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Z f Physiotherapeuten 63, 4

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P R A X I S<br />

E R FA H R U N G<br />

Muskelloge +++ Faszien +++ Tibiales-Anterior-Syndrom +++ Biokybernetik +++ Therapieplan<br />

Logen- und Kompartmentsyndrome<br />

Behandlungsvorschläge aus der biokybernetischen manuellen Therapie<br />

Henricus Johannes Maria Brils, Holger Korte, Axel Steilen, Jens Jörg Matthieu Brils<br />

AUF EINEN BLICK<br />

Logen- oder Kompartmentsyndrome kommen immer wieder in der Praxis vor und benötigen einen<br />

multifaktoriellen Therapieansatz. Im folgenden Beitrag erfahren Sie Einzelheiten dieser Problematik<br />

und werden am Beispiel des Tibiales-Anterior-Syndrom über mögliche Behandlungsmaßnahmen<br />

informiert.<br />

Die Problematik<br />

Ein Kompartmentsyndrom ist eine neuromuskuläre<br />

Pathologie und entsteht<br />

durch eine Druckzunahme in der Loge,<br />

die dessen vaskuläre Versorgung drosselt<br />

oder stoppt. Es entstehen Perfussionsstörungen,<br />

weil das Gleichgewicht<br />

der Flüssigkeitsbewegungen zwischen<br />

dem Interstitium und den Kapillaren<br />

gestört ist. Die Kapillarpermeabilität<br />

wird durch Informone (Gewebsmediatoren,<br />

Neuropeptiden, Prostaglandine<br />

(siehe Glossar) usw.) und der entstandenen<br />

Ischämie in ihrer Funktion gestört.<br />

!<br />

HINWEIS<br />

Brils HJM, Korte H, Steilen A, Brils JJM.<br />

2011. Logen und Kompartmentsyndrom.<br />

Pathogenese und Stadieneinteilung.<br />

Z f <strong>Physiotherapeuten</strong> <strong>63</strong>, 4:<br />

Seite 31-4<br />

www.physiotherapeuten.de<br />

Webcode: 141<br />

Wenn der Blutmangel zu lange anhält,<br />

kommt es zu einer Funktionsstörung des<br />

Muskel- und des neurovaskuläre Gewebes,<br />

die sich bis zu einem kompletten<br />

Funktionsausfall ausweiten kann. In<br />

einer noch späteren Phase stirbt das<br />

Muskelgewebe ab und wird nekrotisch.<br />

Die Symptome<br />

Die Symptomatik eines Logensyndroms<br />

führt gegebenenfalls zu einer leicht vo -<br />

rübergehenden Parästhesie, im Extremfall<br />

aber auch bis hin zum Verlust der<br />

Extremität durch Amputation bei einer<br />

Nekrose.<br />

Die Abläufe entstehen grundsätzlich<br />

auf zwei Arten. Erstens kann eine Volumenzunahme<br />

des Logeninhalts stattfinden<br />

und zweitens kann das Kompartiment<br />

enger werden, so dass ein relativer<br />

Platzmangel vorhanden ist. Die Volumenzunahme<br />

ist der häufigere Grund eines<br />

Kompartmentsyndroms.<br />

Eine rasche Diagnosestellung und eine<br />

Einleitung der biokybernetischen ma -<br />

nuellen Therapie sind entscheidend.<br />

Klinische Symptomatik<br />

der Kompartmentischämie<br />

Das Leitsymptom ist der akut einsetzende<br />

Schmerz. Die Patienten beschreiben<br />

das Gefühl, als ob der Muskel platzen<br />

würde. Der Schmerz kann brennend,<br />

bohrend, drückend, quetschend bis zermalmend<br />

sein. Er nimmt schnell zu und<br />

wird in Höhe der Muskelloge empfunden<br />

und im peripheren Versorgungsgebiet<br />

des betroffenen Nervs.<br />

Die Schmerzen nehmen bei Kontraktion<br />

und noch mehr bei Dehnung des<br />

Muskels zu. Es können Hyperästhesien,<br />

Parästhesien und – wenn die Minussymptomatik<br />

einsetzt – Hypästhesien im<br />

peripheren Versorgungsgebiet des mitbetroffenen<br />

Nervs entstehen. Der Mus -<br />

kel ist stark hyperton tastbar, wobei<br />

geringer manueller Druck die Schmerzen<br />

verstärkt.<br />

>>><br />

pt_Zeitschrift für <strong>Physiotherapeuten</strong>_<strong>63</strong> [2011] 4 57


