Abschlussbericht - Praxislabor - Technische Universität Darmstadt
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3 Verschiebungen 3.1 Kultur Der Kulturbegriff ist ein weit gefasster, der in vielen Diskursen beheimatet scheint und der in seiner Ausprägung scheinbar harmlos ist, da die Wertung von Kultur meist als neutral verstanden wird. Dennoch kann man, wenn man den Kulturbegriff genauer betrachtet, feststellen, dass auch hier sich Kategorien eingeschrieben haben, die Differenzierungen ausdrücken und festlegen. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass der Kulturbegriff innerhalb des 19. Jahrhunderts entstandene Beschreibungen wie Klasse, Nation, aber auch Geschlecht und Religion. aufnahm und damit Kategorien von kulturellen Unterschieden ermöglichte. Diese Unterscheidungen treten heute vermehrt dort auf, wo nicht mehr über Rassen gesprochen wird. „Bemerkenswert ist […], dass mit der Abwertung des Rassebegriffs […] gleichzeitig eine Aufwertung der „Unterschiede zwischen den Kulturen“ […] einhergeht, die bis zu deren Unaufhebbarkeit gesteigert werden kann.“ 26 Die biologistischen Zuschreibungen werden transformiert in einen weniger negativ konnotierten Zusammenhang; den der Kultur: „Damit wird eine neorassistische Funktion […] erfüllt, weil statt eines rassischen ein kultureller Determinismus unterstellt wird, aufgrund dessen ein Individuum in „seiner Art und Sozialität“ naturwüchsig festgelegt wird (als „Deutscher“, „Spanier“, „Schwabe“, Süditalienerin“ usw.).“ 27 Auch die Verwendung des Begriffs der Kultur drückt eine Unterscheidung in Wir-Sie Differenzen aus, nicht immer bewusst abwertend oder diskriminierend, aber stets unter dem Motiv einer Kategorisierung eines Unterschieds. Und diese Unterschiede tragen das Moment der Wertung in sich, auch wenn sie nicht immer so artikuliert werden, bleibt ihre Funktion erhalten: die Festschreibung von bestimmten Eigenschaften auf ein Kollektiv. „Kultur ersetzte die durch den diskreditierten Rassebegriff entstandene „Leerstelle“, wodurch die Funktionsmerkmale wie „homogen“, „eindeutig“, „unveränderlich“, „übertragbar“, „natürlich“ usw., die vormals dem Rassediskurs zugrunde lagen, auf den Kulturdiskurs übergingen.“ 28 3.2 Diskriminierung Diskriminierung als Praxis bezeichnet dem lateinischen Wortursprung nach die Unterscheidung von etwas und enthält noch keine wertende Konnotation. Kommt es innerhalb einer Gesellschaft zu Unterscheidungen, so sind diese dann negativ, wenn sie die Unterscheidung mit einer Wertung verbinden. Diese Wertung geschieht meist nicht interesselos, sondern vollzieht ein Moment gesellschaftlicher Machtausübung: „der Starke diskriminiert den Schwachen und nicht umgekehrt!“ 29 Dem liegt meist eine ideologische Vorstellung zugrunde, nach der bestimmte Gruppen anderen Gruppen überlegen sind. Aus dieser Überlegenheit wird ein Anspruch auf das Recht abgeleitet die anderen Gruppen zu benachteiligen, auszuschließen oder anzugreifen. Dabei gibt es viele Formen von Gruppenzuschreibungen, die Grundlagen für Diskriminierung sind: Geschlecht oder sexuelle Orientierung (Sexismus, Heterosexismus, Homophobie), Herkunft, Abstammung, Hautfarbe oder Ethnie (Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus), religiöse oder politische Anschauung (Judenfeindlichkeit, Islamophobie, Politische Verfolgung), körperliche oder geistige Fähigkeiten (Behindertenfeindlichkeit), soziale Herkunft, Sprache oder Alter (Altersdiskriminierung). 30 26 27 28 29 30 Höhne, Thomas: Kultur als Differnzierungskategorie, in: H. Lutz / N. Wenning (Hrsg.): Unterschiedlich verschieden. Differenz in der Erziehungswissenschaft, Opladen 2000. S. 200. Ebd. Ebd. migration works-Zentrum für Partizipation basis & woge e.V. (Hrsg.): Diskriminierung erkennen und hadeln! Hamburg 2007. S.17. Aufzählung zitiert nach: Ebd. 16
