Zentralmatura - Stel#35C3E2 - Salzburg.at
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„Die am antiken Ideal und am humanistischen Konzept orientierte Bildung galt in erster<br />
Linie als Programm der Selbstbildung des Menschen, eine Formung und Entfaltung von<br />
Körper, Geist und Seele, von Talenten und Begabungen, die den einzelnen zu einer<br />
entwickelten Individualität (…) führen sollte.“ (Konrad Paul Liessmann, Theorie der<br />
Unbildung”)<br />
Stellungnahme und Protest der Schulgemeinschaft des<br />
Musischen Gymnasiums zum Thema “Abschaffung der<br />
schriftlichen Reifeprüfung in den musischen<br />
Schwerpunktfächern”<br />
Das Musische Gymnasium wurde vor mehr als 45 Jahren von bekannten<br />
<strong>Salzburg</strong>er KünstlerInnen, SchulpolitikerInnen und engagierten LehrerInnen<br />
gegründet, um die Regelschule mit einer innov<strong>at</strong>iven, musisch orientierten,<br />
pädagogisch fortschrittlichen Altern<strong>at</strong>ive zu beleben. Die Einführung dieser<br />
Schulform mit der zentralen Stellung der kre<strong>at</strong>iven Fächer war von Anfang an sehr<br />
erfolgreich, was der große Andrang jährlich unter Beweis stellt. Die Schule ist aus<br />
dem allgemeinen kulturellen Leben <strong>Salzburg</strong>s nicht mehr wegzudenken und viele<br />
unserer Absolventen haben an in- und ausländischen Kunst- und Musikuniversitäten<br />
studiert und sind erfolgreich künstlerisch tätig.<br />
Die jetzige Organis<strong>at</strong>ionsform der vier musischen Säulen (Musik, Kre<strong>at</strong>ives<br />
Schreiben/Liter<strong>at</strong>ur, Tanz und Bildnerisches Gestalten) ist aus langjähriger<br />
Erfahrung in einem ausführlichen Diskussionsprozess zwischen Schulleitung,<br />
Lehrern, Schüler und Eltern entstanden und in ihrer Anwendung schlüssig:<br />
Musischer Eignungstest, aufbauender praktischer und theoretischer Unterricht<br />
(Schularbeiten in der 7. und 8. Klasse) und abschließende schriftliche M<strong>at</strong>ura.<br />
Die Änderung eines Teiles der für diese Schulform relevanten Prüfungsmodalitäten<br />
würde die Gesamtstruktur in ihrer pädagogischen Zielsetzung empfindlich stören.<br />
Ebenso käme es zu einer massiven Entwertung der musischen Fächer innerhalb des<br />
allgemeinen Fächerkanons.<br />
Aus diesen genannten Gründen lehnt die Schulgemeinschaft die Streichung der<br />
schriftlichen Reifeprüfung k<strong>at</strong>egorisch ab.<br />
Unser Schulprofil und Berichte zu den vielfältigen kulturellen und fächerübergreifenden<br />
Aktivitäten sind auf der umfangreichen Homepage der Schule<br />
einzusehen: www.musgym.salzburg.<strong>at</strong>
2<br />
Stellungnahme der einzelnen kre<strong>at</strong>iven Fächer zum Thema:<br />
Kre<strong>at</strong>ives Schreiben/Liter<strong>at</strong>ur:<br />
Die Abschaffung der schriftlichen M<strong>at</strong>ura im Fach Kre<strong>at</strong>ives Schreiben/Liter<strong>at</strong>ur<br />
wäre ebenso sinnvoll wie die Abschaffung des Autofahrens bei der<br />
Führerscheinprüfung: Denn literarisches SCHREIBEN und liter<strong>at</strong>urkritisches<br />
SCHREIBEN sind die Kernfähigkeiten, die in diesem Fach gelehrt werden. Alle<br />
liter<strong>at</strong>urgeschichtliche und – wissenschaftliche Theorie dient dazu, die Fähigkeiten<br />
und Kenntnisse für die PRAXIS des SCHREIBENS zu vertiefen und bildet deren<br />
Voraussetzung.<br />
• Bei diesem Fach handelt es nicht um erweiterten Deutsch-Unterricht. Sein<br />
Kernbereich ist die Entwicklung der spezifisch literarischen Kre<strong>at</strong>ivität und der<br />
sprachreflexiven Fähigkeiten der SchülerInnen, die in einer nur mündlichen<br />
