SEK-Bulletin 2/2010 - Evangelisch-Reformierte Kirche des Kantons ...
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Kommunikation 11<br />
meistens als Opfer in negativ konnotierten Handlungen<br />
dargestellt werden. Muslime generell und Schiiten<br />
im Speziellen werden hingegen eher als Auslöser oder<br />
Mitschuldige identifiziert. Die Möglichkeit zur Personalisierung<br />
spielt im einzelnen Beitrag eine ganz zentrale<br />
Rolle. Dies formuliert ein Redaktor so: «Es braucht<br />
entweder eine sehr bekannte Figur wie den Dalai<br />
Lama, den Papst, einen Schweizer Kardinal oder halt<br />
eine sehr überzeugende Figur wie zum Beispiel die<br />
unbekannte Baptistin von Fribourg, die irgendwie<br />
überraschend ist.»<br />
Köpfe, Köpfe, Köpfe<br />
Religiöse Themen interessieren dann, wenn sie<br />
eine erwartete politische, wirtschaftliche, wissenschaftliche<br />
oder auch eine natürliche Ordnung irritieren<br />
oder umgekehrt. «Wenn bei einem Lawinenunglück<br />
von Schweizer Rekruten der Bun<strong>des</strong>rat im<br />
Berner Münster predigt, ist Religion sehr gefragt.»<br />
Neben pädophilen oder liierten katholischen Priestern<br />
nennen die Journalisten auch das Spannungsfeld<br />
zwischen säkularer Gesellschaft und Religion als Dauerbrenner.<br />
So stellt ein Befragter fest, dass Religion<br />
dann spannend sei, «wenn die Religion mit Standards<br />
kollidiert.» Das Verbot von <strong>Kirche</strong>nbauten oder von<br />
umstrittenen religiösen Ritualen, staatliche Kleidervorschriften<br />
oder ein gestörtes Verhältnis zwischen<br />
<strong>Kirche</strong> und Staat oder zwischen einer Kirchgemeinde<br />
und ihrem Bischof werden als weitere Beispiele genannt.<br />
Strategien für die <strong>Reformierte</strong>n<br />
Was kann nun also – zusammenfassend – aus all<br />
dem für die Kommunikationsstrategie einer Religionsgemeinschaft<br />
und insbesondere der <strong>Reformierte</strong>n<br />
gelernt werden? Die Verantwortlichen der <strong>Reformierte</strong>n<br />
haben dann eine Chance, ihre Themen in den Medien<br />
zu platzieren, wenn sie in ihren Stellungnahmen<br />
religiöse Aspekte und Glaubensfragen koppeln mit<br />
anderen irritierenden gesellschaftlichen Perspektiven.<br />
So können Moral- und Ethikperspektiven bestimmter<br />
Religionsvertreter journalistische Geschichten etwa<br />
zu Managerlöhnen, zum Bankgeheimnis, zum Sonntagsverkauf,<br />
zum Klimawandel, zum Burkaverbot<br />
oder zu Migrationsfragen gut ergänzen. Wichtig ist<br />
dabei, dass die religiöse Perspektive in ihrem Kern benannt<br />
wird und wertbezogen (Menschenwürde, Solidarität,<br />
Toleranz etc.) kommuniziert wird. Zudem<br />
muss die narrative Struktur der tragenden Geschichte<br />
augenfällig sein.<br />
Die Kommunikationsspezialisten müssen <strong>des</strong>halb<br />
lernen, in ihrer Arbeit die narrativen Strukturen<br />
journalistischer Geschichten zu berücksichtigen und<br />
Relevanz hat am Fernsehen nicht erste Priorität. Das exotische<br />
Bild einer vollverschleierten Schweizerin genügt dem Medium,<br />
um einer extremen Minderheit eine Plattform zu bieten.<br />
ihre (archetypische) Rolle als Religionsvertreter im<br />
Rahmen der dominanten Erzählung einzunehmen –<br />
und diese möglichst positiv zu gestalten. Schliesslich<br />
sind auch hier Köpfe gefragt. Argumente müssen personalisiert<br />
werden, auch wenn es da die katholische<br />
<strong>Kirche</strong> leichter hat. Der Schweizerische <strong>Evangelisch</strong>e<br />
<strong>Kirche</strong>nbund hat aber mit ihrem Präsidenten Pfarrer<br />
Thomas Wipf eine gute Ausgangslage. <<br />
Mehr Informationen dazu:<br />
Vinzenz Wyss & Guido Keel: Religion surft mit.<br />
Journalistische Inszenierungsstrategien zu<br />
religiösen Themen.<br />
Carmen Koch: Das Politische dominiert. Wie<br />
Schweizer Medien über Religionen berichten.<br />
Beide Artikel sind erschienen in der Zeitschrift<br />
«Communicatio Socialis», Heft 4, 2009.<br />
* DR. VINZENZ WYSS ist Professor für Journalismus<br />
und Medienforschung am Institut für Angewandte<br />
Medienwissenschaft der Zürcher Hochschule für<br />
Angewandte Wissenschaften in Winterthur.