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Partizipative Erhebungsmethoden &<br />
Alpwirtschaft in der Surselva (GR)<br />
<strong>Bericht</strong> zur Alpexkursion des Geografischen Instituts<br />
der Universität Zürich, 26.-28. August 2009<br />
Zürich, Oktober 2009
Partizipative Erhebungsmethoden &<br />
Alpwirtschaft in der Surselva (GR). <strong>Bericht</strong><br />
zur Alpexkursion des Geografischen<br />
Instituts der Universität Zürich, 26.-28.<br />
August 2009. Zürich, Oktober 2009.<br />
Der <strong>Bericht</strong> ist auch als pdf verfügbar unter<br />
http://www.geo.uzh.ch/en/units/economicgeography/about-us/staff/bollerflorian/excursions/<br />
Kontakt<br />
Florian Boller<br />
Geografisches Institut<br />
Universität Zürich<br />
Winterthurerstr.190<br />
CH-8057 Zürich<br />
Tel. 044 635 51 44<br />
florian.boller@geo.uzh.ch<br />
Bernd Steimann<br />
Geografisches Institut<br />
Universität Zürich<br />
Winterthurerstr.190<br />
CH-8057 Zürich<br />
Tel. 044 635 51 47<br />
bernd.steimann@geo.uzh.ch<br />
Umschlagbild<br />
Abendliches Heimtreiben der Kühe, Alp<br />
Tschégn-Dadens (Foto Bernd Steimann)<br />
1
Inhalt<br />
Karte 3<br />
Einführung 4<br />
Exkursionsprogramm 6<br />
Fokus Alpbetrieb I: Tschégn-Dadens (Breil/Brigels) 8<br />
Leitfrage 1: Wie ist die Alp organisiert? 8<br />
Leitfrage 2: Wie wird der Käse vermarktet? 9<br />
Aktuelle Herausforderungen 9<br />
Fokus Alpbetrieb II: Ranasca (Pigniu/Panix) 11<br />
Leitfrage: Kann die Alp in ihrer jetzigen Form überleben? 11<br />
Methoden 11<br />
Ergebnisse 11<br />
Fazit 12<br />
Fokus Kooperation I: Dadó (Vuorz/Waltensburg) 13<br />
Leitfrage: Wie funktioniert die Kooperation der Alpwirtschaft auf Dadó? 13<br />
Methoden 13<br />
Ergebnisse 14<br />
Schlusswort und Dank 16<br />
Fokus Kooperation II: Ruschein & Rueun/Siat 17<br />
Leitfrage: Wie könnte sich die Zusammenarbeit der Alpen entwickeln? 17<br />
Methoden 17<br />
Ergebnisse 17<br />
Reflexion zu Methoden und Vorgehen 18<br />
Ausblick 18<br />
Fazit 20<br />
Literatur 22<br />
2
Karte<br />
Lage der fünf besuchten Alpen und<br />
aktuelle Gemeindegrenzen (aus der<br />
Bachelorarbeit von Seraina Hartmann,<br />
SHL Zollikofen, 2009)<br />
3
Einführung<br />
Auf den ersten Blick ist es eine seltsame<br />
Kombination: ‘Partizipative Erhebungsmethoden<br />
und Schweizer Alpwirtschaft’.<br />
Unter diesem Titel nahmen wir im Winter<br />
2008/9 die Konzeption einer neuen Exkursion<br />
am Geografischen Institut der<br />
Universität Zürich in Angriff. Die Idee<br />
war, den Studierenden nicht nur einen<br />
ersten Einblick in das Funktionieren der<br />
Alpwirtschaft im Schweizer Berggebiet zu<br />
ermöglichen, sondern sie dafür auch selbst<br />
arbeiten zu lassen. Statt im Tal Vorträgen<br />
zu lauschen, sollten sie als Forschende<br />
‘z’Alp’ gehen, um mithilfe partizipativer<br />
Erhebungsmethoden aus der qualitativen<br />
Sozialforschung selbst einige Antworten<br />
auf die vielen Fragen zu finden.<br />
Aufgrund der natürlichen Gegebenheiten<br />
(z.B. Wetter, Topographie) und der hohen<br />
physischen Belastung ist Alpwirtschaft per<br />
se und seit jeher ein herausforderndes Metier.<br />
Zweifellos sind aber in den vergangenen<br />
Jahrzehnten zahlreiche weitere Herausforderungen<br />
für die Alpbewirtschaftenden<br />
dazu gekommen. Insbesondere der zunehmende<br />
Preisdruck in der Landwirtschaft<br />
durch die internationalen Liberalisierungsbestrebungen<br />
(EU-Agrarfreihandel, WTO-<br />
Bestimmungen) und der landwirtschaftliche<br />
Strukturwandel mit den damit verbundenen<br />
tiefgreifenden Änderungen (Wechsel<br />
von Milch- zu Mutterkuhhaltung, Betriebsaufgaben<br />
und -zusammenlegungen)<br />
betreffen die Alpwirtschaft fundamental.<br />
Die Forderung nach einer höheren Arbeitsproduktivität<br />
in der Landwirtschaft kann<br />
zu einer (zu) hohen Belastung des Alppersonals<br />
führen. Tiefe Löhne, hohe Fluktuationsraten<br />
und die nicht gesicherte generationenübergreifende<br />
Weitergabe von<br />
Know-How stellen weitere Schwierigkeiten<br />
dar. Gleichzeitig sind die ÄlplerInnen gefordert,<br />
neue Produkte anzubieten (z.B. im<br />
Tourismusbereich), ökologische Massnahmen<br />
umzusetzen und die Kulturlandschaft<br />
zu erhalten. Die Folgen des Klimawandels,<br />
zum Beispiel in Form von Wasserknappheit,<br />
können weitere Probleme bringen. All<br />
diese Neuerungen bedingen zukünftig eine<br />
verstärkte Kooperation der Alpbetriebe in<br />
den Regionen.<br />
Um dieser thematischen Vielfalt im Rahmen<br />
einer Exkursion beizukommen, konzentrierten<br />
wir uns methodisch von Beginn<br />
weg auf die partizipative Sozialforschung.<br />
Einerseits ermöglichte dies, die aktuellen<br />
Herausforderungen der Alpwirtschaft sozusagen<br />
‘aus erster Hand’ zu erfahren,<br />
nämlich vom Alppersonal und den Alpmeistern<br />
selbst. Weil wir selbst wenig<br />
Vorwissen zur Alpwirtschaft mitbrachten,<br />
schien uns ein teilhabendes Vorgehen geeignet,<br />
denn es bezieht die Wahrnehmungen<br />
und Einschätzungen der Betroffenen<br />
selbst mit ein und hilft so, rasch zu den<br />
wichtigen Themen vorzustossen. Andererseits<br />
wollten wir den Studierenden die<br />
Möglichkeit bieten, wenigstens für einen<br />
Tag die Luft empirischer Sozialforschung<br />
zu schnuppern, also zu erfahren, was es<br />
heisst, ‘ins Feld’ zu gehen, und einen Zugang<br />
zu Themen und Menschen zu finden.<br />
Wie dieser <strong>Bericht</strong> zeigt, scheint dies allen<br />
auf die eine oder andere Art und Weise<br />
gelungen zu sein.<br />
Dieser <strong>Bericht</strong> fasst die Ergebnisse der vier<br />
Forschungsgruppen zusammen. Nach einem<br />
thematischen Einstieg am ersten Tag<br />
erstellten die Gruppen je einen Forschungsplan<br />
für den Tag z’Alp, der nicht<br />
nur ihre Leit- und Unterfragen beinhaltete,<br />
sondern auch ausgewählte Erhebungsmethoden.<br />
Zwei Gruppen widmeten sich<br />
dabei dem Thema Alpbetrieb (Tschégn-<br />
Dadens, Ranasca), während die anderen<br />
zwei Gruppen Fragen nach Kooperation<br />
in der Alpwirtschaft nachgegangen sind<br />
(Dadó, Ruschein & Siat/Rueun). Die<br />
<strong>Bericht</strong>e zeigen, welche Antworten die<br />
Gruppen auf ihre Fragen gefunden haben,<br />