Diskriminierung kann auch strukturell sein und innerhalb einer Gesellschaft ganze Gruppen aus bestimmten Diskursen ausschließen. Dabei können sich Diskriminierungspraxen als politische Agenda formulieren, die häufig nicht als Rassismus wahrgenommen wird. 4 Abwehrstrategien 4.1 Der Rassismus der Anderen In ihrem als Text vorliegenden Fachgespräch Normalität und Alltäglichkeit des Rassismus – politisch und institutionell. Verlagerungen: Der Rassismus der Anderen formuliert Astrid Messerschmidt die Problematik der aktuellen Beschäftigung mit Rassismus als gesellschaftlichem Phänomen. Für sie stehen dabei drei zentrale Dimensionen fest, durch die Rassismus normalisiert wird: „Skandalisierung, Verlagerung in den Rechtsextremismus, Verlagerung in die Vergangenheit.“ Die Skandalisierung von Rassismus findet überall dort statt, wo nicht die rassistische Tat als Skandal empfunden wird, sondern der Umgang damit. Messerschmidt erwähnt in ihrem Text das Beispiel des Abgeordneten Uwe Karten Heye, der vor der Fußball-WM öffentlich vor no-go-areas warnte. Diese im Jargon der rechten Gruppierungen auch National Befreite Zonen genannten Gebiete seien von ausländischen Besuchern zu vermeiden, so Heye. Er löste daraufhin eine Auseinandersetzung aus, die sich nach der Frage der Bezeichnung, nicht aber dem Phänomen selbst zuwandte. „Der Hinweis auf ein bestehendes gesellschaftliches Problem wird abgewehrt dadurch, dass denjenigen, die darauf hinweisen, eine verzerrte Wahrnehmung unterstellt wird.“ 31 Diese Skandalisierung ist bereits zu einem wesentlichen gesellschaftlichen Moment geworden, das sich nicht nur in medialen Debatten wieder findet, sondern auch in Universitätsseminaren. Messerschmidt berichtet aus eigenen Erfahrungen und stellt fest: „Den Hinweis darauf, dass rassistische Diskriminierungen auch an der eigenen Universität oder im eigenen Studiengang vorkommen, empfinden einige weiße Studierende sofort als Angriff und Stigmatisierung.“ 32 Die Abwehr einiger Studierenden gegenüber diesen Hinweisen analysiert Messerschmidt, sie schreibt: „Das Gefühl, verletzt worden zu sein, bringt zum Ausdruck, dass etwas getroffen worden ist […] dass darin eine Ahnung von der strukturellen Präsenz von Rassismus ausgedrückt wird, die aber als unreflektierte und nicht artikulierte in der Form rhetorischer Zurückweisung auftritt.“ 33 Die Schutzhaltung einer Gesellschaft, die eine eigene Verwicklung in rassistische Strukturen nicht erkennt oder erkennen will produziert somit ein Unbehagen, das sich in der Skandalisierung von Vorwürfen ausdrückt, die auch gegen „die Sehnsucht nach einem unbeschädigten nationalen Selbstbild“ 34 vorgehen. Diesem Prozess dienlich ist auch die Verlagerung von Rassismus in den (Rechts)Extremismus. Die allgemeine Wahrnehmung rassistischer Übergriffe in Deutschland wird fast ausschließlich begleitet von der Formulierung des Extremismus. Der Extremismus ist dabei immer exklusiv und setzt voraus, dass die Extremisten eine gesellschaftliche (rassistische) Minderheit darstellen und innerhalb einer Gesellschaft agieren, die frei von Rassismus sei. „Dadurch geraten der alltägliche Rassismus und der mehrheitsfähige, nationalistische Diskurs aus dem Blick. Beim Rechtsextremismus wissen immer alle, 31 Messerschmidt, Astrid: Fachgespräch: Normalisierter Rassismus. Politische und institutionelle Implikationen von alltäglichem Rassismus: Verlagerungen - der Rassismus der Anderen. Bonn, September 2007. Quelle: http://www.abpaed.tudarmstadt.de/arbeitsbereiche/eb/documents/NormalitaetdesRassismus.pdf, am:29.1.2009. S.1. 32 Ebd. 33 Ebd. 34 Ebd. S.2. 17
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Diskriminierung kann auch strukturell sein und innerhalb einer Gesellschaft ganze Gruppen aus bestimmten<br />