ERFAHRUNG<br />

Druck in die Venolen steigt. Dadurch<br />

verringert sich die Durchblutung der<br />

Muskulatur.<br />

Wenn der Druck im Muskelgewebe<br />

ansteigt, bedeutet das ebenso einen<br />

Anstieg des venösen Drucks im Gewe-<br />

Abb. 1_Schröpfen<br />

Biokybernetischer manueller<br />

Therapieplan<br />

Beispiel Logensyndrom des M. tibialis<br />

anterior, Tibialis-Anterior-Syndrom<br />

Lokale Ebene<br />

• Myofasziale Therapie, myofasziale<br />

Triggerpunkttherapie<br />

• Funktionsmassage und PIR<br />

• Neuromobilisation, »slider and tensioner«;<br />

N. peronaeus profundus<br />

Segmentale Ebene »spinal therapy«<br />

• Deblockierungen, Manipulation<br />

Segmental-vegetative Ebene, neuro -<br />

vegetative Techniken<br />

• Schröpfen (siehe Abb. 1), Heiße Rolle<br />

• Bindegewebsmassage Th9–L2<br />

• Oszillieren Th9–L2<br />

Zentrale Ebene, Psycoaching<br />

• Zielsetzung, Prognostik, Aufklärung<br />

Foto: Helmut©fotolia.de<br />

Abb. 2_Fußmassage<br />

Meridiantherapie (Abb. 2)<br />

• Meridianmassage, Milz-Pankreasmeridian-Therapie<br />

• Akupressur mit den wichtigsten Lokalpunkten<br />

MP4 und Ma36<br />

• Meisterpunkte Muskeln und Sehnen:<br />

Gb34<br />

Sonstige Empfehlungen<br />

• Antiazidotische Ernährung (siehe<br />

Glossar)<br />

• Hausaufgaben und -verbote, Reduzierung<br />

der repetitiven Belastung, Automobilisation<br />

Die Behandlungspläne sind nur punktiert<br />

und modellhaft beschrieben. Eine<br />

ausführliche Besprechung und praktisches<br />

Üben (»skill training«) werden in<br />

den entsprechenden Fortbildungen der<br />

biokybernetischen manuellen Therapie<br />

des INOMT unterrichtet und geschult.<br />

Foto: dotweb.dk©fotolia.de<br />

be. Diese Zunahme ist unbedingt notwendig,<br />

damit kein Venenkollaps entsteht.<br />

Der erhöhte venöse Druck hat eine<br />

Verringerung des arteriovenösen Gefälles<br />

zur Folge und dies wiederum eine<br />

Verringerung des Blutflusses. Aus der<br />

reduzierten Blutversorgung des Gewebes<br />

resultiert eine metabolische Funktionsstörung<br />

und vermehrte anaerobe<br />

Verbrennung mit nachfolgender Azidose.<br />

Die Azidose trägt zu einer weiteren<br />

Ödembildung bei. Nebenbei wird durch<br />

die Azidose die Kapillarpermeabilität<br />

erhöht, die ebenfalls eine Ödembildung<br />

nach sich zieht. Dies alles führt zu ineinandergreifende<br />

Circuli vitiosi (Teufels-<br />

kreise). –<br />

INTERNET<br />

Durch die Schmerzen und nachfolgend<br />

durch die nervalen Ausfälle<br />

kommt es zu einer Kraftabnahme der<br />

betroffenen Muskulatur. Ab und zu werden<br />

oberflächig über den betroffenen<br />

Muskeln in der Haut Rötungen und<br />

Spannungsblasen gesehen. Die Haut<br />

kann auch glänzend erscheinen. Normalerweise<br />

sind periphere Arterienpulse<br />

tastbar und die periphere Kapillarversorgung<br />

ist ebenfalls nicht beeinträchtigt.<br />

Ein Kompartmentsyndrom<br />

begünstigende Faktoren<br />

Die arterielle Vasokonstriktion, der arterielle<br />

isometrische Hypertonus (Spasmus)<br />

und der Verschlussdruck der Arteriolen<br />

durch externe Druckzunahme<br />

können ein Kompartmentsyndrom hervorrufen.<br />

Der venöse Druck steigt, damit<br />

durch die Gewebsdruckerhöhung die<br />

Venen nicht kollabieren. Der arteriovenöse<br />

Druckgradient nimmt ab, weil der<br />

INOMT<br />

Postfach 3000<br />

82432 Walchensee<br />

fon +49 (0)8858_92 98 59<br />

E-Mail: info@manuelle .de<br />

LITERATUR<br />

Weiterführende Literatur unter:<br />

www.physiotherapeuten.de<br />

Webcode: 142<br />

58 pt_Zeitschrift für <strong>Physiotherapeuten</strong>_<strong>63</strong> [2011] 4


ERFAHRUNG<br />

HENRICUS JOHANNES MARIA BRILS<br />

seit 1981 Diplomphysiotherapeut; leitender Fachlehrer für Manuelle<br />

Therapie und Mitglied der Prüfungskommission Fachlehrer für<br />

Manuelle Therapie; eigene Fort- und Weiterbildungen in Manuelle<br />

Therapie, Osteopathie, Sportphysiotherapie, Akupunktur.<br />

Kontakt: info@manuelle.de<br />

LESER FEEDBACK<br />

Über Kritik und Anregungen würden<br />

wir uns sehr freuen:<br />

pt.redaktion@pflaum.de<br />

pt_Zeitschrift für <strong>Physiotherapeuten</strong>_<strong>63</strong> [2011] 4 59

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