und wie sie dabei vorgegangen sind.<br />
* * *<br />
Die Durchführung dieser Exkursion wäre<br />
nicht möglich gewesen ohne die tatkräftige<br />
Unterstützung zahlreicher Personen. Unser<br />
Dank geht daher an…<br />
…Ruedi Bucher vom Plantahof in Ilanz,<br />
für die Begeisterung, mit der er unsere<br />
Ideen von Beginn weg aufgenommen hat<br />
sowie für die tatkräftige Unterstützung bei<br />
der Vorbereitung. Ohne seine zahlreichen<br />
Kontakte zu Alpmeistern und anderen Experten<br />
wären wir wohl kaum je auf irgendeine<br />
Alp gelangt. Auch für seinen<br />
4
Erster Exkursionstag: Die Gruppen erarbeiten Ihre Forschungspläne für den nächsten Tag<br />
Input während der Exkursion sowie die<br />
Beratung der einzelnen Forschungsgruppen<br />
möchten wir ihm ganz herzlich<br />
danken.<br />
…Walter Marchion vom Amt für<br />
Landwirtschaft und Geoinformatik des<br />
Kantons Graubünden, für eine ausgezeichnete<br />
Einführung ins Thema Alpwirtschaft.<br />
…die fünf Alpmeister und das Alppersonal,<br />
die sich alle viel Zeit für unsere Fragen<br />
genommen und uns auf den Alpen so<br />
offen empfangen haben. Namentlich danken<br />
wir Gion und Martina Carigiet<br />
(Tschégn-Dadens), Fluri Pfister (Dadó),<br />
Christoph Hagenbuch (Ranasca), Primus<br />
Cajochen (Ruschein) und Markus Alpiger<br />
(Siat/Rueun).<br />
…Franziska Stössel, dank deren ausgezeichneten<br />
Alp-Kontakten wir überhaupt<br />
erst in die Surselva gefunden haben.<br />
…Christian Höchli für die exzellente<br />
Verpflegung in Waltensburg.<br />
…sowie an Sep und Barbara Candinas<br />
von der Genossenschaft Amarenda für das<br />
wunderschöne Buffet zum Exkursionsabschluss.<br />
Florian Boller, Bernd Steimann<br />
…Andreas Cadonau und Otto Bircher für<br />
eine interessante und kulinarisch ausgezeichnete<br />
Einführung in die Sennerei<br />
Waltensburg.<br />
5
Exkursionsprogramm<br />
Tag 1 Mittwoch, 26.8.2009<br />
Zeit Programm Bemerkungen<br />
11:37 Abfahrt Zürich HB Lunch im Zug<br />
13:50 Ankunft Waltensburg, Posta. Beziehen der Unterkunft (Scola Veglia)<br />
14:30 Einstieg ins Thema und die Region mit einer geführten Tour durch die<br />
Dorfkäserei Waltensburg<br />
Andreas Cadonau,<br />
Waltensburg<br />
15:30 Einführung: Auslegen der wichtigsten Themenbereiche Florian Boller<br />
15:40 Fachinput – Alpwirtschaft in Graubünden und der Surselva: Grundzüge und<br />
aktuelle Herausforderungen;<br />
16:10 Vorstellen der vier Alpgebiete für die empirische Forschung<br />
Thema Kooperation<br />
• Alp Dado, Gemeinde Waltensburg: Milchalp, liefert die Milch<br />
per Pipeline in die Dorfkäserei,<br />
Waltensburger Alpen (alle): langjährige Kooperation und<br />
Arbeitsteilung zwischen allen vier gemeindeeigenen Alpen, für<br />
die Zukunft gerüstet;<br />
• Alp da Rueun, Gemeinden Rueun/Siat: Sennalp,<br />
im Jahr 2009 keine Milchkühe, zurzeit auf der Suche nach neuen<br />
Formen der Zusammenarbeit mit den Nachbaralpen und –<br />
gemeinden;<br />
Alp da Ruschein, Gemeinde Ruschein: Sennalp, hat 2009 viele<br />
Kühe von Rueun/Siat aufgenommen, mit Fragen von<br />
Zukunftsperspektiven, Verantwortung der Gemeinde und<br />
Vereinbarungen beschäftigt;<br />
Walter Marchion, Amt für<br />
Landwirtschaft und<br />
Geoinformatik, Kt. GR<br />
Ruedi Bucher, Plantahof<br />
Beamer, Flipchart, Karten<br />
Thema Alpbetrieb<br />
• Alp Ranasca, Gemeinde Domat/Ems (Eigentum) und Pigniu<br />
(Standort): Sennalp, funktioniert, kaum einheimische Milchkühe,<br />
die meisten sind aus dem Unterland; wird bald einen<br />
Richtungsentscheid für die Zukunft fällen müssen,<br />
• Alp Tschégn-Dadens, Gemeinde Brigels: Sennalp hat weniger<br />
Bauern als früher, aber einen Weg für die Zukunft gefunden.<br />
Zusammenarbeit mit alpinavera.<br />
16:45 Einführung Gruppenarbeit (Forschungsplan) Bernd Steimann<br />
ab 16:55<br />
ca. 19:00<br />
Gruppenarbeit: Einteilen von vier Gruppen à je 3-4 Personen, nach Interesse.<br />
Die Gruppen formulieren ihre Leitfragen und entwickeln einen<br />
Forschungsplan für den nächsten Tag (2-3 zentrale Fragen, 2-3 ausgewählte<br />
Methoden, benötigtes Material, mögliche Schwierigkeiten, Alternativen). Die<br />
Forschungspläne werden mit den anwesenden Fachpersonen sowie mit FB<br />
und BS besprochen und je nachdem angepasst; das benötigte Material wird<br />
vorbereitet.<br />
Nachtessen (Scola Veglia)<br />
Papier, Schreibzeug,<br />
Karten, OLAT-Unterlagen<br />
20:00 Fortsetzung der Gruppenarbeit (falls nicht abgeschlossen), Freizeit<br />
6
Tag 2 Donnerstag, 27.8.2009<br />
Zeit Programm Bemerkungen<br />
Ab ca.<br />
04:30<br />
Ab ca.<br />
05:00<br />
Aufstehen, Frühstück<br />
Abfahrt der Gruppen nach den verschiedenen Alpen<br />
(je nach Alp unertschiedliche Abfahrtszeiten)<br />
Mobility sowie Alpmeister<br />
05:00<br />
bis ca.<br />
15:00<br />
ab 15:00<br />
bis 19:00<br />
Arbeit in Gruppen auf den Alpen, individuelle Pausengestaltung<br />
(Mittagessen)<br />
Rückkehr nach Waltensburg, dann Gruppenarbeit:<br />
1. Auswertung der Erhebung: Zusammentragen der wichtigsten<br />
Ergebnisse, (un-)beantwortete Fragen<br />
2. Vorbereiten einer Kurzpräsentation für den nächsten Tag<br />
(20’) mit folgenden Inhalten:<br />
• Vorstellen der Forschungsfragen<br />
• Vorgehen / angewandte Methoden<br />
• wichtigste Ergebnisse<br />
• kritische Reflexion zu Methoden, Vorgehen & Rolle der<br />
Forschenden: was hat geklappt, was nicht?<br />
• Ausblick: welche Fragen blieben unbeantwortet, was wäre<br />
spannend für weitere Forschung?<br />
Forschungsplan, benötigtes<br />
Material, Digitalkamera.<br />
Feldstecher, Lunch<br />
Flipchart, Poster, Stifte, evt.<br />
Beamer<br />
17:00 Späteste Rückkehr aller Gruppen nach Waltensburg<br />
19:00 Nachtessen<br />
20:00 Fortsetzung Vorbereitung Gruppenpräsentationen, Freizeit<br />
Tag 3 Freitag, 28.8.2009<br />
Zeit Programm Bemerkungen<br />
07:30 Frühstück<br />
Ab 08:00<br />
Weitere Vorbereitung der Präsentationen in den Gruppen<br />
10:00 Präsentationen der Gruppen (20’) mit anschliessend je 10’ für Fragen &<br />
Diskussion<br />
Flipchart, Poster, Stifte, evt.<br />
Beamer<br />
Nach der 2. Präsentation kurze Pause mit Verpflegung<br />
12:15 Synthese der Ergebnisse, Schlussdiskussion und Kurzevaluation der<br />
Exkursion<br />
13:00 Aufräumen der Unterkunft alle<br />
