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Abschlussbericht - Praxislabor - Technische Universität Darmstadt

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I. Rasse, Rassismus, Kultur – Eine Einführung in den Rassismusbegriff<br />

1. Rassismus als geschichtliche Kontinuität.<br />

Von Michael Schmitt<br />

1.1. Aufklärung und Rassismus<br />

Um den Rassismusbegriff besser verstehen zu können, hilft es einen Blick in dessen geschichtliche<br />

Entwicklung und seine Verwendung innerhalb wissenschaftlicher Diskurse, aber auch dessen Instrumentalisierung<br />

durch Politik zu betrachten. Dabei spielt die Aufklärung an der Schwelle zur Moderne<br />

eine entscheidende Rolle. Schon in der Renaissance wurde das vormoderne mittelalterliche Weltbild,<br />

geprägt von der Vorherrschaft von Religion und Kirche, abgelöst von dem Ideal sich dem Menschen<br />

zuzuwenden, was in der Form einer Wiederentdeckung antiker Texte und Traditionen stattfand und<br />

zugleich Grundlage war für die folgende Entwicklung innerhalb der Aufklärung. Die bisherige Ordnung,<br />

die den Menschen fest verankert innerhalb eines sinnstiftenden göttlichen Weltentwurfes verstand,<br />

zerfiel zugunsten eines an der Vernunft orientierten Selbstverständnisses, das Immanuel Kant in<br />

seiner Beantwortung der Frage Was ist Aufklärung so formulierte: „Aufklärung ist der Ausgang des<br />

Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen sich seines<br />

Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit,<br />

wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des<br />

Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen. sapere aude! habe Muth dich deines<br />

eigenen Verstandes zu bedienen! Ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“ 3<br />

Nach dem Verlust der metaphysischen Ordnung blieben jetzt allerdings zentrale Fragen offen, deren<br />

Beantwortung nicht mehr allein durch religiösen Glauben geschieht, sondern von einer anderen Instanz<br />

ausgeführt wird: der Wissenschaft.<br />

Wissenschaftliches Denken ersetzte die religiöse Sinnsuche durch Instrumentarien der Analyse und Kategorisierung,<br />

Aufklärung ist auch die Suche nach Regelmäßigkeiten und Logik innerhalb der Natur,<br />

die zuvor als Werk der göttlichen Schöpfung unantastbar war. Das Zeitalter der Aufklärung (ist) war<br />

auch das Zeitalter der Naturwissenschaften und eines der bedeutendsten Werke dieser Richtung, die<br />

bis heute gültige Widerlegung kreationistischer Theorien durch Charles Darwins Die Entstehung der<br />

Arten vor genau 150 Jahren.<br />

Die naturwissenschaftliche Aufklärung beschäftigte sich auch mit der Einordnung verschiedner Tierund<br />

Pflanzenarten, so war einer ihrer bedeutendsten Vertreter der schwedische Naturforscher Carl von<br />

Linné (1707-1778), dessen binominale Nomenklatur bis heute gebräuchlich ist und der mit der Beschreibung<br />

aller ihm bekannten Pflanzenarten auch für die spätere Biologie von Interesse blieb. Der<br />

Weg aber von der Einordnung von Pflanzen und auch Tierarten hin zur Einordnung des Menschen in<br />

unterschiedliche Rassen war nicht weit, so teilte Linné auch die Menschen in vier unterschiedliche Rassen<br />

ein. Der Mensch stand für ihn an der Spitze der Primaten, war jedoch untergliedert in Rassen der<br />

Europäer, amerikanischen Indianer, Asiaten und Afrikaner, „mit angeblich abnehmenden geistigen und<br />

moralischen Fähigkeiten“ 4<br />

Dabei stützt sich Linné, wie im Übrigen auch alle anderen Forscher seinerzeit, auf rein äußerliche Phänomene,<br />

die er zur Interpretation auslegt. Der holländische Anatom Peter Camper etwa versuchte<br />

3<br />

4<br />

Kant, Immanuel: Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?; in: Berlinische Monatszeitschrift 1784. Zitiert nach: Kant, Immanuel:<br />

Akademieausgabe, Band VIII, S.35.<br />

Delacampagne, Christian: Die Geschichte des Rassismus, Düsseldorf 2005. S.134.<br />

8

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