Rechtsgrundlagen des Landschaftsschutzes - Provincia Autonoma ...

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5 ist) und auf der anderen Seite als Rekursinstanz (uneigentliche Rekursbehörde), die den diesbezüglichen Verfahrensbestimmungen unterliegt. Die Thematik verdient unter dem rechtlich­doktrinären Aspekt weitere Vertiefung: „Uneigentliche Aufsichtsbeschwerden“ – und um eine solche handelt es sich bei der Verwaltungsbeschwerde an das Kollegium – werden in der Rechtsliteratur als ausschließlich aufhebende Rechtsmittel verstanden. Letztere zielen stets und allein auf die Überprüfung des Verwaltungsakts der Behörde erster Instanz und dessen etwaige Aufhebung (rescissione) ab. Bei der uneigentlichen Aufsichtsbeschwerde handelt es sich demnach um eine reine Anfechtung des Aktes der ersten Entscheidungsinstanz, bei welcher die angerufene Rekursbehörde nicht die Angelegenheit unter dem substantiellen Aspekt überprüft, sondern die Streitsache dadurch zu lösen hat, dass sie die Begründetheit der Anfechtung und des Antrags auf Aufhebung des Verwaltungsakts feststellt. Die Annahme des Rekurses bringt die Rückgängigmachung des Verwaltungsakts mit sich, die Ablehnung die Verweigerung einer solchen. 120 Mit der Annahme eines gegen eine Ablehnung oder Genehmigung mit Bedingungen gerichteten Rekurses hebt das Kollegium für Landschaftsschutz – so die über 30­jährige Praxis – jedoch den Bescheid der Landschaftsschutzorgane erster Instanz (Bürgermeister, ab 2004 auch Direktor der Landesabteilung Natur und Landschaft) regelmäßig entweder aus meritorischen Gründen (in toto oder in parte qua) auf oder aber ersetzt denselben oder ändert ihn innerhalb des durch den Rekursantrag vorgegebenen thema decidendums ab und erlässt eine für die Genehmigungsinstanzen ersten Grades verbindliche Landschaftsschutzermächtigung. Es setzt sich somit bei der Fachentscheidung an die Stelle der Genehmigungsbehörde erster Instanz und nimmt eindeutig deren Begutachtungs- und Genehmigungsbefugnisse wahr. Dies entspricht nahezu dem Konzept einer „eigentlichen Aufsichtsbeschwerde“: Ein Teil der Rechtslehre vertritt hierzu, dass (eigentliche) hierarchische Rekursorgane über dieselben Befugnisse verfügen, die der Verwaltungsbehörde ersten Grades zustehen, und die eigentliche Aufsichtsbeschwerde als „quasi-erneuerndes“ Rechtsmittel zu verstehen sei. Die sog. erneuernden Rechtsmittel zielen auf eine erneute Prüfung dessen ab, was von der untergeordneten Behörde bereits überprüft und beschlossen wurde, und zwar losgelöst vom formalen angefochtenen Verwaltungsakt, der lediglich Bezugspunkt und den Rahmen der Entscheidung zweiter Instanz bildet. 121 Keine der beiden genannten doktrinären Figuren erfasst jedoch erschöpfend die dem Kollegium für Landschaftsschutz vom Landesgesetzgeber zugedachte landschaftlich-ästhetische Entschei dungsfunktion 122 , die einerseits in Ermangelung von Weisungsbefugnis des Kollegiums gegenüber den Landschaftsschutzorganen erster Instanz nicht als eigentliche Verwaltungsbeschwerde qualifiziert werden kann, andererseits den Rahmen der uneigentlichen Beschwerde bei weitem sprengt. Ist der Juristen Latein damit am Ende? Keineswegs: Die bei uneigentlichen Verwaltungsbeschwerden anzuwendenden Verfahrensnormen können von Fall zu Fall abweichen. In Ermangelung von Verfahrensvorschriften – und dies scheint bei der Aufsichtsbeschwerde an das Kollegium gegeben – finden jene der allgemeinen, d. h. eigentlichen hierarchischen, Aufsichtsbeschwerde Anwendung 123 , die in Anlehnung an den Artikel 5 des staatlichen D.P.R Nr. 1199/1971 auf Landesebene im Landestransparenzgesetz 124 ausdrücklich Regelung gefunden hat 125 : Stellt das Rekursorgan demnach fest, dass die Beschwerde nicht er- 120 Sandulli, Manuale di diritto amministrativo, S. 1241, S. 1211 unter Verweis auf Nigro, La decisione silenziosa di rigetto del ricorso gerarchico nel sistema dei ricorsi amministrativi, Firenze 1963. Siehe auch: Landi/Potenza, Manuale di diritto amministrativo, S. 622. 121 Sandulli, Manuale di diritto amministrativo, S. 1241 unter Verweis auf Nigro. Ein anderer Teil der Rechtslehre anerkennt die Befugnis der hierarchisch übergeordneten Behörde zur Aufhebung oder zur Ersetzung des Verwaltungsaktes erster Instanz nur im Falle meritorischer Entscheidungen. Siehe: Sandulli, Manuale di diritto amministrativo, S. 1241. 122 Vgl. hierzu: Alessi, Principi di diritto amministrativo, S. 114-118, 120. 123 Vgl. Landi/Potenza, Manuale di diritto amministrativo, S. 611-612. Siehe auch: Sandulli, Manuale di diritto amministrativo, S. 1257. 124 Art. 9 Abs. 11 des Landesgesetzes vom 22. Oktober 1993, Nr. 17. 125 Ob es sich beim dort vorgesehenen Rekurs an die Landesregierung tatsächlich um eine „eigentliche“ und nicht ebenfalls um eine „uneigentliche“ Verwaltungsbeschwerde an ein nicht weisungsbefugtes Organ handelt, bleibt zu untersuchen. 178 Rechtsgrundlagen Landschaftsschutz.indd 178 20.11.2007 16:37:25 Uhr

