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Mit einem vierbeinigen Freund Richtung Süden<br />
Text und Fotos: Sabine Keller<br />
Viele Schritte<br />
führen nach Rom<br />
Als Sabine vier Jahre alt war, bekam sie das Buch von Susi und dem kleinen Esel Benjamin geschenkt.<br />
Ihre Mutter musste ihr immer und immer wieder daraus vorlesen. Sie konnte sich nicht sattsehen<br />
an den schönen Bildern. Der Wunsch, mit einem Esel Abenteuer zu erleben, hielt sich über die Jahre<br />
hartnäckig. Bis sie sich selbst auf den Weg machte, ihre eigene Geschichte zu erleben.<br />
Vor ungefähr drei Jahren erzählte<br />
ich erstmals meinen<br />
Freunden von der Idee,<br />
mit einem Esel in Europa<br />
zu wandern. Kopfschütteln<br />
war die Reaktion. Ich<br />
fing an, konkrete Pläne zu<br />
schmieden, mich nach einem grauen Gefährten<br />
umzusehen und platzierte eine Anzeige auf<br />
www.tier-inserate.ch. Anfang 2009 bekam ich<br />
einen Anruf von einer Frau, die mir anbot, ihren<br />
Esel über den Sommer auszuleihen. Ohne<br />
Bezahlung, denn sie würde es schön finden,<br />
wenn ihr Esel so eine Reise erleben dürfte. Ich<br />
fuhr zu ihnen und erkannte in Pippo sofort einen<br />
würdigen Reisepartner. Für den Fall, dass<br />
ich mich nach der Reise nicht mehr von ihm<br />
trennen wollte, machten wir einen Kaufpreis<br />
von 1000 Franken aus, die ich im Herbst bezahlen<br />
könnte.<br />
Mitte April, einen Monat bevor die Reise<br />
starten sollte, holte ich Pippo zu mir in den<br />
Stall. Er sollte sich an mich gewöhnen. Oder<br />
eher umgekehrt? Wir verbrachten viel Zeit miteinander<br />
und gingen täglich spazieren. Natürlich<br />
hatte auch ich meine Bedenken für eine so<br />
lange Reise – nur ich und ein Esel! Aber ich<br />
sagte mir: Ich bin ja nicht auf einem fernen<br />
Kontinent, ich kann also jederzeit umkehren.<br />
Wir würden einfach marschieren, bis wir genug<br />
hätten. Ein konkretes Ziel hatte ich mir<br />
daher nicht gesetzt, die Reise sollte einfach mal<br />
Richtung Westen gehen, da hin, wo die Sonne<br />
untergeht. Ein Bild hatte sich jedoch in meinem<br />
Kopf festgesetzt: einmal mit meinem Esel am<br />
Meer stehen!<br />
Abmarsch. Ein Sonntag im Mai, 5.30 Uhr, der<br />
Wecker klingelt. Der grosse Tag beginnt – Esel<br />
bürsten, Hufe auskratzen, Gepäcksattel montieren,<br />
Satteltaschen einhängen, noch schnell<br />
meinen Eltern Adieu sagen, und los gehts. Um<br />
unseren ersten Übernachtungsplatz zu erreichen,<br />
müssen wir heute 15 Kilometer marschieren.<br />
Es ist ein frischer Morgen, Tau liegt<br />
noch auf den Wiesen, die Sonne scheint, die<br />
Gedanken sind leicht. Im Nachbardorf treffe<br />
ich einen Bekannten. «Wohin des Weges?» -<br />
«Weiss nicht, mal sehen, einfach der Nase<br />
nach.» - «Und wie lange?» - «Wenn es gut geht<br />
einen Monat, wenn nicht, sind wir in ein paar<br />
Tagen zurück. Und wenn es super läuft, sogar<br />
länger.» - «Na, du hast Mut. Dann viel Glück!»<br />
Beschwingt und zügig kommen wir voran.<br />
Pippo macht es sichtlich Spass, mit unserem<br />
Gepäck hinter mir herzulaufen, und so treffen<br />
wir schon vor Mittag bei Freunden in Gibswil<br />
ein. Es wird nicht oft vorkommen, dass wir<br />
schon am Morgen wissen, wo wir abends<br />
übernachten. Roman und Esther laden mich<br />
72 GLOBETROTTER-MAGAZIN HERBST 2010
europa<br />
zum Mittagessen ein, und Marlene, die Tochter,<br />
schenkt mir ein Armband, das ich mir als<br />
Glücksbringer ums Handgelenk binde. Am<br />
Nachmittag dürfen Marlene und ihr Bruder<br />
Remo noch bis zum 15 Minuten weit entfernten<br />
Bachtelweier mitkommen, unserem ersten<br />
Übernachtungsplatz.<br />
Für die Nacht ist Regen angesagt, und der<br />
kommt auch. Das Zelt ist dicht, aber mein armer<br />
Esel steht draussen, lediglich geschützt von<br />
ein paar Bäumen. Ich ertrage die Vorstellung<br />
nicht. Ich gehe in den strömenden Regen hinaus<br />
