Rechtsgrundlagen des Landschaftsschutzes - Provincia Autonoma ...
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5 3. Die rechtliche Qualifizierung der Verwaltungsbeschwerde an das Kollegium Ein Gerichtsverfahren ist dadurch gekennzeichnet, dass ein von den auf derselben Ebene stehenden Streitparteien und den betroffenen Interessen vollkommen unabhängiger Richter im Rahmen der von der Rechtsordnung vorgesehenen Verfahren und unter Berücksichtigung der objektiven und übergeordneten Interessen der staatlichen Gemeinschaft Recht spricht. Die Funktion der Verwaltungsbeschwerde besteht demgegenüber grundsätzlich und hauptsächlich darin, strittige Angelegenheiten, die direkt oder indirekt Interessen der öffentlichen Verwaltung berühren, innerhalb der Verwaltung selbst einer möglichen Klärung zuzuführen, bevor ein Gerichtsverfahren angestrengt wird. In diesem Sinne überprüft bei den Verwaltungsbeschwerden ein der Verwaltung zugehöriges Organ die eingebrachten Beschwerdegründe, wobei das besondere, auch Rechtserwägungen folgende (öffentliche) Interesse der Verwaltung selbst, Berücksichtigung finden kann. Damit ist ein System des Schutzes im Verwaltungswege (forma di autodichìa) geschaffen. 62 Unabhängig von der unter Kapitel 1 dargelegten Fragestellung der Endgültigkeit der Ablehnungsbescheide oder landschaftlichen Genehmigung mit Bedingungen seitens des Bürgermeisters und der damit verbundenen unmittelbaren Anfechtungsmöglichkeit vor der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist zunächst zu untersuchen, inwieweit es sich bei der Beschwerde im Verwaltungswege an das Kollegium für Landschaftsschutz tatsächlich um eine „eigentliche Aufsichtsbeschwerde“ (ricorso gerarchico) im technischen Sinne handelt. Diese ist nämlich per Definition ein allgemeines Rechtsmittel, das ein hierarchisches Verhältnis, d. h. eine Verwaltungsrangordnung zwischen jenem Organ, das den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, und dem Rekursorgan voraussetzt. 63 Eine für ein solches Hierarchieverhältnis charakteristische Weisungsbefugnis des Kollegiums für Landschaftsschutz gegenüber den Landschaftsschutzbehörden erster Instanz (Bürgermeister – Gemeindebaukommission, ab 2004 auch Direktor der Abteilung Natur und Landschaft – II. Landschaftsschutzkommission) ist jedoch in Ermangelung einer diesbezüglichen ausdrücklichen gesetzlichen Kompetenzzuweisungsnorm auszuschließen. Vielmehr scheint die Bindungswirkung von Rekursentscheidungen des Kollegiums gegenüber den Landschaftsschutzbehörden erster Instanz allein auf den jeweiligen konkret bewerteten Fall beschränkt. Dennoch wurde die hierarchische Überordnung des Kollegiums für Landschaftsschutz über die bei der Landesabteilung Natur und Landschaft angesiedelte II. Landschaftsschutzkommission vom Verwaltungsgericht Bozen im Jahr 1994 ausdrücklich bestätigt. 64 Genanntes Hierarchieverhältnis ist hierbei mehr als juridischformales, weniger als fachliches zu verstehen, handelt es sich doch sei es bei der Landschaftsschutzkommission, sei es beim Kollegium um jeweils mit technischen Experten besetzte Gremien. Eine von der eigentlichen hierarchischen Rekursinstanz verschiedene und wohl treffendere Qualifizierung des Kollegiums, und zwar als „uneigentliche“ Aufsichtsbehörde (ricorso gerarchico improprio), die über das Rechtsmittel der Beschwerde entscheiden soll und dabei nicht an die Rechtsauffassung der untergeordneten Behörde (Bürgermeister, II. Landschaftsschutzkommission) gebunden sei, bescheinigte hingegen ein Urteil desselben Verwaltungsgerichts im Jahr 2000. 65 Tatsächlich handelt es sich bei der „uneigentlichen“ Verwaltungsbeschwerde um ein Rechtsmittel, das kein hierarchisches, also Über- und Unterordnungsverhältnis voraussetzt, dabei aber nur in den vom Gesetz ausdrücklich und taxativ vorgesehenen Fällen zulässig ist 66 . Da wie bei der „eigentlichen“ auch bei der „uneigentlichen“ Verwaltungsbeschwerde sowohl Rechtsmängel (Unzuständigkeit, Gesetzesverletzung, Befugnisüberschreitung) als auch sach- 62 Sandulli, Manuale di diritto amministrativo, S. 1205. 63 Art. 1 des D.P.R. Nr. 1199/1971. Vgl. auch: Renato Alessi, Principi di diritto amministrativo, S. 115. Oder auch: Sandulli, Manuale di diritto amministrativo S. 1210 – 1211. 64 Urteil des Verwaltungsgerichts Bozen vom 08.11.1995, Nr. 225/95, mit welchem ein im November bzw. Dezember 1992 eingereichter Rekurs entschieden wurde. 65 Urteil des Verwaltungsgerichts Bozen vom 6.03.2000, Nr. 60/2000. 66 Art. 1 Absatz 2 des D.P.R. Nr. 1199/1971 166 Rechtsgrundlagen Landschaftsschutz.indd 166 20.11.2007 16:37:23 Uhr