hoben werden durfte, so weist es diese als unzulässig zurück. Stellt es einen heilbaren Mangel fest, so setzt es dem Beschwerdeführer für dessen Behebung eine Frist. Sorgt dieser nicht für die Behebung, so erklärt es die Beschwerde für nicht weiter verfolgbar. Stellt das Kollegium hingegen fest, dass die Beschwerde meritorisch unbegründet ist, so weist es diese ab. Gibt es der Beschwerde aus anderen Rechtsgründen oder aus Sachgründen statt, so hebt es den Akt auf oder ändert ihn ab, sofern es nicht erforderlich ist, die Angelegenheit an das Organ, das den Akt erlassen hat, zurückzuweisen. Was die Problematik des urbanistischen Widerspruchs anbelangt, entspricht das Kollegium für Landschaftsschutz der oben zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichts Bozen durch eine meritorische Behandlung des Projekts unter landschaftlich-ästhetischen Aspekten unter Anfügung urbanistischer Bedenken, die den Bürgermeister davon abhalten (sollten), für das eingereichte Projekt die Baukonzession zu erlassen und sich damit wegen wissentlicher Verletzung urbanistischer Gesetzesbestimmungen etwaiger strafrechtlicher Ahndung auszusetzen. Der laut Bericht zum Gesetzesentwurf 1970 ursprünglich konzipierten Funktion des Kollegiums als „vor-gerichtliches Organ“, dem nicht nur die Sach-, sondern auch die Gesetzmäßigkeitskontrolle über Akte der für die Erteilung landschaftlicher Ermächtigungen zuständigen Verwaltungsbehörde zustehen sollte, kann damit weiterhin ausreichend Genüge geleistet werden. Die unter dem Aspekt einer allgemein zu verfolgenden Rechtssicherheit und Transparenz dennoch äußerst unbefriedigend erscheinende Verfahrensregelung könnte möglicherweise durch eine ausdrückliche Regelung im Art. 9 des Landschaftsschutzgesetzes optimiert werden. Das allgemeine System der Verwaltungsaufsichtsbeschwerden schließt eine derartige explizite Regelung spezifischer Verfahren für uneigentliche Aufsichtsbeschwerden auf Landesgesetzesebene nicht aus. Im November 2005 hat das Verwaltungsgericht Bozen jedoch auch bereits eine Entscheidung getroffen, welche die Zuständigkeit des Kollegiums für Landschaftsschutz für urbanistische grundsätzlich (wieder) anerkennt. Im betreffenden Urteil heißt es: „Der Art. 107 Abs. 13 des LG 13/1997 lässt einen Erhalt bzw. die Verlegung der Dienstwohnung als eigenständiges Wohnvolumen nicht zu und die Landschaftsschutzkommission bzw. das Kollegium für Landschaftsschutz haben gemäß Art. 8 des LG Nr. 16 vom 25.07.1970 sehr wohl die Möglichkeit auch die urbanistischen Voraussetzungen zu prüfen und die Ablehnung der Anträge auch aus diesen Gründen vorzuschlagen. Der angeführte Art. 8 Abs. 3 (des Landesgesetzes vom 25. Juli 1970, Nr. 16) besagt (nämlich) Folgendes: ,Falls angenommen werden kann, dass das Gesuch des Bauwerbers mit den vorgeschriebenen Unterlagen nicht den urbanistischen Vorschriften entspricht, stellt der zuständige Direktor der Landesabteilung Natur und Landschaft den Akt an den Bürgermeister der interessierten Gemeinde zurück‘.“ 126 (Exkurs Ende) Kritisch gegenüber dem Kollegium für Landschaftsschutz zeigte sich auch das Anfang 2004 gefasste Urteil des Verwaltungsgerichts Bozen: Das Kollegium hatte unter Bestätigung der Ablehnung des Bürgermeisters in seinem Ablehnungsbescheid festgehalten, „dass die Errichtung der Sonnenkollektoren direkt an der bestehenden Mauer anstatt auf einem Betonsockel am Fuße derselben, zudem mit einer stärkeren Neigung an einem besonders exponierten und eingesehenen Standort – der auch von weither einsehbar ist – eine schwerwiegende Beeinträchtigung des dortigen Landschaftsbildes von besonderem Wert darstellte. Zudem lagen nach Ansicht des Kollegiums keine zwingenden Gründe (für die Realisierung der Arbeiten laut vorgelegtem Projekt) vor, sodass es die Ansicht vertrat, dass im vorliegenden Fall alles unternommen werden müsse, um den unästhetischen und schwerwiegenden Eingriff auf das absolut erforderliche Mindestmaß zu reduzieren. Die Tatsache, dass die Wasserleitung ebendort vorbeiführt, stellte nach Ansicht des Kollegiums kein unüberwindbares Hindernis dar, um eine halbwegs tragbare Einfügung der vorgesehenen Sonnenkollektoren in das dortige Landschaftsbild von ganz besonderem Wert zu gewährlei- 126 Urteil des Verwaltungsgerichts Bozen vom 22.11.2005, Nr. 402/2005. Kollegium für Landschaftsschutz 179 Rechtsgrundlagen Landschaftsschutz.indd 179 20.11.2007 16:37:25 Uhr