und versuche mit einer Blache ein Regendach<br />
zu bauen. Ein schwieriges Unterfangen.<br />
Aber nachdem ich endlich etwas zustande gebracht<br />
habe, weigert sich Pippo, unter das Dach<br />
zu kommen, trotz Karotte, die ich ihm hinhalte.<br />
In der Aufregung habe ich ganz vergessen,<br />
meine Regenjacke anzuziehen, und so krieche<br />
ich pitschnass zurück ins Zelt. Ich kuschle mich<br />
in meinen Schlafsack, der mich zuerst noch<br />
wärmt. Aber die Nacht wird saukalt, meine<br />
warmen Klamotten sind nass, und alle trockenen<br />
habe ich schon an. Ab Mitternacht kriege<br />
ich kein Auge mehr zu, liege zitternd im Zelt<br />
und frage mich, was ich eigentlich hier mache.<br />
Morgens um sieben ist meine Stimmung auf<br />
dem Nullpunkt. Ich habe nicht geschlafen<br />
und bin komplett durchfroren.<br />
Immerhin schaut die Sonne<br />
ein bisschen raus. Beim Zusammenpacken<br />
kommen mir Gedanken,<br />
ob ich meinen Vater anrufen<br />
soll, damit er uns abholt. Ich fühle<br />
mich zu wenig stark für dieses<br />
Unterfangen. Soll das doch sonst<br />
wer machen! Irgendwie raffe ich<br />
mich aber doch wieder auf, und<br />
wir ziehen weiter.<br />
Erste Tage. Die zweite Nacht<br />
bleibt trocken. Würde es nochmals<br />
regnen, ich kehrte sofort<br />
um. An diesem Abend lerne ich<br />
eine weitere Lektion. Ich koche<br />
gerade Pasta, als Pippo gefährlich<br />
neugierig seine Nase in die Pfanne<br />
strecken will. Ich kann ihn gerade noch<br />
wegschubsen, was zur Folge hat, dass er sich<br />
umdreht und mich mit seinem Hinterteil einfach<br />
wegschiebt. Dabei kippt der brennende<br />
Kocher samt der Nudelpfanne um, und der<br />
heisse Inhalt spritzt mir über die Beine.<br />
Autsch! Zur Strafe muss Pippo während des<br />
Kochens an ein kürzeres Seil. Nachts höre ich<br />
draussen etwas scharren. Als ich nachsehe,<br />
verspeist mein Grautier genüsslich die ausgeleerten<br />
Al-dente-Nudeln. Trotz der Müdigkeit<br />
schlafe ich auch in der zweiten Nacht schlecht.<br />
Als ich irgendwann aus dem Zelt schaue, stelle<br />
ich fest, dass sich mein Esel hingelegt hat. Anscheinend<br />
fühlt sich Pippo in Sicherheit. Ich<br />
habe mir unnötig Sorgen gemacht, dass er<br />
sich fern vom heimatlichen Stall unwohl fühlen<br />
könnte. Das macht auch mich ruhiger,<br />
und die Bedenken, die Reise nicht zu schaffen,<br />
Alles, was es braucht. Ein kleiner Platz fürs Zelt,<br />
frisches Gras und Wasser zum Trinken für Pippo<br />
im Simmental (oben).<br />
Mittagsrast. Auf der Pfiffegg zwischen Siebnen<br />
und dem Sihlsee. Pippo ist noch im Winterpelz<br />
(unten).<br />
sind schnell verflogen. Nach wenigen Tagen<br />
sind wir eingelaufen. Pippo und ich sind ein<br />
Superteam. Zu Beginn haben wir unsere kleinen<br />
Machtkämpfe – ihm ist nicht immer ganz<br />
klar, dass ich der Boss bin. Aber ich gebe zu,<br />
manchmal muss ich ihn gewinnen lassen. Bei<br />
seinem treuherzigen Blick fällt es mir schwer,<br />
streng zu sein.<br />
Wir wandern auf eher abgelegenen Wegen,<br />
doch mit einem Esel im Schlepptau erregt man<br />
zwangsläufig Aufmerksamkeit, und so treffen<br />
wir immer wieder auf nette Menschen, die uns<br />
spontan einen Schlafplatz anbieten. Kurz vor<br />
Einsiedeln werde ich von einer Frau<br />
angesprochen, die mir ihren Badeplatz<br />
am Sihlsee anbietet. Es gibt gutes<br />
Gras für Pippo und für mich einen<br />
Tisch mit Stühlen, was ich nach<br />
dem ewigen Am-Boden-Sitzen richtig<br />
geniesse. Elisabeth kümmert sich<br />
rührend um uns. Sie zeigt auf den<br />
hageren Mann, der auf dem angren-<br />
zenden Grundstück gerade baden<br />
geht. «Das ist Andi Küttel, der Skispringer.<br />
Seinen Eltern gehört der<br />
Platz da.»<br />
Nach zehn Tagen besucht uns Astrid,<br />
die Eselbesitzerin, als wir bei ihrer<br />
Freundin in Schwyz gastieren<br />
dürfen. Nachdem sie Pippos Hufe<br />
untersucht hat, meint sie lich: «Hm… es ist nicht schlimm,<br />
