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Abschlussbericht - Praxislabor - Technische Universität Darmstadt

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durch Vergleich von Schädelformen Rückschlüsse auf Entwicklungsstufen von Menschen machen zu<br />

können, mit ähnlichen Folgerungen wie bei Linné: Am oberen Ende der Entwicklung stand der Europäer,<br />

am unteren der Afrikaner. In seiner Anthropologie in pragmatischer Hinsicht (1798) folgte auch<br />

Kant den Positionen seiner Zeit und machte in seiner Rolle als bedeutender Denker den wissenschaftlichen<br />

Rassebegriff bekannt und hoffähig.<br />

Schließlich wurde durch den Anthropologen Johann Friedrich Blumenbach die damals wichtigste Klassifizierung<br />

menschlicher Rassen vorgelegt, die er in seinem Werk „De generis humani varietate nativa<br />

liber“ (Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlecht, 1775) formulierte.<br />

„Aufgrund der Schädelform unterscheidet Blumenbach fünf große Rassen (die kaukasische, mongolische,<br />

äthiopische, amerikanische und malaiische); zwar beteuert der Autor, dass er über sie kein moralisches<br />

Urteil fällen wolle, betont dann aber doch, dass die kaukasische Rasse aus ästhetischer Sicht<br />

den andren überlegen sei.“ 5<br />

Allen diesen Positionen gemein ist die ethnozentristische Argumentation ihrer Autoren, die den Europäer<br />

in Form einer Rasse als Höhepunkt einer Entwicklung darstellen, die nicht nur als Geistesgeschichte,<br />

sondern nunmehr als biologische gelesen wird. Die Überlegenheit ist also begründet in<br />

unabänderbaren biologischen Manifestationen, aus der sich nun rational Ungleichheiten erklären lassen.<br />

Die moralische Ebene wird vom wissenschaftlichen Rassismus eliminiert und somit zugleich die<br />

folgenreiche Legitimation für euro- und ethnozentristische Positionen in den folgenden Epochen geschaffen.<br />

Was als Wissenschaft auftrat, war tatsächlich auch die Begründung einer Herrschaft der europäischen<br />

Gedanken und Lebensentwürfe über alle anderen Formen von menschlicher Organisation.<br />

Die Aufklärung trug durch ihren wissenschaftlichen Anspruch in der Frage der Rasse schon immer das<br />

Moment eines hegemonialen Charakters in sich, der sich in Form von Sklaverei, Kolonialismus und<br />

Imperialismus ausdrücken sollte und dessen Kerngedanken auch heute noch nicht, trotz besseren Wissens,<br />

ganz verschwunden sind.<br />

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden rassistische Theorien immer mehr aus dem Kontext<br />

einer aufgeklärten – wissenschaftlichen Erkenntnissuche gelöst und betonten nun deutlich die soziologischen<br />

Gefahren einer „Rassenmischung“, wie es in der vierbändigen Abhandlung Essais sur l`inégalité<br />

des races humaines (Versuch über die Ungleichheit der Menschenrassen) von Arthur de Gobineau formuliert<br />

wird.<br />

Gobineau entwickelt in seinem Buch eine Theorie, die den pseudowissenschaftlichen Charakter der<br />

ersten Rassentheorien noch übertrifft, indem er vormoderne, mythische Vorstellungen übernimmt und<br />

daraus angeblich wissenschaftliche Schlüsse zieht. Den Kern des Werkes von Gobineau bildet die Vorstellung<br />

von drei ursprünglichen Menschenrassen, die durch Abgrenzung Fortschritte innerhalb ihrer<br />

Zivilisation erreichen konnten. „Insofern damit aber der Drang nach Eroberung, von Gobineau «Attraktion»<br />

genannt, den Drang nach Exklusivität, von Gobineau «Repulsion» genannt, ablöse, vermische sich<br />

diese erfolgreiche Rasse wieder mit fremden, weniger ausdifferenzierten Rassen, und ihr langfristiger<br />

Untergang sei besiegelt.“ 6 Gobineau setzt die euro- und ethnozentristische Tradition fort, fügt zugleich<br />

aber das Element der Angst hinzu, dass die europäische Rasse in ihrer Überlegenheit durch „Vermischung“<br />

mit anderen Rassen gefährdet sei.<br />

In seiner Konsequenz bedeutet dieser Text für die europäische Entwicklung vor allem, dass nun innerhalb<br />

der aufgeklärten Tradition ein erster Grundstein gelegt wurde, der den modernen Rassismus innerhalb<br />

einer Zeit der Geschichte zum Thema machte, die zutiefst geprägt war von Auseinanderset-<br />

5<br />

6<br />

Ebd. S.137.<br />

Geulen, Christian: Geschichte des Rassismus, München 2007. S.71.<br />

9

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