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Abschlussbericht - Praxislabor - Technische Universität Darmstadt

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allen Unterschieden abzusehen, kann ich wenigstens sicher sein, überhaupt jemand zu sein, nämlich<br />

z.B. ein Deutscher.<br />

Es wäre interessant zu erfahren, wie die „Grüppchenbildung“ in der Schule auf dem Pausenhof oder<br />

während den Phasen einer Gruppenarbeit im Unterricht stattfindet. Eine Lehrkraft erklärte uns:<br />

„Zunächst wird in der 11. Klasse kurz abgecheckt wer aus welchem Land kommt, welche Staatsangehörigkeit<br />

er hat. Einigen bekannteren Freunden werden dann noch die, zum Teil tragischen, Lebensgeschichten<br />

erzählt. Im Verlauf der Zeit wird das aber nicht weiter kommentiert oder zum Anlass zur Diskriminierung<br />

genommen. Das letztliche Zusammenleben und -wirken der Schülerinnen und Schülerin den Gruppen ist<br />

doch immer so und normal.“<br />

Das sollte nicht allzu leichtfertig behauptet werden. Es wäre eine Überlegung und die Aufmerksamkeit<br />

der Lehrkräfte wert, zu beachten, aus welchen Gründen sich die einzelnen Gruppen zusammenfügen.<br />

Sind es die gleichen Workshops, gleiche Fächerkombinationen und Kurse, ähnliche Hobbies, gleiche<br />

sportliche Interessen, der gleiche Musikgeschmack, oder die Religion und Kultur, die diese Menschen<br />

verbindet und ihnen ein Zugehörigkeitsgefühl bietet?<br />

Oder ist es die Ablehnung anderer Nationalitäten, die eine Gruppe so einfach zusammenhält, weil sie<br />

gar nicht widerlegbar ist. In diese Richtung gehen auch die folgenden Überlegungen einer befragten<br />

Lehrkraft zu den Ursachen von Rassismus:<br />

„Also ich denke sozialpsychologisch würde mir da spontan einfallen, dass es offenbar für Manche wichtig<br />

ist, so eine Art Gruppenidentität zu haben, man gehört dazu. Und die anderen gehören eben nicht dazu.“<br />

Und weiter:<br />

„Ein psychologisches Argument wäre, dass man dann sagt: ‚OK, man muss sich von den anderen abgrenzen.’<br />

Aber wenn dann einer in der Gruppe den Ton angibt und sagt, das sind, ich will nicht sagen unsere<br />

Feinde, aber anders, die gefährden vielleicht unsere Identität als Gruppe, die sich ja stark fühlt, weil man<br />

vielleicht individuell einzeln relativ schwach ist und da die Stärke in der Gruppe sucht. Dass man dann<br />

sagt: also ok, dann die Türken. Die organisieren sich dann auch in gewisser Weise, um sich wiederum dagegen<br />

zu wehren. Das ist also eine Art Suche nach Identität in einer Gruppe, die dann dazu führt, dass<br />

man sich gegeneinander abgrenzt und gelegentlich dann Vorstellungen, sag ich mal, erfindet und dann eine<br />

andere Gruppe versteckt oder auch offen diskriminiert.“<br />

Hier sei betont, dass diese Beschreibung nicht den Zustand an der BBS illustrieren sollte, sondern auf<br />

unsere Aufforderung hin als allgemeine Theorie für die Funktionsweise von Rassismus bei Jugendlichen<br />

vorgebracht wurde.<br />

Vor allem die vielen unterschiedlichen „Kulturen“ sind das Spezielle an der Berthold-Brecht-Schule und<br />

oft ist es doch „die Kultur“ eines Menschen, durch die er sich identifiziert.<br />

Eine Folge gerade der Heterogenität der Kulturen und Verhaltensweisen ist also paradoxerweise der<br />

Versuch, sich in „seine“ kulturelle Identität zurückzuziehen, das heißt, sich eine zunächst private, später<br />

dann oft auch kollektive Illusion darüber zu machen, dass es so etwas wie die wahren Kurden oder<br />

Basken oder was auch immer gäbe, die nur noch nicht oder nicht mehr als Einheit leben dürften. Aber<br />

wenn, dann wäre das in dieser Illusion ein paradiesischer Zustand.<br />

Diese Separierung aus Angst vor Identitätsverlust geschieht also aus dem gleichen Motiv wie das Zurücksehnen<br />

der „guten Deutschen“ nach einer Zeit ohne Durchmischung. 60<br />

Wenn eine Gruppe zum Selbstverständnis und zur Identifikation solche Unterschiede braucht, und<br />

wenn sie diese sogar betonen muss, um nach innen und außen Selbstgewissheit und dadurch Hand-<br />

60<br />

Vgl. Eickelpasch und Rademacher, 2004, S.68ff<br />

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