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Obergericht - Gerichte

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<strong>Obergericht</strong><br />

Abteilung:<br />

Rechtsgebiet:<br />

Justizkommission<br />

Grundbuchrecht<br />

Entscheiddatum: 09.10.1996<br />

Fallnummer: OG 1996 14<br />

LGVE: 1996 I Nr. 14<br />

Betreff:<br />

Leitsatz: Art. 11, 12 Abs. 1, 13 Abs. 1 und 61 Abs. 1 und 2 GBV; Art. 741, 745, 748,<br />

752, 964 Abs. 1, 965 und 969 Abs. 1 ZGB. Der Verzicht auf eine<br />

Nutzniessung an einem Grundstück erfolgt durch einseitige Erklärung. Der<br />

Antrag auf Löschung im Grundbuch hat durch den Berechtigten schriftlich<br />

und vorbehaltlos zu erfolgen, indes ist kein Nachweis über den<br />

Rechtsgrund erforderlich. Die Zustimmung des Eigentümers des<br />

servitutsbelasteten Grundstücks zur Löschung der Dienstbarkeit im<br />

Grundbuch kann nicht verlangt werden.<br />

Rechtskraft:<br />

Diese Entscheidung ist rechtskräftig.<br />

Bemerkungen:


Entscheid:<br />

1. - Der Beschwerdeführerin steht aufgrund eines Erbteilungsvertrages das lebenslängliche<br />

Nutzniessungsrecht an einem im Eigentum ihres Sohnes stehenden Grundstück zu. Die Dienstbarkeit wurde<br />

im Grundbuch eingetragen. Die Beschwerdeführerin zog in der Folge ins Altersheim und liess das Mobiliar<br />

im Sinne einer Gebrauchsleihe im Haus ihres Sohnes zurück. In ihrer Grundbuchanmeldung beantragte die<br />

Beschwerdeführerin gestützt auf eine schriftliche Verzichtserklärung die Löschung der zu ihren Gunsten<br />

bestehenden Nutzniessung auf dem besagten Grundstück.<br />

Der Grundbuchverwalter wies die Löschungsanmeldung ab, weil das Haus noch nicht geräumt sei, was<br />

einem unzulässigen Vorbehalt zur Löschung der Dienstbarkeit gleichkomme. Die Nutzniesserin habe die<br />

Nutzniessung nicht aufgegeben. Zudem seien mit der Dienstbarkeit im vorliegenden Fall verschiedene<br />

Abgaben verbunden. Es rechtfertige sich daher, die Löschung von der Zustimmung des Grundeigentümers<br />

abhängig zu machen, da nur so sichergestellt werden könne, dass die Räumung stattgefunden habe. Nur<br />

unter diesen Umständen sei der Grundeigentümer mit der Löschung der Dienstbarkeit einverstanden. Der<br />

Grundbuchverwalter verweist dabei auf ein Schreiben des Grundeigentümers, in dem dieser auf die<br />

mangelnde Erfüllung der Gebäudeunterhaltsverpflichtung durch die Beschwerdeführerin und die im Haus<br />

zurückgelassenen Einrichtungsgegenstände hinwies.<br />

2. - (...)<br />

3. - Nach Art. 964 Abs. 1 ZGB bedarf es zur Löschung oder Abänderung eines Grundbucheintrages einer<br />

schriftlichen Erklärung der aus dem Eintrag berechtigten Person. Zur Löschung eines Eintrags ist nach Art.<br />

61 Abs. 2 GBV (SR 211.432.1) eine schriftliche Erklärung der aus dem Eintrage berechtigten Person<br />

erforderlich. Die Löschung muss wie eine Eintragung nach Art. 11 GBV in Form einer Grundbuchanmeldung<br />

beantragt werden (Art. 61 Abs. 1 GBV). Diese hat nach Art. 12 Abs. 1 GBV unbedingt und vorbehaltlos und<br />

nach Art. 13 Abs. 1 GBV schriftlich zu erfolgen.<br />

Im Sinne des Grundbuchrechts ist der Verzicht auf eine Dienstbarkeit kein kausales, sondern ein abstraktes<br />

Rechtsgeschäft. Die willensmangelfreie Löschungsverfügung des Dienstbarkeitsberechtigten in Form der<br />

Anmeldung beim Grundbuchamt ist somit ohne Ausweis über den Rechtsgrund im Sinne des Art. 965 ZGB<br />

wirksam. Das Grundbuchamt hat ihr stattzugeben, wenn der Ausweis über das Verfügungsrecht vorliegt und<br />

die formellen Anforderungen an die Anmeldung erfüllt sind. Einem Verzicht braucht kein obligatorisches<br />

Grundgeschäft voranzugehen (Liver, Zürcher Komm., 2. Aufl., Zürich 1980, N 10, 12, 14 und 19 zu Art. 734<br />

ZGB). Der Verzicht auf eine Personaldienstbarkeit wie die Nutzniessung erfolgt durch einseitige<br />

Willenserklärung des Berechtigten. Der Wille kann mittels eines schriftlichen, an den Grundbuchverwalter<br />

gerichteten Antrags auf Löschung der Dienstbarkeit im Grundbuch geäussert werden (Piotet Paul,<br />

Dienstbarkeiten und Grundlasten, in: Schweizerisches Privatrecht, Bd. V/1, Basel 1977, § 90 S. 570; gemäss<br />

diesem Autor nur deklaratorische Bedeutung der Löschung im Grundbuch, umstrittene Meinung; vgl. Art.<br />