aber weit kommt ihr so nicht mehr. Wenn man<br />
Pippo jetzt nicht beschlägt, müsst ihr vermutlich<br />
in zwei bis drei Wochen eine Zwangspause<br />
einlegen. Oder gar die Reise abbrechen.» Ich<br />
verlasse mich auf den fachmännischen Rat, und<br />
am nächsten Tag besucht uns der Hufschmied.<br />
Wir pausieren fünf Tage, bis sich Pippo an die<br />
nachdenk-<br />
neuen Schuhe gewöhnt hat.<br />
Vor Stans frage ich bei einem Bauern, ob<br />
ich mein Zelt hinter seinem Stall aufstellen<br />
kann. Am nächsten Morgen die gewohnte Routine:<br />
Pippo zu einem Frühstücksplatz führen,<br />
Zelt zusammenräumen, alle Sachen in die richtige<br />
Satteltasche verpacken, Pippo striegeln,<br />
Hufe auskratzen, satteln und zu guter Letzt den<br />
Plastiksack mit etwas Heu oben aufbinden. Bis<br />
zum Aufbruch vergeht so eine Stunde. Dann<br />
schultere auch ich meinen Rucksack, und los<br />
gehts. Mit einem Stockmass von 1,03 Metern<br />
73
könnte Pippo 35 bis 40 Kilo tragen. Für mich<br />
ist es aber wichtig, dass ich ihn nicht bis zum<br />
Maximum belaste. Er trägt 25 bis maximal 30<br />
Kilo. Den Tagesrucksack trage ich aus solidarischen<br />
Gründen selber. Wie würde es denn<br />
aussehen, wenn mein Esel alles schleppen<br />
müsste und ich gar nichts...<br />
Hindernisse. Am Stadtrand von Stans stehen<br />
wir plötzlich vor dem Trassee einer Standseilbahn.<br />
Na bravo. Über Bahnschienen geht<br />
mein Esel mit einiger Vorsicht, aber über<br />
vibrierende Zugseile? Das Hauptproblem<br />
ist, dass es zwischen den Schienen keine<br />
grosse Trittfläche gibt und sich dort das<br />
Zugseil befindet. Also erst einmal warten,<br />
bis die Bahn oben angekommen ist und<br />
die Seile ruhig liegen. Dann starte ich einen<br />
Versuch. Mit seinen kleinen Hufen<br />
steht Pippo genau in den Zwischenraum,<br />
wo sich das Seil befindet. Ich kriege einen<br />
ordentlichen Schreck, aber das Ganze<br />
dauert nur eine Sekunde. Während ich<br />
noch Blut schwitze aus Angst, er könnte<br />
sich in den Seilen verheddern, ist er<br />
schon über die zweite Schiene gesprungen.<br />
Glück gehabt. Später gehen wir einen<br />
Wanderweg entlang, bis wir zu einer<br />
Kuhweide kommen. Wir stehen vor einem<br />
Drehkreuz. Für Menschen passierbar,<br />
für Esel keine Chance! Ich bin sehr<br />
erfinderisch geworden beim Umgehen<br />
von Hindernissen. Dieses ist nicht das<br />
FRANK-<br />
REICH<br />
Grosser<br />
St. Bernhardpass<br />
erste, und es wird auch nicht das letzte sein.<br />
Das Drehkreuz aus der Verankerung zu heben,<br />
ist unmöglich, es muss eine andere Lösung<br />
geben. Das Aufdrehen des Drahtes mithilfe<br />
meines Sackmessers klappt nicht. Ich<br />
muss einige Pfähle aus dem Boden ziehen,<br />
hebe das Gepäck rüber, lotse den Esel durch,<br />
schlage die Pfähle wieder ein, belade Pippo,<br />
und weiter geht es. Was für Wanderer eine Sekunde<br />
dauert, braucht mit Eselbegleitung eine<br />
halbe Stunde. Oft bringt mich nicht nur die<br />
ALGERIEN<br />
DEUTSCHLAND<br />
Bauma<br />
Schwyz<br />
Stans<br />
SCHWEIZ<br />
Vouvry<br />
Aosta ITALIEN<br />
Isolengo Po<br />
Torino<br />
TUNESIEN<br />
Carrara<br />
ÖSTERREICH<br />
Siena<br />
Arbeit ins Schwitzen, sondern auch der Gedanke,<br />
dass irgendwo noch das andere Ende<br />
des Zauns auf uns wartet. Wird dieser passierbar<br />
sein, oder müssen wir umkehren? Heute<br />
entpuppt sich der zweite Zaun tatsächlich als<br />
noch mühsamer. Mit knurrendem Magen mache<br />
ich mich wieder an die Arbeit, während<br />
mein Freund sich an einem dritten Frühstück<br />
und einer ausgedehnten Pause erfreut. In der<br />
Regel machen wir etwa alle eineinhalb Stunden<br />
eine kurze «Gras-Pause». Wenn da jeweils<br />
gerade eine schöne Bank am Wege steht,<br />
um gemütlich einen Happen zu essen,<br />
umso besser. Das mit der Bank hat Pippo<br />
schnell begriffen. Sieht er eine, strebt er<br />