Prüfung nicht in dieser Qualität gezeigt werden können wie in einer<br />
schriftlichen M<strong>at</strong>ura. Die Aufgabenstellungen zur M<strong>at</strong>ura seit 2003 beweisen<br />
dies.<br />
• Die Konstruktion unserer Schule mit 4 gleichberechtigten musischen<br />
Wahlpflichtfächern beruht auf deren zentraler Stellung als Hauptfächer mit<br />
verpflichtender, wahlweise auch schriftlicher M<strong>at</strong>ura. Sie wird von denjenigen<br />
SchülerInnen gewählt, die sich für den starken Praxisbezug dieser Fächer auch<br />
bei der M<strong>at</strong>ura entscheiden. Diese Möglichkeit würde damit verloren gehen,<br />
obwohl die Arbeit in den musischen Wahlfplichtfächern an unserer Schule zu<br />
den Schwer-punkten zählt.<br />
• Nur SchülerInnen mit musischer Eignung finden an unserer Schule Aufnahme,<br />
es würde ihnen nun die Möglichkeit genommen, diesen Begabungsschwerpunkt<br />
mit voller Intensität entwickeln zu können.<br />
Insgesamt käme es zu einer Abwertung der musischen Fächer, die dem Schulprofil<br />
völlig zuwiderliefe. Die einzigartige Möglichkeit in Liter<strong>at</strong>ur zu m<strong>at</strong>urieren ist<br />
zudem eine Reaktion auf die mangelnde Professionalisierung des literarischen<br />
Handwerks in Europa – in den USA ist es seit langem es sogar möglich, ein<br />
Studium mit einer literarischen Arbeit abzuschließen. Zudem soll in Wien ein<br />
Universitätsstudium der Dichtung eingerichtet werden. Vor diesem Hintergrund<br />
erscheint die Abschaffung der Möglichkeit, im Kre<strong>at</strong>iven Schreiben zu m<strong>at</strong>urieren,<br />
ganz besonders widersinnig und kontraproduktiv.<br />
Bildnerische Erziehung<br />
Die schriftliche M<strong>at</strong>ura ist ein unverzichtbarer Bestandteil für das Fach Bildnerische<br />
Erziehung, wie sie im Schulprofil und in der typenbildenden Struktur des<br />
Musischen Gymnasiums fest verankert ist.<br />
a) Die schriftliche M<strong>at</strong>ura aus Bildnerischer Erziehung (wie auch in den anderen<br />
kre<strong>at</strong>iven Fächern Musik, Tanz und Liter<strong>at</strong>ur/Kre<strong>at</strong>ives Schreiben) ist am Musischen<br />
Gymnasium seit ca. 40 Jahren zu der jetzt bestehenden, von allen SchülerInnen<br />
und LehrerInnen geschätzten Form entwickelt worden. Sie wurde ursprünglich als
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Erweiterung und Bereicherung der bestehenden M<strong>at</strong>ura entwickelt und ist sinnvoll<br />
mit den anderen Fächern zu einem größeren Ganzen vernetzt.<br />
b) Das Fach Bildnerische Erziehung h<strong>at</strong> durch die Einführung der schriftlichen<br />
M<strong>at</strong>ura an Ansehen und Bedeutung sowohl innerhalb der Schulgemeinschaft als<br />
auch in der breiten Öffentlichkeit an Renommee gewonnen. Die Ebenbürtigkeit des<br />
Faches Bildnerische Erziehung (sowie der anderen kre<strong>at</strong>iven Fächer) mit den<br />
klassischen M<strong>at</strong>urafächern Deutsch, M<strong>at</strong>hem<strong>at</strong>ik und lebende Fremd-sprache h<strong>at</strong><br />
sich äußerst positiv auf die Schulgemeinschaft ausgewirkt.<br />
c) Die breite Palette kulturgeschichtlicher und fächerübergreifender Fragen<br />
verknüpft mit der kre<strong>at</strong>iven Praxis ist nur sinnnvoll als abschließende, die<br />
Gesamtheit des vermittelten und erarbeiteten Wissens und Könnens einfordernde<br />
Prüfung zu gestalten. Die Auslagerung in eine "vorwissen-schaftliche" schriftliche<br />
Arbeit vermittelt nicht den Einblick in das Können des jeweiligen Schülers und<br />
würde nur einen sehr reduzierten Teilaspekt seiner kre<strong>at</strong>iven Fähigkeiten zeigen.<br />
Übrigens soll ein Lehrer bei der vor-wissenschaftlichen Arbeit maximal 5 betreuen<br />
