Abschlussbericht - Praxislabor - Technische Universität Darmstadt

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Die Frau scheint sich vor etwas zu verstecken. Sie verdeckt und schützt sich und ihr Gesicht vor etwas unheimlich Angsteinflößendem. Man könnte sich auch vorstellen, dass sie durch den Arm vor ihrem Gesicht Schläge oder Angriffe generell abzuwehren versucht. Durch die gewählte Perspektive, von oben auf die Person herab zu fotografieren, wirkt sie klein, hilflos und unterdrückt. Aus dem Interview mit den Schülerinnen bezüglich ihres Bildes ging hervor, dass sie beim inszenieren ihres Fotos eine Atmosphäre von Angst schaffen wollten. Die Vogelperspektive führt ihrer Meinung nach dazu, dass es so aussieht, als ob jemand die Person auf dem Foto angreift. Die Hand vor ihrem Gesicht solle der Person Schutz bieten, so die Schülerinnen. Außerdem sei die Person auf dem Foto wegen der Äste von der Außenwelt abgeschnitten, beziehungsweise abgekapselt. Sie beschreiben z.B. die Szene auf dem Foto als eine Verfolgung einer Person, die in die Ecke gedrängt wird und keinen Ausweg hat. Außerdem könne man, da die Person auf dem Foto nicht „typisch deutsch“ aussieht, davon ausgehen, dass sie Ausländerin ist und von Nazis bedroht wird, so die Schülerinnen. Zudem hatten die Schülerinnen darüber nachgedacht, die Person auf dem Foto ein Kopftuch tragen zu lassen, um deutlicher zu machen, dass es sich um eine Person aus einem anderen Kulturkreis handelt und dadurch die Assoziation zum Thema Rassismus und Verfolgung deutlicher zu machen. Die Schülerinnen stellen auf diesem Foto ein Opfer aktiver Gewalt dar. Das Mädchen auf dem Bild stellt den Gegenpol zu den „Fotografinnen“ dar, da sie sie im Gegensatz zu sich als nicht selbstbewusst beschreiben. Sie selbst seien selbstbewusst genug um sich gegebenenfalls zu wehren und würden sich demnach nicht zu Opfern machen lassen. Obwohl sie Diskriminierung durchaus kennen, haben sie sie ihrer Aussage nach noch nicht selbst erlebt und wenn, dann nur als Witz und dadurch in nicht wirklich negativ gemeinter Art. Die Schülerinnen stellen sich als sehr tough dar, was uns zu der Annahme verleitet, dass es einen Grund geben muss taff zu sein. Es muss Vorfälle oder negative Erfahrungen geben, die einen dazu veranlassen sich einen Schutzpanzer zuzulegen. Demnach wurden diese diskriminierenden Erfahrungen entweder nicht direkt als solche wahrgenommen, verdrängt oder sie wollten nicht davon berichten. 5.1. Fazit der Bildanalysen Beim näheren Auseinandersetzen mit den Fotos stellten wir fest, dass es sich größtenteils um die Darstellung von subtilem Rassismus handelt. Die Schüler/innen bezogen sich in ihren Arbeiten auf die herausgearbeiteten Zuordnungen zum Rassismusbegriff aus dem Brainstorming. Demnach zeigen die Bilder fast ausschließlich Diskriminierungsformen, denen nicht auf den ersten Blick Rassismus zugeschrieben wird. In der Euphorie des Fotografierens war bei den Schüler/innen oftmals der Hintergrund Rassismus vernachlässigt worden. Unterbewusst war ihnen die Thematik während des Fotografierens und der Bildbearbeitung präsent, was die Bilder stark beeinflusst hat. Dieser von uns gezogene Schluss bestätigte sich in den Interviews. Da es nicht unser Ziel war, Fotografien zu erhalten, die sofort erkennbaren Rassismus zeigen, kam uns diese Entwicklung in den Arbeitsphasen zu Gute. Die Bilder haben eine starke Aussagekraft und verdeutlichen alltäglichen Rassismus, von dem sich viele Menschen distanzieren. Rassismus, der häufig nicht gesehen, bzw. übersehen wird. 6. Gesamtfazit des Projekts Bilderwelten Da wir auf verschiedenen Ebenen Schlussfolgerungen gezogen haben, ist das abschließende Fazit in zwei Teilpunkte gegliedert. Zunächst werden wir den didaktischen Verlauf der Projektwoche reflektie- 120

