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Thomas Bernhards pathologische Groteske Ist es eine Komoedie

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geeignet, <strong>eine</strong> positive Umkehrung zu erreichen: das Verlassen der Verzweiflung, die<br />

dezisionistische Umwertung der Tragödie in <strong>eine</strong> Komödie, wobei <strong>es</strong> sich realiter um die Fusion,<br />

also <strong>eine</strong> „Komödientragödie“ (Bernhard Frost 189) handelt.<br />

So lässt sich zusammenfassen: <strong>Bernhards</strong> Erzählung <strong>Ist</strong> <strong>es</strong> <strong>eine</strong> Komödie? <strong>Ist</strong> <strong>es</strong> <strong>eine</strong> Tragödie? ist<br />

<strong>eine</strong> G<strong>es</strong>taltung d<strong>es</strong> <strong>Grot<strong>es</strong>ke</strong>n, als deren mögliche Spezifikationen im Laufe der Untersuchung zum<br />

Teil erschienen: „das Proteische, Anarchische, Abenteuerliche (Schweifende), Vitale, Zügellose,<br />

Offene, Willkürliche, Launige [...], Zufällige [...], Chaotische, Kranke, das ‚Es’, das<br />

Janusg<strong>es</strong>ichtige, Ambige“ (B<strong>es</strong>t 16). Als Therapieversuch <strong>eine</strong>r dissoziativen Identitätsstörung ist<br />

sie zudem <strong>eine</strong> ästhetische G<strong>es</strong>taltung d<strong>es</strong> Medizinisch-Pathologischen. Fusioniert man die beiden<br />

Elemente, ergibt sich <strong>eine</strong> <strong>pathologische</strong> <strong>Grot<strong>es</strong>ke</strong>, die fast „in Freiheit begonnen“ (Kayser 202)<br />

wird, dann aber „dem Spielenden die Freiheit raub[t] und ihn mit allem Grauen vor den Geistern<br />

erfüll[t], die er leichtfertig gerufen hat“ (Kayser 202). Der Erzähler lässt sich darauf ein; und da<br />

erscheint <strong>es</strong> – trotz der eigentlichen Verschmelzung von Komischem und Tragischem (auch in der<br />

Metakognition d<strong>es</strong> Erzählers als Amalgamierung zweier Identitäten!) – nur allzu einleuchtend, dass<br />

Bernhard – und mit ihm scheinbar auch der Erzähler im Frauenmörder, der nichts zu verlieren hat –<br />

an der einzig erleichternden, Verzweiflung lösenden, Heilung versprechenden und Leben erst<br />

ermöglichenden Losung f<strong>es</strong>thält: „Die fürchterliche Wirklichkeit letzten End<strong>es</strong> niemals als<br />

Tragödie, sondern als Komödie. Das war mir die einzige Möglichkeit – und ist <strong>es</strong> heute auch noch“<br />

(Dreissinger 62).<br />

IV<br />

Bernhard, <strong>Thomas</strong>: <strong>Ist</strong> <strong>es</strong> <strong>eine</strong> Komödie? <strong>Ist</strong> <strong>es</strong> <strong>eine</strong> Tragödie? In: Ders.: Erzählungen. Kurzprosa.<br />

Hrsg. v. Hans Höller, Martin Huber und Manfred Mittermeyer. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 2003, S.<br />

35-42.<br />

Bachtin, Michail: Rabelais und s<strong>eine</strong> Welt. Volkskultur als Gegenkultur. Aus dem Russischen von<br />

Gabriele Leupold. Hrsg. und mit <strong>eine</strong>m Vorwort versehen von Renate Lachmann. Frankfurt a. M.:<br />

Suhrkamp, 1987.<br />

Bernhard, <strong>Thomas</strong>: Alte Meister. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1988.<br />

Ders: Am Ortler. Nachricht aus Gomagoi. In: Ders.: Erzählungen. Kurzprosa. Hrsg. v. Hans Höller,<br />

Martin Huber und Manfred Mittermeyer. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 2003, S. 166-189.<br />

Ders.: Auslöschung. Ein Zerfall. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1988.<br />

Ders.: Der Keller. Eine Entziehung. München: dtv, 2002.

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