Bernd Steimann, Florian<br />
Boller, Ruedi Bucher, evt.<br />
weitere<br />
14:00 Überraschungs-Mittagessen auf Ruine Jörgenberg: Regionalprodukte der<br />
Kooperative ‚Amarenda’<br />
Florian Boller, Bernd<br />
Steimann<br />
16:57 Abfahrt Waltensburg<br />
19:23 Ankunft Zürich HB<br />
7
Fokus Alpbetrieb I<br />
Tschégn-Dadens (Breil / Brigels)<br />
Seraina Hablützel, Ilona Jelscha Imoberdorf, Natalie Kramer, Rebekka Sutter<br />
Die Alp Tschégn-Dadens, welche vom Alpmeister Gion Carigiet und seiner Frau Martina<br />
organisiert wird, ist ein Milchkuhbetrieb mit jährlich rund 60 Kühen. Die Milch wird zu Käse<br />
(Alpkäse, Mutschli und Raclette) und Butter verarbeitet. Dieser wird proportional zur<br />
Milchmenge an die Besitzer der Kühe abgegeben. Das Alppersonal besteht aktuell aus einem<br />
Senn (Florian) und einem Hirten (Michael). Mit einer Rohrmelkanlage, einer direkten<br />
Molkeleitung von der Sennerei zum Saustall und Güllenleitungen zur Düngung der gesamten<br />
Weidefläche ist die Alp sehr gut ausgerüstet. Wichtig für eine gute Käse- und Butterproduktion<br />
ist zudem das auf der Alp reichlich vorhandene kalte Wasser, welches grösstenteils einem<br />
Gletscher oberhalb der Alp entfliesst.<br />
Leitfrage 1: Wie ist die Alp<br />
organisiert?<br />
Methoden: unstrukturiertes Interview,<br />
Venn-Diagramm<br />
1) Zusammenarbeit Alpmeister-Bauern?<br />
Der Alpmeister wird von den Bauern<br />
gewählt und koordiniert die anfallenden<br />
Arbeiten auf der Alp, wie zum Beispiel die<br />
Bereitstellung von Infrastrukturen und<br />
Rohstoffen (Brennholz, Öl). Zudem spricht<br />
er den Weidegang mit den benachbarten<br />
Alpen ab und ist verantwortlich, die Alp<br />
nach dem Alpabzug wieder instand zu<br />
stellen. Das Datum des Alpauf- und -<br />
abzugs wird mit den betroffenen Bauern<br />
zusammen beschlossen.<br />
2) Zusammenarbeit Alpmeister-Personal?<br />
grossen Freiraum in seinen Entscheidungen.<br />
3) Arbeitsteilung resp. Zusammenarbeit<br />
Alppersonal?<br />
Die Arbeitsteilung ist auf Tschégn-Dadens<br />
klar geregelt. Es herrscht eine flache<br />
Hierarchie. Hirt Michael ist zuständig für<br />
das Weiden und die Pflege des Viehs, das<br />
Melken der Kühe, die Fütterung der<br />
Schweine und die Einteilung und Abgrenzung<br />
der Weiden. Senn Florian kann sich<br />
somit ganz auf die Herstellung und Pflege<br />
von Käse und Butter konzentrieren. Er ist<br />
in der Entscheidung frei, welche Käseart er<br />
herstellen möchte.<br />
Tschégn-Dadens: Transectwalk<br />
mit Alpmeister und Hirt<br />
Der Alpmeister stellt das Alppersonal ein<br />
und ist verantwortlich, Ersatz zu finden,<br />
falls dieses – wie im Frühling 2009<br />
geschehen – kurzfristig abspringt. Die bisherigen<br />
jährlichen Wechsel des Alppersonals<br />
vergrössern den Arbeitsaufwand und<br />
lassen keine Routine einkehren. Eine Verpflichtung<br />
des Personals über mehrere<br />
Sommer wäre wünschenswert. Die Zusammenarbeit<br />
zwischen Alpmeister und Alppersonal<br />
ist auf Tschégn-Dadens von<br />
gegenseitigem Respekt und Freiraum<br />
geprägt und es herrscht ein freundschaftliches<br />
Verhältnis. Das Alppersonal hat sehr<br />
8
Leitfrage 2: Wie wird der Käse<br />
vermarktet?<br />
Methode: unstrukturiertes Interview<br />
1) Was geschieht nach der Herstellung mit<br />
dem Käse?<br />
Aufgrund des (zu) kleinen Käsekellers<br />
müssen die Bauern ihren Käseanteil bereits<br />
Mitte Sommer ein erstes Mal abholen und<br />
im eigenen Keller weiter schmieren. Der<br />
Hauptverkauf findet Mitte September nach<br />
dem Alpabzug statt (→ extrem saisonale<br />
„Käseschwemme“). Grossabnehmer gibt es<br />
keine, ein Teil wird über Volg vertrieben,<br />
der Grossteil (der total ca. 250 Käslaibe)<br />
zurzeit über alpinavera. In Kürze wird<br />
zudem die Fair-Trade Organisation gebana<br />
50 Laibe pro Jahr abnehmen.<br />
2) Wie wird die Zusammenarbeit mit<br />
alpinaVera umgesetzt? Erfahrungen?<br />
alpinavera (www.alpinavera.ch) ist eine<br />
Vermarktungsplattform, die in den vergangenen<br />
zwei Jahren von der Bündner KB<br />
gesponsert wurde, ab nächstem Jahr finanziell<br />
selbsttragend sein soll. Das Alpmeister-<br />
Ehepaar hat im vergangenen Jahr an zwei<br />
alpinavera-Anlässen Käse verkauft: dem<br />
Wochenmarkt in Illanz und dem<br />
Christkindlimarkt in Luzern. Grundsätzlich<br />
sind Gion und Martina voll überzeupt<br />
von alpinavera, weisen aber auch auf<br />
Schwierigkeiten hin: Auf einem Markt wie<br />
in Luzern sind die Standkosten so hoch<br />
(1000.-/Tag), dass eine Rentabilität selbst<br />
bei verhältnismässig gutem Absatz nur<br />
knapp bzw. kaum erreicht werden kann.<br />
Aktuelle Herausforderungen<br />
Als aktuelle Herausforderungen gelten laut<br />
Gion, Martina und Michael verschiedene<br />
Elemente. So fordern sie eine gerechtere<br />
Verteilung der Sömmerungsbeiträge auf<br />
Galtvieh- und Milchkuhalpen, da der<br />
Aufwand auf den Milchkuhalpen (Melken,<br />
Käsen) beträchtlich höher ist. Den auf der<br />
Alp produzierten Käse verkaufen die<br />
Bauern selbst. Alpkäse als extrem saisonales<br />
Produkt ist deshalb im Herbst in<br />
grossen Mengen auf dem Markt. Deshalb<br />
ist es wichtig, einerseits geschlossen einen<br />
genügend hohen Käsepreis zu verlangen<br />
(momentan 18 CHF/kg), andererseits über<br />
einen guten Käsekeller zu verfügen, welcher<br />
es erlaubt, den Käse bis in den Herbst ohne<br />
Qualitätseinbusse zu lagern. Die Zusicherung<br />
gebanas über eine garantierte Käseabnahme<br />
von 50 Laiben pro Jahr entschärft<br />
diese Herausforderung etwas.<br />
Tschégn-Dadens: Senn Florian und Ilona beim Käsen<br />
Eine andere Herausforderung liegt im<br />
Arbeitsaufwand. Durch den Strukturwandel<br />
haben die noch verbliebenen einzelnen<br />
Bauern mehr Land und mehr Kühe, aber in<br />
bestimmten Bereichen (Einzäunen) die Arbeit<br />
von mehr Bauern zu übernehmen.<br />
Auch auf der Alp ist es nicht immer einfach,<br />
eine Balance zu finden zwischen der<br />
Anzahl gesömmerter Milchkühe (Ertrag)<br />
und der Anzahl Alppersonal (Kosten).<br />
9
Tschégn-Dadens:<br />
Anfeuern im<br />
Schwenkkessel unter<br />
dem Feuer (oben)<br />
Natalie beim<br />
Reinigen der<br />
Utensilien mit Lauge<br />
(rechts)<br />
10
Fokus Alpbetrieb II<br />
