Blick fürs Leben - St. Markus
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Bildbetrachtung<br />
Ein geheimnisvolles<br />
Landschaftsbild<br />
„Wir sind doch Brüder und wollen in Frieden<br />
miteinander leben.“<br />
Zum Besitz des Braunschweiger Herzog Anton<br />
Ulrich-Museums gehört ein Gemälde des flämischen<br />
Malers Tobias Verhaeght (1561-1631),<br />
das viele Besucher beim Vor-beischlendern<br />
wohl in die Rubrik „Landschaftsbild - mit einigen<br />
Menschen“ einordnen werden. Erst bei genauer<br />
Betrachtung wird man entdecken, dass<br />
die Darstellung mehr enthält als nur das bloße<br />
Treiben recht kleiner Figuren in ungewöhnlicher<br />
Umgebung, sondern dass hier eine bestimmte<br />
zwischenmenschliche Situation gezeigt wird.<br />
Betrachten wir zunächst die Landschaft, die<br />
sich in einer Überschauansicht präsentiert! In<br />
eine zerklüftete Felsenlandschaft hat sich ein<br />
Gebirgsbach sein tiefes Bett gegraben. Zerborstene<br />
Baumstämme geben einen Hinweis<br />
auf die Wucht der Wassermassen, die in einem<br />
mächtigen Wasserfall zu Tal stürzen. Zwei<br />
Brücken überspannen den Bach und geben<br />
Mensch und Tier die Möglichkeit zum Überqueren.<br />
Man erkennt zwei Her-den mit Kühen und<br />
Schafen, die von Hirten getrieben werden. Die<br />
einen gehen auf der rechten Seite des Baches<br />
ins Tal, die anderen haben die Brücke über den<br />
Wasserfall überquert und den steinigen Weg<br />
auf der anderen Seite gewählt.<br />
Das Bild, das nach rechts oben von einer<br />
baumumstandenen Alm abgeschlossen wird,<br />
atmet eine abendliche <strong>St</strong>immung. Mensch und<br />
Tier verlassen die Weiden des Hochge-birges,<br />
um zu ihren Behausungen und <strong>St</strong>allungen zu<br />
kommen. Auf der linken Bildhälf-te gewährt<br />
uns der Künstler einen <strong>Blick</strong> auf eine Landschaft,<br />
die ein breiter Fluss durchzieht. Im Mittelgrund<br />
ragen Häuser und Türme einer befestigten<br />
<strong>St</strong>adt empor. Nach hinten verlieren sich<br />
Fluss, Gebäude und hügeliges Land im blaugrünen<br />
Dunst. Von links oben fällt ein spätes<br />
Sonnenlicht auf das landschaftliche Panorama.<br />
Die Feststellung dieser Fakten wirft die<br />
Frage auf, wo es eine solch ungewöhnliche<br />
Landschaft gibt, in der reißender Gebirgsbach,<br />
breiter <strong>St</strong>rom und befestigte <strong>St</strong>adt so dicht beieinander<br />
liegen. Die Antwort auf diese Frage<br />
gehört zum „Geheimnis“ dieses Gemäldes.<br />
Richtet der Betrachter das Augenmerk auf<br />
den Mittelgrund des Bildes, so entdeckt er eine<br />
eher etwas seltsame Gruppe von Menschen.<br />
Die dargestellte Szene liefert denn auch die<br />
Erklärung für diese ungewöhnliche Landschaft<br />
... und das hier dargestellte Ereignis, von dem<br />
wir im 1. Buch Moses im Alten Testament erfahren.<br />
Etwas rechts vom Schnittpunkt der<br />
Bilddiagonalen sieht man zwei Männer, die<br />
mit vorgestreckten Armen aufeinander zu gehen.<br />
Begrüßen sie sich oder nehmen sie voneinander<br />
Abschied? Da sich die Angehörigen<br />
der rechten Gruppe von den beiden entfernen,<br />
wird deutlich, dass es sich um einen Abschied<br />
handelt. Das Thema der Verabschiedung wird<br />
noch zweimal aufgegriffen. Es fi ndet eine Wiederholung<br />
bei den beiden rechts von dieser<br />
Gruppe stehenden Frauen und den sie flankierenden<br />
Personen, von denen jeweils eine auf<br />
einem Kamel sitzt.<br />
Bei den dargestellten Männern handelt<br />
es sich um Abraham und seinen Neffen Lot.<br />
Rechts von den beiden umarmen sich ihre<br />
Frauen, Sarah und die in der Bibel namentlich<br />
nicht benannte Frau Lots, die später zur Salz-<br />
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