en. Hierbei war ein Reflexionsgespräch mit den Lehrkräften, unter der Leitung von Frau Dr. Olga Zitzelsberger, ca. sieben Wochen nach der Projektwoche, hilfreich. Daran anschließend analysieren wir die Schüler/innenarbeiten und Interviews. Im Laufe der Projektwoche zeigte sich, dass sich durch unsere fehlende didaktische Erfahrung die Durchführung der Projektwoche schwieriger gestaltete als erwartet. Die ersten Schwierigkeiten ergaben sich durch die mangelnde Absprache zwischen den Lehrkräften und uns. Es fanden zwei kurze Projektplanungstreffen statt, in denen inhaltliche Ziele grob abgesteckt wurden, allerdings nicht über die didaktische Umsetzung im Detail gesprochen wurde. So kam es zu Unklarheiten im Bezug auf Inhalte, die den Schüler/innen vermittelt werden sollten und zu unterschiedlichen Zielvorstellungen für die gesamte Projektwoche. Diese unterschiedlichen Annahmen über Ziele der Projektwoche, zwischen den Lehrkräften und uns, führte zu widersprüchlichem Arbeiten, das uns gegenseitig behinderte. Unsere Vorgehensweise zu Anfang machte es den Schüler/innen schwer eine Verbindung von dem theoretischen Teil, der ausschließlich Rassismus thematisierte, zu der erwarteten aktiven Projektarbeit, dem Fotografieren, zu ziehen. Die gleiche Problematik ergab sich mit dem kognitiven Kartieren und der Fotopraxis. Unsere Vermittlungsprobleme zeigten sich insbesondere in der Erstellung einfacher Arbeitsaufträge. Der Grund hierfür bestand in erster Linie darin, dass unsere Intentionen zu komplex waren. Die Arbeitsaufträge konnten von den Schüler/innen nicht nachvollzogen werden. Hilfreich hierbei waren für uns die Lehrkräfte, die vereinfachte, für die Schüler/innen verständliche Anweisungen, formuliert haben. Daraus ergab sich ein „produktiveres“ Arbeiten im Sinne eines „vorzeigbaren“ Ergebnisses für die Projektwoche. Für die Lehrkräfte war die Herstellung von vorzeigbaren Produkten wichtig, da sie auf Grund der kurzen Arbeitszeit in der Projektwoche zielgerichtet auf ein Ergebnis hinarbeiten wollten. Für sie war dies insbesondere im Sinne der Schüler/innen, da in der Projektwoche auf fassbare Ergebnisse Wert gelegt wird. Dementsprechend waren sie an einfachen Vorgaben interessiert, wie z.B. der Herstellung von Klischeefotos. Diese erfordern das Hineinschlüpfen in eine fremde Rolle und gewähren immer noch die Möglichkeit, persönliche Betroffenheit oder schmerzhafte Erfahrungen nicht bewusst werden zu lassen, da es die „Rolle“ eines anderen Menschen ist. Außerdem bräuchte es zur fotografischen Darstellung von Rassismus extremer Bildinhalte, die sich auf physische Gewalt beziehen. Demnach wäre es kaum möglich für die Schüler/innen, Rassismus auf sich bezogen in Bildern darzustellen, denn das Subtile könne in Bildern nicht ausgedrückt werden. Für uns gerieten dadurch Inhalt und Medium in Konflikt. Denn anscheinend konnte in den Bildern nur Rassismus als „Extrem“ dargestellt werden, welchem wir auf der inhaltlichen Ebene entgegengearbeitet haben, indem wir Rassismus als „alltäglich“ charakterisierten. Im „Extrem“ wird der Rassismus vom Selbst abgetrennt und als „Randphänomen“ an den Rand gedrängt und bei anderen verortet. Das eigene Umfeld und die eigene Position werden herausgenommen. Wir wollten über den Typus „Klischee“ hinaus, zu individuellen Erfahrungen und Gefühlswahrnehmungen der Schüler/innen. Damit wollten wir erreichen, dass sie sich ihrer eigenen Positionierungen bewusst werden und eine Reflexion über die eigenen und fremden Handlungsweisen stattfindet. Wir erwarteten von den Schüler/innen eine völlig offene Umgangsweise mit ihren Erfahrungen und Positionierungen zu Rassismus. Sie sollten sich selbst und die herrschenden gesellschaftlichen Strukturen reflektieren. Wir selbst blieben „unsichtbar“. Schon in der Theoriephase machten wir unsere Position nicht deutlich, sondern bezogen uns auf wissenschaftliche Untersuchungen. Weiterhin berichteten wir nicht über unsere Gefühlswahrnehmungen und setzten sie auch nicht fotografisch in Szene. Dies führte dazu, dass wir eine Beobachterrolle einnahmen. So konnten wir uns hinter der Maske von scheinbarer „Neutralität“ verbergen. In diesem Akt zeigten sich hierarchische Schulstrukturen. Wir und die Lehrkräfte stellten uns demnach über den/die Schüler/in und beurteilten diese. Obwohl wir Reflexion erwarteten, taten wir dies selbst nicht. 121