Diskursen ausschließen. Dabei können sich Diskriminierungspraxen als politische Agenda<br />
formulieren, die häufig nicht als Rassismus wahrgenommen wird.<br />
4 Abwehrstrategien<br />
4.1 Der Rassismus der Anderen<br />
In ihrem als Text vorliegenden Fachgespräch Normalität und Alltäglichkeit des Rassismus – politisch und<br />
institutionell. Verlagerungen: Der Rassismus der Anderen formuliert Astrid Messerschmidt die Problematik<br />
der aktuellen Beschäftigung mit Rassismus als gesellschaftlichem Phänomen. Für sie stehen dabei<br />
drei zentrale Dimensionen fest, durch die Rassismus normalisiert wird: „Skandalisierung, Verlagerung<br />
in den Rechtsextremismus, Verlagerung in die Vergangenheit.“<br />
Die Skandalisierung von Rassismus findet überall dort statt, wo nicht die rassistische Tat als Skandal<br />
empfunden wird, sondern der Umgang damit. Messerschmidt erwähnt in ihrem Text das Beispiel des<br />
Abgeordneten Uwe Karten Heye, der vor der Fußball-WM öffentlich vor no-go-areas warnte. Diese im<br />
Jargon der rechten Gruppierungen auch National Befreite Zonen genannten Gebiete seien von ausländischen<br />
Besuchern zu vermeiden, so Heye. Er löste daraufhin eine Auseinandersetzung aus, die sich nach<br />
der Frage der Bezeichnung, nicht aber dem Phänomen selbst zuwandte. „Der Hinweis auf ein bestehendes<br />
gesellschaftliches Problem wird abgewehrt dadurch, dass denjenigen, die darauf hinweisen,<br />
eine verzerrte Wahrnehmung unterstellt wird.“ 31<br />
Diese Skandalisierung ist bereits zu einem wesentlichen gesellschaftlichen Moment geworden, das sich<br />
nicht nur in medialen Debatten wieder findet, sondern auch in <strong>Universität</strong>sseminaren. Messerschmidt<br />
berichtet aus eigenen Erfahrungen und stellt fest: „Den Hinweis darauf, dass rassistische Diskriminierungen<br />
auch an der eigenen <strong>Universität</strong> oder im eigenen Studiengang vorkommen, empfinden einige<br />
weiße Studierende sofort als Angriff und Stigmatisierung.“ 32 Die Abwehr einiger Studierenden gegenüber<br />
diesen Hinweisen analysiert Messerschmidt, sie schreibt: „Das Gefühl, verletzt worden zu sein,<br />
bringt zum Ausdruck, dass etwas getroffen worden ist […] dass darin eine Ahnung von der strukturellen<br />
Präsenz von Rassismus ausgedrückt wird, die aber als unreflektierte und nicht artikulierte in der<br />
Form rhetorischer Zurückweisung auftritt.“ 33 Die Schutzhaltung einer Gesellschaft, die eine eigene<br />
Verwicklung in rassistische Strukturen nicht erkennt oder erkennen will produziert somit ein Unbehagen,<br />
das sich in der Skandalisierung von Vorwürfen ausdrückt, die auch gegen „die Sehnsucht nach<br />
einem unbeschädigten nationalen Selbstbild“ 34 vorgehen. Diesem Prozess dienlich ist auch die Verlagerung<br />
von Rassismus in den (Rechts)Extremismus.<br />
Die allgemeine Wahrnehmung rassistischer Übergriffe in Deutschland wird fast ausschließlich begleitet<br />
von der Formulierung des Extremismus. Der Extremismus ist dabei immer exklusiv und setzt voraus,<br />
dass die Extremisten eine gesellschaftliche (rassistische) Minderheit darstellen und innerhalb einer Gesellschaft<br />
agieren, die frei von Rassismus sei. „Dadurch geraten der alltägliche Rassismus und der<br />
mehrheitsfähige, nationalistische Diskurs aus dem Blick. Beim Rechtsextremismus wissen immer alle,<br />
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Messerschmidt, Astrid: Fachgespräch: Normalisierter Rassismus. Politische und institutionelle Implikationen von alltäglichem Rassismus:<br />
Verlagerungen - der Rassismus der Anderen. Bonn, September 2007. Quelle: http://www.abpaed.tudarmstadt.de/arbeitsbereiche/eb/documents/NormalitaetdesRassismus.pdf,<br />
am:29.1.2009. S.1.<br />
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