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ist) und auf der anderen Seite als Rekursinstanz (uneigentliche Rekursbehörde), die den diesbezüglichen<br />

Verfahrensbestimmungen unterliegt.<br />

Die Thematik verdient unter dem rechtlich­doktrinären Aspekt weitere Vertiefung:<br />

„Uneigentliche Aufsichtsbeschwerden“ – und um eine solche handelt es sich bei der Verwaltungsbeschwerde<br />

an das Kollegium – werden in der Rechtsliteratur als ausschließlich aufhebende<br />

Rechtsmittel verstanden. Letztere zielen stets und allein auf die Überprüfung <strong>des</strong> Verwaltungsakts<br />

der Behörde erster Instanz und <strong>des</strong>sen etwaige Aufhebung (rescissione) ab. Bei<br />

der uneigentlichen Aufsichtsbeschwerde handelt es sich demnach um eine reine Anfechtung<br />

<strong>des</strong> Aktes der ersten Entscheidungsinstanz, bei welcher die angerufene Rekursbehörde nicht<br />

die Angelegenheit unter dem substantiellen Aspekt überprüft, sondern die Streitsache dadurch<br />

zu lösen hat, dass sie die Begründetheit der Anfechtung und <strong>des</strong> Antrags auf Aufhebung <strong>des</strong><br />

Verwaltungsakts feststellt. Die Annahme <strong>des</strong> Rekurses bringt die Rückgängigmachung <strong>des</strong> Verwaltungsakts<br />

mit sich, die Ablehnung die Verweigerung einer solchen. 120 Mit der Annahme eines<br />

gegen eine Ablehnung oder Genehmigung mit Bedingungen gerichteten Rekurses hebt das Kollegium<br />

für Landschaftsschutz – so die über 30­jährige Praxis – jedoch den Bescheid der Landschaftsschutzorgane<br />

erster Instanz (Bürgermeister, ab 2004 auch Direktor der Lan<strong>des</strong>abteilung<br />

Natur und Landschaft) regelmäßig entweder aus meritorischen Gründen (in toto oder in parte<br />

qua) auf oder aber ersetzt denselben oder ändert ihn innerhalb <strong>des</strong> durch den Rekursantrag<br />

vorgegebenen thema decidendums ab und erlässt eine für die Genehmigungsinstanzen ersten<br />