– d.h. man könnte auch gar nicht diese als Ers<strong>at</strong>z für eine schriftliche M<strong>at</strong>ura in<br />
Betracht ziehen.<br />
d) Die SchülerInnen sind stolz auf die von ihnen erbrachten Leistungen. Die<br />
Wirkung bei einer Abschaffung der schriftlichen M<strong>at</strong>ura auf die Motiv<strong>at</strong>ion der<br />
Schüler aber auch auf die der Lehrer, die durch ihre professionelle Arbeit die<br />
Schüler auf diese bedeutende Schlussprüfung vorbereiten, sie zu selbständig<br />
denkenden und kre<strong>at</strong>iv agierenden Individuen heranbilden, wäre k<strong>at</strong>astrophal. Die<br />
langjährige Aufbauarbeit für das Bewusstsein der Bedeutung der Kultur in<br />
Österreich wäre zumindest an unserer Schule nachhaltig geschädigt. Bekannte<br />
Künstler, die aus unserer Schule hervorgegangen sind, schätzen die intensive<br />
Kulturarbeit an unserer Schule genauso, wie jene M<strong>at</strong>uranten, deren Berufe nicht<br />
unmittelbar mit Kunst in Verbindung stehen.<br />
Die KunsterzieherInnen am Musischen Gymnasium stellen also fest: Die schriftliche<br />
M<strong>at</strong>ura für Bildnerische Erziehung darf an einer typenbildenden AHS nicht<br />
abgeschafft werden. Wir empfinden dies als pädagogischen Rückschritt und als<br />
ungerechtfertigte Abwertung des Faches Bildnerische Erziehung. Darüber hinaus<br />
sehen wir darin eine kulturpolitische Fehlentscheidung mit weitreichenden Folgen.<br />
Tanz<br />
Musische Sonderstellung<br />
• Jeder 2. <strong>Salzburg</strong>er Volksschüler möchte einen Pl<strong>at</strong>z am Musischen<br />
Gymnasium, was den Wunsch und Bedarf unseres Schultyps zeigt.<br />
• Individualisierung und kre<strong>at</strong>ive Aufgabenlösung werden hier bestmöglich in<br />
einem Langformkonzept geschult.<br />
• Die Abschaffung der schriftlichen M<strong>at</strong>ura entspricht einer tendenziellen<br />
Abschaffung unseres Schultyps.<br />
• Im Gegens<strong>at</strong>z zur vorwissenschaftlichen schriftlichen Arbeit ermöglicht die<br />
musische Klausurarbeit eine Überprüfung der Fähigkeiten an einem für alle<br />
Prüflinge gleich gestellten Thema mit vorgegebenem Zeit- und Resourcenpool,<br />
welches nicht als Internetrecherche gelöst wird.
4<br />
Fachkonzept<br />
• Das einzige Schulmodell im deutschsprachigen Raum Tänzerische<br />
Bewegungserziehung wurde in 10-jähriger Aufbauarbeit entwickelt und besteht<br />
nun seit 1999 erfolgreich mit einer stetig wachsender Schülerzahl von 50 auf<br />
über 200. Die im Lehrplan definierten 3 Säulen sind tanzen, Tanz gestalten,<br />
Tanz verstehen, die inhaltliche Zielsetzung entspricht einer kre<strong>at</strong>iven,<br />
künstlerisch offenen Allgemeinbildung, die in der M<strong>at</strong>ura bewiesen wird.<br />
• Die Perzeption der künstlerischen Arbeit steht in diesem Fach in engem<br />
Zusammenhang mit der künstlerischen Praxis und dient den Schülern als Basis<br />
ihrer choreographischen eigenständigen Arbeit der Performanz und Kre<strong>at</strong>ion<br />
von Stücken.<br />
• Der Entfall der schriftlichen Reifeprüfung nimmt den Schülern die Möglichkeit<br />
ihr choreographisches Konzept darzulegen, tanzanalytische Arbeitsweise zu<br />
zeigen, videografische Beobachtungen konzeptuell und grafisch darzulegen<br />
und persönlichkeitsunabhängig Rezensionen zu verfassen. All dies ist<br />
Bestandteil des Lehrplans Tanz (5.-12. Schulstufe).<br />
• Vgl. hierzu Astrid Weger „Tanzen – Tanz gestalten – Tanz verstehen“ in<br />
Claudia Fleischle-Braun, Ralf Stabel (Hg.) „Tanzforschung & Tanzaus-bildung“,<br />
Henschel 2008 S. 337-346<br />
Schulpolitische Situ<strong>at</strong>ion<br />