748 Abs. 1 und 2 ZGB). Die Einwilligung des Belasteten ist nicht erforderlich (Liver, a.a.O., N 19 zu Art. 734<br />

ZGB; ZBGR 39 [1958] S. 143).<br />

Der Eigentümer des dienenden Grundstücks braucht nie der Löschung zuzustimmen, selbst wenn er<br />

Installationen benützt, welche vom Inhaber der Servitut unterhalten werden (Piotet, a.a.O., § 90 S. 572 unter<br />

Hinweis auf BGE 67 I 124ff.; Liver, a.a.O., N 20 zu Art. 734 ZGB; Max. IX Nr. 86 = ZBGR 30 [1949] S. 79f.).<br />

Der Eigentümer des mit der zu löschenden Grunddienstbarkeit belasteten Grundstücks zählt auch dann<br />

nicht zu den im Sinne von Art. 964 Abs. 1 ZGB aus ihrem Eintrag berechtigten Personen, wenn der<br />

Dienstbarkeitsberechtigte ihm gegenüber aufgrund von Gesetz (Art. 741 ZGB) oder eines Vertrages<br />

verpflichtet ist, eine zur Ausübung der Grunddienstbarkeit gehörende Vorrichtung zu unterhalten (BGE 82 I<br />

36ff. = ZBGR 37 [1956] S. 260ff.). Eine mit der Ausübung der Dienstbarkeit verbundene<br />

Unterhaltsverpflichtung im Sinne von Art. 741 ZGB wirkt nicht dinglich, sondern stellt nur eine<br />

unselbständige Nebenpflicht dar, weshalb der Eigentümer des servitutsbelasteten Grundstücks lediglich eine<br />

Anzeige der Löschung nach Art. 969 ZGB erhält (ZBGR 22 [1941] S. 203; Liver, a.a.O., N 51 zu Art. 734<br />

ZGB; Homberger, Zürcher Komm., Zürich 1938, N 5 zu Art. 964 ZGB).<br />

Die Löschung einer Nutzniessung im Grundbuch wird dem servitutsbelasteten Grundeigentümer mitgeteilt,<br />

ohne dass dieser sich gegen die Löschung zur Wehr setzen könnte. Der Verzicht ist nach einhelliger Lehre<br />

und Praxis Untergangsgrund für die Dienstbarkeit (ZBGR 63 [1982] S. 229 mit Hinweisen). Nach erfolgter<br />

Löschung steht dem Eigentümer des ehemals servitutsbelasteten Grundstücks gegebenenfalls ein Anspruch<br />

gegen den vormals Dienstbarkeitsberechtigten auf Wiederherstellung des früheren Zustandes zu (ZBGR 22<br />

[1941] S. 204 oben).


4. - Der Grundbuchverwalter ist gemäss Art. 965 Abs. 3 ZGB nicht befugt, einen urkundlichen Nachweis<br />

über einen allfälligen Aufhebungsvertrag zwischen der Beschwerdeführerin und dem Eigentümer des<br />

belasteten Grundstücks zu verlangen (Homberger, a.a.O., N 6 zu Art. 964 ZGB). Ein solcher actus contrarius<br />

ist im übrigen gar nicht erforderlich, handelt es sich doch beim Rechtsverzicht um ein einseitiges<br />

Rechtsgeschäft. Im Rahmen seiner Prüfungsbefugnis und pflicht hat der Grundbuchverwalter lediglich zu<br />

beurteilen, ob eine schriftliche Verzichtserklärung vorliegt (Art. 61 Abs. 2 GBV) und die Löschung der<br />

Dienstbarkeit in einer schriftlichen Anmeldung vorbehaltlos und unbedingt beantragt ist (Art. 11-13 und 61<br />

Abs. 1 GBV). Die gesetzlichen Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Es liegt eine schriftliche<br />

Verzichtserklärung vor. Sowohl diese Erklärung als auch der Löschungsantrag (Grundbuchanmeldung) sind<br />

weder an Bedingungen noch an Auflagen geknüpft. Die Beschwerdeführerin ist allein über die Nutzniessung<br />

verfügungsberechtigt. Die Dienstbarkeit ist mithin zu löschen.<br />

Wie das Nutzungsobjekt zurückzugeben ist, hat nicht der Grundbuchverwalter, sondern der Zivilrichter zu<br />

entscheiden, wenn sich die Beschwerdeführerin und ihr Sohn als Eigentümer des belasteten Grundstücks<br />

über die Folgen des Verzichts auf die Nutzniessung (Unterhalts und Steuerpflicht, Räumung) nicht einigen<br />

könnten. Es handelt sich hierbei um rein obligatorische Ansprüche, mit denen sich der Grundbuchverwalter<br />

nicht zu befassen hat. Ein weiterer Verbleib der Möbel im vormals nutzniessungsbelasteten Haus stellt<br />

keinen unzulässigen Vorbehalt zur abgegebenen Willenserklärung dar, zumal er auch unter anderem Titel<br />

möglich wäre. Die Beschwerdeführerin sprach diesbezüglich ausdrücklich von Gebrauchsleihe. Bezüglich<br />

der Haftung für schlechten Unterhalt einer Liegenschaft ist der Eigentümer durch Art. 752 ZGB geschützt<br />

(Simonius Pascal/Sutter Thomas, Schweizerisches Immobiliarsachenrecht, Bd. II, Die beschränkten<br />

dinglichen Rechte, Basel 1990, S. 116 § 3 N 84).<br />

Demzufolge ist die Grundbuchbeschwerde gutzuheissen und die Abweisungsverfügung des<br />

Grundbuchamtes aufzuheben. Das Grundbuchamt ist anzuweisen, die beantragte Streichung der<br />

lebenslänglichen Nutzniessung der Beschwerdeführerin auf dem Grundstück im Grundbuch vorzunehmen.

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