Rechtsgrundlagen des Landschaftsschutzes - Provincia Autonoma ...

Rechtsgrundlagen des Landschaftsschutzes - Provincia Autonoma ... Rechtsgrundlagen des Landschaftsschutzes - Provincia Autonoma ...

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2 2.2. Autonome Provinz Bozen – Gemeinden Der Art. 16 des Autonomiestatuts für die Autonome Provinz Bozen sieht vor, dass auf jenen Sachgebieten, auf denen die Autonome Provinz Gesetzesbestimmungen erlassen kann – und darunter fallen sowohl Raumordnung als auch Landschaftsschutz –, auch die Verwaltungsbefugnisse von der Provinz ausgeübt werden (Parallelismus der Gesetzgebungs- und Verwaltungsbefugnis). In den bereits angeführten Landesgesetzen über die Raumordnung und den Landschaftsschutz findet sich jedoch eine konkrete Zuständigkeitsverteilung zwischen Autonomer Provinz und Gemeinden, derzufolge einige der Befugnisse in diesen Bereichen auf die Gemeinden übertragen sind. So sieht der Art. 3 Abs. 3 des Landschaftsschutzgesetzes Nr. 16/1970, was die landschaftliche Unterschutzstellung anbelangt, ein Initiativrecht der Gemeinde zur Unterschutzstellung (und im Sinne der actus contrarius-Regel) auch zur Abänderung oder Aufhebung derselben vor. Das diesbezügliche Verfahren sieht vor der endgültigen Unterschutzstellung durch die Landesregierung zudem eine Phase der Stellungnahme der jeweiligen Gemeinde vor. 38 Auch die Erteilung der Landschaftsschutzermächtigung ist mit Ausnahme bestimmter Eingriffstypologien und bestimmter landschaftlicher Schutzgüter gemäß Art. 25 des Landschaftsschutzgesetzes ausdrücklich dem Bürgermeister der jeweils zuständigen Gemeinde übertragen. Einem Urteil des Verfassungsgerichtshofs aus dem Jahr 2000 39 zufolge konnte der Landschaftsschutz nicht als eine in die Selbstverwaltung der Gemeinden fallende Materie angesehen werden. Die ausschließliche Ausübung der Befugnisse im Bereich der Urbanistik im Sinne der Gemeindeautonomie war demnach nicht dahingehend zu verstehen, dass sie auch den Landschaftsschutz erfasste. Die Gemeinden konnten allenfalls zur Erfüllung besonderer lokaler Bedürfnisse ergänzende oder strengere landschaftliche Bindungen in Bezug auf die bereits auf Landes- oder Staatsebene geschützten Güter vorsehen. 40 Das Verwaltungsgericht Bozen folgte dieser Rechtsprechung: Laut Urteil des Verwaltungsgerichts Bozen aus dem Jahr 2004 beschränke sich die Regelungsbefugnis der Landesbehörde im Bereich von landschaftlich geschützten Gebieten selbstredend auf Belange des Landschafts­ und Umweltschutzes und könne Einschränkungen zum Schutze dieser Belange vorschreiben. Selbstverständlich könne die Gemeindebehörde keine Maßnahmen treffen, die in Widerspruch zu dieser Schutzfunktion stehen. Dies schließe jedoch nicht aus, dass zum Schutze anderer öffentlicher Belange die Gemeindebehörde pflichtgemäß Aktivitäten, die auf dem Gemeindegebiet stattfinden, regelt, soweit sie nicht mit den umweltrechtlichen Schutzvorschriften der Landesbehörde kollidieren. So war es dem Gemeinderat nach Ansicht des Verwaltungsgerichts sicherlich gestattet, „im Interesse der Unversehrtheit der Bürger die Ausübung von Tätigkeiten auf dem Kalterer See zu regeln, soweit diese Regelung nicht dem landschaftlichen Schutzbedürfnis entgegenstand, dessen Befriedigung der Autonomen Provinz Bozen als oberster Landschaftsschutzbehörde fraglos zusteht. In diesem Sinne kommt das Verbot der Katamarane dem Schutzgedanken eher entgegen (wie alle Verbote in einem Schutzgebiet), als dass es ihm zuwiderläuft, weshalb schon von daher ein Widerspruch mit den Umweltvorschriften auszuschließen war.“ 41 38 Dies gilt für das Unterschutzstellungsverfahren gemäß Art. 3 des Landschaftsschutzgesetzes Nr. 16/1970. Im Falle der Anwendung des verkürzten Verfahrens gemäß Art. 3/bis des Landschaftsschutzgesetzes Nr. 16/1970 beschränkt sich die Teilnahme des Gemeinderats am Unterschutzstellungsverfahren auf die Begutachtung des Unterschutzstellungsvorschlags. Wenn die vom Gemeinderat im ausdrücklichen Einvernehmen mit den betroffenen Grundeigentümern vorgeschlagene Unterschutzstellung von der I. Landschaftsschutzkommission einstimmig angenommen wird, gilt die Unterschutzstellung nämlich bereits als genehmigt und bedarf keiner weiteren Stellungnahme seitens der Gemeinde. 39 Das Urteil erging demnach vor der Verfassungsreform im Jahre 2001. 40 „Pertanto, rispetto alle materie della tutela del bene culturale, del paesaggio e dell’ambiente non può configurarsi un assorbimento nei compiti comunali d’autogestione del territorio né tanto meno un’esclusività delle funzioni degli enti locali in forza della loro autonomia in campo urbanistico, potendo semmai il comune imporre, in relazione a particolari esigenze locali, vincoli aggiuntivi o più rigorosi riguardo ai beni già vincolati sul piano culturale o ambientale.“ Siehe: Verfassungsgerichtshof, Urteil vom 27.07.2000, Nr. 378. 41 Siehe: Verwaltungsgericht Bozen, Urteil vom 9.6.2004, Nr. 393/2004. Dieses Urteil erging nach In­Kraft­Treten der Verfassungsreform 2001. 44 Rechtsgrundlagen Landschaftsschutz.indd 44 20.11.2007 16:37:09 Uhr