Die Universitäten, Hochschulen und Schulbehörden in Deutschland und der<br />
Schweiz beachten und loben unseren Zweig ausdrücklich und beschreiben die<br />
Schulform als Vorbild für ihre eigene Schulpolitik. U. a.:<br />
• Iris Godel-Ruepp, Schultanzbeauftragte des Ministeriums für Kultus, Jugend<br />
und Sport, Baden-Württemberg<br />
• Nikolaus Selimov, Abteilungsleitung der Abteilungen Tanzpädagogik und<br />
Ballett, Konserav<strong>at</strong>orium der Stadt Wien<br />
• Michael Birkmeyer, Intendanz Landesthe<strong>at</strong>er St. Pölten<br />
• Rose Breuss, Brucknerkonserv<strong>at</strong>orium Linz, Abteilungsleitung Tanzpädagogik<br />
• Dr. Johannes Birringer, Chair in Drama and Performance Technologies,<br />
School of Arts Brunel University London<br />
• Dr. John Sax, Chair of Arts, Goldsmith College London<br />
• Peter Breuer, Ballettdirektor Landesthe<strong>at</strong>er <strong>Salzburg</strong><br />
• Dr. Fleischle-Braun, Sportinstitut Abteilung Tanz und Gymnastik Universität<br />
Stuttgart<br />
• Monica Schwarzenthal, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg-Institut für<br />
Kunst, Musik und Sport, Bereich Tanz
5<br />
Musikerziehung<br />
In den letzten Jahren haben auf Einladung sowohl des Bundesministeriums für<br />
Unterricht und Kunst als auch des Landesschulr<strong>at</strong>es, des Zentrums für<br />
Begabtenforschung und der Pädagogischen Hochschule eine Vielzahl von<br />
Deleg<strong>at</strong>ionen (Pädagogen, kulturpolitisch Verantwortliche verschiedenster<br />
Institutionen …) aus aller Welt unsere Schule besucht. Sie alle haben unsere<br />
musikalische Arbeit mit großer Bewunderung verfolgt und bestaunt.<br />
Warum muss man dieses erfolgreiche, gewachsene pädagogische Konzept in<br />
Frage stellen? Dieses schlüssige Modell beinhaltet zunächst ein durchdachtes<br />
Aufnahmeverfahren und führt konsequent zur unverzichtbaren schriftlichen wie<br />
auch mündlichen Reifeprüfung.<br />
Die musikalische Ausbildung am Musischen Gymnasium ist fundiert und<br />
umfassend, sowohl im praktischen Musizieren als auch in der theoretischen<br />
Auseinandersetzung mit Musik.<br />
Wesentliche Bereiche der Musiktheorie wie Gehörbildung, Harmonielehre oder<br />
Formenlehre erfordern unbedingt eine schriftliche Überprüfung:<br />
• Die profunde Analyse eines größeren Werkes der Musikliter<strong>at</strong>ur ist im<br />
zeitlichen Rahmen einer mündlichen Prüfung undurchführbar.<br />
• Tons<strong>at</strong>z in den Bereichen Harmonielehre und Kontrapunkt muss schriftlich<br />
ausgeführt werden. Diese Bereiche nur mündlich darzustellen käme der<br />
Absicht eines Komponisten gleich, seine Musik nur im Kopf zu belassen.<br />
• Gehörbildung ist ein zentraler Lehrinhalt, der mündlich nicht adäqu<strong>at</strong><br />
überprüfbar ist, jedoch einen unverzichtbaren Bestandteil der M<strong>at</strong>ura darstellt.<br />
• Da Musik ein zentrales Hauptfach ist, würde es durch den Wegfall der<br />
schriftlichen M<strong>at</strong>ura eine unangemessene Entwertung erfahren. (Vgl.:<br />
Stundenanzahl - Oberstufe: 18 Std. Musik, 12 Std. M<strong>at</strong>hem<strong>at</strong>ik, 11 Std.<br />
Englisch)<br />
• Nicht ohne Grund finden an den Musikuniversitäten die Aufnahmsprüfungen in<br />
mündlicher und schriftlicher Form st<strong>at</strong>t. Unsere SchülerInnen werden darauf mit<br />
der derzeitigen M<strong>at</strong>uraform bestmöglich vorbereitet.<br />
• Es wäre kulturpolitisch sehr bedenklich, wenn im Kulturland Österreich die<br />
Stellung des Musikunterrichtes nicht nur im Regelschulwesen, sondern nun auch<br />
in den musischen Schwerpunktschulen beschnitten werden sollte.