Die Frau scheint sich vor etwas zu verstecken. Sie verdeckt und schützt sich und ihr Gesicht vor etwas<br />

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Gesicht Schläge oder Angriffe generell abzuwehren versucht. Durch die gewählte Perspektive, von<br />

oben auf die Person herab zu fotografieren, wirkt sie klein, hilflos und unterdrückt.<br />

Aus dem Interview mit den Schülerinnen bezüglich ihres Bildes ging hervor, dass sie beim inszenieren<br />

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Die Vogelperspektive führt ihrer Meinung nach dazu, dass es so aussieht, als ob jemand die Person auf<br />

dem Foto angreift.<br />

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beschreiben z.B. die Szene auf dem Foto als eine Verfolgung einer Person, die in die Ecke gedrängt<br />

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deutsch“ aussieht, davon ausgehen, dass sie Ausländerin ist und von Nazis bedroht wird, so die Schülerinnen.<br />

Zudem hatten die Schülerinnen darüber nachgedacht, die Person auf dem Foto ein Kopftuch tragen zu<br />

lassen, um deutlicher zu machen, dass es sich um eine Person aus einem anderen Kulturkreis handelt<br />

und dadurch die Assoziation zum Thema Rassismus und Verfolgung deutlicher zu machen. Die Schülerinnen<br />

stellen auf diesem Foto ein Opfer aktiver Gewalt dar. Das Mädchen auf dem Bild stellt den Gegenpol<br />

zu den „Fotografinnen“ dar, da sie sie im Gegensatz zu sich als nicht selbstbewusst beschreiben.<br />

Sie selbst seien selbstbewusst genug um sich gegebenenfalls zu wehren und würden sich demnach<br />

nicht zu Opfern machen lassen. Obwohl sie Diskriminierung durchaus kennen, haben sie sie ihrer Aussage<br />

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Die Schülerinnen stellen sich als sehr tough dar, was uns zu der Annahme verleitet, dass es einen<br />

Grund geben muss taff zu sein. Es muss Vorfälle oder negative Erfahrungen geben, die einen dazu veranlassen<br />

sich einen Schutzpanzer zuzulegen. Demnach wurden diese diskriminierenden Erfahrungen<br />

entweder nicht direkt als solche wahrgenommen, verdrängt oder sie wollten nicht davon berichten.<br />

5.1. Fazit der Bildanalysen<br />

Beim näheren Auseinandersetzen mit den Fotos stellten wir fest, dass es sich größtenteils um die Darstellung<br />

von subtilem Rassismus handelt. Die Schüler/innen bezogen sich in ihren Arbeiten auf die<br />

herausgearbeiteten Zuordnungen zum Rassismusbegriff aus dem Brainstorming. Demnach zeigen die<br />

Bilder fast ausschließlich Diskriminierungsformen, denen nicht auf den ersten Blick Rassismus zugeschrieben<br />

wird.<br />

In der Euphorie des Fotografierens war bei den Schüler/innen oftmals der Hintergrund Rassismus vernachlässigt<br />

worden. Unterbewusst war ihnen die Thematik während des Fotografierens und der Bildbearbeitung<br />

präsent, was die Bilder stark beeinflusst hat. Dieser von uns gezogene Schluss bestätigte<br />

sich in den Interviews. Da es nicht unser Ziel war, Fotografien zu erhalten, die sofort erkennbaren Rassismus<br />

zeigen, kam uns diese Entwicklung in den Arbeitsphasen zu Gute. Die Bilder haben eine starke<br />

Aussagekraft und verdeutlichen alltäglichen Rassismus, von dem sich viele Menschen distanzieren.<br />

Rassismus, der häufig nicht gesehen, bzw. übersehen wird.<br />

6. Gesamtfazit des Projekts Bilderwelten<br />

Da wir auf verschiedenen Ebenen Schlussfolgerungen gezogen haben, ist das abschließende Fazit in<br />

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