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Juden als Opfer der Shoah besitzen.<br />

»Für Holocaust unsere Leute. Holocaust<br />

für deutsche Überlebende, Holocaust deutsche<br />

alte diese, das ist eine Geschichte. Meistens<br />

sie sind vergast, getötet, KZ und so weiter.<br />

Aber das ein Prozent, nicht ein Prozent,<br />

das ist Dutzende Prozente. Bei uns absolut<br />

andere. Unsere Eltern […] meine Eltern haben<br />

uns bewahrt, haben nichts erzählt.[…]<br />

Wir haben schon gewusst: das war Krieg usw.<br />

Was schon geschehen mit Juden — wir haben<br />

das nicht gewusst. Unsere Eltern haben uns<br />

gehütet.« (Anna Iljin)<br />

Die Thematisierung der Shoah und deren<br />

Gedenken hat in Deutschland hingegen<br />

seit den 1960er Jahren eine Intensivierung<br />

erfahren. Eine wichtige Rolle in der Geschichtsaufarbeitung<br />

ist das gemeinsame<br />

Erinnern der jüdischen Gemeinden und<br />

nicht-jüdischen Bürger_innen am Tag der<br />

Novemberpogrome von 1938. Die jüdischen<br />

Migrant_innen jedoch identifizieren<br />

sich nicht als Opfer-Kollektiv, sondern<br />

sehen sich selbst als Teil des Volks der<br />

Kämpfer_innen und Sieger_innen. Deshalb<br />

begehen sie beispielsweise den 8. bzw.<br />

9. Mai als wichtigsten Gedenk- und Feiertag.<br />

Aufgrund einer fehlenden gemeinsamen<br />

Vergangenheit und der unterschiedlichen<br />

Geschichtsbilder innerhalb der jüdischen<br />

Gemeinden kommt es vereinzelt zu Konflikten.<br />

Ein positiver Effekt der Konfrontation<br />

wiederum ist eine intensivere und differenziertere<br />

Beschäftigung der jüdischen Einwander_innen<br />

mit dem Judentum, den Verbrechen<br />

Nazi-Deutschlands und der eigenen<br />

Familiengeschichte.<br />

»[…] ich habe nicht gelernt unsere Geschichte.<br />

Geschichte als Vernichtung der Juden.<br />

[…]Ich habe das nie gewusst, dass waren<br />

Ghetto in Westukraine. Ich wohnte in<br />

Ostukraine. Ich habe das gehört, gibt es diese<br />

Massenvernichtung, aber für Ghetto - das<br />

habe nicht gehört, ich schwöre Ihnen. Und<br />

plötzlich ich sehe diesen Film. Und diese Reaktion<br />

von meiner Familie.« (Anna Iljin)<br />

Diskriminierung und Antisemitismus<br />

Die Erfahrung, dass Antisemitismus kein<br />

Phänomen ist, was ausschließlich auf die<br />

frühere Sowjetunion zutrifft, musste eine<br />

Vielzahl der jüdischen Migrant_innen in<br />

den letzten Jahren machen. Da die Zuwander_innen<br />

einerseits als Juden oder Jüdinnen,<br />

andererseits als »Ausländer_innen«<br />

wahrgenommen werden, sind sie oftmals<br />

neben Antisemitismus auch Rassismus ausgesetzt.<br />

Somit werden sie auf doppelte Weise<br />

diskriminiert.<br />

Zusätzlich instrumentalisierte die BRD die<br />

sowjetischen Jüdinnen und Juden, vor allem<br />

zu Beginn der Einwanderungswellen, für ihre<br />

Wiedergutmachungspolitik. Die Aufnahme<br />

der jüdischen Migrant_innen wurde zur<br />

Vermittlung des Sinnbilds eines aufgeklärten<br />

und toleranten Deutschlands genutzt. Es soll<br />

gezeigt werden, dass die BRD ihre Vergangenheit<br />

bewältigt hat. Öffentliche Diskurse<br />

in den Medien, Übergriffe auf Jüdinnen und<br />

Juden oder andere Vorkommnisse zeigen<br />

jedoch, dass Antisemitismus auch über 60<br />

Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg ein aktuelles<br />

Problem ist. Viele Stereotypen, wie zum<br />

Beispiel die Überzeugung, dass die Jüdinnen<br />

und Juden die Wirtschaft und die Kultur<br />

beherrschen, sind noch immer präsent. Darüber<br />

hinaus stellen verbale und tätliche Angriffe<br />

gegenüber Jüdinnen und Juden, denen<br />

eine rassistische wie antisemitische Motivation<br />

zu Grunde liegen, keine Seltenheit dar.<br />

»Ja, gibt es genug Menschen die sagen<br />

›Wann verschwinden Sie von Deutschland,<br />

sofort nach Hause‹. Mir hat eine Frau gesagt,<br />

[…] denke ich mir sie war Mitglied von<br />

dieser rechten Organisation, weil sie war so<br />

wirklich … Hass. Sie hat nicht gesagt: ›Ich<br />

möge nicht die Juden.‹So einfach Hass. […]<br />

sie hat mir direkt gesagt: ›Wann verschwindest<br />

Du nach Hause? Wann fährst Du? Du<br />

nimmst meinen Platz!‹ Und ich bekomme...<br />

›Nein‹, habe ich gesagt,›Dein Platz nehme<br />

ich nicht. Und Du kannst nicht mit meinem<br />

Arbeitsplatz rechnen‹. Sie hat gesagt:<br />

›Warum?‹. ›Kannst Du als Ärztin arbeiten?‹<br />

Dann war sie ein bisschen schockiert. Ja, weil<br />

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