darauf zu, hält an und schaut mich mit<br />
grossen, fragenden Augen an – auch,<br />
wenn die letzte Pause gerade erst fünf Minuten<br />
zurückliegt. Ich muss jedes Mal<br />
schmunzeln, er scheint nur das Beste für<br />
mich zu wollen.<br />
Um zum Ufer des Sarnersees zu gelangen,<br />
müssten wir wegen Unwetterarbeiten<br />
einen Brückenpfeiler über ein vorgehängtes<br />
Provisorium umgehen, erklärt mir eine<br />
Passantin. Es könnte aber eng werden mit<br />
den Satteltaschen. Das ist kein Problem,<br />
die kann ich aushängen. Das Problem ist<br />
der Boden des Provisoriums – ein Gitterrost.<br />
Esel mögen keine Gitterroste. Nachdem<br />
ich zuerst das Gepäck auf die andere<br />
Seite getragen habe, nehme ich Pippo am<br />
Strick, tue so, als sei nichts Ungewöhnli-<br />
SLOWE-<br />
NIEN<br />
Monterosi<br />
Rom<br />
UNGARN<br />
KROATIEN<br />
MALTA<br />
BOSNIEN<br />
UND<br />
HERZEGO-<br />
WINA<br />
74 GLOBETROTTER-MAGAZIN HERBST 2010
europa<br />
ches dabei, und gehe los. Er folgt mir,<br />
ohne zu zögern – bis der erste Huf auf<br />
dem Rost steht. So leicht ist er also nicht<br />
auszutricksen, sofort weicht er zurück.<br />
Auch Leckerlis helfen nichts. weise geht das Provisorium um eine<br />
Ecke, so kann er mich nicht sehen,<br />
wenn ich vorausgehe. Trotzdem gehe<br />
ich auf die andere Seite, rufe ihn und<br />
bin gespannt, was passiert. Nichts tut<br />
sich. Nach einer Weile schaue ich nach.<br />
Es tut mir leid, wie der arme Kerl verloren<br />
da steht und nach Luft schnappt,<br />
wie er das immer tut, wenn er sich freut,<br />
Dummer-<br />
mich wiederzusehen. Ich streichle ihn<br />
kurz und gehe wieder rüber. Nach ein<br />
paar Minuten höre ich vorsichtige<br />
Schritte auf dem Metall, und schon<br />
schaut ein Eselkopf um die Ecke. Wie<br />
auf rohen Eiern trippelt er mir entgegen.<br />
Er hat es geschafft! Ich bin stolz auf mein<br />
Grautier, und zur Belohnung gibt es eine Karotte.<br />
Es ist rührend, zu spüren, wie gross Pippos<br />
Vertrauen in mich geworden ist. Auch<br />
wenn dies teilweise recht anstrengend ist:<br />
Wenn ich zum Einkaufen ein paar Minuten in<br />
einem Laden verschwinde, schreit er schon<br />
nach kurzer Zeit das halbe Dorf zusammen<br />
und beruhigt sich erst wieder, wenn ich zurück<br />
bin.<br />
Rein praktischerweise wandern wir oft auf<br />
dem Jakobsweg und erreichen so den Lungernsee<br />
mit einem traumhaften Nachtlager direkt<br />
am Wasser. Bei heissen Temperaturen nehme<br />
ich die Gelegenheit wahr für einen lauschigen<br />
Nachmittag am See und eine gründliche Körper-<br />
und Kleiderreinigung. Weiter geht es über<br />
den Brünigpass auf einem alten Säumerweg,<br />
womit wir den Kanton Bern, den sechsten Kanton<br />
auf unserer Reise, erreichen. Hier entscheide<br />
ich mich, baldmöglichst den Jakobsweg<br />
zu verlassen. Es hat mir zu viele Leute auf dem<br />
Weg, und es stört mich, dass uns als Ziel automatisch<br />
Santiago de Compostela untergejubelt<br />
wird. Über Brienz erreichen wir Interlaken und<br />
biegen dann ab ins Simmental und weiter nach<br />
Gstaad. Es geht sich leicht, das Wetter ist gütig,<br />
und die Bekanntschaften unterwegs bereichern<br />
unseren Alltag. Der Weg hinunter vom Col du<br />
Pillon nach Les Diablerets ist mit unzähligen<br />
Hindernissen gespickt. Die Zeit<br />
vergeht mit Draht-Abwickeln<br />
und Wieder-Aufspannen, mit<br />
Pfähle-Ausziehen und Wieder-<br />
Einschlagen. Als wir die Talsohle<br />
erreicht haben, werde ich<br />
von ein paar Wanderern darauf<br />
hingewiesen, dass wir gleich auf<br />
eine Hängebrücke stossen. Mein<br />
Esel wird kein Huf auf eine Hängebrücke<br />
setzen! Also zurück,<br />
wenigstens nur ein Stück, bis wir<br />
auf eine Strasse kommen, die direkt<br />
ins Dorf führt.<br />
Ligurien. Typischer Schlafplatz, wie er unterwegs<br />
oft aussieht (linke Seite).<br />
Grosser-Sankt-Bernhard Pass. Kälte und Wind<br />
