Der Dokumentationsband als PDF - Kirche im Aufbruch ...
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gesellschaftliche Lage, in der sich die <strong>Kirche</strong><br />
derzeit befindet, nicht genau zu treffen. Es ist<br />
richtig, es gibt ein neues Interesse an Religion,<br />
eine weit verbreitete Bejahung christlicher<br />
Erziehung und religiösen Unterrichts, eine<br />
Akzeptanz der christlichen Tradition und der<br />
Sichtbarkeit der <strong>Kirche</strong>n in der Gesellschaft,<br />
einen Bedarf für kirchliche Begleitung in<br />
gesellschaftlichen Krisensituationen und<br />
persönlichen Lebenswenden (Kasualien), aber<br />
sowohl die Verbundenheit mit der <strong>Kirche</strong> und<br />
die Beteiligung an ihren Kernangeboten sind<br />
langfristig rückläufig <strong>als</strong> auch die Zust<strong>im</strong>mung<br />
zu christlichen Glaubensaussagen<br />
einschließlich des Glaubens an Gott nehmen<br />
ab. Die Mehrheit der <strong>Kirche</strong>nmitglieder steht<br />
in großer Distanz zur <strong>Kirche</strong>, und die Bereitschaft<br />
zum ehrenamtlichen Engagement hält<br />
sich in engen Grenzen. Die Zahl der Konfessionslosen,<br />
aber auch der religiös Indifferenten<br />
ist <strong>im</strong> Wachsen begriffen. Aus einer solchen<br />
Situationsdiagnose lässt sich nur wenig<br />
Hoffnung auf eine Umkehr des dominanten<br />
Trends, wie sie das Impulspapier erreichen<br />
will, gewinnen.<br />
b) Besitzt das Impulspapier die Fähigkeit, der<br />
nüchternen Wirklichkeitsanalyse ihr eigenes<br />
Recht zu geben, oder subsumiert es die<br />
vorgenommenen diagnostischen Einsichten<br />
vorschnell unter theologische Therapievorstellungen?<br />
Ich denke, Letzteres ist der Fall.<br />
Wenn ein umfassender Mentalitätswandel<br />
angemahnt wird, wenn für eine Schärfung des<br />
protestantischen Profils, für Konzentration,<br />
Aufbrechen überkommener Strukturen und<br />
Außenorientierung plädiert wird, dann tut<br />
man so, <strong>als</strong> wüsste man, was das Nottuende<br />
ist, bevor denn die Analyse der Situation in der<br />
erforderlichen Intensität und Differenziertheit<br />
durchgeführt worden ist. Aber auch diejenigen,<br />
die vor uns das Steuer des <strong>Kirche</strong>nschiffes<br />
in Händen hielten, waren nicht einfach<br />
uninspirierte und situationsvergessene<br />
Dummköpfe. Warum sollte es mit der <strong>Kirche</strong><br />
besser werden, wenn wir es anders machen<br />
<strong>als</strong> sie? Die behauptete Notwendigkeit der<br />
Kurskorrektur ist geboren aus der Einsicht in<br />
die dramatischen Folgen einer kontinuierlichen<br />
Fortschreibung des gegenwärtigen<br />
Kurses. Aber woher nehmen die Verfasser des<br />
Papiers die Hoffnung, dass es durch einen<br />
Kurswechsel besser wird <strong>als</strong> bisher? Mit einer<br />
mutigen Vision springen sie weit nach vorn.<br />
Aber vielleicht ist es in der gegenwärtigen<br />
Situation ja verheißungsvoller, nicht auf<br />
Profilierung, Konzentration, Strukturwandel<br />
und Außenorientierung, sondern auf Diffusion,<br />
Entspezifizierung, Strukturerhaltung und<br />
Selbstbewahrung zu setzen? Angesichts<br />
komplexer und differenzierter werdender<br />
gesellschaftlicher Verhältnisse ist es ebenso<br />
wichtig, ein unterscheidbares Profil auszubilden<br />
wie mannigfaltige Anknüpfungspunkte<br />
zur Gesellschaft herzustellen, sich zu<br />
konzentrieren wie die Kontaktflächen zur<br />
Gesellschaft zu verbreitern, Strukturen<br />
preiszugeben wie das, was es an überlieferten<br />
Arbeitsformen gibt, zu erhalten, sich nach<br />
außen zu wenden wie nach innen und die<br />
eigenen Arbeitsformen zu reflektieren, zu<br />
kontrollieren und zu opt<strong>im</strong>ieren. Theologische<br />
Zielvorstellung und gesellschaftliche Analyse<br />
fallen sich vorschnell in die Arme.<br />
c) Differenziert das Impulspapier deutlich genug<br />
zwischen dem, was die <strong>Kirche</strong> beeinflussen<br />
kann, und dem, was ihren Handlungsmöglichkeiten<br />
verschlossen bleibt? Wenn der Hoffnung<br />
Nahrung gegeben wird, dass es möglich<br />
sei, gegen den Trend zu wachsen, so scheint<br />
dieser Differenzierung nur unzureichend<br />
Rechnung getragen zu sein. Wenn die evangelischen<br />
<strong>Kirche</strong>n in den letzten drei Jahrzehnten<br />
bis auf wenige Ausnahmen (Weihnachtsgottesdienstbesuch,<br />
Wiedereintritte) <strong>im</strong> Wesentlichen<br />
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