Abschlussbericht - Praxislabor - Technische Universität Darmstadt
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Erfolge haben. Eine solche Einstellung müssten Schüler/innen an der Schulpforte ablegen und dann<br />
nur innerhalb der Schulmauern “mündig“ werden, während sie privat weiterhin gläubig wären. Dass<br />
dies den meisten unmöglich ist, erscheint einleuchtend. Sie müssen sich irgendwann entscheiden. Eine<br />
typisch deutsche Bildungskarriere, die auch bei vielen Lehrkräften zu finden ist, sei demnach: Zunächst<br />
gläubig zu sein, diesen Glauben dann aber abzulegen und religionskritisch zu werden.<br />
Ein bezeichnendes Zitat:<br />
„Wenn sie (die Religionen) den Mensch einsperren und nicht reif machen, nicht frei machen im Sinne der<br />
Aufklärung, ja, dann haben die Religionen was verpasst, aus meiner Sicht.“<br />
Dieser persönliche Nachvollzug des Aufklärungsgedankens ist für viele Menschen aber nicht gangbar.<br />
Wenn sie aus traditionell religiösen Familien kommen, ist der Weg umso schwerer. Hier wird die<br />
Schulkarriere in Deutschland verknüpft mit der erzwungenen Loslösung vom Elternhaus.<br />
Das Kopftuchphänomen lässt die seelischen Kämpfe, die dort entstehen können, manchmal erahnen.<br />
Schülerinnen, die gegen den Willen der Eltern das Kopftuch ablegen, werden von Lehrkräften unterstützt,<br />
während jene anderen beargwöhnt werden, die es nach Kämpfen im Elternhaus wieder anlegen.<br />
Ein freiwilliger Übertritt einer deutschen Schülerin zum Islam wird akzeptiert, ein Einfluss der Familie<br />
oder des Imam auf das Verhalten dagegen abgelehnt. Am Ende ist aber der Druck, der durch die staatliche<br />
unterstützen Vorgaben einer aufgeklärten Schule ausgeübt wird nicht weniger massiv in der Wirkung<br />
als der einer Religionsgemeinschaft.<br />
Dass es nicht so einfach ist, mit dem „Mainstream der Toleranz“ wurde an anderer Stelle von einer<br />
Lehrkraft klar erkannt:<br />
„Dieses Menschenbild, also der freie Wille und die Vernunft, ist es ja, der die Aufklärung herbeigeführt hat.<br />
Und was die geschaffen haben, das ist nicht auf jeden Menschen zu übertragen und schon ganz und gar<br />
nicht (…) mit Waffengewalt drüber zu stülpen. Jedes Land, jeder Staat hat das Recht, seine Gesetzgebung<br />
einzuführen (und wenn’s die Scharia ist). Und das im Sinne der Aufklärung auch zu akzeptieren, Freiheit<br />
zu akzeptieren, das ist, glaube ich, eine schwierige Sache.“<br />
4. Sinnvolle Maßnahmen<br />
Sicherlich muss man nicht an der Oberstufe allein ansetzen um mehr Schüler/innen mit Migrationshintergrund<br />
zum Abitur zu führen. Daher hier einige Anregungen, die auch über die spezifische Situation<br />
an der Bertolt–Brecht–Schule hinausweisen.<br />
Oft wird die mangelnde elterliche Unterstützung als Argument für die schlechten Ergebnisse angeführt.<br />
Wenn es darum geht, sein Kind nach der 4. Klasse in ein Gymnasium zu schicken, dann entscheidet<br />
über Erfolg oder Misserfolg gerade diese elterliche Unterstützung.<br />
Das ist z.B. bei Grundschullehrern bekannt 73 . Deshalb verweigern sie leicht eine Gymnasialempfehlung<br />
für Migrantenkinder, wenn sie begründet vermuten, dass deren Eltern diese Unterstützung wahrscheinlich<br />
nicht leisten werden, weder selbst, noch in Form eines zu finanzierenden Nachhilfelehrers.<br />
Aber es geht hier nicht nur um Nachhilfe in Mathe und Chemie, es geht auch um so beliebte deutsche<br />
Bildungstraditionen wie Klavier- oder Reitunterricht. Wer fährt das Kind aus armen, bildungsfernen<br />
Schichten zum Lehrer in den Nachbarort? Wenn es die Mutter nicht leisten kann, dann findet es nicht<br />
73<br />
vgl. Gomolla und Radtke, 2007, S.239ff<br />
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