am höchsten Punkt der Reise (oben).<br />
Aostatal. Ein eingelaufenes Team (Mitte).<br />
Genusswandern. Im Piemont trifft man auf<br />
reichlich Weinreben und Gastfreundschaft (unten).<br />
Nun sind wir in französisch sprachigem<br />
Terrain. Ich mag diese Sprache nicht besonders,<br />
kommt hinzu, dass ich in der Schule einen<br />
Fensterplatz hatte. Bereits in Aigle kommt es<br />
zum ersten Missverständnis. Ohne Pippo im<br />
Schlepptau frage ich bei einem wunderbar gelegenen<br />
Gehöft nach einem Übernachtungsplatz<br />
für mich und meinen «Âne», was als Ann,<br />
der weibliche Vorname, verstanden<br />
wird. Die Leute schauen mich belustigt<br />
an, als ich vehement wiederhole, dass<br />
ich wegen «Ann» nicht auf den Campingplatz<br />
kann. Irgendwann klärt sich<br />
die Sache, und wir werden mit offenen<br />
Armen empfangen. Den ganzen Abend<br />
darf ich mich nun auf Französisch unterhalten.<br />
Der Gastherr redet ohne Unterbruch,<br />
und was ich nicht verstehe –<br />
was oft vorkommt –, wird mir in wilden<br />
Gesten vorgespielt. Der Abend ist lustig,<br />
aber so kann es nicht weitergehen. Für<br />
eine längere Wanderung durch Frankreich<br />
ist mein Französisch einfach zu<br />
schlecht. Durch das Wallis, Graubünden<br />
und Appenzell wieder nach Hause?<br />
Klingt auch verlockend, aber somit<br />
wäre der Traum, mit meinem Esel am<br />
Meer zu stehen, geplatzt. Italien? Mit<br />
Italienisch könnte ich mich durchschlagen.<br />
Die Route ist sicher die anstrengendere,<br />
doch das Einfache ist bekanntlich nicht immer<br />
das Beste.<br />
Bella Italia. Wir machen zwei Tage Pause in<br />
Vouvry und kommen dann eher zufällig auf<br />
den Frankenweg – ein Pilgerweg von England<br />
nach Rom –, welcher der Rhône entlang nach<br />
Martigny und durchs Grosse-Sankt-Bernhard-Tal<br />
führt. Auf dem Weg zum Grossen-<br />
Sankt-Bernhard Pass wird es von Tag zu Tag<br />
kühler, es sieht nach einem Kälteeinbruch aus.<br />
Inzwischen ist Mitte Juni, und wir sind auf<br />
dem Weg zum höchsten Punkt unserer Reise.<br />
In Bourg-St-Pierre angekommen,<br />
bin ich völlig durchfroren<br />
und will nichts anderes als ein<br />
Dach über dem Kopf und ein<br />
warmes Zimmer. In einem Hotel<br />
bekomme ich im Nebengebäude<br />
ein Zimmer, wo sich direkt<br />
vor meiner Türe eine Wiese<br />
befindet, wo ich Pippo anbinden<br />
kann. Nachmittags setzen<br />
sich sogar einige Schneeflocken<br />
auf Pippos Fell. Er ist sehr<br />
darauf bedacht, dass ich nicht<br />
ungesehen aus dem Zimmer<br />
komme. Mit seinem Hinterteil<br />
steht er direkt vor der Türe, und<br />
jedes Mal, wenn ich raus will, muss ich ihn zuerst<br />
wegschieben.<br />
Wieder einmal bin ich unsicher, ob ich weitermachen<br />
soll. Die Kälte bereitet mir Unbehagen,<br />
und für die nächsten Tage ist keine Besserung<br />
in Sicht. Nach innerlichem Hin und Her<br />
beschliesse ich, es trotz der Kälte über den Pass<br />
zu wagen. Je höher wir am nächsten Tag steigen,<br />
desto stärker bläst der Wind. Im Gegensatz<br />
zu Pippo kann ich meine Kapuze tief ins Gesicht<br />
ziehen. Am höchsten Punkt auf 2473 Metern<br />
Höhe angekommen, schiesse ich eilig ein<br />
Erinnerungsbild, und schon marschieren wir<br />
über die Grenze und in tiefere Lagen. Die Zöllner<br />
interessieren sich nicht für uns und machen<br />
75
sich nicht die Mühe, aus ihrem Hüttchen herauszukommen.<br />
Ehe wir uns versehen, sind wir<br />
in Bella Italia. Ich verbringe die Nacht auf 1500<br />
Metern Höhe im Zelt im dünnen Sommerschlafsack.<br />
Die morgendlichen sechs Grad Celsius<br />
lassen uns früh aufbrechen. Nach zwei Ta-<br />
gen in der Wildnis treffen wir wieder auf Menschen,<br />
die uns eine Übernachtungsmöglichkeit<br />
und etwas zu Essen anbieten.<br />
Die andere Mentalität in Italien bekomme<br />
ich schnell zu spüren. Dass ich hier als Frau alleine<br />
umherwandere, wird mit Kopfschütteln<br />