Ranasca (Pigniu / Panix)<br />
Laura Sijbesma, Sarah Speck, Dominic Huber<br />
Die Alp Ranasca befindet sich nördlich von Pigniu/Panix und liegt in dessen Gemeindegebiet.<br />
Jedoch gehört sie seit 500 Jahren der Bürgergemeinde Domat/Ems und wird auch von ihr<br />
bewirtschaftet. Die Alp ist eine der wenigen, welche noch mit zwei Stafeln betrieben wird, hat<br />
aber gemäss Ruedi Bucher vom landwirtschaftlichen Bildungs- und Beratungszentrum<br />
Plantahof immer stärker mit infrastrukturellen Problemen, wie auch mit einer stetig<br />
schwächeren Auslastung zu kämpfen. Deshalb ist es interessant, die Zukunft der Alp zu<br />
erforschen. Zu diesem Zweck erarbeiteten wir folgende Forschungsfragen.<br />
Leitfrage: Kann die Alp Ranasca in<br />
ihrer jetzigen Form überleben?<br />
• Wie ist die Alp<br />
strukturiert/organisiert?<br />
• Wo liegen heute auf der Alp die<br />
grössten Probleme?<br />
• Was muss passieren, damit die Alp<br />
Ranasca längerfristig erhalten<br />
bleibt?<br />
Methoden<br />
Um unsere Forschungsfragen beantworten<br />
zu können, erarbeiteten wir uns verschiedene<br />
partizipative Erhebungsmethoden.<br />
Einerseits kartierten wir einen Situationsplan,<br />
auf welchem die beiden Stafeln, der<br />
Bereich des Galtviehs, die Stallungen,<br />
sowie der Käsekeller erfasst worden sind<br />
(Bild 2). Andererseits erstellten wir einen<br />
Zeitplan für die Monate der Alpsömmerung.<br />
Es war uns dabei wichtig, dass wir<br />
sowohl den Wechsel der beiden Stafeln, als<br />
auch die Daten der Bestossung und<br />
Entladung der Alp aufzeigen konnten.<br />
Zudem erarbeiteten wir uns ein halbstrukturiertes<br />
Interview mit den zentralen Fragen<br />
zur Beantwortung unserer Forschungsfrage.<br />
Jedoch wollten wir uns auf keinen<br />
konkreten Interviewablauf (Struktur) festlegen,<br />
damit wir während dem Interview<br />
auf Unklarheiten oder auf ein zusätzliches,<br />
spontanes Interesse eingehen konnten.<br />
Ergebnisse<br />
Ranasca: Unterwegs mit Alpmeister<br />
Hagenbuch<br />
Die Gebäude und Einrichtungen sind<br />
leicht veraltet und müssen immer wieder<br />
renoviert werden, erst kürzlich wurde die<br />
Käserei neu gekachelt und gestrichen.<br />
Speziell an der Alp ist, dass der Käsekeller<br />
zwischen den beiden Stafeln steht und<br />
somit eine grosse Distanz zwischen Käserei<br />
und Keller besteht (siehe Bild S. 12).<br />
Jedoch stellt die Infrastruktur in den<br />
Augen des Alpmeisters kein unüberwindbares<br />
Problem dar. Die Wirtschaftlichkeit<br />
der Alp ist für den Alpmeister schwierig zu<br />
berechnen. Der Aufwand lohnt sich jedoch<br />
für ihn, da er immer genügend Vieh auf<br />
der Alp hat und seine ganze Produktion<br />
an Käse im Dorf Domat/Ems vermarkten<br />
und verkaufen lässt. In den letzten Jahren<br />
sind aber, obwohl die Qualität des Alp-<br />
11
käses immer innerhalb der Richtlinien<br />
war, neue Vorschriften zur Qualitätssicherung<br />
(EU / WTO) zu einem zusätzlichen<br />
Hindernis geworden. Mit vielen ist der<br />
Alpmeister nicht einverstanden, denn Käse<br />
werde schon seit Jahrhunderten auf diese<br />
Weise hergestellt und ohne Folgeschäden<br />
für den Konsumenten gegessen. Eine neue<br />
Einnahmequelle erhofft er sich aus der<br />
Erschliessung durch den Tourismus. Der<br />
geplante Suworow-Weg sei ein Schritt in<br />
die richtige Richtung, und er könne es sich<br />
gut vorstellen, eine kleine Alpbeiz zu<br />
eröffnen. Das grösste Problem ist für ihn<br />
aber einerseits gutes Personal andererseits<br />
einen geeigneten Nachfolger mit derselben<br />
Motivation, die Alp zu erhalten, zu finden.<br />
Fazit<br />
Ranasca: Kartierter Situationsplan der Alp<br />
Beim Bearbeiten unserer Forschungsfrage<br />
war schnell ersichtlich, dass zwischen dem<br />
landwirtschaftlichen Bildungs- und Beratungszentrum<br />
Plantahof und dem Alpmeister<br />
der Alp Ranasca starke Widersprüche<br />
auftreten. Beispielsweise wurde die Infrastruktur<br />
mit dem weit entfernten Käsekeller<br />
als unzureichend erachtet, stellt aber für<br />
den Alpmeister und sein Personal kein<br />
grosses Problem dar. Auf Grund der<br />
widersprüchlichen Aussagen ist es uns<br />
nicht möglich, unsere Leitfrage zu<br />
beantworten. Die partizipativen Erhebungsmethoden<br />
erreichen ihre Grenzen, da<br />
die meisten Aussagen zu subjektiv für eine<br />
Beurteilung ausfallen. Unserer Meinung<br />
nach ist es nötig ein Projekt mit Hilfe aller<br />
Beteiligten zu erarbeiten, um die Akzeptanz<br />
und ein gemeinsames Vorgehen für ein<br />
Weiterbestehen der Alp Ranasca gewährleisten<br />
zu können.<br />
Ranasca: Distanz zwischen Käserei (vorne) und<br />
Käsekeller (hinten)<br />
Ranasca: Reinigung der Käsebretter durch den<br />
Senn<br />
12
Fokus Kooperation I<br />
Dadó (Vuorz / Waltensburg)<br />
Yangchen Moser, Masoud Salahi, Andrea Jauss<br />
Die Arbeit auf der Alp ist hart und die Tage sind lang. Jeden Morgen stehen die beiden<br />
Sennen in aller Herrgottsfrühe auf, um die Kühe einzutreiben und zu melken. Alle zwölf<br />
Stunden werden die Tiere gemolken, was den Tagesrhythmus der beiden Jungbauern<br />
bestimmt. Diese Nacht haben sie nur gerade zwei Stunden geschlafen, der Rest ging für den<br />
Ausgang im nächstliegenden Dorf drauf. Der tägliche Sonnenaufgang, die Arbeit im<br />
eingespielten Team und die Ruhe hier oben auf der Alp Dadó entschädigen sie jedoch für ihre<br />
Mühen. Der Alpsommer bietet ihnen zudem die Möglichkeit, Berufserfahrungen zu sammeln<br />
und den Umgang mit verschiedenen Tieren zu erlernen. Die Alpwirtschaft hat in der Schweiz<br />
seit langem Tradition und im Rahmen dieser Exkursion versuchten wir, diese<br />
Bewirtschaftungsform etwas besser kennen zu lernen, Vor- und Nachteilen zu ergründen und<br />
aktuelle und zukünftige Herausforderungen zu eruieren.<br />
Die Alp Dadó liegt auf 1833 müM und<br />
beherbergt im Sommer rund 150 Milchkühe.<br />
Alpmeister Fluri Pfister holt uns um<br />
vier Uhr morgens vor der Scola Veglia ab.<br />
Etwas verschlafen, aber dennoch nervös<br />
und gespannt auf den kommenden Tag,<br />
fahren wir mit dem Auto zur Alp hinauf.<br />
Im Dunkeln tasten wir uns an den Kühen<br />
vorbei und sehen schemenhaft, wie das<br />
Personal geschickt das Vieh zum Melken<br />