liche (meritorische) Mängel (Zweckmäßigkeit) vorgebracht bzw. geltend gemacht werden können, zeigt sich die Einstufung des Rekursorgans Kollegium in der Systematik der Rechtslehre unter diesem Gesichtspunkt von untergeordneter Bedeutung. Aus der Einstufung als hierarchisches oder „uneigentlich hierarchisches“ Rekursorgan ergibt sich jedoch ein nicht unwesentlich unterschiedlicher Entscheidungsspielraums des Kollegiums selbst, worauf noch zurückgekommen wird. 67 Die Qualifizierung des Kollegiums als Rekursorgan für uneigentliche Aufsichtsbeschwerden, das nicht nur eine hierarchisch übergeordnete Stelle derselben Verwaltung darstellt, unterstreicht jedenfalls formal die Unparteilichkeit des Kollegiums für Landschaftsschutz gegenüber den Landschaftsschutzbehörden ersten Grades (Bürgermeister und ab 2004 auch Direktor der Abteilung Natur und Landschaft). Dieser Ansatz erscheint durch die Ansiedlung des Kollegiums bei der Landesabteilung Natur und Landschaft nur formal relativiert, zumindest was die Anfechtung von Bescheiden der Landesabteilung für Natur und Landschaft selbst betrifft, insofern, als das Kollegium nach erfolgter Ernennung durch die Landesregierung keiner wie auch immer gearteten Weisungsbefugnis unterliegt. Im ersten Ernennungsbeschluss 68 für das Kollegium für Landschaftsschutz wurde weiters festgehalten, dass die Landesregierung sich in jene Gerichtsverfahren einlässt, die gegen Entscheidungen des Kollegiums für Landschaftsschutz an gestrengt werden sollten. Auch dieses Faktum betont eine funktionale Zugehörigkeit des Kolle giums zur Landesverwaltung, beinhaltet aber auch die Tatsache, dass sich die Fachentscheidungen des Kollegiums im Falle gerichtlicher Anfechtung von der obersten Landesbehörde zu Eigen gemacht werden. Mit der laut Art. 90 des 2. Autonomiestatuts bis zum 20.01.1974 vorgesehenen, letztlich nach Erlass der diesbezüglichen Durchführungsbestimmung im Jahr 1984 69 jedoch erst am 20. März 1989 erfolgten Einrichtung des Verwaltungsgerichts Bozen 70 stellte sich die grundsätzliche Frage, ob das Kollegium für Landschaftsschutz als vor-gerichtliche Rekursinstanz beibehalten werden solle. Eine Abschaffung des – im Gegensatz zum Verwaltungsgericht – auch für fachliche Ermessensfragen 71 , sprich klassische Sachurteile, allgemein zuständigen Rekursorgans zeigte sich jedoch bislang offensichtlich nicht zweckmäßig. In diesem Sinne stand und steht das Kollegium für Landschaftsschutz weiterhin als Entscheidungsgremium „zweiten Grades“ im Falle von landschaftlich-ästhetisch begründeten Ablehnungen und Genehmigungen mit Bedingungen der Genehmigungsbehörden erster Instanz (Bürgermeister, Direktor der Landesabteilung Natur und Landschaft) zur Verfügung. 67 Siehe die näheren Ausführungen hierzu unter Kapitel 6, Exkurs. 68 Beschluss des Landesausschusses vom 12.10.1970, Nr. 2969. 69 Dekret des Präsidenten der Republik vom 6. April 1984, Nr. 426 („Durchführungsbestimmungen zum Sonderstatut für Trentino-Südtirol über die Errichtung des Regionalen Verwaltungsgerichtes Trient und der Autonomen Sektion Bozen“), veröffentl. im Gesetzesanzeiger der Republik vom 8. August 1984, Nr. 217. 70 Roland Riz / Esther Happacher Brezinka, Grundzüge des italienischen Verfassungsrechts unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Aspekte der Südtiroler Autonomie, Innsbruck 2004 2 , S. 330. Siehe auch: Lukas Bonell / Ivo Winkler: Südtirols Autonomie. Beschreibung der autonomen Gesetzgebungs- und Verwaltungszuständigkeiten des Landes Südtirol, Bozen 20006, S. 349. 71 Siehe diesbezüglich die in Kapitel 6 angeführten Urteile der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Kollegium für Landschaftsschutz 167 Rechtsgrundlagen Landschaftsschutz.indd 167 20.11.2007 16:37:23 Uhr
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Ein Gerichtsverfahren ist dadurch gekennzeichnet, dass ein von den auf derselben Ebene stehenden<br />
Streitparteien und den betroffenen Interessen vollkommen unabhängiger Richter im<br />
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objektiven und übergeordneten Interessen der staatlichen Gemeinschaft Recht spricht. Die<br />
Funktion der Verwaltungsbeschwerde besteht demgegenüber grundsätzlich und hauptsächlich<br />
