Blick fürs Leben - St. Markus

Bildbetrachtung
säule erstarren wird. Abraham und Lot - so
erfahren wir aus dem Alten Testament - hatten
einige Zeit zusammen in Kanaan gelebt. Während
dieser Zeit entwickelten und vermehrten
sich ihre Herden prächtig. Als sich ihre Hirten
an den Wasserstellen stritten, sprach Abraham
zu Lot: „Wir sind doch Brüder und wollen in
Frieden miteinander leben. Steht uns nicht das
ganze Land offen? Wähle doch du: Gehst du
zur Linken, gehe ich zur Rechten, gehst du zur
Rechten, so gehe ich zur Linken.“ Lot entscheidet
sich für den scheinbar leichten Weg in das
fruchtbare Jordantal mit der angrenzenden
Stadt Sodom … und wird scheitern. Abrahams
Weg scheint beschwerlicher, er bleibt im kargen
Bergland. Über den von Gott „Auserwählten“
und sein zukünftiges wechselvolles Leben
berichtet das Alte Testament. Schließlich wird
im Brief des Paulus an die Galater die Gemeinschaft
mit ihm – „der Schoß Abrahams“ – als
Sinnbild des Paradieses bezeichnet. So wird
klar, warum sich die Hirten mit ihren Herden
auf unterschiedlichen Wegen bewegen. Die einen
gehen nach links, die anderen nach rechts,
der Gebirgsbach stellt nicht nur formal eine
Trennung dar.
Der holländische Maler Tobias Verhaeght hat
das selten dargestellte Thema der Verabschiedung
von Abraham und Lot ins Bild gesetzt.
Um seinen Landsleuten zu zeigen, dass es
hier um kein Ereignis aus der ihnen vertrauten
Umgebung geht, hat er Kamele in das Bild
eingebaut, die seine Landsleute allenfalls vom
Hörensagen kannten. Ebenso dürften ihnen die
Felsformationen fremd erschienen sein. Das
Braunschweiger Bild stellt eine Schlüsselszene
dar: Es zeigt Abschied und Trennung zweier
Verwandter, deren Leben fortan in verschiedenen
Bahnen verlaufen werden.
Volker Tlusty
Tobias Verhaeght: Gebirgslandschaft mit der Trennung von Abraham und Loth, 1609, Öl auf Leinwand, 111 x 157cm,
Herzog Anton Ulrich-Museum
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