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meindehaus ...]« (Nina Schtschukin).<br />

So hielt beispielsweise die Familie von<br />

Frau Matook ihre Bindung zum Judentum<br />

in der Sowjetrepublik Litauen auch öffentlich<br />

aufrecht, wanderte aber bereits vor 1989<br />

nach Israel aus (vgl. »Jüdischsein« in der<br />

Sowjetunion, der Bundesrepublik und<br />

in Israel).<br />

Der größere Teil der interviewten Personen<br />

versteckte sein »Jüdischsein« in der Sowjetunion<br />

soweit wie möglich vor der Öffentlichkeit.<br />

Sogar den eigenen Kindern wurde<br />

die Herkunft verschwiegen, wie das Beispiel<br />

von Nina Schtschukin anschaulich belegt:<br />

»Als ich zwölf Jahre alt wurde, gab´s eine<br />

ganz große Feier. Also sehr sehr große mit<br />

vielen eingeladenen Gästen und mein Onkel<br />

kam und fragte meine Mutter ›Weiß sie warum<br />

diese Feier so groß begangen wird?‹ und<br />

meine Mutter sagt ›nein‹. Erst nachdem ich<br />

in Israel angekommen bin, wusste ich dass es<br />

meine Bar Mitzwa war.«<br />

Dieses Verschweigen führte zum Teil zu<br />

weiteren Verwirrungen in den Familien:<br />

»Ich erinnere mich noch an das russische<br />

Osterfest, da werden traditionell Kuchen gebacken,<br />

Eier gekocht. Meine Mutter hat das<br />

nicht gemacht. Und ich schimpfte mit meiner<br />

Mutter ›Bist du faul. Du willst nicht Ostern<br />

begehen wie alle anderen?‹« (Nina Schtschukin)<br />

Aus Angst vor Repressalien oder antisemitischen<br />

Reaktionen wurde es vermieden, in<br />

der Öffentlichkeit Jiddisch zu sprechen.<br />

»Wenn ich mit meiner Oma zu meiner<br />

Tante nach Moskau fuhr, meine Oma sprach<br />

bei uns zu Hause immer Jiddisch, wenn wir<br />

in Moskau aber zu Besuch waren ermahnt<br />

meine Tante meine Oma immer, sei still, rede<br />

nicht so laut.« (Julia Reisman)<br />

Jüdische Festtage wurden oft nur im kleinen<br />

Kreis und häufig vor allem von den älteren<br />

Generationen begangen:<br />

»Bei meiner Oma sah ich Matzenbrot<br />

und fand das interessant. Aber für mich war<br />

das einfach so eine Spezialität die es nur bei<br />

der Oma gab und nicht zu Hause. Pessach,<br />

Rosch ha-Schana gab´s bei uns nicht. [...] Als<br />

ich dann zu meiner Oma in die Stadt zog,<br />

sah ich, dass bei ihr, also die alten Leute die<br />

Traditionen noch beachteten. Und bei ihnen<br />

wurden alle Feste begangen Rosch ha-Schana,<br />

Pessach, Purim.« (Nina Schtschukin)<br />

Die Gründe dafür, dass »Jüdischsein« zu<br />

verheimlichen oder ganz abzulegen, reichen<br />

zurück bis zu den Diskriminierungserfahrungen,<br />

Erinnerungen an staatlichen Antisemitismus<br />

und Repressionen in der stalinistischen<br />

SU (vgl. Jüdinnen und Juden in<br />

der Sowjetunion von 1941 bis 1990 und<br />

der Umgang mit der Shoah in der Sowjetunion<br />

und »Jüdischsein« in der Sowjetunion,<br />

der Bundesrepublik und in<br />

Israel). Nach dem Tod Stalins verbesserte<br />

sich die Lage etwas, jedoch hielten Benachteiligungen<br />

an. Ein Motiv ist dabei in den<br />

Erinnerungen besonders präsent:<br />

»Es gab eine Regelung, dass nur ein bestimmter<br />

Anteil in einer Berufsgruppe Juden<br />

sein durften, z.B. Musiker, Lehrer, Beamte,<br />

Personen in öffentlichen Ämtern und Ärzte.«<br />

(Julia Reisman)<br />

Zudem berichten fast alle Interviewten davon,<br />

dass die Arbeit von Jüdinnen und Juden<br />

mit ungleichem Maß gemessen wurden:<br />

Maja Davidowa* wurde 1959 in Tschernowitz, Ukraine, geboren.<br />

Sie studierte Betriebswirtschaft. Im Jahre 2001 ist sie mit ihrer Familie<br />

nach Deutschland gekommen, zuerst nach Meerane, später<br />

sind sie nach Leipzig gezogen. Davidowa ist 2002 Gemeindemitglied<br />

geworden und hat eine kurze Zeit als Bürohilfe in der jüdischen Gemeinde<br />

gearbeitet. Heute ist sie Mitarbeiterin bei einer russischsprachigen<br />

Zeitung. (* Name geändert)<br />

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