zusammentreibt. Es ist nun 04:30, der<br />
Stall ist hell beleuchtet und es werden<br />
emsig Vorbereitungen getroffen. Die Kühe<br />
schauen aufgeregt umher und finden ihre<br />
Plätze nicht – wohl wegen uns; Besucher<br />
sind hier um diese Zeit vermutlich selten.<br />
Zögerlich schauen wir uns im Stall um<br />
und stellen ein paar Fragen. Nach dem<br />
Anbinden der Kühe werden wir zu Kaffee,<br />
Eistee und Guetzli in die Küche eingeladen,<br />
wo wir uns etwas besser kennenlernen<br />
und unser Interview mit dem Alpmeister<br />
beginnen. Nach geraumer Zeit werden wir<br />
zum Sonnenaufgangspektakel gerufen. Die<br />
Wärme breitet sich langsam in unseren<br />
Gliedern aus, und bald starten wir mit<br />
einem Rundgang über die Alp, vorbei am<br />
Moor mit leckeren Heidelbeeren, bis auf<br />
die Bergkuppe mit Ausblick hinüber zum<br />
Panixerpass und den drei anderen Alpen<br />
der Gemeinde Waltensburg, Alp Dadens,<br />
Alp da Stiarls und Alp Urschiu.<br />
In der Gemeinde Waltensburg organisiert<br />
und regelt eine Kooperation den Betrieb<br />
dieser Alpen. Die Kooperation gilt als<br />
Vorzeigebeispiel für gemeindeinterne Zusammenarbeit.<br />
Leitfrage: Wie funktioniert die<br />
Kooperation der Alpwirtschaft auf<br />
Alp Dadó?<br />
• Was ist die Idee hinter der<br />
Kooperation?<br />
• Wie ist die Kooperation<br />
aufgebaut?<br />
• Welche Vor- und Nachteile hat die<br />
Kooperation?<br />
• Welche Rolle spielt die Käserei?<br />
• Gibt es Konflikte,<br />
Verbesserungsmöglichkeiten,<br />
Herausforderungen?<br />
• Wie sieht die Zukunft der<br />
Kooperation aus?<br />
Methoden<br />
Transect Walk – Die Begehung der Alp mit<br />
dem Alpmeister ermöglichte uns einen<br />
Überblick über die Alp. Die entspannte<br />
Atmosphäre auf dem Spaziergang hat<br />
interessante Gespräche rund ums Alpwesen<br />
angeregt. Vor Ort konnten wir spontan<br />
spezifische Fragen stellen.<br />
Interview – Unser Interview war schwach<br />
strukturiert, Stichworte gaben uns einen<br />
ungefähren Leitfaden. Die Probanden<br />
hatten so die Möglichkeit, ihnen wichtige<br />
13
Früher wurde ein Alpchef bestimmt, der<br />
alle Aufgaben von Buchhaltung über<br />
Personalorganisation bis zum Nutzungsplan<br />
übernehmen musste. Dies war ein<br />
sehr intensives Amt und überschritt oft die<br />
zusätzliche Belastungs- und Zeitkapazität<br />
der Bauern. Mit der Kooperation wird<br />
eine Arbeitsteilung vorgenommen. Die<br />
Zuständigkeitsbereiche werden genau<br />
definiert und die zusätzlichen Aufgaben so<br />
auf verschiedene Kooperationsmitglieder<br />
verteilt.<br />
Dadó: Im Gespräch mit Alpmeister Fluri<br />
Pfister<br />
Die Besetzung der Ämter durch Kooperationsmitglieder<br />
garantiert das nötige<br />
interne Praxis- und Fachwissen und die<br />
Arbeiten können effizient erledigt werden.<br />
Themen zur Sprache zu bringen und eigene<br />
Schwerpunkte zu setzen. So wurden zum<br />
Teil Aspekte in den <strong>Bericht</strong> miteinbezogen,<br />
an die wir im Voraus nicht gedacht hatten<br />
oder die uns gar völlig unbekannt waren.<br />
Dank dem Leitfaden gingen unsere ursprünglichen<br />
Fragen und Anliegen jedoch<br />
nicht vergessen. Die Methode des schwach<br />
strukturierten Interviews hat sich für uns<br />
bewährt, vor allem weil wir mit der Materie<br />
nicht sonderlich vertraut waren. Mit so<br />
wenigen Probanden ist mit dieser Methode<br />
natürlich der Aspekt der Objektivität etwas<br />
problematisch.<br />
Diagramme – Den Aufbau der<br />
Kooperation wollten wir uns anfangs vom<br />
Alpmeister mit einem Diagramm veranschaulichen<br />
lassen. Dies erwies sich als<br />
eher ungewohnte und etwas verwirrende<br />
Methode. Daher zeichneten wir ein<br />
einfaches “Hierarchiestufendiagramm“ in<br />
Form einer Mind Map, während uns der<br />
Alpmeister den Aufbau der Kooperation<br />
erklärte. Das Personal zeichnete uns eine<br />
Arbeitsintensitätskurve über die Saison in<br />
ein vorbereitetes Diagramm. Vorbereitete<br />
Diagramme waren hier einfacher zu<br />
handhaben. Allerdings muss man sich<br />
bewusst sein, dass man so auch mehr<br />
Einfluss auf den Inhalt nimmt.<br />
Ergebnisse<br />
Idee der Kooperation<br />
Die Kooperation hat den grossen Vorteil,<br />
dass die Bauern ihr Business selbst<br />
organisieren und gemeinsam Lösungen für<br />
eine möglichst optimale Alpnutzung<br />
entwickeln können. Die Gemeinde ist als<br />
Alpbesitzerin für die Finanzierung der<br />
Infrastruktur und Einrichtung der Alpen<br />
verantwortlich. Das Geld für grössere<br />
Investitionen kommt also aus den Steuergeldern<br />
der Gemeinde.<br />
Dadó: Alpweiden<br />
Aufbau der Kooperation<br />
Die Gemeinde Waltensburg verpachtet die<br />
Alp im Sommer als Weidefläche an die<br />
Kooperation. Zweimal jährlich finden<br />
Kooperationsversammlungen statt, an welchen<br />
die Vorstandsmitglieder gewählt, die<br />
Bestossung organisiert und Anliegen<br />
besprochen werden.<br />
Der Kooperationspräsident und Alpmei–<br />
ster organisiert das Personal für die<br />
Alpsaison, welche rund 100 Tage dauert.<br />
Früher wurde in der Zeitung inseriert,<br />
heute läuft alles übers Internet. Zudem<br />
bestimmt der Alpmeister ein oder zwei<br />
Helfer aus der Kooperation, die während<br />
der Bestossung und für allfällige<br />
Zusatzarbeiten auf die Alp beordert<br />
werden. Dem Alpmeister stehen zwei<br />
Beisitzer zur Seite, welche ihn bei seinen<br />
Aufgaben unterstützen. Ein Gemeinde–<br />
werkschef ist für allfällige Reparaturen<br />
oder den Holzschlag zuständig und eine<br />
Kassierin regelt die Finanzen. Die<br />
Amtsdauer beträgt für alle zwei Jahre, sie<br />
können aber beliebig wiedergewählt werden.<br />
Die Milch der Alp Dadó wird durch<br />
eine Pipeline direkt vom Unterstafel in die<br />
14
Dorfkäserei geliefert und der Käserei-<br />
Kooperation verkauft. Aus den Milcherträgen<br />
und den Sömmerungsbeiträgen des<br />
Bundes wir das Alppersonal bezahlt, der<br />
Rest wird je nach Milchleistung der Kühe<br />
und den erbrachten Gemeinschaftsbeiträgen<br />
an die Kooperationsmitglieder verteilt.<br />
Vor- und Nachteile der Kooperation<br />
Bereits erwähnt wurde die Arbeitsteilung,<br />
die sich positiv auf die Effizienz, Organisationsstruktur<br />