Im Verhältnis Autonome Provinz Bozen-Südtirol – Gemeinde wird in Zukunft der Grundsatz der Gemeindeautonomie insgesamt wohl verstärkt Berücksichtigung finden. Schreibt der neu formulierte Art. 118 der Verfassung die Verwaltungsbefugnisse den Gemeinden zu, sofern sie nicht zur Gewährleistung einer einheitlichen Ausübung nach den Prinzipien der Subsidiarität, Differenzierung und Angemessenheit den Provinzen oder dem Staat übertragen werden, gelten in der Autonomen Provinz derzeit jedoch noch die Vorgaben und Zuständigkeitsaufteilungen gemäß Autonomiestatut. 3. Das verfassungsrechtliche Prinzip des Vorrangs des Landschaftsschutzes „Das Recht ist der Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetz der Freiheit in Einklang gebracht werden kann“ (Immanuel Kant) Gemäß Artikel 9 Absatz 2 der italienischen Verfassung (1948) schützt die italienische Republik die Landschaft und das geschichtliche und künstlerische Vermögen des Staates. Damit erhebt die oberste nationale Rechtsquelle den ästhetisch-kulturellen Wert einschließlich der Form und Gestalt der Landschaft zu einem vorrangigen Wert der Rechtsordnung und verpflichtet sämtliche öffentlichen Einrichtungen und insbesondre Staat und Regionen zum Schutze und zur Förderung dieses Wertes beizutragen. (Verfassungsgerichtshof) 42 Spätestens an dieser Stelle scheint eine Begriffsdefinition angebracht: Der „Landschaftsschutz“ fußt laut Rechtsprechung des obersten Verwaltungsgerichts (Staatsrat) 43 in erster Linie auf den ökologischen Schutzinteressen und damit letztlich auf der Erhaltung der Umwelt als einheitlichem Schutzgut, zusammengesetzt aus verschiedensten für das natürliche und menschliche Leben und die Gesundheit relevanten Aspekten. Er ist somit im weiten Sinne eines ökologischen und Umweltschutzes zu verstehen und steht dem Naturschutz äußerst nahe, insoweit dieser auch durch den Schutz ästhetisch-kultureller Interessen gekennzeichnet ist. 44 Insgesamt umfasst die Schutztätigkeit nicht nur die Erhaltung, sondern auch die Wiederherstellung der Landschaft. 45 42 „L’art. 9 cost. erige il valore estetico-culturale riferito (anche) alla forma del territorio a valore primario dell’or dinamento e correlativamente impegna tutte le pubbliche istituzioni, e particolarmente lo Stato e la Regione a concorrere alla tutela ed alla promozione del valore.“ Verfassungsgerichtshof, Urteil vom 21.12.1985, Nr. 359. 43 Siehe: Staatsrat, Plenarversammlung, Urteil vom 14.12.2001, Nr. 9. Wortgleich: Verfassungsgerichtshof, Urteil vom 21.12.1985, Nr. 359. 44 „La tutela del paesaggio va intesa nel senso lato della tutela ecologica e della conservazione dell’ambiente, ha una strettissima contiguità con la protezione della natura, in quanto contrassegnata da interessi estetico-culturali, ed è basata primariamente sugli interessi ecologici e quindi sulla difesa dell’ambiente come bene unitario, pur se composto da molteplici aspetti rilevanti per la vita naturale e umana e per la salute“. Siehe: Staatsrat, Plenarversammlung, Urteil vom 14.12.2001, Nr. 9. 45 „Non vale addurre la natura solo accertativa e non pretensiva del vincolo paesaggistico, principio non condiviso, in assoluto, dal legislatore provinciale (di Bolzano) che all’art. 1 della legge provinciale 16/1970 chiarisce che ‚per tutela della bellezza e del carattere dei paesaggi e siti‘ non va intesa solo la ‚conservazione‘ del paesaggio, ma anche il suo ‚restauro‘ e quindi il ripristino dello stesso.“ Siehe: Verwaltungsgericht Bozen, Urteil vom 01.09.2003, Nr. 377/2003. Berührungspunkte Raumordnung/Landschaftsschutz 45 Rechtsgrundlagen Landschaftsschutz.indd 45 20.11.2007 16:37:09 Uhr

