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Abschlussbericht - Praxislabor - Technische Universität Darmstadt

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was gemeint ist, ohne selbst gemeint sein zu müssen. Rassismus wird in der Öffentlichkeit bevorzugt<br />

als Praxis extremer Gruppierungen benannt, nicht aber als alltägliche Diskriminierungsform und als<br />

Weltbild, das in der Mitte der Gesellschaft verankert ist. Eigene Nähen zu rassistischen Vorstellungen<br />

können dadurch ignoriert werden.“ 35<br />

Es scheint einfacher einen Schuldigen zu finden, der aus fehlgeleiteten Wertevorstellungen und vielleicht<br />

auch schwierigen sozialen Verhältnissen stammend, seine extreme Position erst formuliert, statt<br />

eine strukturelle Problematik zu erkennen, die jeden Einzelnen in seinem alltäglichen Handeln immer<br />

wieder vor die Frage nach den eigenen Verantwortlichkeiten stellt.<br />

Der dritte Punkt, die Verlagerung von Rassismus in die Vergangenheit ist ein spezifisch deutsches Phänomen,<br />

begründet durch die Zeit des Nationalsozialismus und den Holocaust, die als historische Extrempunkte<br />

alles heutige zu nicht Vergleichbarem machen. Es entstand ein Geschichtsbild, das sich „die<br />

Vorstellung einer abgeschlossenen Epoche, die zur Vernachlässigung von Diskontinuitäten und Nachwirkungen“<br />

36 führte, zu eigen machte und somit den Grundstein legte für „das Selbstbild erinnerungskultureller<br />

Läuterung“ 37 , das in Deutschland vorherrscht. Die Betonung des Überwundenhabens von<br />

Vergangenheit, so trefflich gefasst in dem allgegenwärtigen Begriff der Vergangenheitsbewältigung,<br />

verdeutlicht das.<br />

Die Diagnose der Gesellschaft ist daher eindeutig: „Die drei Muster: Skandalisierung, Verlagerung in<br />

die Vergangenheit und Verlagerung in den Extremismus beobachte ich sowohl in sozialen Interaktionen,<br />

medialer Öffentlichkeit wie auch in den Sozialwissenschaften. Insbesondere die beiden letzteren<br />

Formen eignen sich dazu, Rassismus zwar zu thematisieren und sich selbst dadurch als aufgeklärt und<br />

kritisch zu repräsentieren, ihn aber zugleich auf Abstand zu halten.“ 38<br />

5 Institutioneller Rassismus und Schule.<br />

Für die Pädagogik stellt sich besonders die Frage danach, wie innerhalb von Bildungseinrichtungen<br />

Elemente von Rassismus, Kategorien der Differenzierung und darauf folgende Ausschlussverfahren,<br />

zum Tragen kommen. Dabei ist die Schule als Ort von größter Bedeutung. Die hier gestellten Ansprüche<br />

an Schüler/innen wie Lehrer/innen, sowie die in der Gesellschaft bereits festgelegten Kriterien von<br />

Bewertung sollten eine größtmögliche Chancengleichheit ermöglichen. Dass jedoch in der Schule heterogene<br />

Voraussetzungen dieses Ziel gleichzeitig unterlaufen, führt zwangsläufig zu Ungleichbehandlung.<br />

Zwar gibt es erfolgreiche und erfolglose Schüler/innen, diese sind jedoch häufig „Konstrukt und<br />

Produkt der Organisation, ihrer Unterscheidungen und der darauf folgenden Entscheidungen“. 39<br />

Von den Entscheidungen der Lehrkräfte, etwa ein Kind für eine bestimmte Schulform vorzuschlagen,<br />

wie es beispielsweise am Ende der Grundschule geschieht, hängt das zukünftige Leben der Schüler/innen<br />

ab. Innerhalb dieser Entscheidungen kommen institutionalisierte Verfahrensweisen zur Anwendung,<br />

die durch die Strukturierung und die Ausrichtung (etwa durch die Politik im Kultusministerium)<br />

vorgeschrieben sind. Das Schulsystem produziert auf diese Weise eine Gesellschaft, in der von<br />

Beginn der Schullaufbahn an Unterscheidungskategorien und Selektionen entstehen, die gleichsam die<br />

bestehenden Formen gesellschaftlicher Ungleichheit reproduzieren.<br />

35<br />

36<br />

37<br />

38<br />

39<br />

Ebd.<br />

Ebd. S.4.<br />

Ebd.<br />

Ebd. S.6.<br />

Gomolla, Mechthild, Radtke, Frank-Olaf: Institutionelle Diskriminierung. Die Herstellung ethnischer Differenz in der Schule, Wiesbaden<br />

2007. S. 54.<br />

18

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