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Thomas Bernhards pathologische Groteske Ist es eine Komoedie

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überwindet so die Einsamkeit der beiden Figuren in <strong>eine</strong>m Rede-Akt als „Existenzüberbrückung“<br />

(Bernhard Auslöschung 611): „Am Ende hilft eben nur ein anderer Mensch“ (Eyckeler 257). Eine<br />

dritte Absurdität ist die Titel-Frage „<strong>Ist</strong> <strong>es</strong> <strong>eine</strong> Komödie? <strong>Ist</strong> <strong>es</strong> <strong>eine</strong> Tragödie?“ (38). Im<br />

andauernden Hin-und-her d<strong>es</strong> Monologs – der wiederum scheinbar <strong>eine</strong>r poetologischen Äußerung<br />

<strong>Bernhards</strong> folgt: „Ich glaub’, ich bin von Anfang an in m<strong>eine</strong>m Rhythmus drinnen, der sich<br />

intensiviert“ (Dreissinger 53)“ –, im Oszillieren zwischen Komischem und Tragischem entwickelt<br />

sich die Frage hin zu <strong>eine</strong>r Absurdidät, zu <strong>eine</strong>r Sinnlosigkeit, da offensichtlich beid<strong>es</strong> zugleich in<br />

Frage kommt, ja „letzten End<strong>es</strong> all<strong>es</strong> egal“ (Bernhard Keller 142) ist, was <strong>eine</strong> Entscheidung<br />

überflüssig werden lässt. Dass am Ende dennoch die Komödie postuliert wird, ist wiederum<br />

grot<strong>es</strong>k: Gerade, als sich der Kriminalfall geklärt und damit dem (im Reden) verlorenen<br />

Frauenmörder wie der Welt <strong>eine</strong>n düster-tragischen Anstrich verpasst hat, wird die Erwartung<br />

wiederum enttäuscht und die Tod<strong>es</strong>tragödie in <strong>eine</strong> Lebenskomödie umgekehrt. Daran zeigt sich:<br />

„Die Absurdität d<strong>es</strong> Daseins ist nur dadurch zu mildern, daß s<strong>eine</strong> grot<strong>es</strong>ken Seiten hervorgehoben<br />

werden. Die strukturelle Unauflöslichkeit der Widersprüche [...] ist nur durch <strong>eine</strong> Haltung ‚echten<br />

Humors’ (Novalis) zur Welt auszuhalten“ (Eyckeler 236f.).<br />

III<br />

„Das <strong>Grot<strong>es</strong>ke</strong> enthält in sich den Einspruch gegen <strong>eine</strong> b<strong>es</strong>timmte Wirklichkeit“ (Pietzcker 95) und<br />

ist <strong>eine</strong> „entfremdete Welt“ (Kayser 199), die sich „in der Dämmerungsschau d<strong>es</strong> Übergangs“<br />

(Kayser 200) erhebt. Es verweist auf „die Nachtseite menschlicher Existenz“ (B<strong>es</strong>t 16) und ist<br />

„Ausdruck der Diskrepanz zwischen [...] Realität und Phantasie“ (B<strong>es</strong>t 16). Genau di<strong>es</strong>e Züge <strong>eine</strong>r<br />

Vision trägt auch <strong>Bernhards</strong> Erzählung, ist doch nicht ganz eindeutig, ob <strong>es</strong> sich beim Frauenmörder<br />

um <strong>eine</strong> reale Figur innerhalb der Erzählung handelt. Vielmehr scheint er <strong>eine</strong> grot<strong>es</strong>k verzerrte<br />

Wiederholung d<strong>es</strong> Erzählers, <strong>eine</strong> Manif<strong>es</strong>tation sein<strong>es</strong> Wahns zu sein. Dafür sprechen mehrere<br />

Indizien.<br />

Schon auf formaler Ebene deutet – rechtzeitig zum deus ex machina-Auftritt d<strong>es</strong> Frauenmörders –<br />

ein Bruch im Tempus-Gefüge auf die Sonderstellung d<strong>es</strong> Folgenden hin. Hatte der Erzähler bislang<br />

all<strong>es</strong> im Präsens verhandelt, springt er plötzlich ins Präteritum: „[I]ch spreche den Satz nicht aus,<br />

obwohl ich große Lust habe, den Satz auszusprechen. / Er habe s<strong>eine</strong> Uhr verloren, sagte [!] der<br />

Mann“ (37).<br />

Dass <strong>es</strong> sich um <strong>eine</strong> psychische Krankheit handeln muss, verrät inhaltlich wiederum gleich der<br />

ersten Satz: Der Erzähler verweist hier – aufgrund <strong>eine</strong>r zum Abschluss zu bringenden<br />

wissenschaftlichen Arbeit – auf s<strong>eine</strong>n „überanstrengten Kopf“ (35); in der Einschätzung der

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