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2.2. Autonome Provinz Bozen – Gemeinden<br />

Der Art. 16 <strong>des</strong> Autonomiestatuts für die Autonome Provinz Bozen sieht vor, dass auf jenen<br />

Sachgebieten, auf denen die Autonome Provinz Gesetzesbestimmungen erlassen kann – und<br />

darunter fallen sowohl Raumordnung als auch Landschaftsschutz –, auch die Verwaltungsbefugnisse<br />

von der Provinz ausgeübt werden (Parallelismus der Gesetzgebungs- und Verwaltungsbefugnis).<br />

In den bereits angeführten Lan<strong>des</strong>gesetzen über die Raumordnung und den Landschaftsschutz<br />

findet sich jedoch eine konkrete Zuständigkeitsverteilung zwischen Autonomer<br />

Provinz und Gemeinden, derzufolge einige der Befugnisse in diesen Bereichen auf die Gemeinden<br />

übertragen sind. So sieht der Art. 3 Abs. 3 <strong>des</strong> Landschaftsschutzgesetzes Nr. 16/1970,<br />

was die landschaftliche Unterschutzstellung anbelangt, ein Initiativrecht der Gemeinde zur Unterschutzstellung<br />

(und im Sinne der actus contrarius-Regel) auch zur Abänderung oder Aufhebung<br />

derselben vor. Das diesbezügliche Verfahren sieht vor der endgültigen Unterschutzstellung<br />

durch die Lan<strong>des</strong>regierung zudem eine Phase der Stellungnahme der jeweiligen Gemeinde vor. 38<br />

Auch die Erteilung der Landschaftsschutzermächtigung ist mit Ausnahme bestimmter Eingriffstypologien<br />

und bestimmter landschaftlicher Schutzgüter gemäß Art. 25 <strong>des</strong> Landschaftsschutzgesetzes<br />

ausdrücklich dem Bürgermeister der jeweils zuständigen Gemeinde übertragen.<br />

Einem Urteil <strong>des</strong> Verfassungsgerichtshofs aus dem Jahr 2000 39 zufolge konnte der Landschaftsschutz<br />

nicht als eine in die Selbstverwaltung der Gemeinden fallende Materie angesehen<br />

werden. Die ausschließliche Ausübung der Befugnisse im Bereich der Urbanistik im Sinne<br />

der Gemeindeautonomie war demnach nicht dahingehend zu verstehen, dass sie auch den<br />