Gra<strong>des</strong> verbindliche Landschaftsschutzermächtigung. Es setzt sich somit bei der Fachentscheidung<br />

an die Stelle der Genehmigungsbehörde erster Instanz und nimmt eindeutig deren Begutachtungs-<br />

und Genehmigungsbefugnisse wahr. Dies entspricht nahezu dem Konzept einer „eigentlichen<br />

Aufsichtsbeschwerde“: Ein Teil der Rechtslehre vertritt hierzu, dass (eigentliche)<br />

hierarchische Rekursorgane über dieselben Befugnisse verfügen, die der Verwaltungsbehörde<br />

ersten Gra<strong>des</strong> zustehen, und die eigentliche Aufsichtsbeschwerde als „quasi-erneuern<strong>des</strong>“<br />

Rechtsmittel zu verstehen sei. Die sog. erneuernden Rechtsmittel zielen auf eine erneute Prüfung<br />

<strong>des</strong>sen ab, was von der untergeordneten Behörde bereits überprüft und beschlossen wurde,<br />

und zwar losgelöst vom formalen angefochtenen Verwaltungsakt, der lediglich Bezugspunkt<br />

und den Rahmen der Entscheidung zweiter Instanz bildet. 121<br />

Keine der beiden genannten doktrinären Figuren erfasst jedoch erschöpfend die dem Kollegium<br />

für Landschaftsschutz vom Lan<strong>des</strong>gesetzgeber zugedachte landschaftlich-ästhetische<br />

Entschei dungsfunktion 122 , die einerseits in Ermangelung von Weisungsbefugnis <strong>des</strong> Kollegiums<br />

gegenüber den Landschaftsschutzorganen erster Instanz nicht als eigentliche Verwaltungsbeschwerde<br />

qualifiziert werden kann, andererseits den Rahmen der uneigentlichen Beschwerde<br />

bei weitem sprengt. Ist der Juristen Latein damit am Ende? Keineswegs: Die bei<br />

uneigentlichen Verwaltungsbeschwerden anzuwendenden Verfahrensnormen können von Fall zu<br />

Fall abweichen. In Ermangelung von Verfahrensvorschriften – und dies scheint bei der Aufsichtsbeschwerde<br />

an das Kollegium gegeben – finden jene der allgemeinen, d. h. eigentlichen hierarchischen,<br />

Aufsichtsbeschwerde Anwendung 123 , die in Anlehnung an den Artikel 5 <strong>des</strong> staatlichen<br />

D.P.R Nr. 1199/1971 auf Lan<strong>des</strong>ebene im Lan<strong>des</strong>transparenzgesetz 124 ausdrücklich<br />

Regelung gefunden hat 125 : Stellt das Rekursorgan demnach fest, dass die Beschwerde nicht er-<br />

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Sandulli, Manuale di diritto amministrativo, S. 1241, S. 1211 unter Verweis auf Nigro, La decisione silenziosa<br />

di rigetto del ricorso gerarchico nel sistema dei ricorsi amministrativi, Firenze 1963. Siehe auch: Landi/Potenza,<br />

Manuale di diritto amministrativo, S. 622.<br />

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Sandulli, Manuale di diritto amministrativo, S. 1241 unter Verweis auf Nigro. Ein anderer Teil der Rechtslehre<br />

anerkennt die Befugnis der hierarchisch übergeordneten Behörde zur Aufhebung oder zur Ersetzung <strong>des</strong> Verwaltungsaktes<br />

erster Instanz nur im Falle meritorischer Entscheidungen. Siehe: Sandulli, Manuale di diritto amministrativo,<br />

S. 1241.<br />

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Vgl. hierzu: Alessi, Principi di diritto amministrativo, S. 114-118, 120.<br />

123<br />

Vgl. Landi/Potenza, Manuale di diritto amministrativo, S. 611-612. Siehe auch: Sandulli, Manuale di diritto amministrativo,<br />

S. 1257.<br />

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Art. 9 Abs. 11 <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>gesetzes vom 22. Oktober 1993, Nr. 17.<br />

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Ob es sich beim dort vorgesehenen Rekurs an die Lan<strong>des</strong>regierung tatsächlich um eine „eigentliche“ und nicht<br />

ebenfalls um eine „uneigentliche“ Verwaltungsbeschwerde an ein nicht weisungsbefugtes Organ handelt, bleibt zu<br />

untersuchen.<br />

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