zur Kenntnis genommen. Bereits im Aostatal<br />
wollen mich die Leute zur Umkehr bewegen,<br />
und je südlicher ich komme, desto schlimmer<br />
wirds. Mehrmals droht man, die Polizei zu rufen,<br />
es sei absolut unverantwortlich, dass ich<br />
alleine unterwegs sei. Es gäbe Räuberbanden<br />
in den Wäldern, für die ich ein leichtes Opfer<br />
wäre. Die Menschen im Piemont begegnen mir<br />
mit Abstand am freundlichsten und hilfsberei-<br />
testen während der gesamten Reise. Für meinen<br />
Geschmack sind sie aber etwas zu ängstlich.<br />
Zum Schlafen werde ich jeweils ins Haus<br />
eingeladen, lehne jedoch immer höflich ab und<br />
schlage stattdessen mein Zelt im Garten auf,<br />
Pippo neben mir an einen Baum gebunden. Je<br />
mehr ich unter Aufsicht bin, desto mehr Räu-<br />
bergeschichten bekomme ich zu hören, und<br />
schliesslich habe ich beinahe Angst, wieder in<br />
freier Natur zu übernachten. So wird es für<br />
mich immer wichtiger, nahe bei einem Haus<br />
zu campen.<br />
Ligurien und die Toskana. Wir bleiben auf<br />
dem Frankenweg, dem Via Francigena, da ich<br />
sonst kein geeignetes Wanderkartenmaterial<br />
auftreiben kann. Vom Pilgerweg erhalte ich<br />
schöne, handgemalte Karten. Die Route führt<br />
anfangs zu einem grossen Teil durch die Poebene,<br />
die sich ohne die kleinste Erhebung dahinzieht.<br />
Reisfelder – so weit das Auge reicht.<br />
Toskana. In einfachem Gelände darf Pippo frei<br />
mitlaufen. Brav folgt er Sabine überallhin (oben).<br />
Rom. Grosse Gefühle auf dem Petersplatz, das<br />
Ziel ist erreicht (rechts oben).<br />
Stadtabstecher. Zwischendurch muss Proviant<br />
aufgefüllt werden (rechts Mitte).<br />
Geduldiger Esel. Jeden Tag das gleiche Proze dere.<br />
Ordentliches Packen ist wichtig (rechts unten).<br />
Und ein Mückenparadies. Die haben schon<br />
die beiden letzten Nächte, bevor wir die Ebene<br />
erreichten, tüchtig zugestochen. Ich kann<br />
mich wenigstens in mein Zelt flüchten, wo ich<br />
aber zuerst «aufräumen» muss, um ruhig zu<br />
schlafen. Pippo ist ihnen hilflos ausgeliefert.<br />
Mückenspray hilft nicht. Man sagt, das Problem<br />
bestehe in der ganzen Region. Wieder<br />
denke ich Varianten durch. Per Viehtransporter<br />
weiter in die Toskana? Oder doch zu Fuss<br />
in die Toskana und den Umweg über die Hügel<br />
des Monferrato und Ligurien in Kauf nehmen?<br />
– Das ist es. Dann weiter nach Rom! Vor<br />
der Wintersaison muss ich nicht zurück in der<br />
Schweiz sein. So richte ich noch vor Vercelli<br />
den Kompass von Ost nach Süd aus.<br />
Nach Torino überqueren wir den hier<br />
schon beachtlich breiten Po. Die erste Nacht in<br />
den Hügeln des Monferrato-Gebirges verbringen<br />
wir im schmucken Dörfchen Isolengo,<br />
wohin uns eine Familie einlädt. Als wir um<br />
Mitternacht dieses 5. Julis noch wach sind, bekommt<br />
Pippo von uns einen Geburtstagsapfel.<br />
Er wird heute acht Jahre alt.<br />
Ich wandere entlang Hängen voll üppiger<br />
Weinreben und komme in den Genuss des leckeren<br />
Weins und der überaus herzlichen Gastfreundschaft.<br />
Dann erreichen wir die Grenze<br />
zu Ligurien. Hier weht ein ungemütlicherer<br />
Wind. Es scheint mir, als sei man Fremden gegenüber<br />
besonders skeptisch. Auch die Nacht<br />
lässt nichts Freudiges ahnen. Ich schlage mein<br />
Zelt in einem Wald neben einem geschlossenen<br />
Restaurant auf. Mitten in der Nacht höre ich<br />
Pippo plötzlich nervös hin und her stampfen.<br />
Ich habe das Gefühl, wir sind nicht allein. Als<br />
ich den Kopf aus dem Zelt strecke, sehe ich nur<br />
Gebüsch und Bäume, aber ein Schnauben ist<br />
zu hören. Es wird wohl ein Tier sein, das Pippo<br />
beunruhigt. Ich lege mich etwas angespannt<br />
wieder ins Zelt und schlafe ein, bis mich mein<br />
Esel mit einem regelrechten Fauchen wieder<br />
weckt. Schnell raus aus dem Zelt, den Pfefferspray<br />
im Anschlag. Wildschweine! Eine kleine<br />