und Finanzen auswirkt. Die<br />
Mitglieder der Kooperation in Waltensburg<br />
sind alle ungefähr im selben Alter<br />
und sind sich in den Bewirtschaftungsformen<br />
grundsätzlich einig, was die<br />
Zusammenarbeit erleichtert. Der Alpmeister<br />
Fluri Pfister sorgt dafür, dass Arbeiten<br />
und Verpflichtungen gerecht auf die<br />
Bauern verteilt werden, “Drückeberger“<br />
gibt es so kaum mehr. Die Besetzung der<br />
Funktionärsposten läuft mittlerweile auch<br />
gut. Natürlich ist die Konsensfindung<br />
unter den Kooperationsmitgliedern nicht<br />
immer ganz einfach und die Zusammenarbeit<br />
nicht nur harmonisch.<br />
Fazit von Herr Pfister ist aber, dass es<br />
heute ohne Kooperation nicht mehr<br />
funktionieren kann und es wichtig ist,<br />
dass alle am gleichen Strang ziehen.<br />
Die Rolle der Käserei<br />
Die gesamte Alpmilch wird in der<br />
Dorfkäserei verarbeitet. Für den Alpbetrieb<br />
ist dies eine Entlastung, da die Verarbeitung<br />
durch das jährlich wechselnde<br />
Personal mit Risiken verbunden ist. Die<br />
zusätzliche Infrastruktur auf der Alp<br />
müsste in Stand gehalten, fähige Sennen<br />
gefunden und der Käse im Herbst zu einem<br />
guten Preis verkauft werden.<br />
Konflikte, Verbesserungsmöglichkeiten und<br />
Herausforderungen<br />
Die Zusammenarbeit zwischen den Bauern<br />
funktioniert in Waltensburg grundsätzlich<br />
vorbildlich. Aber wie überall wird sie zum<br />
Teil erschwert durch Konflikte, welche<br />
unter Umständen seit Generationen<br />
bestehen. Historisch gewachsene Strukturen,<br />
wie das Sömmerungsrecht in der<br />
Steuergemeinde, sind heute überholt und<br />
können in der Praxis zu Konflikten<br />
führen. Geplante Neustrukturierungen wie<br />
Gemeindefusionen verursachen Ungewissheit<br />
über die zukünftige Situation und<br />
verhindern damit aktuelle Innovationen<br />
und Investitionen. Hinzu kommen neue<br />
Tierschutz-, Hygiene- und Tourismusvorschriften,<br />
welche in der Realität oft nur<br />
schwierig umsetzbar sind. So sind beispielsweise<br />
die Hörner der Kühe für Tou-<br />
Dadó: Blick über die Alp<br />
15
isten nett anzusehen, für die Bauern und<br />
die Tiere selbst stellen sie aber ein erhebliches<br />
Verletzungsrisiko dar.<br />
Ein heftig diskutiertes Thema in der<br />
Landwirtschaft ist die zunehmend aufkommende<br />
Mutterkuhhaltung. Aus der Kooperation<br />
hat bis jetzt noch keiner der Bauern<br />
seinen Betrieb auf Mutterkühe umgestellt,<br />
die unterschiedlichen Bedürfnisse von<br />
Mutter- und Milchkühen auf der Alp<br />
werden aber sicherlich zukünftig eine Herausforderung<br />
darstellen. Auch der politische<br />
und ökonomische Druck, der zurzeit<br />
auf den Bauern lastet, erschwert die<br />
Zusammenarbeit und Kommunikation<br />
zwischen den Bauern erheblich und macht<br />
sie zu Konkurrenten.<br />
Die aktuelle Agrarmarktliberalisierung<br />
und der damit zusammenhängende Preisdruck<br />
aus der Europäischen Union sind<br />
grosse Stressfaktoren für die einzelnen<br />
Bauernbetriebe. Der Milchpreis liegt nach<br />
Herrn Pfisters Angaben in der EU bei ca.<br />
0.28 CHF und in der Schweiz bei rund<br />
0.61 CHF, allerdings unter höheren<br />
Produktionskosten. Die Agrarpolitiker<br />
fordern desshalb die flächenmässige Vergrösserung<br />
der einzelnen Bauernbetriebe.<br />
Laut Herr Pfister besteht aber die Gefahr,<br />
das dabei nur der Umsatz der Unternehmer,<br />
nicht aber ihr Gewinn steigt.<br />
Ein gutes Verhältnis zwischen Arbeit und<br />
Kosten zu finden ist auch bei der Besetzung<br />
der Saisonstellen auf der Alp eine Herausforderung.<br />
Fachlich gutes Personal ist<br />
dabei oft nur schwer zu finden und ihre<br />
Entlöhnung bescheiden.<br />
Schlusswort und Dank<br />
Die Alpwirtschaft ist ein wichtiger Teil der<br />
alpinen Landwirtschaft und der schweizerischen<br />
Kultur. Mit der Landwirtschaft<br />
hängt zudem mehr zusammen, als einem im<br />
ersten Moment bewusst ist. Der Erhalt<br />
unserer historischen Landschaft, der damit<br />
verbundene Tourismus und die Lebendigkeit<br />
in den verwunschenen Tälern in ihrer<br />
wild romantischen Einzigartigkeit, sind<br />
nur dank regelmässiger Bewirtschaftung<br />
und sorgfältiger Pflege möglich. Zudem<br />
bewahrt die extensive Landnutzung die<br />
Alpentäler vor Verwaldung und die<br />
entstehende Habitatsvielfalt ermöglicht eine<br />
sehr hohe Biodiversität in diesen Gebieten.<br />
Den Bezug zur Natur und das Wissen über<br />
die Landwirtschaft zu wahren, wird eine<br />
zukünftige Herausforderung für die Politik<br />
und die Schweizer Bevölkerung sein.<br />
Wir möchten uns herzlich bei Herrn Fluri<br />
Pfister und den beiden Sennen auf der Alp<br />
Dadó für ihre persönlichen und kompetenten<br />
Ausführungen rund ums Alpwesen<br />
bedanken. Sie alle haben sich trotz der<br />
vielen Arbeit grosszügig Zeit genommen<br />
und unsere Fragen breitwillig und offen<br />
beantwortet. Der Einblick in die Alpwirtschaft<br />
hat uns beeindruckt und auch<br />
zum Nachdenken angeregt.<br />
Zukunftsperspektiven<br />
Die Kooperation funktioniert zurzeit gut,<br />
die Bauern von Waltensburg sind ein<br />
eingespieltes und erprobtes Team.<br />
Allerdings sind die Zukunftsaussichten der<br />
einzelnen Betriebe und damit auch der<br />
Kooperation mit dem bevorstehenden<br />
Generationenwechsel relativ unsicher. Von<br />
den 13 Betrieben der Kooperation weiss<br />
der Alpmeister nur von zweien, die einen<br />
sicheren Nachfolger gefunden haben. Mit<br />
der neuen Generation werden Veränderungen<br />
Einzug halten und einige Betriebe<br />
werden wohl auch aufgegeben, da die<br />
jungen Leute einen anderen Weg<br />
einschlagen möchten. Zu diesem Thema<br />
haben wir auch die beiden Sennen auf<br />
Dadó befragt. Die Erweiterung der Betriebe<br />
zu rentablen Grössen sei unumgänglich<br />
und ein zweites Standbein im Nebenerwerb<br />
biete etwas Sicherheit. Trotzdem sind die<br />
beiden überzeugt von ihrer Zukunft, von<br />
der Arbeit im Freien und mit den Tieren.<br />
Offenheit und Flexibilität sind gefordert,<br />
woran es den beiden Innerschweizern<br />
sicher nicht fehlt.<br />
16
Fokus Kooperation II<br />
Ruschein & Siat/Rueun<br />
Martina Monigatti, Thomas Bruggmann, Valentin Scherrer<br />
