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SEK-Bulletin 2/2010 - Evangelisch-Reformierte Kirche des Kantons ...

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6 bulletin Nr. 2 / <strong>2010</strong><br />

offen sein für Interpretationen. Zu meinen, man könne<br />

in exlusiv-eindeutiger Weise vom Glauben oder<br />

von biblischen Traditionen reden, ist eine Illusion.<br />

Sie sagen «ins Gespräch bringen». In einem<br />

Gottesdienst findet aber kein Gespräch statt.<br />

Nein, aber eine Predigt kann, nein, muss offen<br />

sein für unterschiedliches Hören und Verstehen. Zudem<br />

gibt es verschiedene Formen der Partizipation,<br />

etwa Nachgespräche oder das gemeinsame Vorbereiten<br />

einer Predigt. Das ist aufwändig, aber die klassische<br />

Form mit einem, der vorne sagt, wie es wirklich<br />

ist, ist nicht mehr zeitgemäss. Immer mehr Pfarrpersonen<br />

machen das auch nicht mehr so.<br />

Wenn jemand, der sonst nicht in die <strong>Kirche</strong> geht,<br />

an einer Taufe oder an einer Hochzeit teilnimmt,<br />

und das Pech hat, auf einen Prediger alter Schule<br />

zu treffen, ist er für Jahre verloren für die <strong>Kirche</strong>.<br />

Kasualien sind spannungsreiche und riskante Momente.<br />

Im guten Sinne riskant.<br />

Der Pfarrer hat die Chance, Leute<br />

zu überzeugen, die sonst nicht<br />

in der <strong>Kirche</strong> sind. Aber es besteht<br />

auch das Risiko, Leute in<br />

ihren Vorurteilen zu bestätigen.<br />

Ein Kippmoment.<br />

Ein klassischer Fall ist auch die Abdankung. Angehörige<br />

sagen beispielsweise einer Pfarrerin im Vorgespräch,<br />

das Lieblingslied <strong>des</strong> Verstorbenen sei «I<br />

can’t get no satisfaction» von den Rolling Stones gewesen.<br />

Dem möchten sie Rechnung getragen wissen. Soll<br />

das gespielt werden in der <strong>Kirche</strong>, oder nicht? Wichtig<br />

ist, dass sich die Pfarrerin auf die Frage einlässt. Wenn<br />

sie abblockt, kann nichts mehr stattfinden, kein Seelsorgegespräch,<br />

nichts. Die Situation ist eine riesige<br />

Chance für die <strong>Kirche</strong>, denn der Wunsch der Angehörigen<br />

zeigt, dass sie die Abdankung wichtig finden und<br />

ernst nehmen.<br />

Wie kann die reformierte <strong>Kirche</strong> den Mitgliederkreis<br />

erweitern?<br />

Pfarrerinnen und Pfarrer müssen intensiver als<br />

bisher mit den Menschen in der Gemeinde Kontakt<br />

aufnehmen, deren Milieu nicht kirchennah ist: Zum<br />

Beispiel Künstlerinnen, Musikerinnen, aber auch Unternehmerinnen<br />

und Journalisten, ganz zu schweigen<br />

von den politisch Verantwortlichen einer Gemeinde,<br />

aber auch ganz einfache Menschen, die auf den ersten<br />

Blick kaum etwas einzubringen haben. Und zwar, um<br />

mit ihnen ins Gespräch über Glaubensfragen zu kommen<br />

und um über Möglichkeiten zu sprechen, wie sie<br />

«Ohne Lebensbezug<br />

bleibt Theologie<br />

eine Geheimsprache.»<br />

ihre Fachkompetenzen in die <strong>Kirche</strong> einbringen könnten.<br />

In Chicago gibt es eine Kirchgemeinde mit einer<br />

gebildeten, gutbürgerlichen Oberschicht, die grosse<br />

Probleme hatte. Da hat die Pfarrerin einen Kreis von<br />

Künstlern gebildet, die sich gemeinsam mit Glaubensfragen<br />

auseinandersetzen.<br />

Was können Pfarrer und Pfarrerinnen von<br />

Kulturschaffenden lernen?<br />

Die Pfarrer kleben noch immer am reformierten<br />

Wort. Von Künstlerinnen können sie die Ausweitung<br />

der Ausdrucksformen lernen. Die Theologie muss<br />

Mut zum Experimentieren haben. Das muss nicht am<br />

Sonntag sein, nicht im <strong>Kirche</strong>nraum. Den eigenen<br />

Geist durchwehen zu lassen und eine gewisse Biederkeit<br />

der Sprache abzulegen, wäre wichtig. Viele Pfarrer<br />

können nicht erzählen – vielleicht weil sie sich zu wenig<br />

für die vielfältigen Sprach- und Ausdrucksstile der<br />

Gegenwart interessieren. Die Theologie ist angewiesen<br />

auf den guten Umgang mit dem Wort, auf die Fähigkeit,<br />

Dinge literarisch auf den<br />

Punkt zu bringen.<br />

Und wie ist es mit Bildern<br />

bei den <strong>Reformierte</strong>n?<br />

Zwingli ging es mit dem<br />

Verbannen von Bildern aus den<br />

<strong>Kirche</strong>n nicht darum, die Menschen<br />

zu lustlosen Asketen zu machen. Mir gefällt die<br />

Deutung, die besagt, der Zürcher Reformator habe<br />

leere Wände haben wollen, damit die Menschen sie<br />

neu beschreiben können mit dem, was sie persönlich<br />

angeht. Zwingli hatte etwas gegen den goldenen<br />

Schmuck der Mächtigen, der den Kirchgängern aufgezwungen<br />

wurde. Es entspricht sehr wohl reformierter<br />

Tradition, eigene Vorstellungen und Bilder, eigene Lebendigkeit<br />

in die <strong>Kirche</strong> zu bringen. Ohne Lebensbezug<br />

bleibt Theologie eine Geheimsprache.<br />

In einer grossen Stadt ist es schwierig, Leute aus<br />

kirchenfernen Kreisen ausfindig zu machen.<br />

Pfarrerinnen und Pfarrer müssen wahrnehmen,<br />

was um die <strong>Kirche</strong> herum stattfindet. Vieles ergibt<br />

sich, wenn man die Sinne schärft. Im Konfirmandenunterricht<br />

habe ich zum Beispiel einmal erfahren, dass<br />

der Vater eines meiner Konfirmanden Illustrator für<br />

Kinderbücher ist. Ich sprach ihn bei Gelegenheit an.<br />

In den USA werden die Pfarrer geschult darin, zu beobachten,<br />

was in ihrer Gemeinde, in ihrem Sozialraum<br />

geschieht. Sie sagen, «There is a difference between<br />

congregation and community», also zwischen<br />

Kirchgemeinde und sozialer Gemeinschaft. Sie trennen<br />

das aber nicht nach europäischem Vorbild in eine

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