Abschlussbericht - Praxislabor - Technische Universität Darmstadt
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lungssicherheit zu bekommen, dann ist schnell die Grenze der Toleranz erreicht. Dann ist jede Suche<br />
nach Gemeinsamkeit, jede Aufgabe des eigenen Standpunktes zugunsten eines anderen gefährlich, da<br />
es die eigene Position untergräbt.<br />
Hier werden dann schnell durch eigene Erfahrung „empirisch“ erhärtete Grenzen gesetzt, die angeben,<br />
dass mit diesem oder jenem nicht zu reden oder zusammenzuleben möglich sei, weil er oder sie „nun<br />
mal so und so sei“. Und gerade kontaktfreudigen und aufgeschlossenen Menschen kann es passieren,<br />
dass sie nicht offen empfangen werden von solchen Gruppen, die ihre Exklusivität brauchen um sich zu<br />
definieren. Denn dann ist von vornherein bereits der Kontakt gefährlich, da er potenziell die eigene<br />
Gewissheit unterwandert.<br />
In diesem Zusammenhang ist eine Beobachtung an der BBS zu erwähnen, die den Dialog zwischen den<br />
verschiedenen „Kulturen“ eher behindert als fördert. Die Auftrennung der Schüler/innen nach Konfessionen<br />
ist für gezielte Betrachtung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden der Religionen kontraproduktiv.<br />
Dies wurde von einer Lehrkraft dahingehend präzisiert, dass gerade der Ethik-Unterricht<br />
darunter zu leiden hätte. Hier fehlten nämlich meist wesentliche Argumente, wenn es um die Besprechung<br />
von Religion geht. Religiöse islamische Standpunkte träfen oft auf atheistische deutsche Standpunkte.<br />
Die überzeugten deutschstämmigen Christen fehlten, da sie separat im Fach katholische oder<br />
evangelische Religion unterrichtet würden. Die Praxis, in der 11. Klasse reine Ethikklassen oder z.B.<br />
reine katholische Klassen zu bilden, erscheint uns in dieser Hinsicht die Tendenz zur Segregation und<br />
dadurch zur gegenseitigen Mystifizierung und Abgrenzung zu verstärken. Falls die Brechtschule so den<br />
Rückzug in die unreflektierte „Gemütlichkeit“ der Herkunftsidentität unterstützte, würde sicherlich<br />
nicht das Verständnis der Schüler/innen untereinander gefördert.<br />
b) Klassendenken<br />
Identifizierung findet nicht ausschließlich durch die Aktivität innerhalb der Gruppen statt. Die Identität<br />
eines jungen Menschen, sowie auch dessen Schulkarriere ist durch ein mehr oder minder engagiertes<br />
Elternhaus geprägt.<br />
Der soziale Hintergrund ist deshalb auch immer ein problematischer Faktor. Die Schüler, die die Qualifikation<br />
für die gymnasiale Oberstufe erlangt haben, haben während ihrer vergangenen Schulzeit bereits<br />
Förderung durch die Eltern erfahren. Eltern, die ihren Kindern jegliche Art der Förderung ermöglichen,<br />
sei es durch professionelle Nachhilfe, Sprachkurse, andere finanzielle Unterstützung oder das<br />
„selbstverständliche“ fürsorgliche Kümmern um die eigenen Kinder, stehen häufig in der so genannten<br />
(wohlhabenden) Mittelschicht der Gesellschaft. Eltern die diese Förderung und Fürsorge für ihre Kinder<br />
nicht leisten können, sind nicht selten am Rande der Gesellschaft angesiedelt und gehören zu den<br />
bildungsferneren Schichten.<br />
Zwar sollte man auch hier keine Pauschalisierung vornehmen, denn es gibt auch Jugendliche, die es<br />
trotz geringerer Unterstützung durch das Elternhaus in die Oberstufe geschafft haben. Allerdings haben<br />
uns die Lehrkräfte mitgeteilt, dass viele Eltern nicht an Elternsprechtagen oder ähnlichem Teilnehmen<br />
können, da sie häufig nicht ausreichende Sprachkenntnisse haben.<br />
In den Medien („Die Superlehrer“, „Jugendcoach Oliver Lück“, „Die Supernanny“) wird häufig von<br />
Schulabbrechern, Kindern ohne jegliche Schulkarrieren und Perspektiven für ihr berufliches bzw. allgemein<br />
zukünftiges Leben berichtet und nicht immer sind diese Jugendlichen Menschen aus Familien<br />
mit Migrationshintergrund. Deshalb besteht auch nicht in erster Linie das Problem der Unterschiede<br />
zwischen Familien mit oder ohne Migrationshintergrund, sondern das Problem der immensen Bedeutung<br />
der sozialen und finanziellen Stellung innerhalb der deutschen Gesellschaft. Bereits in den 1980er<br />
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