Herde ist aufgetaucht. Ich schnappe mir einen<br />
Stock, um die Tiere zu vertreiben. Eigentlich<br />
sind Wildschweine nicht gefährlich, solange sie<br />
sich nicht bedroht fühlen. Aber so alleine mitten<br />
im Wald ist es mir dennoch nicht geheuer.<br />
Von Pippo ganz zu schweigen.<br />
Ligurien strengt uns an. Die Strassen führen<br />
entlang steilen Berghängen und sind sehr<br />
schmal. Oft breschen Autos gefährlich nahe<br />
und rücksichtslos an uns vorbei. So weichen<br />
wir, wenn es geht, auf Waldwege aus, obwohl<br />
ich lieber auf offenen Wegen gehe, wo man in<br />
die Weite blicken kann. Wir lassen uns von<br />
nichts aufhalten und wandern in 14 Tagen<br />
durch die Küstenregion. Als wir einmal aus<br />
dem Wald auftauchen, erhasche ich zum ersten<br />
Mal einen Blick aufs Meer und werde mir bewusst,<br />
wie weit wir schon gegangen sind. Das<br />
Meer ist teilweise nur ein Katzensprung entfernt,<br />
doch ich will mir den grossen Moment,<br />
am Wasser zu stehen, noch aufheben.<br />
Am Meer. Endlich ist es so weit. In Carrara<br />
beschliesse ich, ans Meer runterzugehen. Wir<br />
pausieren ein paar Tage bei einer alten Villa<br />
und werden von Daniela, der Haushälterin,<br />
liebevoll umsorgt. Es wimmelt hier von Touristen,<br />
und obwohl der Marsch ans Meer nur<br />
fünf Kilometer ist, will ich Pippo den Touristenmassen<br />
nicht aussetzen. So ziehe ich alleine<br />
los. Es ist ein sehr emotionaler Moment, als<br />
ich das Wasser berühre. Ich bin froh um mei-<br />
76 GLOBETROTTER-MAGAZIN HERBST 2010
europa<br />
ne Sonnenbrille, die ein paar Tränen<br />
verbirgt. Jetzt tut es mir leid,<br />
diesen Moment nicht mit meinem<br />
Esel teilen zu können. Die Leute<br />
schauen mich etwas komisch an,<br />
wie ich da in schmutzigen Kleidern<br />
und Wanderschuhen am Strand<br />
stehe.<br />
In der Toskana gefällt es mir<br />
wieder. Die Felder liegen trocken in<br />
der Sommerhitze, die Ernte ist eingebracht,<br />
vereinzelt ziert ein Baum<br />
eine Hügelkuppe, und Zypressen<br />
säumen die Wege. Immer wieder<br />
kommen wir durch kleine Dörfer,<br />
die man schon von Weitem auf einem<br />
Hügel erkennt. Mit ihren Festungen<br />
und alten Stadtmauern haben sie eine<br />
besondere Ausstrahlung. Es ist nun August. Da<br />
es tagsüber gut 40 Grad heiss wird, krieche ich<br />
jeweils schon morgens um fünf Uhr aus dem<br />
Zelt, um noch vor Sonnenaufgang unterwegs<br />
zu sein. Gegen zehn Uhr suche ich dann bereits<br />
einen neuen Übernachtungsplatz und versuche,<br />
irgendwo Heu aufzutreiben, weil in dieser<br />
Gegend nichts mehr grün ist. Zwischen zwei<br />
und vier Uhr Nachmittags, wenn die Hitze am<br />
schlimmsten wird, sucht sich Pippo einen<br />
schattigen Platz unter einem Olivenbaum, und<br />
ich lege mich dazu. Tagebuch schreiben und<br />
Nichtstun sind angesagt. Von den anfänglich<br />
um 25 Kilometer langen Tagesetappen sind wir<br />
auf etwa 10 Kilometer runtergekommen.<br />
Das Unterwegssein ist<br />
mittlerweile zum Alltag geworden,<br />
es geht nicht mehr darum,<br />
nur Distanz zurückzulegen.<br />
An einem Morgen, als wir<br />
durch ein Dorf wandern, kommt<br />
ein Mann, begleitet von seinem<br />
Hund und mit einem grossen<br />
Rucksack am Rücken auf uns zu<br />
und will wissen, woher wir kommen.<br />
Seine Gesellschaft bietet<br />
eine gute Gelegenheit, eine<br />
Pause einzulegen. Peter ist vor<br />
drei Jahren aus Afrika hier in<br />
Italien angekommen. Schon seit<br />
37 Jahren zieht er umher und ist<br />
nun auf dem Weg nach Hause, nach Holland.<br />
Er rechnet damit, in etwa zwei Jahren dort anzukommen,<br />
um seinen Pass zu erneuern und<br />
dann weiter nach Venezuela zu fliegen. Ein sehr<br />
spannender Mensch, der mir in den paar Stunden<br />
viele nützliche Tricks und Tipps fürs Unterwegssein<br />
verraten hat. Als wir uns verabschieden,<br />
lässt er sich nicht wie alle anderen zu<br />
