Abschlussbericht - Praxislabor - Technische Universität Darmstadt
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Im deutschen Schulsystem werden ganz bestimmte Bildungsideale tradiert. Dies mag nicht nur historische<br />
sondern auch triftige Gründe haben. Reflektiert wird es selten. Eine zentrale Technik dabei ist das<br />
umgehen mit Texten. Lesen, verstehen und schreiben können ist nach wie vor die Basis der Schule,<br />
besonders der Oberstufe wie großer Teile des Studiums. Wer dieses „Sprachspiel“ am besten spielen<br />
kann, kommt weit.<br />
Zitat:<br />
„ ‚Wer von Euch bekam vorgelesen? Wer liest selbst?’ Und dann habe ich gesagt: ‚Und wer nicht liest: gymnasiale<br />
Bildung ist Lesen. Und wer etwas primär begreifen muss, die Schrauben oder was auch immer, um<br />
etwas zusammen zu bekommen, der ist nicht auf dem Weg.’“<br />
Oder:<br />
„Wir können nicht Bildchen kleben, wie das da teilweise ist (…) in der 7., 8., 9.(Klasse), ein bisschen<br />
Gruppenarbeit machen, etcetera. Denn du musst es eben richtig verstehen und kannst es nicht mehr nur<br />
be’greifen’. Das ist immer der Unterschied: dieses Abstraktionsniveau. Das hängt zusammen mit deren Voraussetzungen<br />
für Lernen und Behalten.“<br />
Elitäres Denken ist heute nur selten offen zu hören, zumindest nicht in den Kreisen, in denen sich der<br />
durchschnittliche Studierende der TU <strong>Darmstadt</strong> bewegt. Dennoch funktioniert das Bildungssystem<br />
nach wie vor als Eintrittskarte und der Besuch der „richtigen“ Schule ist eine wichtige Voraussetzung,<br />
für den späteren beruflichen Werdegang.<br />
Unterstützung für alle Menschen, um zu dieser Eintrittskarte zu kommen, würde sicher gerne angenommen.<br />
Aber vielleicht ist diese Art des Ausgleichs gar nicht wirklich erwünscht?<br />
Die Überlegungen einer Lehrkraft dazu waren wie folgt: Es müssten sich dann die Kinder der Bildungsbürger<br />
einem weit stärkeren Bildungswettbewerb stellen, wenn nun auch noch all die weniger<br />
Begabten so gefördert würden, dass auch sie im Gymnasium eine reelle Chance haben. In dem bestehenden<br />
Schulsystem kann man dieser Konkurrenz ganz gut entgehen. Die nicht ganz so cleveren und<br />
die eher Faulen und die etwas Langsameren aus gutem Haus kommen im Gymnasium noch irgendwie<br />
über die Runden, durch zusätzliche Unterstützung, die finanziell und sozial Schwachen mit vergleichbaren<br />
Haltungen oder Veranlagungen aber auf keinen Fall.<br />
Hier beginnt unserer Ansicht nach der sich selbst verstärkende Rückkopplungskreis, der die Schwachen<br />
schwächer und die Starken stärker macht. Die bildungsfernen Schichten haben so immer weniger Interesse<br />
an Bildung. Dabei könnten nur sie sich in sinnvoller Weise dafür einsetzen, dass sie mehr Unterstützung<br />
erhalten. Andere werden es nicht tun. Das würde jenen ja selbst Nachteile bringen. Wenn die<br />
Kinder nach der 4. Klasse getrennt werden, können auch kaum noch Freundschaften entstehen, die<br />
z.B. Leseinteresse in Familien tragen, die kaum Bücher haben. Die Angst vor dem „schlechte Einfluss“<br />
auf die wohlerzogenen Kinder mag dann manchmal durchaus begründet sein. Die „schlecht erzogenen“,<br />
sprich allein gelassenen, sich deshalb auch weiterhin selbst zu überlassen, sie möglichst aus- und<br />
später dann vielleicht einzusperren ist aber auch keine Lösung.<br />
3.2.4 Aufklärung oder Intoleranz?<br />
Der Vernunftbegriff der Aufklärung ist nach wie vor ein zentraler Eckpfeiler der Schulbildung. Das Ideal,<br />
aus jedem Menschen all das (Gute) herauszuholen, was in ihm steckt, das Ziel, jeden Menschen<br />
zum mündigen Individuum zu entwickeln, muss zunächst akzeptiert werden, bevor man in der Schule<br />
Karriere machen kann.<br />
Eine tiefreligiöse Haltung dagegen, die die Gemeinschaft über den Einzelnen stellt, die gottesfürchtig<br />
und gegenüber bestimmten Lehrmeinungen unkritisch denkt, kann in der aufgeklärten Schule keine<br />
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