darin, strittige Angelegenheiten, die direkt oder indirekt Interessen der öffentlichen Verwaltung<br />
berühren, innerhalb der Verwaltung selbst einer möglichen Klärung zuzuführen, bevor ein Gerichtsverfahren<br />
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ein der Verwaltung zugehöriges Organ die eingebrachten Beschwerdegründe, wobei das besondere,<br />
auch Rechtserwägungen folgende (öffentliche) Interesse der Verwaltung selbst, Berücksichtigung<br />
finden kann. Damit ist ein System <strong>des</strong> Schutzes im Verwaltungswege (forma di autodichìa)<br />
geschaffen. 62<br />
Unabhängig von der unter Kapitel 1 dargelegten Fragestellung der Endgültigkeit der Ablehnungsbescheide<br />
oder landschaftlichen Genehmigung mit Bedingungen seitens <strong>des</strong> Bürgermeisters<br />
und der damit verbundenen unmittelbaren Anfechtungsmöglichkeit vor der Verwaltungsgerichtsbarkeit<br />
ist zunächst zu untersuchen, inwieweit es sich bei der Beschwerde im<br />
Verwaltungswege an das Kollegium für Landschaftsschutz tatsächlich um eine „eigentliche Aufsichtsbeschwerde“<br />
(ricorso gerarchico) im technischen Sinne handelt. Diese ist nämlich per Definition<br />
ein allgemeines Rechtsmittel, das ein hierarchisches Verhältnis, d. h. eine Verwaltungsrangordnung<br />
zwischen jenem Organ, das den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, und<br />
dem Rekursorgan voraussetzt. 63 Eine für ein solches Hierarchieverhältnis charakteristische Weisungsbefugnis<br />
<strong>des</strong> Kollegiums für Landschaftsschutz gegenüber den Landschaftsschutzbehörden<br />
erster Instanz (Bürgermeister – Gemeindebaukommission, ab 2004 auch Direktor der Abteilung<br />
Natur und Landschaft – II. Landschaftsschutzkommission) ist jedoch in Ermangelung<br />
einer diesbezüglichen ausdrücklichen gesetzlichen Kompetenzzuweisungsnorm auszuschließen.<br />
Vielmehr scheint die Bindungswirkung von Rekursentscheidungen <strong>des</strong> Kollegiums gegenüber<br />
den Landschaftsschutzbehörden erster Instanz allein auf den jeweiligen konkret bewerteten Fall<br />
beschränkt. Dennoch wurde die hierarchische Überordnung <strong>des</strong> Kollegiums für Landschaftsschutz<br />
über die bei der Lan<strong>des</strong>abteilung Natur und Landschaft angesiedelte II. Landschaftsschutzkommission<br />
vom Verwaltungsgericht Bozen im Jahr 1994 ausdrücklich bestätigt. 64 Genanntes<br />
Hierarchieverhältnis ist hierbei mehr als juridischformales, weniger als fachliches zu<br />
verstehen, handelt es sich doch sei es bei der Landschaftsschutzkommission, sei es beim Kollegium<br />
um jeweils mit technischen Experten besetzte Gremien.<br />
Eine von der eigentlichen hierarchischen Rekursinstanz verschiedene und wohl treffendere<br />
Qualifizierung <strong>des</strong> Kollegiums, und zwar als „uneigentliche“ Aufsichtsbehörde (ricorso gerarchico<br />
improprio), die über das Rechtsmittel der Beschwerde entscheiden soll und dabei nicht an die<br />
Rechtsauffassung der untergeordneten Behörde (Bürgermeister, II. Landschaftsschutzkommission)<br />
gebunden sei, bescheinigte hingegen ein Urteil <strong>des</strong>selben Verwaltungsgerichts im Jahr<br />
2000. 65 Tatsächlich handelt es sich bei der „uneigentlichen“ Verwaltungsbeschwerde um ein<br />
Rechtsmittel, das kein hierarchisches, also Über- und Unterordnungsverhältnis voraussetzt, dabei<br />
aber nur in den vom Gesetz ausdrücklich und taxativ vorgesehenen Fällen zulässig ist 66 . Da<br />
wie bei der „eigentlichen“ auch bei der „uneigentlichen“ Verwaltungsbeschwerde sowohl<br />
Rechtsmängel (Unzuständigkeit, Gesetzesverletzung, Befugnisüberschreitung) als auch sach-<br />
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Sandulli, Manuale di diritto amministrativo, S. 1205.<br />
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Art. 1 <strong>des</strong> D.P.R. Nr. 1199/1971. Vgl. auch: Renato Alessi, Principi di diritto amministrativo, S. 115. Oder auch:<br />
Sandulli, Manuale di diritto amministrativo S. 1210 – 1211.<br />
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Urteil <strong>des</strong> Verwaltungsgerichts Bozen vom 08.11.1995, Nr. 225/95, mit welchem ein im November bzw. Dezember<br />
1992 eingereichter Rekurs entschieden wurde.<br />
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Urteil <strong>des</strong> Verwaltungsgerichts Bozen vom 6.03.2000, Nr. 60/2000.<br />
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