Abschlussbericht - Praxislabor - Technische Universität Darmstadt
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nach 1945 kaum Thema. So fällt der Einzug der NPD in den baden-württembergischen Landtag 1968<br />
mit den ersten großen Studentenprotesten zusammen und zeigt, wie erst die nächste Generation zur<br />
ernsthaften Auseinandersetzung mit Nationalsozialismus, Holocaust und den Enteignungen und Verbrechen<br />
zwischen 1933 und 1945 drängte.<br />
Während der Wirtschaftswunderjahre waren zudem hunderttausende so genannte Gastarbeiter nach<br />
Deutschland gekommen, die nicht nur dem Begriff nach befristete Arbeitskräfte waren. Sie gründeten<br />
dennoch Familien mit Kindern und ließen sich in Deutschland nieder, weshalb heute von Arbeitsmigration<br />
gesprochen wird. Diese Zuwanderung trug zur Entstehung einer heterogenen Gesellschaft bei,<br />
die sich nun mit Integrationsfragen beschäftigen musste.<br />
Unter anderem führten verspätete und uneindeutige politische Strategien in der Folge zu gesellschaftlichen<br />
Ressentiments gegenüber Migrant/innen. Auch hier entstanden zu wenige Angebote, hier wurden<br />
und werden zu viele Handlungsmöglichkeiten nicht erkannt, so dass sich aus dem bereits vorhandenen<br />
Vorurteilen in Deutschland ein gefährliches politisches Klima entwickeln konnte. So kam es<br />
nach der Wiedervereinung Deutschlands anfangs der neunziger Jahre zu einer Welle rassistischer Gewaltverbrechen,<br />
die ihren Höhepunkt in den Ereignissen in Rostock-Lichtenhagen nahmen. Im August<br />
1992 kam es dort zu tagelangen Angriffen und zur Belagerung einer Aufnahmestelle für Asylbewerber,<br />
in deren Verlauf tausende Schaulustige den Verfolgungsszenen und Brandanschlägen auf das noch<br />
bewohnte Haus applaudierten.<br />
Viele Faktoren, von denen hier einige kurz genannt, andere ganz vernachlässigt wurden, belegen, dass<br />
rassistische Denkmuster in ihrer Kontinuität nach 1945 nicht ins Leere liefen, sondern vielmehr immer<br />
noch tief verwurzelt innerhalb der Gesellschaft sind. Immer wieder brechen Argumentationslinien<br />
durch, die ein rassistisches Grundmuster erkennen lassen, das im Zusammenhang einer geschichtlichen<br />
Entwicklung verstanden werden muss. Diese historischen Linien abstreitend, würde sich eine Auseinandersetzung<br />
mit Rassismus selbst entwerten.<br />
Seit 7 Jahren führt die <strong>Universität</strong> Bielefeld eine Langzeitstudie durch, die Haltungen von Gruppenbezogener<br />
Menschenfeindlichkeit erforscht. Die unter dem Titel Deutsche Zustände 10 jährlich zu einem<br />
Schwerpunktthema erscheinende Studie befasst sich mit rassistischen, antisemitischen Einstellungen<br />
genauso wie mit Geschlechterstudien. Schon im ersten Jahr 2002 waren die Zahlen, die in der Studie<br />
ermittelt wurden beunruhigend. Zur Verdeutlichung der historischen Kontinuität des Rassismus, sowie<br />
um zu verdeutlichen wie rassistische Meinungen in der Mitte der Gesellschaft vorhanden sind, einige<br />
Zahlen aus dieser Studie:<br />
Die Aussage Die Weißen sind zu recht führend in der Welt beantworteten 10,4 Prozent mit Stimme eher<br />
zu 6,0 Prozent mit Stimme voll und ganz zu.<br />
Die Aussage Es gibt Gruppen in der Bevölkerung, die weniger wert sind als andere beantworteten 9,1 Prozent<br />
mit Stimme eher zu 4,9 Prozent mit Stimme voll und ganz zu.<br />
Die Aussage Es leben zu viele Ausländer in Deutschland beantworteten 28,6 Prozent mit Stimme eher zu<br />
26,8 Prozent mit Stimme voll und ganz zu.<br />
Die Aussage Frauen sollen sich wieder mehr auf die Rolle der Ehefrau und Mutter besinnen beantworteten<br />
18,2 Prozent mit Stimme eher zu 11,2 Prozent mit Stimme voll und ganz zu. 11<br />
10<br />
11<br />
Heitmeyer, Wilhelm (Hrsg.): Deutsche Zustände, Frankfurt am Main 2002-2009.<br />
Zitiert nach: Ebd.: 2002. S.25f.<br />
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