept</strong> Berufspraktische Ausbildung MB 11.06.13 5
• Eltern und Ausbildungsbetriebe werden einmal pro Ausbildungsjahrgang zu<br />
einem Informationsabend in die Berufsschule geladen<br />
• Informationen und Informationsmaterial über die Berufspraktische Ausbildung<br />
wird durch die Berufsschule, die IV-Berufsberatung und Beratungsstellen regelmässig<br />
gestreut<br />
• Informationen an Fachpersonen aus Schulen, Beratungsstellen, Behörden<br />
und Partnern durch Abgabe von Informationsmaterial und durch Zustellung<br />
des <strong>Konzept</strong>es<br />
• Orientierung der Arbeitgebenden über Zeitschriften des Gewerbes und individuelle<br />
Vermittlung von Informationen<br />
6. Anhang<br />
• Mindestanforderungen an Fertigkeiten im Bereich der Grundtechniken<br />
• Niveaueinteilung<br />
• Basismodul<br />
• Berufsbezeichnungen<br />
• Ergänzungsmodul<br />
• Schul- und Disziplinarordnung<br />
In Kraft ab 1.Oktober 2012<br />
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