Indem verschiedene Alpen miteinander kooperieren, wird der Austausch von Milch- und<br />
Mutterkühen sowie vom Galtvieh koordiniert. Dies ermöglicht eine sinnvolle<br />
Zusammenstellung der Herden. In den letzten Jahren wurde festgestellt, dass sich vermehrt<br />
Engpässe in der Bestossung der Alpen ergeben. Deshalb vereinbarten die Alpkooperationen<br />
Ruschein und Siat/Rueun eine Lösung für 2009. Die Milchkühe wurden auf die Alp da<br />
Ruschein geschickt, Mutterkühe und Jungvieh auf die Alpen von Siat/Rueun.<br />
Leitfrage: Wie könnte sich die<br />
Zusammenarbeit der Alpen Rueun<br />
und Ruschein in den kommenden<br />
Jahren entwickeln?<br />
• Wie wurde die Zusammenarbeit<br />
2009 von den Alpmeistern und<br />
dem Alppersonal erlebt?<br />
• Wer ist in den Prozess der<br />
Entscheidungsfindung involviert?<br />
• Wie schätzen die Alpmeister / Alppräsidenten<br />
die Chancen ein, dass<br />
die Lösung 2010 weitergeführt<br />
wird?<br />
Methoden<br />
Semistrukturiertes Interview<br />
Evaluierungsmatrix – Verschiedene Krite–<br />
rien werden von der befragten Person<br />
selbst festgelegt (Beispiele: Arbeitsaufwand,<br />
Herde, Finanzen) und mit einer Note von<br />
1 bis 5 beurteilt (1: sehr schlecht, 5: sehr<br />
gut).<br />
Mind Map der an der Entscheidungs–<br />
findung beteiligten Personen und Institu–<br />
tionen: Die befragte Person stellt die Situ–<br />
ation übersichtlich im Mind map dar.<br />
Ergebnisse<br />
Teilfrage 1: Wie wurde die Zusammenarbeit<br />
2009 von den Alpmeistern und dem<br />
Alppersonal erlebt?<br />
Die Bewertung des Präsidenten der Alpko–<br />
orporation Siat/Rueun, des Alpmeisters<br />
der Alp da Ruschein und des Alppersonals<br />
Alp da Ruschein fiel durchwegs positiv<br />
aus.<br />
Teilfrage 2: Wer ist in den Prozess der<br />
Entscheidungsfindung involviert?<br />
Ruschein: Die Befragung des Alpmeister<br />
Ruschein ergab ein sehr interessantes Mind<br />
Map: Die Bauern der Gemeinde Ruschein<br />
sind sich einig. Eine Mobilisierung der an<br />
sich desinteressierten Gemeindebevölke–<br />
rung bei einer allfälligen Abstimmung in<br />
der Gemeindeversammlung über die bauliche<br />
Aufwertung der Alp da Ruschein<br />
scheint möglich. Die Alpkommission und<br />
der Alpmeister vertreten die gleichen Standpunkte<br />
wie die Bauern. Die grösste Opposition<br />
stammt aus dem Lager des Gemeindepräsidenten<br />
und Gemeinderates Ruschein,<br />
wobei der Gemeinderat in der<br />
Regel den Vorschlägen des Präsidenten<br />
folgt. Eine nicht unwichtige Rolle scheinen<br />
dabei persönliche Differenzen zwischen<br />
dem Gemeindepräsidenten von Ruschein<br />
und dem Alpmeister zu spielen.<br />
17
Teilfrage 3: Wie schätzen die Alpmeister /<br />
Alppräsidenten die Chancen ein, dass die<br />
Lösung 2010 weitergeführt wird?<br />
Alppräsident Siat/Rueun: Die Wahrscheinlichkeit<br />
einer Weiterführung ist sehr gross.<br />
Man kann nicht mehr zurück, es müssen<br />
jedoch bald Investitionen getätigt werden.<br />
Die zukünftige Zusammenarbeit kann gut<br />
mit Verträgen geregelt werden, eine mögliche<br />
Fusion der umliegenden Gemeinden<br />
spielt derzeit keine Rolle.<br />
Alpmeister Ruschein: Er ist vorsichtig<br />
optimistisch und sagt, am Ende werde die<br />
Vernunft siegen. Im Notfall würden die<br />
Bauern auch ohne finanzielle Unterstützung<br />
der Gemeinde klarkommen.<br />
Reflexion zu Methoden und<br />
Vorgehen<br />
Sowohl die Evaluierungsmatrix als auch<br />
das Mind Map halfen uns enorm,<br />
informative Interviews zu führen. Neue<br />
Fragen ergaben sich direkt aus Einträgen<br />
in die Matrix und dem Mind Map. Die<br />
Matrix war auch insofern spannend, da<br />
Kriterien und Kategorien aufkamen, an die<br />
wir überhaupt nicht gedacht hätten. Je<br />
nach Person und Funktion wurden ganz<br />
unterschiedliche Prioritäten ersichtlich.<br />
Eine Person hatte jedoch Mühe, selbst<br />
Kriterien aufzuschreiben oder das Mind<br />
Map zu zeichnen. In diesem Fall mussten<br />
wir das Schreiben selbst übernehmen und<br />
die Kriterien aus dem Gespräch heraushören.<br />
Als zukünftige Verbesserung könnten<br />
wir als Befrager zuerst einen Punkt<br />
aufschreiben, damit die Befragten sofort<br />
erkennen, um was es geht.<br />
Alle Teilnehmer waren sehr gesprächig<br />
und bereit, uns viele (teilweise heikle) Informationen<br />
zu geben. Wir hatten dabei<br />
stets das Gefühl, dass unsere Gesprächspartner<br />
sehr ehrlich waren.<br />
Ausblick<br />
Alp da Ruschein: Interview mit der Sennerin<br />
mithilfe der Evaluierungsmatrix<br />
Im Allgemeinen ist zu sagen, dass sich die<br />
Landwirtschaft seit vielen Jahren in sehr<br />
unsicheren Gefilden bewegt und es jederzeit<br />
wieder zu Änderungen kommen kann,<br />
seien sie politisch, wirtschaftlich oder gesellschaftlich<br />
bedingt. Im Falle der Alp da<br />
Ruschein ist die Zukunft auch vom<br />
Entscheid der Bergbahnen abhängig, ob<br />
nun im Oberstafel eine Wasserfassung eingerichtet<br />
wird oder nicht.<br />
Weiter gilt es die Entwicklung abzuwarten,<br />
die Verträge für nächstes Jahr sind – wie<br />
wir gehört haben – schon in Vorbereitung.<br />
Nächstes Jahr wird man sehr wahrscheinlich<br />
im gleichen Sinne fortfahren, falls die<br />
Abrechnungen nachträglich nicht noch<br />
grosse finanzielle Probleme offenbaren.<br />
Unsere Interviewpartner waren eigentlich<br />
alle etwa derselben Meinung. Daher wäre<br />
es sehr spannend, auch mal die Gegenseite<br />
anhören zu können, den Gemeinderat und<br />
den Gemeindepräsidenten von Ruschein.<br />
18
Rueun-Siat: Markus Alpiger, der Präsident der Alpkorporation Rueun-Siat, und die Hündin haben<br />
alles im Blick.<br />
Alp da Ruschein: Der Käsekeller mit der Käsereibmaschine<br />
19
Fazit<br />
Sowohl methodisch wie inhaltlich war die<br />
Exkursion aufschlussreich und erfolgreich,<br />
was der vorliegende <strong>Bericht</strong> und die<br />
Ergebnisse der Ex-Post-Evaluation* durch<br />
die Studierenden belegen.<br />
Die Anwendung partizipativer Erhebungsmethoden<br />
hat bei allen Gruppen dazu<br />
geführt, dass die Studierenden einen direkten<br />
Einblick in den Alltag auf der Alp<br />
gewinnen und mit den Involvierten in<br />
bereichernden Kontakt treten konnten. In<br />
vielen Fällen konnten die am Vorabend<br />
