Abschlussbericht - Praxislabor - Technische Universität Darmstadt
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eim Erwerb der Schriftsprache oder im Bereich des Rechnens aus zu geringer Kenntnis der deutschen<br />
Sprache herrühren.“ 68<br />
Zumindest in unserem Bekanntenkreis gibt es keine Schüler/innen, die anerkannte Legastheniker/innen<br />
sind und zugleich einen Migrationshintergrund haben. In der Praxis werden offenbar die<br />
auftretenden Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache fast immer der geringen Kenntnis zugeschrieben,<br />
wie auch immer das geprüft wird. Im Grunde müsste die Legasthenie bei Migrant/innen in<br />
der Muttersprache (sofern sie nicht deutsch ist) getestet werden. Es ist fraglich, ob es in Deutschland<br />
dafür überhaupt die entsprechenden Fachleute gibt. Hinzu kommt, dass altersgemäße Sprachentwicklung<br />
in der Muttersprache nur dann gewährleistet ist, wenn man auch eine vergleichbare Förderung<br />
erhalten hat. Diese Voraussetzung ist bei vielen Migrant/innen auch für die Muttersprache nicht gegeben,<br />
da sie kaum muttersprachlichen Unterricht erhalten und wenn, dann zusätzlich zum verbindlichen<br />
Schulunterricht und oft ohne Notendruck, was die Motivation nicht gerade erhöht, sie in vergleichbarem<br />
Maße wie Deutsch zu erlernen. Dieses Problem ist durchaus auch für eine Oberstufenschule wie<br />
die BBS relevant. Hier liegt die Entscheidung, ob die Lese- und Rechtschreibleistung bei der Zeugnisnote<br />
unberücksichtigt bleibt zwar beim Schulamt und nicht mehr bei der Klassenkonferenz. 69 Zu bedenken<br />
ist aber in jedem Fall, dass in dem entsprechenden Erlass explizit ausgeführt ist:<br />
„Besondere Schwierigkeiten beim Lesen, Schreiben und Rechtschreiben (…) sind allein kein hinreichender<br />
Grund für eine Nichtversetzung (…) oder die Verweigerung des Übergangs in eine<br />
weiterführende Schule.“ 70<br />
Fächer wie Mathematik, in welchen die deutsche Sprache nicht im Mittelpunkt steht, aber dafür implizit<br />
stark zum Verständnis des Inhalts verwendet wird, werden von den Lehrkräften selten in den Blick<br />
genommen. Aber selbst bei Mathematik, die eine eigene allgemeingültige „Sprache“ verwendet, sind<br />
Effekte der deutschen Sprache zu erwarten. Es ist eine offene Frage, ob es überhaupt möglich ist, mathematische<br />
Kompetenzen zu beurteilen und zu testen, ohne auch gleichzeitig sprachliche Kompetenzen<br />
mitzuprüfen. Diese Bedenken wurden in den Interviews von einem Mathematiklehrer geäußert.<br />
Wenn die Bedeutung der Sprache selbst in Mathematik so relevant ist, gilt das in den meisten anderen<br />
Fächer in verstärktem Maße.<br />
Auch die zentralen Abschlussprüfungen sind in allen Fächern selbstverständlich in Deutsch verfasst. 71<br />
Eine Lehrkraft betonte:<br />
„Ich hab da immer einige Schüler/innen, die die Mängel in Sprachverständnis und Ausdrucksfähigkeit<br />
(und das hat nichts mit LRS zu tun) gerne mal 3 oder mehr Punkte kostet. Wobei das natürlich auch<br />
"Deutsche" betrifft, die mangelnde Förderung erfahren haben.“<br />
3.2.2 Unterstützung durch Eltern und Nachhilfe<br />
Kinder mit bildungsbürgerlichem Hintergrund gibt es bei vielen Nationalitäten, die in Deutschland leben.<br />
Es gibt aber auch aus allen Nationen Menschen, die eher einer bildungsfernen Schicht angehören.<br />
Wenn man berücksichtigt, dass viele eher aus politisch oder ökonomisch unsicheren Verhältnissen<br />
kommen, (sonst wären sie wohl noch dort), dann liegt es nahe zu vermuten, dass unter den<br />
Migrantenfamilien auch viele sind, die mit deutscher Bildungstradition wenig verbindet.<br />
68<br />
Legasthenie-Erlass Hessen, Verordnung über die Förderung von Schülerinnen und Schülern mit besonderen Schwierigkeiten beim<br />
Lesen, Rechtschreiben oder Rechnen (VOLRR) vom 18. Mai 2006, Gült. Verz. Nr. 7200, §1(3)<br />
69<br />
Ebd. §8(1)<br />
70<br />
Ebd.<br />
71<br />
Ausnahme sind hier nur Kunst- und Sport-Praxis (im Leistungskurs).<br />
34