einem «Pass auf dich auf» hinreissen, sondern<br />
sagt einfach: «Bleib offen!» Ist das nicht wirklich<br />
das wichtigste im Leben? Offen bleiben für<br />
alles.<br />
Einmal Rom und zurück. Schritt für Schritt<br />
nähern wir uns Lazio, der letzten Provinz unserer<br />
Reise. Der «Grenzübertritt» ist wieder<br />
mit einem Kulturschock verbunden. Als ich<br />
auf der Suche nach Wasser und<br />
etwas Schatten an eine Türe<br />
klopfe, werde ich einfach weggeschickt.<br />
Ich ziehe ungläubig<br />
weiter. Ein Anstoss, um mir erneut<br />
Gedanken über unsere<br />
Wanderzukunft zu machen. Jeden<br />
Tag neu ins Ungewisse aufzubrechen<br />
und immer auf der<br />
Suche zu sein nach einem Platz<br />
zum Übernachten, nach Wasser<br />
und Futter für Pippo, waren<br />
am Anfang der Reise Teil des<br />
Abenteuers. Nun strengen<br />
mich diese Dinge zunehmend<br />
an, und ich beschliesse, dass bald Schluss ist.<br />
Nach Rom werde ich mir keine neue Destination<br />
ausdenken.<br />
Am Lago Bolsena geniesse ich wieder Mal<br />
ein Säuberungsbad. Mit Pippo an diesem wunderbaren<br />
See zu stehen, betrachte ich als kleine<br />
Entschädigung, dass wir nie zusammen am<br />
Meer waren. In Monterosi, nach rund 1500 gemeinsamen<br />
Kilometern, finde ich einen Pferdestall,<br />
dessen Besitzer sich bereit erklärt,<br />
Pippo für zwei Tage zu beherbergen. Bin ich<br />
schon bis hierher gewandert, will ich mir Rom<br />
nicht entgehen lassen. Pippo aber will ich die<br />
Grossstadt ersparen.<br />
So stehe ich am nächsten Morgen früh auf.<br />
Es widerstrebt mir richtig, ohne Pippo aufzubrechen.<br />
Zum Abschied gibts eine Karotte, einen<br />
Kuss und das Versprechen,<br />
morgen zurück zu sein. So schnell<br />
es geht, marschiere ich auf direktestem<br />
Weg die 30 Kilometer bis vor<br />
die Tore Roms und quartiere mich<br />
das erste Mal in den 105 Tagen in<br />
einem Hotel ein. Ein richtiges Bett,<br />
das hatte ich lange nicht! Am folgenden<br />
Tag nehme ich noch die<br />
letzten 15 Kilometer unter die Füsse<br />
und warte bei einem Brunnen auf<br />
Christoph, einen Pilger aus Solothurn,<br />
dem wir vor einigen Tagen<br />
über den Weg gelaufen sind. Wir<br />
haben abgemacht, dass wir gemeinsam<br />
die letzten Schritte auf den<br />
Petersplatz machen wollen. Meine Gefühle,<br />
als ich tatsächlich auf dem Petersplatz stehe,<br />
sind unbeschreiblich. Ich ziehe das Armband<br />
von Marlene, welches mich durch Kälte, Wind<br />
und Gewitter, Hitze und Trockenheit begleitet<br />
hat, aus, und nach einem kurzen Sightseeing<br />
schnappe ich mir den nächsten Bus zurück<br />
nach Monterosi.<br />
Ich bin froh, meinen Esel wieder zu sehen.<br />
Nach weiteren zwei Tagen kommen meine Eltern<br />
mit dem Pferdetransporter an. Nun heisst<br />
es, die 800 Kilometer zurückzufahren. Wir machen<br />
unterwegs eine Nacht halt, damit Pippo<br />
nicht so lange am Stück im Transporter stehen<br />
muss. Während meine Eltern sich in einem Hotel<br />
einquartieren, lege ich mich mit meiner<br />
Matte in den Transporter, Pippo draussen angebunden.<br />
Zuhause angekommen, kann er<br />
erstmals wieder das saftige Schweizer Gras fressen.<br />
Ob er das wohl vermisst hat?<br />
Wie immer, wenn man von einer grossen<br />
Reise zurückkehrt, ist schnell alles wieder beim<br />
Alten, nur selber ist man nicht mehr dieselbe.<br />
Dieses Abenteuer hat mich, wie auch Pippo (da<br />
bin ich mir sicher!) geprägt. Astrid übergebe<br />
ich die 1000 Franken, noch ehe ich ihr richtig<br />
Hallo sage. Um nichts in der Welt trenne ich<br />
mich nach diesem Abenteuer von meinem kleinen<br />
grauen Freund. sabi.keller@gmx.ch<br />
Nachtrag: Damit es Pippo nach all den Abenteuern<br />
nicht langweilig wird, zieht schon nach<br />
wenigen Tagen eine Eselfreundin in seinen Stall.<br />
© <strong>Globetrotter</strong> Club, Bern<br />
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