entworfenen Forschungspläne umgesetzt<br />
werden oder boten den Studierenden eine<br />
gute Grundlage, um auf Unvorhergesehenes<br />
im Feld zu reagieren und die vorbereiteten<br />
Fragen flexibel anzupassen. Insgesamt<br />
gelangte eine grosse Bandbreite an<br />
Erhebungsmethoden zur Anwendung:<br />
Transect Walks und offene Interviews, partizipatives<br />
Kartieren und Venn-Diagramme,<br />
saisonale Kalender sowie Ranking- und<br />
Scoring-Methoden. Viele dieser Methoden<br />
haben zu spannenden Ergebnissen geführt,<br />
während sich andere unter den gegebenen<br />
Umständen als untauglich erwiesen.<br />
Ebenfalls spannend war der Zugang zum<br />
‘Untersuchungsfeld Alp’. Dank der Anwesenheit<br />
aller Alpmeister konnten die ersten<br />
Kontakte rasch hergestellt und die wichtigen<br />
Themen bald einmal abgesteckt werden.<br />
Damit wurde auch deutlich, wie<br />
wichtig solche Schlüsselpersonen sind –<br />
nicht nur ihres umfassenden Wissens wegen,<br />
sondern auch deshalb, weil sie spannende<br />
Kontakte zu anderen Personen (in<br />
diesem Fall dem Alppersonal) überhaupt<br />
erst ermöglichen.<br />
Abschlussessen mit Produkten aus der Region<br />
auf Ruine Jörgenberg<br />
Inhaltlich bestätigen und ergänzen die lokal<br />
gewonnenen Erkenntnisse der Studierenden<br />
die in der Einleitung dieses <strong>Bericht</strong>s<br />
skizzierten aktuellen Herausforderungen.<br />
Preisdruck, schwierige Suche nach qualifiziertem<br />
Personal und Nachfolgeregelungen,<br />
die Umstellung von Milch- auf Mutterkuhhaltung<br />
und Betriebsaufgaben von Landwirten<br />
waren zentrale Probleme, die<br />
genannt wurden. Alpmeister und -personal<br />
spüren die damit verbundenen Änderungen<br />
der Alpwirtschaft ungefiltert, in Form<br />
einer hohen Arbeitsbelastung (mehr Kühe<br />
pro eingesetzter Arbeitskraft) oder in Form<br />
eines Rückgangs gesömmerter Tiere insgesamt.<br />
Eindrücklich erlebbar war die Leidenschaft,<br />
mit der viele ÄlplerInnen in der<br />
Surselva tätig sind. Die Gespräche mit<br />
verschiedenen Alpmeistern zeigten auch,<br />
dass die in jüngster Zeit verstärkte gemeindeinterne<br />
(Waltensburg) und gemeindeübergreifende<br />
(Siat, Rueun, Ruschein,<br />
Ladir) Kooperation heute als unverzichtbar<br />
betrachtet wird und durchaus<br />
funktioniert.<br />
Angesichts weiterhin sinkender Preise für<br />
unverarbeitete Milch zeichnet sich ab, dass<br />
die Alpwirtschaft ihre Produkte a) nicht<br />
unter ihrem anerkannt hohen Wert<br />
verkauften sollte und b) vermehrt in der<br />
Region weiter verarbeiten sollte, um die<br />
regionale Wertschöpfung zu stärken.<br />
Dennoch bleibt die Frage offen, ob sich<br />
20
genügend KäuferInnen von Alpprodukten<br />
finden würden, wenn die Preisunterschiede<br />
zwischen regionaler (Alp-)Milch und importierter<br />
Milch durch ein EU-Agrarfreihandelsabkommen<br />
und weitere WTO-<br />
Runden weiter grösser würden. Die Zukunft<br />
der Alpwirtschaft hängt also von<br />
Prozessen auf lokaler (u.a. Kooperation,<br />
Alppersonal), regionaler (u.a. verarbeitende<br />
Wirtschaft, Agritourismus), nationaler<br />
(u.a. Subventionspraxis) und internationaler<br />
(u.a. EU-/WTO-Abkommen) Ebene ab.<br />
Wenn es den Akteuren der Alpwirtschaft<br />
gelingt, sich auf diese Prozesse einzulassen<br />
und sie auch zu beeinflussen, sind sie für<br />
die Zukunft gerüstet. Dass sie eine harte,<br />
aber schöne Arbeit haben, wissen wir jetzt<br />
aus eigener Anschauung.<br />
Bezüglich des Lerneffekts durch die Exkursion<br />
ergab die Evaluation erfreuliche Ergebnisse<br />
(siehe obige Tabelle). Die studentischen<br />
Statements zeigen, dass die Exkursion<br />
sowohl methodisch und fachlich,<br />
als auch emotional und personal einen<br />
hohen Lerngewinn in relativ kurzer Zeit<br />
ermöglicht hat. Ein besonders erfreuliches<br />
Ergebnis ist, dass sich fünf von elf<br />
Personen gemäss Selbseinschätzung vorstel-<br />
ªlen könnten, das Thema im Rahmen des<br />
Studiums zu vertiefen. Somit ist die Exkursion<br />
eventuell auch ein “Türöffner” für<br />
weitere akademische und berufliche<br />
Perspektiven der Studierenden.<br />
Angesichts der reichhaltigen Ergebnisse<br />
und der positiven Feedbacks wäre es also<br />
wünschenswert, dass die Exkursion auch<br />
weiterhin angeboten werden könnte.<br />
Zürich, Oktober 2009<br />
* Die Auswertung der Evaluation kann auf Anfrage<br />
bei florian.boller@geo.uzh.ch bezogen werden.<br />
21
Literatur<br />
Andrea, Y. et al. (2005). Neues Handbuch Alp. Handfestes für Alpleute, Erstaunliches für<br />
Zaungäste. zalpverlag.<br />
Baur, P., Müller, P., Herzog, F. (2007). Alpweiden im Wandel. In: AGRARForschung 14(6):<br />
254-259.<br />
Denzler, L. (2007). Von der Kultur der Hirten zur Alpwirtschaft. In: Neue Zürcher Zeitung,<br />
7.11.2007: 69.<br />
Egli, L. (2006): Der Senn, ein Gastarbeiter. Ein Alpsommer jenseits von DRS 1, Milchkaffee<br />
und Käsebrot. In: Neue Zürcher Zeitung, 22.7.2006: 15.<br />
Egli, L. (2002). Vom faulen Käser und dem fleissigen Salzer. Alpwirtschaft im Berner<br />
Oberland – aufwendige Pflege einer kulturerhaltenden Tradition. In: Neue Zürcher<br />
Zeitung, 6.7.2002: 15.<br />
Freudenberger, K. (1998). Rapid Rural Appraisal (RRA) and Participatory Rural Appraisal<br />
(PRA): A manual for CRS field workers and partners, Catholic Relief Services,<br />
Baltimore. Part III: The tools and techniques used to gather information in RRA and<br />
PRA: 67-106.<br />
Lauber, S., Seidl, I., Böni, R., Herzog, F. (2008). Sömmerungsgebiet vor vielfältigen<br />
Herausforderungen. AGRARForschung 15(11-12): 548-553.<br />
LBBZ Plantahof (2007). Situationsbericht Alpwirtschaft im Kanton Graubünden 2001-2005.<br />
Fact Sheet ‘Kanton’. Ausgeführt durch den Landwirtschaftlichen Beratungsdienst des<br />
LBBZ Plantahof im Auftrag des Amtes für Landwirtschaft und Geoinformation.<br />
http://www.gr.ch/DE/institutionen/verwaltung/dvs/alg/ueberuns/Seiten/default.aspx<br />
LBBZ Plantahof (2007). Situationsbericht für die Alpregion Vorderrhein Nord. Ausgeführt<br />
durch den Landwirtschaftlichen Beratungsdienst des LBBZ Plantahof im Auftrag des<br />
Amtes für Landwirtschaft und Geoinformation.<br />
http://www.gr.ch/DE/institutionen/verwaltung/dvs/alg/ueberuns/Seiten/default.aspx<br />
22