Landschaftsschutz erfasste. Die Gemeinden konnten allenfalls zur Erfüllung besonderer lokaler<br />

Bedürfnisse ergänzende oder strengere landschaftliche Bindungen in Bezug auf die bereits<br />

auf Lan<strong>des</strong>- oder Staatsebene geschützten Güter vorsehen. 40 Das Verwaltungsgericht Bozen<br />

folgte dieser Rechtsprechung: Laut Urteil <strong>des</strong> Verwaltungsgerichts Bozen aus dem Jahr 2004<br />

beschränke sich die Regelungsbefugnis der Lan<strong>des</strong>behörde im Bereich von landschaftlich geschützten<br />

Gebieten selbstredend auf Belange <strong>des</strong> Landschafts­ und Umweltschutzes und könne<br />

Einschränkungen zum Schutze dieser Belange vorschreiben. Selbstverständlich könne die Gemeindebehörde<br />

keine Maßnahmen treffen, die in Widerspruch zu dieser Schutzfunktion stehen.<br />

Dies schließe jedoch nicht aus, dass zum Schutze anderer öffentlicher Belange die Gemeindebehörde<br />

pflichtgemäß Aktivitäten, die auf dem Gemeindegebiet stattfinden, regelt,<br />

soweit sie nicht mit den umweltrechtlichen Schutzvorschriften der Lan<strong>des</strong>behörde kollidieren.<br />

So war es dem Gemeinderat nach Ansicht <strong>des</strong> Verwaltungsgerichts sicherlich gestattet, „im Interesse<br />

der Unversehrtheit der Bürger die Ausübung von Tätigkeiten auf dem Kalterer See zu regeln,<br />

soweit diese Regelung nicht dem landschaftlichen Schutzbedürfnis entgegenstand, <strong>des</strong>sen<br />

Befriedigung der Autonomen Provinz Bozen als oberster Landschaftsschutzbehörde fraglos<br />

zusteht. In diesem Sinne kommt das Verbot der Katamarane dem Schutzgedanken eher entgegen<br />

(wie alle Verbote in einem Schutzgebiet), als dass es ihm zuwiderläuft, weshalb schon von<br />

daher ein Widerspruch mit den Umweltvorschriften auszuschließen war.“ 41<br />

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Dies gilt für das Unterschutzstellungsverfahren gemäß Art. 3 <strong>des</strong> Landschaftsschutzgesetzes Nr. 16/1970. Im<br />

Falle der Anwendung <strong>des</strong> verkürzten Verfahrens gemäß Art. 3/bis <strong>des</strong> Landschaftsschutzgesetzes Nr. 16/1970 beschränkt<br />

sich die Teilnahme <strong>des</strong> Gemeinderats am Unterschutzstellungsverfahren auf die Begutachtung <strong>des</strong> Unterschutzstellungsvorschlags.<br />

Wenn die vom Gemeinderat im ausdrücklichen Einvernehmen mit den betroffenen<br />

Grundeigentümern vorgeschlagene Unterschutzstellung von der I. Landschaftsschutzkommission einstimmig angenommen<br />

wird, gilt die Unterschutzstellung nämlich bereits als genehmigt und bedarf keiner weiteren Stellungnahme<br />

seitens der Gemeinde.<br />

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Das Urteil erging demnach vor der Verfassungsreform im Jahre 2001.<br />

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„Pertanto, rispetto alle materie della tutela del bene culturale, del paesaggio e dell’ambiente non può configurarsi<br />

un assorbimento nei compiti comunali d’autogestione del territorio né tanto meno un’esclusività delle funzioni<br />

degli enti locali in forza della loro autonomia in campo urbanistico, potendo semmai il comune imporre, in relazione<br />

a particolari esigenze locali, vincoli aggiuntivi o più rigorosi riguardo ai beni già vincolati sul piano culturale o<br />

ambientale.“ Siehe: Verfassungsgerichtshof, Urteil vom 27.07.2000, Nr. 378.<br />

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Siehe: Verwaltungsgericht Bozen, Urteil vom 9.6.2004, Nr. 393/2004. Dieses Urteil erging nach In­Kraft­Treten<br />

der Verfassungsreform 2001.<br />

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